Rainer Allgaier

Theater- und Filmkritiken

  • Theaterkritiken
  • Filmkritiken
  • Berlinale
  • Rainer Allgaier
  • Impressum
  • Datenschutz
  • Theaterkritiken
  • Filmkritiken
  • Berlinale
  • Rainer Allgaier
  • Impressum
  • Datenschutz

Monat: März 2015

Düsterer Machtkampf: ‚Leviathan‘ von Andrey Zvyagintsev****

19. März 2015FilmkritikenNo Comments

Ein Küstenort mit Hafen und Fischfabrik im Norden Russlands an der Berentssee. Schroffe Felsenklippen, staubige Landstraßen. Kolja (Aleksey Serebryakov) betreibt eine kleine Autowerksatt im Keller seines Hauses, das in der Nähe einer langen Brücke über einen Meereszufluß liegt. Doch der raffgierige Bürgermeister (Roman Madyanov) will Haus und Grundstück enteignen, angeblich zugunsten eines gemeinnützigen Projektes. Kolja wehrt sich vor Gericht, verliert und auch sein Widerspurch wird bürokratisch abgelehnt. Er bittet seinen Freund Dimitri (Vladimir Vdovichenkov), einen angesehenen Anwalt aus Moskau, um Hilfe. Als auch dessen Eingaben und Anträge von der Justiz abgeschmettert werden, versuchen Kolja und Dimitri, der entsprechende Unterlagen in Moskau zusammengetragen hat, den Bürgermeister mit dessen dubioser Vergangenheit zu erpressen. Doch der schlägt brutal zurück: Dimitri wird körperlich mißhandelt und flieht zurück nach Moskau. Auch in Koljas kleiner Familie kommt es zur Katastrophe, als er entdecken muß, dass seine (zweite) Frau Lilia (Elena Lyadoa) ein kurzes Verhältnis mit Dimitri unterhalten hat und der halbwüchsiger Sohn Roma (Sergey Pokhadaev) sich offen gegen seine (Stief-)Mutter stellt. Elena verschwindet, wird einige Tage später als Leiche aus dem Meer gefischt, wobei offen bleibt: Unfall, Selbsttötung oder Mord.  Kolja wird jedoch durch Indizien (falschen oder echten?) als ihr angeblicher Mörder verurteilt und sein Haus eingerissen – der Bürgermeister, immer im Verbund mit Polizei, Justiz und Kirche, hat sein Ziel erreicht.
Der russische Regisseur Andrey Zvyagintsev erzählt diesen düster-traurigen Machtkampf zwischen Bürger und Staat vor grandioser, fast bedrohlicher Naturkulisse: den kargen, rauhen Küstenlandschaften, den meist tiefhängenden Wolken und dem starken, ständigen Brausen des Meeres. Die Menschen leben in bescheidenen Verhältnissen, auch wenn Autos und Smartphones selbstverständlich sind. Der ärmliche Alltag wird bestimmt, geregelt und überwacht von der staatlichen Verwaltung, der Polizei und Justiz, Korruption spielt dabei die wichtigste Rolle.
Wer sich fügt, der überlebt, wer widerspricht, geht unter.
Geschickt balanciert der Film zwischen politischen und privaten Verhältnissen, so daß er nicht als platte Parabel auf den heutigen Staat Putins gelesen werden kann, dessen Konterfei in allen Amtsstuben präsent ist. Doch der deprimierende Schluß, in dem die Gemeinheit des Bürgermeisters, die Willfähigkeit und Unterwürfigkeit von Koljas und Elenas angeblichen Freunden sowie die fatal-zwielichtige Macht der Kirche triumphieren und allgemein akzeptiert werden, zeigt die scharfe Kritik und Abrechnung des Regisseurs (und wohl auch seines hervorragenden Darstellerteams) mit Staat und Gesellschaft im gegenwärtigen Russland.
Das bleiche Knochen-Skelett eines reisigen Walfischs im flachen Wasser, der halbwüchsiche Sohn auf einen Felsenbrocken daneben, das Gesicht in den Händen verborgen: eines der starken Bilder, die die Verknöcherung einer Gesellschaft und die Hoffnungslosigkeit der Jugend ebenso deutlich werden lassen wie sie von der allgegenwärtigen Übermacht des Staates erzählen, dem bedrückenden Reich des modernen „Leviathan“.

Poster/Verleih: Wild Bunch Germany

zu sehen: Filmtheater am Friedrichshain (OmU u.dt.); fsk (OmU); Krokodil (OmU); Kant-Kino, Cinema Paris (So Matinée)

Luxus-Kaufhaus als Liebes-Tempel: ‚Alcina‘ im Staatstheater Cottbus****

16. März 2015TheaterkritikenNo Comments

Die Zauberin Alcina, wohnhaft auf einer glücklichen Insel, verwandelt ihre abgelegten Liebhaber in Steine, Pflanzen oder Tiere. Zur Zeit hat sie den Ritter Ruggiero in ihren Bann geschlagen. Doch dessen Verlobte Bradamante gelingt es – verkleidet als Mann – durch ‚Schock-Therapie‘, Ruggiero von seinem Liebeswahn zu befreien, Alcinas Macht zu besiegen und auch die verwandelten Ex-Geliebten der Magierin zu erlösen – Ende gut, Alles gut.
Aus dieser Episode des Renaissance-Epos „Orlando Furioso“ schuf Georg Friedrich Händel eine italienische Oper, die er 1735 mit großem Erfolg in seinem Londoner Theater am Haymarket uraufgeführte. Ein Werk, ganz in der Theater-Form des Barock, in der neben allerlei szenischen Effekten die strenge Abfolge von (fast) ausschließlich Arien bestimmend war – Steilvorlagen für virtuose Sänger. Später wirkte diese Konzentration auf die Aneianderreihung von Solo-Nummern uninteressant und geriet in Vergessenheit. Erst heute wird diese barocken Opern wieder geschätzt – zum einen weil sie Sängern ermöglicht, sich virtuos zu präsentieren, zum andern weil sie Regisseuren großen Freiraum für szenische Fantasie lässt.
Beide Vorgaben weiß die neue und erste Aufführung von Händels „Alcina“ am Staatstheater Cottbus geschickt zu nutzen.
Der junge, englische Regisseur Sam Brown und seine vortrefflichen Ausstatter (Bühne: Simon Holdsworth, Kostüme: Ilona Karas) verlegen Alcinas mittelalterlichen Liebestempel in ein hyper-elegantes Kaufhaus namens ‚Elysium‘ zur Zeit der wilden „Roaring Twenthies“. Alcina ist die Herrscherin über luxuriöseste Waren und Heerscharen von Personal, der geliebte Ruggiero brilliert als hochmodischer Porträt-Fotograf. Inmitten des Kaufhaus-Gewusels gelingt es der verkleideten Bradamante (schicker, brauner Hosen-Anzug) und ihrem etwas steifen Anwalt-Begleiter, ein solches Durcheinander zu veranstalten, daß am Ende nach knapp drei turbulenten Stunden Alcina entnervt zusammenbricht und die verzauberten Liebhaber – in Käfigen eingesperrte Ballett-Gespenster – fröhlich in den Happy-End-Jubel miteinstimmen können.
Gesungen wird in Cottbus durchweg vorzüglich. Marlene Lichtenberg ist eine mezzo-glänzende, flinke Bradamante und Alexander Geller (trotz Erkältung) ein attraktiver Ruggiero mit hell-timbrierten Tenor (bei Händel einst eine Kastratenrolle). In der Titelrolle der Alcina beeindruckt im eleganten Chanel-Kostüm die junge Leila Salomé Fischer (als Gast) durch einen klar geführten Sopran mit schön-perlender Koloratur und eindringlich-intensiven Spiel. Auch das übrige Ensemble (darunter am Premierenabend Debra Stanley, Dirk Kleinke, Jeannette Wernecke und Ingo Witzke) zeigt sich in komödiantischer Hochform, während der Chor mehr als Kaufhaus-Komparserie in vielfältigen, stummen Mini-Rollen denn als wohlklingendes Ensemble in Erscheinung treten darf. Ivo Hentschel, der neue Kapellmeister, und die Musiker des Orchesters unterstützen die Sänger bei ihren (oft schwierigen) Arien bestens, klangschön mit wenig Vibrato und durchweg schwungvoll.
Ein schöner Beweis für die künstlerische Leistungskraft des Cottbusser Theaters.

Foto: Marlies Kross/ Staatstheater Cottbus

nächste Vorstellungen: 22.März/02.u.14.April/01.Mai/03.Juni 2015

Operetten-Traviata: ‚La Rondine‘ in der Deutschen Oper Berlin***

13. März 2015TheaterkritikenNo Comments

Kurz vor dem 1.Weltkrieg erhielt Giacomo Puccini aus Wien die Anfrage, ob er bereit wäre, für ein dortiges Theater eine Operette zu komponieren? Vorschlag: das deutsche Schauspiel „Die Schwalbe“. Puccini, der einwilligte, wäre nicht Puccini gewesen, wenn nicht aus der Wiener Operette dann doch eine italienische Oper wurde – allerding eine „leichte“ und ohne tagisches Ende. Doch der Krieg verhinderte eine Uraufführung im vorgesehenen Wiener Theater, sie fand dann 1917 in Monte Carlo statt, wurde ein paar Mal nachgespielt, aber ein Repertoire-Erfolg ist diese italienische Schwalbe bis heute nicht. Was weniger an der Musik Puccinis als am undramatisch-sentimantalen Libretto liegt.
Es ist die Geschichte von Magda, einer Edel-Prostituierten in Paris, die sich entscheiden muß zwischen dem reichen Bankier, der sie aushält, und einem unschuldig-naiven jungen Mann aus der Provinz, Ruggiero, der sich Hals über Kopf in sie verliebt und ihr im mondänen Monte Carlo einen Heiratsantrag macht. Doch die erfahrene Magda verläßt beide Männer – um frei wie eine Schwalbe sehnsuchtsvoll die große Liebe zu suchen.
Puccini hat diesen Gefühls-Kitsch durch eine wunderbar leichte, farbig-schillernden Musik veredelt, durchzogen von strömendem Melos. Elegantes Parlando beherrscht den Pariser Salon im ersten Akt, elegante Walzer-Chöre durchrauschen den Nachtclub des zweiten und an der sonnigen Riviera im dritten Akt schwelgen die Liebespaare im schmerzlich-süßen Wohllaut des Abschieds. Ein Puccini, elegant und süffig wie in seinen besten Werken – leider ohne die dramatische Wucht und Durchschlagskraft einer „Tosca“ oder „Butterfly“.
Vielleicht hätte ein erfahrener Regisseur ein paar theatralich zündende Funken schlagen können, aber Tausendsassa Rolando Villazon, der mit dieser „Schwalbe“ erst seine dritte Opern-Inszenierung präsentiert, verläßt sich hauptsächlich aufs gefällige und sängerdienliche Arrangieren. Er versucht zwar durch einige surreale Effekte die Liebesstory aufzupeppeln, aber drei weiß-maskierte Pantomimen, die ständig die Hauptdarstellerin um tänzeln, und so ihrer Liebes-Sehnsucht symbolischen Ausdruck verleihen sollen, wirken eher störend als erhellend. Und auch das Bühnenbild mit seiner Riesen-Kopie von Tizians nackter „Venus von Urbino“ in einem meterhohen, pompösen Goldrahmen im Hintergrund bleibt ebenso nichtssagend wie die farbverwaschenen Kostüme, die – obwohl frisch geschneidert – wie aus dem Uralt-Fundus zu stammen scheinen.
Daß trotz des dünnen Librettos und der faden Inszenierung der Abend dennoch freundlich beklatscht wird, liegt an den trefflichen Sängern, dem gut einstudierten Chor und den schwungvoll spielenden Musikern im Orchestergraben, stilsicher geleitet von Roberto Rizzi Brignoli. Die rumänische Einspringerin Aurelia Florian verkörpert die sich „emanziperende“ Magda mit flexiblem, satten Sopran, Charles Castronovo als ihr jugendlicher Liebhaber beeindruckt mit einem kraftvoll-lyrischem Tenor. Auch das Buffo-Paar ist gut besetzt: Alexandra Hutton als koloratur-perlendes Kammerkätzchen Lisette und Alvaro Zambrano, der als sie liebender Dichter Prunier mit leichten, hellen Tenortönen den lustigen Gesellschafts-Clown gibt. Stephen Bronk ist ein Gentlemen-Bankier mit schlankem Bass-Bariton.
Schade, daß diese klangvolle Puccini-„Schwalbe“ durch Buch und Inszenierung so beschwert wird – befreit von diesen Belastungen könnte sie vielleicht doch noch zu einem Höhenflug ansetzen – ohne Kostüm und Maske als rein konzertante Aufführung.

Foto: Bettina Stöß /Deutsche Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 14./18./27.März// 29.Juni// 3.Juli 2015

Schlank durch Tanz: ‚Dornröschen ‚ – das Staatsballett in der Deutschen Oper***

7. März 2015TheaterkritikenNo Comments

Es ist die erste Premiere des neuen Intendanten und Choreographen Nacho Duato beim Staatsballett Berlin. Und zugleich die – in Details überarbeitete – Fassung des Tschaikowsky-Klassikers, die Nacho Duato 2011 für seinen damaligen Einstieg beim St.Petersburger Mikhailovsky-Theater kreiert hat. Sie beruht im Wesentlichen auf dem prägenden Vorbild von Marius Petipa, allerding stark verkürzt und entschlackt. Auf die ursprünglichen Pantomimen, die die Handlung vorantrieben, aber deren Gesten-Sprache das heutige Publikum kaum mehr versteht, wird weitgehend verzichtet und durch ein moderates Bewegungs-Vokabular auf klassischer Basis ersetzt.
Das Märchen von der Prinzessin Aurora, dem Fluch der bösen Fee bei ihrer Taufe, dem tödlichen Nadelstich an ihrem Geburtstag – dank der guten Fliederfee in einen 100jährigen Schlaf umgewandelt – und das Wiedererwachen durch den Kuß des Prinzen Desiré mit anschließendem Hochzeitsfest – diese bekannte und beliebte Story erzählt Duato sehr flüssig und leicht verständlich. Die große Bühne ist fast leer, wird in den Schloß-Bildern nur von ein paar marmor-weißen Stuck-Elementen vor blauen Himmels-Prospekt gerahmt, und im Jagd-Bild von grünen Blätter-Ranken mit Blick auf einen romantischen See, auf dem am Ende dieser Panorama-Szene Prinz und Fliederfee in einer glitzernden Gondel entschwinden.
Angelina Atlagic, die für die gesamte Ausstattung zeichnet, hat die Tänzer mit viel Stoff prachtvoll eingekleidet: pastellfarbene, pompöse Roben und Hüte, reich bestickt und mit Glitzer verziert. Hübsch anzusehen auch die fröhlich-fantasievollen Märchenfiguren, die dufig schwebenden guten Feen, die tanzenden Edelsteine und vor allen die kraftvoll auftrumpfende, pechscharze böse Fee Carabosse mit ihren wieselnden Sklaven.
Die zahlreichen Tänzerinnen und Tänzer des fabelhaft trainierten Ensembles verstehen es bis zur kleinsten Nebenfigur, sich in diesen Gewändern bestens zu präsentieren. Beatrice Knop und Michael Banzhaf sind ein elegantes Königs-Paar, Sarah Mestrovic wirbelt als hübsche Fliederfee durch Zeit und Raum und der breitschultrige Rishat Yulbasirov durchkreuzt mit machtvollen Sprüngen als so böse wie schwarze Fee die heiteren Mazurkas und Walzer der feinen Hofgesellschaft. Den Prinzen verkörpert sehr charmant (seit der 3.Vorstellung) Marian Walter und als zierliches Dornröschen glänzt Iana Salenko, beides Erste Solisten des Ensembles, beide technisch brillant, darstellerisch aber blass.
Doch so gefällig und kurzweilig dieser Abend sich präsentiert, choreographisch fährt er auf der Schmalspur. Es sind die bekannten Formen und Muster des klassischen Kanons, die Duato – mitunter sehr raffiniert – einsetzt. Aber Eigenes oder Neues – wie etwas vollmundig angekündigt – bietet die Inszenierung kaum. Aber Duato kommt ja auch vom zeitgenössischen Tanz und nicht vom Klassischen Ballet her. Vielleicht haben die nächsten Premieren, die überwiegend der Moderne gewidmet sind, szenisch wie choreographisch Aufregenderes und Spannenderes zu bieten.

Foto: Yan Revazov/Staatsballett Berlin

Premiere war am 13.Februar; die nächsten Vorstellungen: 15.März/03./06.April/28./31.Mai/05./07.Juni 2015

Märchen-Musical-Mix: ‚Into the Woods‘ von Rob Marshall***

5. März 2015FilmkritikenNo Comments

Verfilmung des gleichnamigen Musicals von Stephen Sondheim, das 1987 seine erfolgreiche Uraufführung am New Yorker Broadway feierte. Darin verblüffen Sondheim und sein Co-Autor James Lapine (der auch das Drehbuch für den Film verfasste) durch einen fantasievollen Mix von Motiven und Figuren berühmter Grimm-Märchen. In einem magischen Wald irren umher und treffen sich: ein keckes Rotkäppchen (Lilla Crawford), ein schüchternes Aschenputtel (Anna Kendrick), ein sehnsuchtsvolles, in einem Turm gefangenes Rapunzel (MacKenzie Mauzy), der junge Jack (Daniel Huttlestone), der seine weiße Kuh gegen Zauberbohnen verkauft und ein kinderloses Bäcker-Ehepaar (James Corden/Emily Blunt). Heimliche Regie führt dabei eine alte Hexe (Meryl Streep), die den Fluch der Kinderlosigkeit bei der Bäckersfrau zu lösen verspricht, wenn ihr innerhalb dreier Tage ein roten Umhang, ein goldener Schuh, blonde Haare und eine weiße Kuh übergeben werden. Und so löst sie eine wilde Jagd queer durch den Wald aus, in der noch ein süffisanter Mr.Wolf, eine böse Schwiegermutter mit zwei aufgebrezelten Töchtern, eine verarmte, harsche Mutter sowie zwei smarte Prinzen kräftig mitmischen.
Selbstverständlich gibt´s nach einigen komischen Verwechslungen und wilden Turbulenzen eine prächtige Doppelhochzeit, aber – entgegen aller Erwartung – noch kein Happy End. Denn im Wald. da toben nun die (aus den Zauberbohnen gewachsenen) Riesen, denen gegenüber nicht nur der Bäcker und seine Frau, Aschenputtel und Jack machtlos sind, sondern auch die bisher so zaubermächtige Hexe…
Stephen Sonheims Musical besticht als reizvolles Puzzle-Spiel mit populären Märchen- und Fantasy-Figuren, denen oft pragmatisch-schlagfertige Redewendungen in die ansonsten meist süffig-singenden Münder gelegt werden.
Der Musical-erfahrenen Regisseur Bob Marshall („Chicago“, „Nine“) macht daraus einen sehr effektvollen und turbulente Sommer-(Tag+)Nacht-Traum mit vielen raffinierten und verblüffenden (digitalen) Bild-Einfällen. Ein prominentes Ensemble singender Darsteller spielt und chargiert mit sichtlich großer Lust, mal ironisch, mal sentimental. Von Meryl Streep als keifender Hexe und egoistischem Muttertier in wallenden Roben bis zur winzigen Nebenrolle von Rotkäppchens Wolfs, den Johnny Depp mit listig-verschmitzter Süffisanz ausstattet.
Leider trifft der Film diesen unterhaltsam-ironischen Märchen- und Musical-Ton nur im ersten und aufwendigeren Teil, im zweiten, glücklicherweise kürzeren Abschnitt wird´s arg betulich und „pädagogisch“, hier passiert auch optisch wenig und der Auftritt der durch den Wald stampfenden, puppigen Riesen wirkt filmisch altbacken und blass.
Schade – das aufwendige Disney-Studio-Spektakel bringt sich dadurch um den eigenen Erfolg. Nicht nur im Märchen: es ist nicht alles Gold, was glänzt!

Poster/Verleih: Walt Disney Germany

zu sehen: Astra; CinemaxX Potsdamer Platz; CineMotion Hohenschönhausen; Titania-Palast Steglitz; Filmpalast Trptower Park; Cubix Alexanderplatz; CineStar Hellersdorf; CineStar Sony Center (OV); CineStar Tegel; Kino in der Kulturbrauerei;UCI am Eastgate; Colosseum; UCI Friedrichshain; UCI Gropius Passagen; Zoo-Palast

Spießer-Klamotte & Seelen-Strp: ‚Gianni Schicchi’*** und ‚Herzog Blaubarts Burg’**** in der Kom.Oper

2. März 2015TheaterkritikenNo Comments

Eine eigenwillige Zusammenstellung von zwei kurzen Opern: zuerst die Komödie „Gianni Schicchi“ von Giacomo Puccini und – pausenlos danach  – das Psycho-Drama „Herzog Blaubarts Burg“ von Bela Bartok. Zwar wurden beide Einakter – jeweils eine Stunde dauernd -  im gleichen Jahr 1918 uraufgeführt, haben aber sonst nichts Gemeinsames. Und auch ihre Neu-Inszenierung an der Komischen Oper ergibt in dieser Hinsicht keine wesentliche Erkenntnis. Gereizt hat wohl der starke Kontrast zwischen der turbulenten, italienischen Buffa und dem symbolistischen Horror-Märchen aus Ungarn.
Der spanische Regisseur Calixto Bieito gilt spätestens seit seiner brutalen, sexgeladenen Deutung von Mozarts „Entführung“ an der Komischen Oper als Bühnen-Berserker, auch wenn er sich in den letzten Jahren merklich zahmer zeigte. Die Geschichte von der florentinischen Erbschleicher-Familie und dem Oberschlitzohr Gianni Schicchi, der sich und seiner verliebten Tochter Lauretta den größten Batzen beim gefügigen Notar sichert, -  diese schwarze Komödie lässt Bieito als schreiend-bunte Klamotte in einem spießig-engen Schlafzimmer ablaufen, wobei er kein Italo-Klischee ausläßt – vom Madonnen-Kitsch-Bild an der Wand bis zum Pizza-Imbiß für die gesamte Sippschaft, vom Neffen in Radlerhosen, der Cousine im Leoparden-Fummel bis zu den Macho-Männern mit Godkettchen (Ausstattung/Kostüm: Rebecca Ringst / Ingo Krügler). Günter Papendell trägt als cleverer Gianni Schicchi eine schwarz-graue Halbglatze und managt listig die Testamentsfälschung, seiner Stimme fehlt  (noch?) ein wenig die komische Fülle. Kim-Lillian Strebel als modisch-häßliches Girlie Lauretta darf mit süßer Stimme ihren „Babino caro“ anhimmeln und das übrige, grosse Ensemble chargiert, daß die tapetengemusterten Bühnenwände sich biegen – ein grell-aufgedrehter Komödien-Stadl.  Viel Gelächter im Publikum.
Kaum haben die italienischen Knall-Chargen das Zimmer verlassen, treten Blaubart und Judith in langen Mäntel durch die Türe und lassen sich nieder. Doch während Blaubart noch seine neue Frau nach ihren Gefühlen befragt, teilen sich die Zimmerwände, fahren geräuschlos auseinander und verschwinden im Dunkel des großen Bühnenraums. Auf der nun rotierenden Bodenscheibe drehen sich diverse Kulissen-Teile – mal in den Vorder- dann wieder in den dunkel-dämmrigen Hintergrund fahrend. Die Frontwand eines Hauses mit geschlossener Türe und offenen, leeren Fenstern, eine Sofa-Ecke, auf der Blaubart – jetzt in einem seidig glänzenden Schlafanzug – und Judith – kurzer, schwarzer Rock, helle Bluse – Platz nehmen, dann eine Herrentoilette mit vielen Urinalen und Spiegeln, an denen sich Blaubart den Kopf blutig schlägt – von Judith mit wilder Kraft gestoßen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Paar werden immer heftiger, verbal wie körperlich. Dabei bleibt oft unklar, wer der Stärkere in diesem agressiven Geschlechterkampf ist, doch am Ende tötet Blaubart (in dieser Fassung) Judith, indem er sie unter seiner Körpermasse erstickt.
Calixto Bieitos Interpretation als moderne Zimmer- und Psycho-Schlacht – in seltsamem Kontrast zum sybolischen Märchen-Text des (ungarisch gesungenen) Librettos – läßt viele Fragen offen, bleibt in den Details öfters rätselhaft, überzeugt aber vor allem durch das vehemente Spiel und die sängerische Kraft der beiden (Gast-)Interpreten. Gidon Saks: ein physisch massiver, hochgewachsener Blaubart mit kraftvollem Bariton; die Littauerin Ausrine Stundyte: eine – gegenüber Blaubart – zierliche Judith, die jedoch durch körperliche wie stimmliche Flexibilität und Geschmeidigkeit zum echten Widerpart wird. Grosser Beifall für das Paar.
Sowohl bei Puccinis italienischer Komödie wie bei Bartoks farb-glühendem Expressionismus lässt das Orchester der Komischen Oper viele schöne Details hören. Henrik Nánási bleibt dagegen als Dirigent zu pauschal und vermag die Rafinessen der jeweiligen Partitur nicht voll auszureizen. Kein bedeutender, aber – wegen „Blaubart“ – durchaus sehens- und hörenswerter Abend.

Foto: „Gianni Schicchi“/ Monika Rittershaus/Komische Oper

nächste Vorstellungen: 07./15./19.März//05./12./17.April und 8.Juli 2015

Kategorien

  • Allgemein
  • Berlinale
  • Filmkritiken
  • Theaterkritiken
  • Verschiedenes

Neueste Beiträge

  • Ende der Spielzeit 2018/19 in den Berliner Opernhäuser
  • Kino & Theater – Mai / Juni 2019
  • Gelungenes Musiktheater: „Oceane“ in der Deutschen Oper Berlin****
  • Kino & Theater März 2019
  • Meine BERLINALE 2019

Schlagwörter

Nase Reise nach Reims

Archive

  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • April 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Juli 2011
  • Juni 2011
  • Mai 2011
  • April 2011
  • März 2011
  • Februar 2011
  • Januar 2011
  • Dezember 2010
  • November 2010
  • Oktober 2010
  • September 2010
  • August 2010
  • Juni 2010
  • Mai 2010
  • April 2010
  • März 2010
  • Februar 2010
  • Januar 2010
  • Dezember 2009
  • November 2009
  • Oktober 2009
  • September 2009
  • August 2009
  • Juli 2009
  • Juni 2009
  • Mai 2009
  • April 2009
  • März 2009
  • Februar 2009
  • Januar 2009
  • Dezember 2008
  • November 2008
  • Oktober 2008
  • September 2008
  • Juli 2008
  • Juni 2008
  • Mai 2008
  • April 2008
  • März 2008
  • Februar 2008
  • Januar 2008
  • Dezember 2007
  • November 2007
  • Oktober 2007
  • September 2007
  • August 2007
  • Juli 2007
  • Juni 2007
  • Mai 2007
  • April 2007
  • März 2007
  • Februar 2007
  • Januar 2007
  • Dezember 2006
  • November 2006
  • Oktober 2006
  • September 2006
Proudly powered by WordPress | Theme: Doo by ThemeVS.