Rainer Allgaier

Theater- und Filmkritiken

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Kategorie: Berlinale

Meine Berlinale 2018

18. Februar 201824. Juni 2018BerlinaleNo Comments

Berlinale 182

 

EVA von Benoit Jacquot (französisch)

Neuverfilmung eines Romans von James Hadley Chase. Ein junger Tunichtgut namens Bertrand stielt einem sterbenden Schriftsteller das Manuskript eines Theaterstückes, veröffentlicht es, wird damit berühmt und reich. Sein Verleger, mit dessen Sekretärin Bertrand sich verlobt, wartet auf ein ebenso erfolgreiches, zweites Werk, das Bertrand jedoch nicht liefern kann. In einem Luxushotel beobachtet er die Edelprostituierte Eva, glaubt mit ihr die Figur für sein neues Stück gefundenzu haben und beginnt ein Verhältnis mit ihr. Doch die undurchsichtige, kühl berechnende Eva lässt ihn auflaufen…   Konventionell und bieder erzähltes Kino ohne jedes Raffinement. Und auch Isabelle Huppert kann diesen Schmachtfetzen nicht retten – die Rolle einer eiskalten Rechnerin  hat sie schon sehr oft und dann weit überzeugender verkörpert. Langweilig!

 

TRANSIT von Christian Petzold (deutsch, französisch)

Verfilmung des bekannten Romans von Anna Seghers, der die beklemmende Situation von vor den Nazis flüchtenden Menschen im überfüllten Marseille der 1940er Jahre beschreibt. Sie schildert deren Schicksale  und erzählt, wie sie versuchen, Schiffs-Passagen nach Amerika zu ergattern oder die gefährliche Flucht über die Pyreneen wagen. Der junge Deutsche Gregor nimmt die Idendität des Schriftstellers Weidel an, der in Paris Selnstmord verübte, obwohl er bereits Zusicherung und Visum für die Flucht nach Mexiko besaß. In Marseille trifft Gregor auf Weidels vorausgereiste Frau Marie, die noch nichts vom Tod ihres Mannes weiß, und die mit dem deutschen Arzt Richard, der ebenfalls auf eine Schiffspassagenach Mexiko hofft, in einem kleinen, schäbigen Hotel lebt. Soll Gregor ihr die Wahrheit gestehen?  Ihr zur Flucht verhelfen ? Mit ihm? Regisseur Christian Petzold lässt die historische Geschichte im heutigen Marseille spielen, moderne Autos fahren durch die Straßen, die Kleidung der Personen modern, wenn auch schlicht. Ob die damit angedeutete, allgemeine, „zeitunabhängige“ Flüchtlings-Situation überzeugt, bleibt offen und jedem einzelnen Zuschauer überlassen. Die dichte und bedrohliche Atmosphäre der Romanvorlage  ereicht der Film dadurch nicht – vielmehr scheint die Geschichte vereinfacht und kompatibel gemacht für ein breites Fernseh-Publikum (Mitproduzent: Arte/ZDF). Doch die flüssige Inszenierung und die guten Darsteller, allen voran der „Nachwuchs“ Franz Rogowski und Paula Beer, überspielen sowohl den unscharfen, politischen Hintergrund wie auch die spürbar literarische Sprache des Drehbuches und sorgen so für Spannung und Aufmerksamkeit.

 

FIGLIA MIA von Laura Bispuri (italienisch)

Ein einfaches Fischerdorf auf Sardinien, umgeben von sandigen Hügeln. Die Menschen leben vom Fischfang und dessen Verkauf. Die 10jährige Vittoria, auffallend blass und rothaarig, wird von ihren Eltern, besonders von ihrer Mutter Tina liebevoll umsorgt.. Doch langsam und ganz allmählich entdeckt das sensible Mädchen, daß Angelica, eine im Dorf umtriebige Blondine ihre wahre Mutter ist. Tina hat die kleine Vittoria nach ihrer Geburt von Angelica wegen deren unsteter Lebensweise (Männer/Alkohol) übernommen und großgezogen. Doch Vittoria freundet sich mit Angelica immer enger an, enteckt mit ihr einen Alltag ohne Ordnung und Regeln: ein harmonisches Zusammensein mit Tieren wie Hund und Pferden, lange Saziergänge durch die wilde Landschaft, das Erforschen von Höhlen in steilen Meeresfelsen. Bald kommt es zum Zerwürfnis: die beiden so gegensätzlichen Mütter, die liebevolle Tina und ungestüme Agelica, beginnen sich um Vittoria zu streiten, und dabei wird die 10jährige, die beiden zugeneigt bist, immer neugieriger und selbstbewußter..

Die italienische Regisseurin Laura Bispuri schildert auf sehr eigenwillige wie filmische Weise diese innere Entwicklung einer noch sehr jungen Frau, deren Reifeprozess von gegensätzlichen Vorbildern bestimmt wird. Die karge Landschaft und das ärmliche Milieu des sardischen Dorfes bilden den hochsommerlichen Hintergrund für die sich in ständiger Bewegung befindeten Personen – hautnah eingefangen von einer Handkamera und mit einer ausgeklügelten Tonspur fein unterlegt. Hervorragend sind die Darstellerinnen der drei Hauptrollen: Valeria Golina als fürsorgliche Pflegemutter Tina, Alba Rohrwacher als unangepasste Außenseiterin Angelica sowie die junge Sara Casu als wache, aber nie altkluge Vittoria. Auch wenn das Ende des Film sich allzu versöhnlich zeigt – „Filia mia“ besticht durch seinen engagierter Blick auf die Beziehungen  zwischen Müttern und Kindern und deren vielschichtige Entwicklung..

 

3 TAGE IN QUIBERON von Emily Atef (deutsch, französisch)

Im März 1981 gab die damals 42jährige Romy Schneider dem deutschen Magazin „Stern“ ein langes Interview.in einem Luxushotel in Quiberon in der Bretagne, wo sie sich einer Diät- und Alkohol-Entzugs-Kur unterzög. Das Gespräch mit dem Reporter Michael Jürgs und dem – befreundeten – Fotografen Robert Lebeck, das sie danach auch unzensiert zur Veröffentlichung freigab, beinhaltete  Äußerungen über ihre berufliche, private und finanzielle Situation und ist bis heute die Grundlage des schillerndes Bildes der deutsch-östereichischen Schauspielerin in der Öffentlichkeit: Freimütig spricht sie über ihre Eltern und den Beginn ihrer Karriere, über ihren Weggang aus Deutschland, wo sie ausschlißlich mit der“Sissi“-Rolle identifiziert wurde, über ihre Abneigung gegen die deutsche Presse und immer wieder über ihre Liebe zu ihren beiden Kindern, denen sie glaubt eine ungenügende Mutter zu sein.

Der in schwarz-weiß gedrehte Film der iranisch-französischen Regisseurin Emily Atef ist als Kammerspiel angelegt. Die von Großaufnahmen gepägten Interview-Szenen im Hotel (wobei die Original-Fotos von Robert Lebeck als Vorbilder dienen)  wechseln mit einem abendlichen, feucht-fröhlichen Ausflug in eine Hafenkneipe, wo eine Hochzeits-Party stattfindet, oder  – nach Ende des Interviews – mit einem Photoshoot auf den Meeres-Klippen, bei dem die gelöste und übermütig hüpfende Romy sich den Fuß bricht. Das alles geht über das gepflegte Fernseh-Format nicht hinaus – wenn nicht Marie Bäumer die zwischen Lachen und Weinen hin- und hergerissene Romy Schneider so überzeugend verkörpern würde. Ihr intensives Spiel macht den Film sehenswert, auch wenn über das historische Vorbild sonst nicht viel Neues zu erfahren ist.

 

ANG PANAHON NG HALIMAW (In Zeiten des Teufels) von Lav Diaz (tagalog)

Ein Dschungel-Dorfl auf den Philippinen, Ende der 1970er Jahre. Vom Diktator Marcos gebilligte Milizen ziehen marodierend duchs Land. töten, wer sich ihren Ordnungs-Vorstellungen nicht beugt, wer noch an Traditionen und altem Glauben festhält. Sie zerstören das dörfliche Krankenhaus, vergewaltigen die Ärztin, foltern deren Mann, einen Dichter, mißhandeln eine alte „heidnische“ Frau, brennen ihre Hütte ab, töten einen älteren Mann, der ihre Schandtaten und Morde anprangert.

Der inzwischen hochgeschätzte, philippinische Regisseur Luv Diaz setzt sich in all seinen Werken mit der post-kokonialen Geschichte seines Landes auseinander, diemal mit der Zeit, als Marcos fest im Sattel saß und ungehindert seine Willkürherrschaft ausübte. Das Besondere an diesem Film: bei aller realistischen Drastik der schwarz-weißen Bilder im alten Leinwand-Format läßt er die Dialoge nicht sprechen, sondern singen – a capella und in einfachen Melodien. Die Kamera, die oft mit Licht und Gegenlicht expressive Wirkungen erzielt, hält die Szenen in wenigen, meist starren Einstellungen fest, Szenen, die oft sehr lange dauern und sich so zu einer Gesamtlänge des Werkes von vier Stunden  addieren. Es sind kritisch-bewegende Episoden von Liebe, Schmerz, Gewalt und (ein wenig) Hoffnung – in einer kühnen, strengen und überzeugenden Form. Das Gegenteil von Kino á la Hollywood!

 

MUSEO von Alonso Ruizpalacios (spanisch, englich)

Juan und Wilson, zwei Studenten aus wohlhabenden Familien, rauben geschickt und erfolgreich in der Weihnachts-Nacht mehrere Klein-Platiken der Maya-Zeit aus dem Archäologischen Museum im Mexiko-City. Auf einer Autofahrt zu den Ruinen von Palenque und anschließend nach Acapulco versuchen sie die wertvollen Kunstwerke – mit Hilfe eines befreundeten Fremdenführers – füe eine hohe Geld-Summe zu verkaufen. Doch unerfahren und naiv wie sie im internationalen und illegalen Kunsthandel sind, mißlingt der geplante Coup  gleich mehrmals…

Auch wenn es ein tatsächliches Vorbild für diesen Kunstraub gibt, erzählt der Film seine  Geschichte ziemlich unstimmig und unglaubwürdig. Zumal die Aktionen der beiden Studenten mit turbulenten Szenen in ihren personenreichen Familien kontrastiert werden, ohne daß dadurch die Story psychologisch klarer oder überzeugender wird. Weder komischen Szenen, exzentrische Kameraführung, bomastische Musik noch die wortlastige Mimik von Gael Garcia Bernal (Juan) –  all diese Tricks können die sich immer stärker ausbreitenden Langeweile in dem 126-minütigem Film  kaum verhindernden. Überflüssig!

 

 

Berlinale 2017 : Mein Tagebuch

10. Februar 201724. Juni 2018BerlinaleNo Comments

baer

Foto:H.Basse

  1. DJANGO von Etienne Comar (Frankreich)**

Biopic über den Jazz-Gitarristen Danjo Reinhardt. Dieser (erste) Spielfilm des Franzosen  Etienne Comar, der zuvor vor allem als Produzent und Autor gearbeitet hat, konzentriert sich auf die Zeit während des Zweiten Weltkriegs. Der Sinti Django Reinhardt feiert mit seinem Quintett in Pariser Konzerthallen Triumphe und glaubt sich deshalb vor den deutschen Besatzern sicher. Doch er muß erkennen, daß dies ein Trugschluß ist. Auf Rat einer befreundeten Nachtclubsängerin flüchtet er mit seiner Mutter und mit seiner schwangeren Frau in die Nähe der Schweizer Grenze in ein „Zigeuner“-Lager am Genfer See. Bald wird er von den Nazis erkannt und verhört und muß für ein pompöses, von den Offizieren veranstalteses Fest in einer Villa aufspielen, was jedoch katastophal endet.  Ob die Flucht  – zu Fuß und unter Zurücklassung von Frau und Mutter – durch die winterlichen Berge in die neutrale Schweiz gelingt, bleibt offen. Im kurzen Epilog, der nach dem Ende des Kriegs spielt, dirigiert Reinhardt in seinem frnzösischen Fluchtort ein von ihm komponiertes „Requiem“ für die ermordeten Sinti und Roma (ein Musikwerk, das lange als verschollen galt). Der Film erzählt diesen Lebensabschitt des berühmten Musikers in gedeckten Farben und konventionellen Bildern. Die angeschnittenen Themen (politische Blindheit, individuelles Verhalten gegenüber Diktaturen, Kollaboration) werden kaum vertieft oder weiterentwickelt. Der Film gleicht seiner dargestellten Hauptfigur : blass und glatt. Ein spannendes (nicht nur) historisches Thema, jedoch nur routiniert und oberflächlich bebildert.

Deutscher Filmstart: 27.7.2017

 

2. THE DINNER von Oren Movermann (USA)**

Der ehemalige Lehrer und Historiker Paul Lohman (Steve Coogan) und seine Frau  Claire (Laura Linney) treffen sich mit dessen Bruder Stan (Richard Gere), einem Kongreß-Abgeordneten, der kurz vor der Wahl zum Gouverneur steht, und dessen Frau Barbara (Rebecca Hall) zum Abendessen in einem Luxusrestaurant in der Nähe von New York. Grund: deren beider halbwüchsigen Söhne haben  – alkohlisiert – eine in einem Geldautomaten-Kiosk schlafende Obdachlose angezündet. Was tun? Sind die Kinder Monster oder um ihrer Zukunft willen (mütterlich) zu schützen? Würde das bisher unaufgeklärte Verbrechen die kommende Wahl Stans unmöglich machen? Soll er damit an die Öffentlichkeit gehen? Der Film ist im Grunde ein Kammerspiel, ähnlich dem erfolgreichen Theaterstück „Gott des Gemetzels“, doch der aus Israel stammende Regisseur Oren Movermann macht daraus ein temporeiches Kaleidoskop, das sich aller denkbaren filmischen Kunstgriffen virtuos bedient (Rückblenden, Innere Monologe, verzerrte Bilder- und Ton-Folgen usw.). Dazu reichert er die literarische Vorlage (einen niederländischen Bestseller) um politische Töne an und zeichnet so ein böse-schillerndes Bild der gegenwärtigen USA : zwischen Gesellschafts-Satire und  Politdrama. Doch er packt ein Zuviel an entlarvenden  Aspekten dem Kammerspiel auf, der Film wirkt oft überdreht und selbstgefällig und unterläuft so – trotz formaler Reize – seine eigene, kritische Absicht.

Deutscher Kinostart: 19.10.2017

 

3. T2 TRAINSPOTTING von Danny Boyle (GB)*** – außer Konkurrenz

1996 errang der britische Regisseur (und Oscar-Preistrager) Danny Boyle mit der kongenialen Verfilmung des Drogen-Romans „Trainspotting“ einen großen, internationalen Erfolg. Jetzt, 20 Jahre danach, hat er sich eine Fortsetzung erdacht, eine Wiederbegegnung mit den „Neuen Helden“ (so der deutsche Verleih-Titel einst), wobei Milieu und Haupt-Personen (und deren Darsteller) geblieben sind – nur eben zwei Jahrzehnte älter.  Mark Renton ( Ewan McGregor), der am Ende des alten Film mit viel geklautem Geld nach Amsterdam entschwand, kehrt nun ins schottische Edinburgh zuück, in jenes schäbige Viertel mit Drogen-Kneipen und Sex-Clubs, wo jedoch inzwischen die billig errichteten Neubau-Mietstürme schon wieder abgerissen werden. Die alten Kumpel ( Ewen Bremner, Jonny Lee Miller, Robert Carlyle) sind immer noch da, rauh und herzlich, geprügelt und gekockst wird auch noch heftig, und so erlebt Mark sein altes Revier wieder als anarchisch-schräge Welt aus Sex und Drogen, allerdings ganz schön nostalgisch verschleiert. Auch die Tonspur mischt viel Retro unter die dröhnende Musik. Die junge und sexy Migrantin aus Osteuropa läßt sich zwar für einige Erpressungsversuche an geilen Herrn geschick einsetzen, aber am Ende verläßt sie trotz aller rasanten Drogenräusche und wild erfundenen  Familen- und Freundschafts-Geschichten den schottisch-kauzigen, turbulentn Kiez: schön war die Zeit. aber die Wohnungen sind halt marode. Und die Zukunft?

PS. Das „T2“ im Titel ist Anspielung auf Arnold Schwarzeneggers „Terminator 2“.

Deutscher Kinostart: 16.2.2017

 

 

4. FINAL PORTRAIT von Stanley Tucci (USA)** – außer Konkurrenz

Der amerikanische Kunstkritiker James Lord lernt Anfang der 1960er Jahre den Bildhauer und Maler Alberto Giacometti in Paris kennen und sitzt ihm – auf Wunsch des Künstlers – für ein Porträt Modell. Diese Sitzungen ziehen sich länger als von Lord erwartet hin, so daß er seine geplante Rückkehr nach New York immer wieder verschieben muß. Denn: Giacometti ist ständig unzufrieden mit dem Bild, übermalt es, setzt von Neuem an, bis nach 20 Tagen James Lord dem ein Ende setzt und abreist. (Später schreibt er eine Biographie über den erfolgreichen Künstler). Bei den Sitzungen lernt er auch den „bohème“-haften Haushalt Giacomettis kennen, seinen Bruder Diego, seine Frau Annette, einst Modell der Statuetten, und die gegenwärtige Geliebte Caroline, eine Prostituierte, deren Zuhälter viel Geld von Giacometti erhalten. Gelegentlich wird in einem benachtbarten Lokal gespeist und getrunken, manchmal erfrischen sich Maler und Model bei Spaziergängen über den nahen Friedhof, wobei Giacometti seine rigiden Ansichten über Künstlerkollegen preisgibt. – Die Farben dieses Films des amerikanischen Regisseur (und Schauspielers) Stanlay Tucci sind stark ausgebleicht, die Erzählweise bleibt konservativ und rückt stehts nahe an die Darsteller heran. Giacometti wird von dem australischen Schauspieler Geoffrey Rush gemimt: als grauer, kauziger Wuschelkopf, der sehr selbtbezogen, aber nicht ohne Witz sein jeweiliges Gegenüber  kommandiert. Armie Hammer ist der schöne Kunstkritiker Lord mit dem ebenmäßigen Gesicht, der aus Neugier (und Eitelkeit?) sich porträtieren läßt und alle Launen den Künstler deshalb geduldig hinnimmt. Manche  Einzelheiten über den Künstler sind interessant oder erhellend, insgesamt aber bedient dieses Bio-Pic auf Grund seine Machart allzu sehr bekannte Film- und Kunst-Klischees.

Deutscher Kinostart: voraussichtlich 20.7.2017

 

 

5. WILDE MAUS   von Josef Hader (Österreich)***

Georg ist Musik-Kritiker-Star einer Wiener Tageszeitung. Doch eines Tages wird er aus Spargründes – wie der Chef sagt –  entlassen. Aus Wut und Scham verschweigt er den Job-Verlust seiner Frau Johanna, die als selbständigeTherapeutin arbeitet (mal mehr oder weniger erfolgreich). Georg vertrödelt ratlos seine Tage nun  mit Spaziergängen im Prater, wo er auf  den halbseidenen Erich, einen ehemaligen Mitschüler,  stößt und mit ihm (und seinem Geld) eine marode Achterbahn wieder zum Laufen bringt: die ‚Wilde Maus‘. Gleichzeitig versucht er sich an seinem ehemaligen Chef zu rächen, steigert sich dabei in seinen unterschiedlichen Mitteln (Messer,Schlagstock,Pistole) geradezu in einen Racherausch, der groteskerweise bis zu einem Morbversuch in einer Ski-Hütte führt – aber mißlingt. Auch die Beziehung zu Johanna, die sich mit ihren 43 Jahren immer noch von einem Kind träumt, bricht so langsam auseinander  – oder doch nicht?  Der Schauspieler und Kabatrettist Josef Hader hat – mit sich selbt in der Hauptrolle – für seinen ersten Spielfilm eine ebenso tragische wie komische Geschichte erdacht. Mit schlagfertigen Dialogen und kabarett-erfahrenen Schauspielern. Turbulente Szenen aus dem „weanerischen“ Alltag, mal grotesk, mal melancholisch. Nicht jeder Witz zündet, nicht jeder Szenen-Einfall überzeugt. Aber die pfeilspitzen Seitenhiebe auf den bürgerlichen Kultur- und Gesellschaftsbetrieb und die  prächtigen östereichischen Winterlandschaften, in denen der revoltierende Unglücksvogel auf komischste Weise zu „ersaufen“ droht, bieten doch zwei Stunden intelligent-gefällige Unterhaltung – mehr aber nicht!

Deutscher Kinostart: 9.3.2017

 

6. POKOT von Agnieszka Holland (Polen)**

Ein Dorf in der polnischen Provinz. Die vielen Tiere in der berg- und waldreichen Umgebung machen die Jagd zum verbindenden und bestimmenden Gemeinschafts-Ritual. Eine ältere Frau, einst Ingenieurin im Ausland und jetzt gelegentlich als Aushilfs-Lehrerin für Englischunterricht tätig, engagiert sich für diese Rehe, Wildschweine oder Füchse und versucht mit Anzeigen bei der Polizei die brutale Abschlachterei zu verhindern – vergeblich. So greift sie – unterstützt von ein paar Einzelgängern und Sonderlingen – zu härteren Gegenmitteln… Nach einer literarischen Vorlage schildert die bekannte polnische Regisseurin Agnieszka Holland (nach ihrer Rückkehr aus Hollywood) mit viel filmischer Routine und auch einigem Humor diesen Kampf einer Natuschützerin gegen die provinzielle Gesellschaft und ihre geistige Borniertheit. Doch bleibt der Film recht oberflächlich, delektiert sich an schönen Natur- und Tierbildern, während die politischen oder sozialen Amplikationen ziemlich klischeehaft wirken. Putzig statt bissig!

 

 

7. VICEROY’S HOUSE von Gurinder Chadha (GB)*** – außer Konkurrenz

1947 trifft Lord Mountbatten in New Delhi ein, als letzter englicher Vizekönig soll er den Subkontinent in die Unabhänigkeit führen. Auf zwei Ebenen werden diese sechs letzten Monate der britischen Herrschaft über Indien erzählt. In den punkvollen Salons debattieren Lord Mountbatten und  sein Hofstaat mit verschiedenen indischen Politikern (Gandhi, Nehru, Jinnah) die Form des neuzuschaffenden Staates; in den bescheidenen Wohnungen der Bediensteten versucht ein Diener-Liebespaar seine Zukunft zu gestalten, er ein Hindu, sie eine Muslima. Denn der ganze Kontinent wird von gewalttätigen und blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus, Sikhs und Muslimen schier zerissen. Am Ende setzt sich der „Mountbatten-Plan“ durch: die Teilung in zwei Staaten, das islamische Pakistan und das hinduistische Indien, ein Millionen-Flüchtlingsstrom von Umsiedlern ist die böse, bis heute nachwirkende Folge. Doch diese politische Dimension ist nur Hintergrund für einen üppigen Ausstattungs-Film mit prachtvollen Kostümen, exotischen Szenerien und schönen Menschen. Die meisten Darsteller gleichen eleganten Komparsen, nur Lord und Lady Mountbatten erhalten individuelles Profil, vor allem durch die schauspielerische Feinzeichnung von Hugh Bonneville und Gillian Anderson. Die britische Regisseurin Gurinder Chadhas („Kick it like Beckham“) verrät im Abspann, daß auch sie einer Familie entstammt, die zu den 16 Millionen Umsiedlern gehörte.  Deshalb dieser opulente Historienfilm in Form eines großangelegten Kino-Spektakels.

Deutscher Kinostart: 8.6.2017 unter dem Titel: „Der Stern von Indien“

 

8. HELLE NÄCHTE von Thomas Arslan (BRD)***

Michael, Bauingenieur in Berlin, lebt getrennt von seiner Frau und seinem 14-jährigen Sohn Luis. Jetzt ist sein in Norwegen lebender Vater gestorben, zur Beerdigung und zur Regelung des Nachlasses reist er mit Luis dorthin. Es ist Sommer und die Nächte sind im hohen Norden durchgehend hell. Michael, der weder zu seinem gestorbenen Vater noch zu seinem Sohn, ein engeres Verhältnis hatte, beschließt deshalb mit dem schweigsam-abweisenden Luis nach der Beerdigung ein paar Tage durch die grandiose Landschaft Norwegens (mit dem Mietauto) zu fahren und/oder zu wandern. In der Hoffnung einer Annäherung zwischen ihm und seinem Sohn. Filmisch ein Roadmovie mit langen Kamerafahrten durch die gigantischen Berg-und Fjord-Landschaften, zwischen diesen eindrucksvollen (Reise-)Bildern, dazwischen kurze Szenen mit dem sich anschweigenden Vater-Sohn-Paar. Erst ganz am Ende gelingt eine stumme Umarmung. Eine minimalistische Inszenierung der Berliner Regisseurs Thomas Arslan, der schon mehrere Arbeiten auf der Berlinale zeigte. Die „Hellen Nächte“ sind zwar mit dem österreichischen Schauspieler Georg Friedrich und dem aus „Tschick“ bekannten jungen Tristan Göbel gut besetzt, doch vermag der Film es nicht, eine tiefere Beziehung  zwischen der grandiosen nordischen Natur und der inneren Entwicklung des Vater – Sohn – Verhältnisses herzustellen. Symphatisch aber spröde.

Deutscher Kinostart: vorraussichtlich im Herbst 2017

 

9. THE PARTY von Sally Potter (GB)***

Janet (Kristin Scott Thomas) ist gerade zu Gesundheitsministerin im Schattenkabinett der Labour-Party ernannt worden. Das will sie nun in ihrem Londoner Reihenhaus mit ihrem Mann Bill (Timothy Spall) und einigen engeren Freunden feiern. Doch die Party geht gründlich daneben, die flotte Riege von sieben gut betuchten Alt-Linken überrascht sich gegenseitig mit allerlei unfreiwilligen Enthüllungen. Es geht um sexuelle Seitensprünge, um Furcht vor einer möglichen Krankheit, es macht sich Angst breit vor einer Trennung sowohl beim Gastgeber-Ehepaar wie bei den beiden lesbischen Freundinnen (Cherry Jones, Emily Mortimer). Der junge Banker-Freund (Gillian Murphy) – dessen Gattin Janets Assistentin ist und die ihr Fernbleiben zunächst entschuldigen läßt, – dieser hypernervöse Finanzmann kokst, versteckt seine Pistole erst im Abfalleimer und dann im Bad, während Janets beste Freundin April (Patricia Clarkson), deren deutscher Mann (Bruno Ganz) trefflich salbadert, für alles und jeden den passenden zynischen Spruch auf den Lippen hat. Die britische Regisseurin Sally Potter, die auch das Buch verfasste, hat in Schwarz-Weiß gedreht und steigert das ironisch-unterhaltsamen Kammerspiel rasch zur turbulent-überdrehten Farce mit gepfefferten Dialogen und sieben gestandenen Schauspielern, die „ihrem Affen Zucker geben“ dürfen und dies auch zur Freude des Publikums weidlich ausnutzen. Ein britischer Komödienstadl für intellektuelle Zeitgenossen

Deutscher Kinostart: noch offen

 

10. BEUYS von Andres Veiel (BRD)***

Der Regisseur Andres Veiel („Blackbox BRD“) und sein Team montieren aus zahlreichen, alten Dokumentaraufnahmen ein liebevolles Porträt von Joseph Beuys. Erstaunlich, wie viele, auch bis dato kaum bekannte Fotos, Ton-und Filmdokumente er in deutschen und internationalen (vor allem US-) Archiven aufgefunden hat. Das daraus zusammengeschnittene Porträt des Künstlers ist nicht streng biografisch angelegt, sondern gliedert sich nach den unterschiedlichen Aspekten, zeigt ihn als nachdenklichen Kunst- und Lebens-Theoretiker, als schlagfertigen Diskutanten vor TV-Kameras und Mikrofonen, als engagierten Lehrer an der Düsseldorfer Akademie – auch im Streit mit der Staatsbürokratie, als engagiertes Mitglied der neuen Partei der Grünen. Fünf Freunde (darunter Klaus Staeck) versuchen in kurzen, dazwischegeschnittenen  Statements Charakter und Anschauungen von Beuys über seine Auffassungen von Kunst, Moral und Politik zu erläutern. Auf alle weiteren Kommentare verzichtet der Regisseur. Keine journalistische oder gar kritische Auseinandersezung mit Beuys und seiner Kunst (und deren Auswirkung), sondern eine attraktive, nach formal-ästhetischen Regeln geschnittene filmische Huldigung eines der bedeutensten deutschen Künstlers in der 2.Hälfte des 20.Jahrhunderts.

Deutscher Kinostart: 1.6. 2017

 

11. SAGE FEMME von Martin Provost (Frankreich)***- außer Konkurrenz

Diese französische „Sage Femme“, zu deutsch Hebamme, ist keine Kandidatin für ein ehrgeiziges Kino-Festival, sondern ein freundlicher, auch nachdenklicher Film für den Familienbesuch am Sonntag Nachmittag. Catherine Frot spielt die fast 50jährige Hebamme Claire, wohnhaft in der Nähe von Paris, als patente, freundliche Frau, mit studierendem Sohn und hübschem Schrebergarten. Bis sich Beatrice meldet, die ehemalige Geliebte ihres verstorbenen Vaters, jetzt eine ältere, doch immer noch attraktive Zockerin, die Steaks mit Majonnaise und Rotwein schätzt, ständig raucht und der soeben ein Hirn-Tumor diagnostiziert wurde. (Eine tolle Rolle für die souverän agierende Catherine Deneuve.) Obwohl Claire zunächst nichts mit Beatrice zu tun haben will, werden – entsprechend dem erfolgreichen französischen Filmrezept – beide mit der Zeit beste Freundinnen. Und es macht Spaß den beiden Schauspielerinnen zuzuschauen und mit ihnen die ganz alltäglichen Probleme vom Kinderkriegen über Garten- und Liebesfreuden bis zur Altersarmut und Einsamkeit nach zu erleben. Ein wenig Sentimentalität darf dabei nicht fehlen, aber die menschliche Wärme, die diese beiden Diven in den Alltags-Klamotten und -Sorgen ausstrahlen, stimmt heiter und versöhnlich.

Deutscher Filmstart: 8.6.2017 unter dem Titel: „Ein Kuss von Béatrice“

 

12. COLO von Teresa Villaverde (Portugal)***

Portugal heute. Eine kleine, adrette Wohnung in einem modernen Mietshaus, darin ein Familie. Der Vater ist arbeitslos, verbringt die Tage auf der leeren Dachterasse, im naheliegenden Park oder am Meer. Die Mutter schuftet in meheren Nebenjobs, die 17jährige Tochter geht noch zur Schule, trifft sich gelegentlich mit einem gleichaltrigen Freund. Geld fehlt, der Strom wirg gesperrt. Doch die schlechte soziale Situation schließt die Familie nicht zusammen, sondern sprengt sie. Jeder der drei beginnt eigene Wege zu gehen. Der Vatre zieht zur Großmutter aus Land, die Mutter sucht genervt neue Jobs, verläßt die Wohnung, die geräumt und vermietet werden soll, die Tochter zieht durch die Stadt, dann in die nur tagsüber benützte Hütte eine Fischers am Tejo… Die portugiesische Regisseurin Teresa Villaverde erzählt diesen Zerfall einer „normalen“ Familie in langen, sorgfältig cadrierten Einstellungen, meist aus einiger Distanz, Der Fluß der Bilder ist sehr langsam, nur gelegentlich durch heftige Gefühlsausbrüche der Personen akzentuiert. Nur ganz dezent wird (klassische) Musik unterlegt. Offen bleibt: ist diese Auflösung der Familie Zeichen der derzeitigen sozial-politischen Situation Portugals oder sind psychologische Ursachen der drei so unterschiedlichen Charaktere die Ursache? In seiner Eigenwilligkeit ein festspielwürdiger Beitrag zur Berlinale.

 

13. RETURN TO MONTAUK  von Volker Schlöndorff (BRD)**

Der deutsche Schriftsteller Max Zorn befindet sich auf kurzer Lesereise in New York, wo seine Frau und Mitarbeiterin Clara auf ihn wartet. Durch Zufall trifft er seine einstige Geliebte Rebecca wieder, jetzt erfolgreiche Rechtsanwältin in Manhattan, und verbringt mit ihr das Wochenende im (winterlichen) Montauk auf Long Island – wie sie beide dies schon einmal vor vielen Jahren getan haben. Alte Erinnerung werden lebendig und die Frage gestellt, ob die damaligen Entscheidungen die richtigen waren. Was hat jeder inzwischen erlebt und erfahren und sind ihre Gefühle noch die gleichen oder haben sie sich geändert und wenn ja, warum? Am Ende: die Rückkehr in die Stadt und nach Deutschland. Volker Schlöndorff hat die Grundkonstellation des bekannten Montauk-Romans von Max Frisch mit eigenen biografischen Erlebnissen verbunden und zusammen mit dem irischen Autor Colm Tóibin daraus ein Drehbuch mit vielen langen Mono- und Dialogen geschrieben. Zwar routiniert und gefällig in Szene gesetzt, doch wirken der Film und seine konservative Machart merkwürdig altmodisch und „riechen“ nach hausbackenem Literatuer-Ersatz. Stellan Starsgard spielt den Schriftsteller Max, strahlt aber wenig intellektuell-männliche Attraktivität aus. Auch Nina Hoss – darstelerisch wie immer vorzüglich – gewinnt als Rebecca keinen festen, runden Charakter – ebenso Susanne Wolf als Clara, – alle Figuren sind keine Personen, zeigen nur deren Umrisse. Das  ehrgeizige, literarisch angehauchten Film-Projekt wird so zur herkömmlichen, mittelmäßigen Kino-Unterhaltung.

Deutscher Kinostart: 11.5..2017

 

14. ANA, MON AMOUR von Calin Peter Netzer /Rumänien)***

Die Liebesgeschichte von Ana und Toma beginnt im Literaturseminar auf der Uni und endet viele Jahre später mit der Scheidung, wobei die Möglichkeit einer Versöhnung offen bleibt. Ana hat ein Problem, sie leidet als junge Frau unter Panik-Attacken (familienbedingt ?), die sie mit diversen Psychopharmaka bekämpft. Toma betreut und beschützt sie liebevoll, begleitet sie zu Ärzten und Psychiatern. Erst als sie ein Kind bekommt, überwindet sie ihre Krankheit. Jetzt aber leidet sie unter der ständigen Fürsorglichkeit Tomas, fühlt sich in ihrer wachsenden Selbständigkeit eingeschränkt. Toma wird darum unsicher, eifersüchtig, am Ende platzt die Ehe. Der rumänische Regisseur Calin Peter Netzer, der mit seinem Film „Mutter und Sohn“ 2013 den Goldenen Bären gewann, erzählt die Beziehungsgeschichte von Ana und Toma fast ausschließlich in Nah- und Groß-Aufnahmen, meist mit der Handkamers aufgenommen und in einer leicht verwirrenden Rückblendentechnik: Toma liegt auf einer Psychoanalytiker-Couch und erinnert sich im Gespäch wie in Erinnerungs-Bildern an die Zeit mit Ana. Am Rande tauchen dabei auch die Eltern der beiden auf: die von Ana klein-, die von Toma groß-bürgerlich, beide Vertreter der alten rumänischen Gesellschaft, wobei Politisches nur vage angedeutet wird. Sehr präsent dagegen agieren die beiden Hauptdarsteller Diana Cavalliotis und Mircea Postelnicu, und lassen differenziert die unterschiedlichen Gefühlszustände im Laufe ihrer Beziehung sichtbar werden. Doch der Film bleibt letzlich sehr privat und – für ein internationales Publikum –  nur eingeschränkt interessant.

Deutscher Kinostart: voraussichtlich im Herbst

 

15. MR.LONG von Sabu (Japan)**

Mr. Long gehört zur Maffia in Taiwan. Er übernimmt einen Killer-Auftrag im fernen und ihm sprachlich unverständlichen Tokyo. Der geht schief. Verwundet flieht er in ein verlassenens Viertel, wo ein kleiner Junge und dessen drogensüchtige Mutter ihm wieder auf die Beine helfen. Er revanchiert sich mit dem Kochen einer delikaten Nudelsuppe. Bald besitzt er mit Hilfe freundlicher Nachbarn eine fahrbare Küche und wird zum gutherzigen Vater einer kleinen Familie. Bis unerwartet die alten Maffia-Kollegen wieder auftauchen… Ein zwiespältiger Film des japanischen Regisseurs Hiroyuki Tanaka (genannt: Sabu), unentschlossen changierend zwischen Gangster-Drama und Klein-Familien-Kitsch. Blut-triefende, surreal überhöhte Killer-Masaker wechseln mit appetit-anregenden Kochkunst-Einlagen und idyllischen Familien-Ausfügen in japanische Freizeitparks Trotz einzelner raffiniert gefilmter Sequenzen (das nächtliche Taipeh, der Killer-Show-Down) entpuppt sich dieser Mr.Long, der Mord- und Küchen-Messer gleich virtuos bedienen kann, als eine sich dramaturgisch unentschlossene, nur mäßig schmackhafte Kino-Mahlzeit.

Deutscher Kinostart: 14.9.2017

 

16. TOIVON TUOLLA PUOLEN von Aki Kaurismäki (Finnland)****

Der junge syrischer Flüchtling Khaled beantragt Asyl in Finnland, der Antrag wird jedoch – einige Zeit später – abgelehnt. Daraufhin versteckt er sich im Hinterhof eines abgelegenen Restaurants, wo ihn dessen Besitzer Wikström, ein ehemaliger Verteter für Hemden und Krawatten, entdeckt und – nach kurzem, handfestem Schlagabtausch – als (günstige) Arbeitskraft beschäftigt. Doch Rechtsradikale lauern dem (illegalen) Flüchtling immer wieder brutal auf… Regisseur Aki Kaurismäki verknüpft die beiden Schicksale des syrischen Flüchtlings und des älteren, finnischen Restaurant-Chefs in einer ebenso einfachen wie treffenden Erzählweise. Der Rhythmus bleibt ruhig, die Bilder  sind einfach und klar, und immer wieder wird dazwischen von finnischen Musikern temperamentvoll gesungen und aufgespielt. Neben den überzeugenden, syrischen „Gast“-Schauspielern greift Kaurismäki auf sein bewährtes Darsteller-Ensemble zurück – auch in kleinsten Nebenrollen – und vermag so das bedrückende (gesamteuropäische) Flüchtlingsproblem dieser Tage mit dem trocken-lakonischen und humorvoll-ironischen Blick des gestandenen Filmemachers auf eine schöne, menschliche Weise aus-zu-balacieren. Ein runder, in sich stimmiger Film und ein wunderbares, anderthalbstündiges Kino-Vergnügen.

Deutscher Kinostart. voraussichtlich 30.3.2017

 

 

 

Mein Berlinale-Tagebuch 2016

10. Februar 201624. Juni 2018BerlinaleNo Comments

1. HAIL, CAESAR!     Joel & Ethan Coen (außer Konkurrenz) ***
Satire auf das Hollywood-Kino der 1940/50-er Jahre – einer Zeit in der mächtige Studiobosse das Filmgeschäft dominierten. Parodiert und ironisiert werden die unterschiedlichen Genres wie Sandalen-Opus, Western oder Melodram, die Allüren von Produzenten, Regisseuren und vor allem von Stars, aber auch die angebliche Unterwanderung Hollywoods durch die Kommunisten. Die zahlreichen Stars, angeführt von Georges Clooney als dämlich-römischem Feldherrn-Darsteller,  chargieren mit Lust, die Dialoge sind meist flott, die Ausstattung üppig und die beiden Regisseure garnieren die unterschiedlichen Geschichten vom schauspielerisch unbegabten Westernhelden, der zickigen Wasserballett-Diva oder dem von Clooneys Entführung überforderten Produzenten mit allerlei bildlichem Witz oder hübschen Tanzszenen á la Gene Kelly. Doch der Spaß hat seine Grenzen : die vielen „guten“ Zutaten mischen sich nicht, zerbröseln in nette Einzelheiten. Der Film „langweilt auf immerhin amüsante Weise“ (Harald Martenstein im „Tagesspiegel“)

2. MIDNIGHT SPECIAL     Jeff Nichols **
Der konventionell erzählte Hollywood-Film vereint mehrere Genres: zuächst einen Action-Krimi mit rasanten Auto-Verfolgungen zwischen Texas und Louisiana – der mit magischer Augen-Kraft ausgestatte, achtjährige Alton Meyer, aufgewachsen in einer sektenähnlichen Gemeinschaft, wird entführt. Dann eine anrührende Familien-Story: der Junge ist von seinen eigenen Eltern, die ihn nur beschützen wollen, gekidnappt worden.  Schließlich eine moderen Sience-Fiction-Variante : der Junge wird von Wesen, die oberhalb der Erde hausen sollen, unter Blitz und Erdbeben „heimgeholt“ – d.h. er verschwindet einfach in einer weiten, flach-sumpfigen Landschaft. Die ihn mitjagenden Sektenmitglieder, wie die Polizei, laufen buchstäblich „ins Leere“. Temporeich und spannend inszeniert, attraktiv fotografiert und gut besetzt (Michael Shannon; Kirsten Dunst), aber zur Parabel (auf wen oder was auch immer) taugt dieses „Mitternächtliche Spezial“ um (auf der Leinwand) niemals sichtbare Aliens kaum – außer „Action“ und  „Family-Love“ nichts gewesen. Allem filmischen Realismus zum Trotz: gelegentliche Lacher im Publikum!

3  L‘ AVENIR     Mia Hansen-Love****
Isabelle Huppert verkörpert mit der ihr eigenen Intensität die ehemals linke, jetzt liberal-bürgerliche Lehrerin Nathalie, die Philosophie an einem Pariser Gymnasium unterrichtet. Zunächst läuft alles harmonisch, doch langsam häufen sich die Kathastrophen. Ihr Mann verläßt sie und zieht aus, ein guter, jugendlicher Freund verläßt Paris und zieht aufs Land, die Mutter muß erst ins Seniorenheim, dann stirbt sie, die beiden erwachsenen Kinder führen ihr eigenes Leben. Das Älterwerden, die Einsamkeit nahen – mit viel Selbstdisziplin bewahrt Nathalie ihre Haltung. Der Film der französischen Regisseurin Mia Hansen-Love enthält sich jeder Larmoyanz, erzählt seine Geschichte in knapper Szenenfolge, elegant ins Bild übertragen und mit schönem Witz unterlegt – statt Mann und Kindern bleibt der einsam Gewordenen am Ende nur der (ungeliebte) Kater iher verstorbenen Mutter.

4. MAHANA (The Patriarch) Lee Tamahori (außer Konkurrenz)****
Familien-Saga eines Maori-Clans im Neuseeland der 1950er Jahre.  Mit brutaler Strenge herrscht der  alte Mahana über seine zahlreichen Söhne, Töchter und deren Ehepartner und Kinder, alle eingespannt in das unter harten Bedingungen aufgebaute Schafzucht-Unternehmen. Erst der 14-jährige Enkel Simon wagt, sich dem autoritären Großvater entgegenzustellen… Regisseur Lee Tamahori hat viele Jahre in Hollywood erfolgreich gearbeitet und entfaltet – in seine Heimat zurückgekehrt – eine ebenso prachtvolles wie anrührendes Familien-Epos – ganz im Stil des alten amerikanischen Western – nur statt schneller Pistolen-Duelle führt hier der wilde Wettbewerb um die rasanteste Schafschur zum filmischen Happy End.

5. FUOCOAMMARE     Gianfranco Rosi**
Der Titel des Films bezieht sich auf eine Musikstück, das sich eine alte Einwohnerin der Insel Lampedusa  als Wunschmusik im Radio wünscht – ein Stück „normales“ Leben auf diesem Iland zwischen Lybien und Sizilien, das als Ziel überwiegend afrikanischer Migranten seit einigen Jahren in die internationalen Schlagzeilen geriet. Der italienische Dokumentarfilmer Gianfranco Rosi zeigt zwei Seiten von Lampedusa: zum einen den (nachgestellten) Alltag des 10-jährigen Samuel und seiner Familie (Schule, Arztbesuch, Fischfang), zum anderen echte Dokumentaraufnahmen vom Auffinden von Flüchtlingsbooten auf dem Meer durch Militärschiffe und wie diese erschöpften Menschen ans Land und in Auffanglager gebracht werden. Doch eine Korrespondenz zwischen diesen Welten – ob sie sich wahrnehmen und wie – , das wird im Bild nicht gezeigt, das muß sich ein williger Zuschauer denken oder erahnen. Insofern bleibt diese Halb-Dokumantation unbefriedigend und ein verschenktes Thema.

6. 24 WOCHEN Anne Zohra Berrached****
Astrid Lorenz ist erfolgreiche TV-Kabaretistin, ihr Lebensgefährte Markus managt sie. Beide wohnen mit ihrer kleinen Tochter in einer modernen, schicken Vorstadt,  Astrids Mutter hielft gelegentlich im Haushalt mit, auch ein Kindermädchen erleichtert den berufstätigen Eltern das Leben. Ein zweites Kind wird freudig erwartet, bis die ärzliche Diagnose das Baby erst als mongoloid, später noch als herzgeschädigt erkennt. Eine Abtreibung oder ein behindertes Kind aufziehen? Freunde und Bekannte haben unterschiedliche Meinungen dazu – beide Elternteile stürzen in tiefe Verwirrung, schwanken in ihrer Meinung, bis Astrid sich für die in Deutschland mögliche Abtreibug nach der 24.Schangerschaftswoche entscheidet, das Kind wird dabei getötet.
Der Film der jungen Hochschulabsolventin Anne Zorah Berracheds ist keine Diskussion über das Thema Abtreibung, sonder konzentriert sich ganz auf die psychologische Entwicklung Astrids, auf ihr Erschrecken, ihre Verwirrung, ihre Angst und Unsicherheit, ihre Suche nach Hilfe bei Mann, Freunden oder Mutter und schließlich die Erkenntnis, daß nur sie allein entscheiden will und muß.
Ob diese Entscheidung richtig oder falsche war, vermag sie später selbst nicht zu sagen: vielleicht, meint sie, ein bißchen von beidem. Der Film bleibt seinen Personen ganz nah: Handkamera und Großaufnahmen (auch von Details) werden bevorzugt und im Gesicht der großartigen Schauspielerin Julia Jentsch wird jede Regung Astrids sicht- und auch nachvollziebar. Anrührendes Kino aus dem intimen Blick einer Frau.

7. QUAND ON A 17 ANS André Téchiné****
Eine kleine Stadt in den französischen Pyrenäen. Thomas und Damien, beide 17 Jahre sind  Einzelgänger in ihrer Klasse. Thomas ist der adoptierte Sohn, wohl nordafrikanischer Herkunft,  auf einem abgelegenen Bauernhof, Damien das Kind der Landärztin, der Vater dient in der Armee und ist daher oft abwesend. Geschildert wird in realistischen Bildfolgen, die eindrucksvoll die Berg-Landschaft und ihre wechselnden Jahreszeiten miteinbeziehen, das schwierige Coming-out der beiden jungen Männer, die vielen psychologischen Windungen, ihre schwule Veranlagung zu erkennen und dann damit zurechtzukommen. Die Rolle ihrer Umwelt (Schule, Lehrer, Eltern) spielt dabei nur eine Nebenrolle – außer der klarsichtigen und tatkräftigen Mutter Damiens, die immer wieder hilfreich den Prozeß des Erwachsenwerdens unterstützt. Altmeister André Téchiné weiß seine trefflich besetzten jugendlichen Darsteller überzeugend in Szene zu setzen  – und Sandrine Kiberlain ist als Land-Ärztin und Mutter ebenso patent wie natürlich. Daß die Story dramaturgisch ein wenig grob und vorhersehbar getrickt ist, wird durch die Eleganz der Inszenierung geschickt überspielt.

8. ALONE IN BERLIN   Vincent Perez***
Nachdem vor ein paar Jahren die erste englische Übersetzung von Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich allein“ (1946) sich zum Welt-Bestseller entwickelte, war klar, daß diesem Erfolg eine internationale Kino-Version folgen würde. Sie feiert jetzt bei der Berlinale ihre Premiere : in Babelsberg gedreht, in englischer Sprache und aus vielen deutschen und ausländischen Finanz-Töpfen gespeist. Herausgekommen ist eine sehr konventionelle, brave Nacherzählung für ein internationales Publikum. Die britischen Schauspieler Emma Thompson und Brendan Gleeson spielen das ältere Ehepaar Quangel, das mit dem heimlichen Verteilen von gegen Hitler gerichteten Postkarten im Berlin des 2.Weltkrieges seinen ebenso tapferen wie bescheidenen Widerstand leistete. Sie überzeugen, weil sie unter der Regie des Schweizer Vincent Perez jede Sentimentalität vermeiden und ihren Figuren so ein klares, sehr menschliches Profil verleihen. Problematischer die Figur des sie verfolgenden Gestapo-Fahnders Escherich (Daniell Brühl), der in dieser Fassung durch die Kartenaktion aufgerüttelt wird und sich erschießt. Ob der fernsehtaugliche Film und sein Thema heute noch  – oder schon wieder? –  ein internationales Publikum interessiert?

9. CHANG JIANG TU (Crosscurrent) Yang Chao****
Ein junger Kapitän fährt auf einem alten, rostigen Lastkahn den Jangtse flußaufwärts – von Shanghai über den mächtigen Drei-Schluchten-Staudamm bis zur Quelle. Er hat soeben seinen Vater nach einem seltsamen chinesischen Ritual (mit schwarzem Fisch) beerdigt und sehnt sich nach einer bestimmeten Frau, die ihm aber nur ab und zu am Ufer oder auf einem gegenläufigen Schiff erscheint. Die phantstische Fahrt durch atemberaubende Landschaften – blaustichig, nebelverhangen – wird mit allerlei Gedichten und philosophischen Sentenzen (als Schriftbilder) ausgeschückt, der Kapitän trifft in einer verfallenden Pagode auf Buddah-Stimmen oder er begegnet seiner Wunsch- Frau in einem gespenstischen, verlassenen Inseldorf, wobei immer ein raffinierter Kontrast zwischen Realität und Phantasie sich magisch entfaltet. Ob Poesie oder Kitsch – für den mit der chinesischen Kultur nicht vertrauten Zuschauer bleibt der von mächtig aufrauschender Musik untermalte Film über weite Strecken ein merkwürdiges – wenn auch ein optisch überaus attraktives Rätsel.

10. CHI-RAQ   Spike Lee (außer Konkurrenz)***
Bandenkämpfe unter Schwarzen im heutigen Chicago, hochgepeitscht von Sex, Drogen und Waffen. Nach dem Tod eines Kindes bildet sich ein Front taffer Frauen: No Peace, no pussy! Lysistrata lässt grüßen. Gefilmt im Stil eines tubulenten, effektvollen Musicals – es wird viel gesungen, gerappt, getanzt und in gereimten Dialogen gesprochen. Eine szenisch einfallsreiche, schrill-bunte Show mit fabelhaften, fast ausschließlich schwarzen Darstellern, aber doch sehr vordergründig und allzu – wenn auch gut gemeint – agitatorisch-plakativ.

11. GENIUS   Michael Grandage****
Die – historisch verbürgte – kreative Beziehung zwischen dem Verleger Max Perkins und dem Schriftsteller Thomas Wolfe. Wie die beiden charakterlich so unterschiedlichen Männer im Jahr 1929  aus einem überbordenden Manuskript den Welterfolg „Schau heimwärts, Engel“ filterten, wie sie an einem weiteren Roman („Von Zeit und Fluß“) arbeiteten und wie darüber die privaten Beziehungen der beiden zu ihren Frauen und Familien großen Schaden nahm: Der eigentlich unfilmische Stoff wird von dem britischen Theatermann Michael Grandage geschickt in Szene gesetzt und durch die beiden hervorragenden Darstellern bestens beglaubigt: Colin Firth als zurückhaltender, eher puritanischer Verleger, Jude Law als exzentischer, selbstgefälliger Dichter.  Ein intelligent-unterhaltsames Kammerspiel für Literaturfreaks und  Freunde subtiler Schauspielkunst.

12. KOLLEKTIVET (The Commune)  Thomas Vinterberg***
Der Titel (der in der deutschen Fassung mit „Die Kommune“ übersetzt wird, Kinostart: 21.April) erweckt falsche Erwartungen. Es geht nicht um linkspolitische Wohn- und Lebensgemeinschaften. Sondern: Erik (Ulrich Thomsen), Archtektur-Professor in Kopenhagen und Anna (Trine Dyrholm), Nachrichtensprecherin beim dortigen Fernsehn, beide so um die 40, erben eine stattliche Villa. Da dieses Haus zu groß für das Paar und seine 14jährige Tochter Freija ist, werden Freunde und Bekannte zum Mitbewohnen eingeladen. Zunächst ein fröhliches Kollektiv: Zusammen wird gegessen, getrunken und gefeiert, schließlich spielt die Geschichte in den 1970er Jahren. Doch als Erik ein Verhältnis mit seiner Studentin Emma eingeht, kommt der Hausfrieden ins Wanken. Zwar gibt Anna sich zuerst cool und ist sogar einverstanden, daß Emma mit ins Haus zieht, doch dann bricht sie zusammen. Nach qualvollen Wochen verläßt sie auf Rat ihrer Tochter Villa und Gemeinschaft. Regisseur Thomas Vinterberg, Mitbegründer der dänischen Dogma-Bewegung, hat die ürsprünglich strengen Regeln dieser Theorie stark gemildert und einen – in seiner Machart – sehr konventionellen Film gedreht, in dem das titelgebende Kollektiv lediglich den Hintergrund für eines der üblichen Ehedramen abgibt. Anfangs schildert der Film mit einigem Witz die Marotten der   Wohngemeinschaft, später dominiert die eheliche Dreiecks-Story. Wobei Spannung und Interesse des Zuschauers vor allem durch das intensive Spiel von Trine Dyrholm als der grundlos verlassener Ehefrau geweckt werden. Nicht das Kollektiv, sondern sie allein trägt den Film.

13. ZJEDNOCZONE STANY MILOSCI  (United States of Love)  Tomasz Wasilewski***
Plattenbau-Silos am Rande einer polnischen Kleinstadt. In ausgebleichten Farben schildert der Regisseur Tomasz Wasilewski (geb.1980) das freudlose Dasein von vier Frauen. Agata, verheiratet, eine halbwüchsige Tochter, hat sich erfolglos in den hübschen Priester verliebt, die Schuldirektorin Iza quält sich als unglückliche Geliebte eines Arztes, die einsame Lehrerin Renata sucht verzweifelt die Freundschaft zu ihrer Wohnungs-Nachbarin Marzena, einer Aerobic-Trainerin, die von einem Leben als Model träumt (und vorerst nur ausgenützt wird). Diese frustrierenden Liebes- und Sex-Geschichten spielen Anfang der 1990er Jahre, vom Aufbruch wie in den umliegenden Ex-Ostblock-Ländern ist in dieser winterlich-trostlosen Gegend Polens noch nichts zu spüren. Kühl und distanziert – mal mit erregter Handkamera, mal in lang stehenden Einstellungen – führt der Film seine Personen und ihre Umwelt vor, den tristen Alltag im „sozialen Realismus“, eine erstarrte Gesellschaft zwischen Kirche und „Fick-Zellen“. Ein filmisch kunstvoller Rückblick ohne Nostalgie: Vergangenheits-Bewältigung oder Mahnung für heute?

14. STAINT AMOUR  Benoit Delepine/Gustave Kervern (außer Konkurrenz)**
Gérard Depardieu spielt einen Landwirt und Viehzüchter im Rentneralter, der mit seinem erwachsenen Sohn und Nachfolger (Benoit Poelvoorde) eine Reise durch die französischen Weingebiete unternimmt. Im Sommer – auch wenn häufig dunkle Wolken den Himmel bedecken – und im Taxi. Es wird reichhaltig gegessen, gesoffen und gevögelt – mit allerhand überraschenden Nebenwirkungen, an denen auch der junge Taxifahrer kräftig mitmischt. Das eigentliche Ziel der Reise, nämlich das schlechte Verhältnis von Vater und Sohn zwecks Nachfoge auf dem Hof zu verbessern, gelingt unerwartet gut: eine für alle drei Männer passende Reiterin (in jeder Beziehung!)reist mit zurück aufs heimische Gut. Eine derbe Komödie, in der auf jede „gender corectness“ großzügig verzichtet wird, um dafür die nach wie vor männliche Präsenz von Gérard Depardieu und die Clownerien seines belgischen Partners Benoit Poelvoorde effektvoll auszustellen –  ein draller Spaß. Ein Frankreich-Trip, der trotz witziger Bild- und Text-Einfällen für feinere Gemüter Geschmackssache bleibt.

15. CARTAS DA GUERRA  Ivo M. Ferreira****
António Lobo Antunes, einer der bekanntesten Schriftsteller Portugals, leistete in seinen jungen Jahren Militärdienst als Arzt in Angola, einer der letzten Kolonien seiner Heimat (1971 – 73). Er hatte kurz zuvor geheiratet und schrieb seiner jungen Frau, die ein Baby erwartete, lange Briefe aus dem afrikanischen Lager. (2005 wurden sie veröffentlicht). Der Film von Ivo M. Ferreira entwickelt daraus eine reizvolle, wenn auch komplizierte Doppel-Struktur. Aus dem Off hört man die Stimme der Frau, die die an sie gerichteten Liebes-und Sehnsuchtsbriefe liest, während man im Bild  nachgespielte Szenen aus dem Leben der Soldaten – unter ihnen Antunes (Miguel Nunes) als Sanitäter und Arzt – in den einfachen Zelt- und Barackenlagern im angolanischen Busch sieht. Alle Bilder sind in stark verschattetem Schwarz-Weiß gehalten: der dumpfe Militär-Alltag, die Verwundeten auf beiden Seiten, die ungewohnte, geheimnisvolle Natur, die steigende Unzufriedenheit und Angst unter Offizieren wie Manschaften. Demgegenüber die Briefe, die die Sehnsucht des Autors nach seiner Frau und dem zu erwartenden Baby durchziehen, aber auch sein sich immer mehr vergrößerndes Befremden über die Rechtmäßigkeit des Kolonialkrieges und die Angst vor kommenden Katastrophen oder einem möglichen Tod. Ein kunstvolles filmisches Puzzle aus sich nur indirekt ergänzendem Bild und Ton, raffiniert gemischt, realistisch und poetisch zugleich, voll erhellender Melancholie.

16. A QUIET PASSION  Terence Davies (Berlinale Special)****
Bio-Pic über die amerikanische Dichterin Emily Dickinson (1830 – 1886). Als eine der bedeutensten Lyrikerinnen der USA wurde Emily Dickinson erst nach dem zweiten Weltkrieg entdeckt. Sie selbst wohnte zeit ihres Lebens zurückgezogen auf dem Anwesen ihrer Eltern in Amherst, Massachusetts.
Von ihren über 1700 Gedichten hat sie kaum etwas veröffentlicht, erst ihre Nichte gab den Nachlass, frei, wobei sie meist starke Eingiffe in die einzelnen Gedichte vornahm. Über Emilys Alltag ist nur wenig bekannt, so daß der Regisseur Terence Davies die einzelen Geschehnisse und Episoden für seinen zweistündigen Spielfilm vorallem aus den zahlreichen Briefe der Dichterin filterte. Der erste,
kürzere Abschnitt schildert Emilys frühzeitigen (krankheitsbedingten?) Abschluß ihrer Ausbildung auf dem Amherst-College und die Rückkehr ins Elternhaus, wobei sie sich schnell als selbstdenkende und zum Widerspruch neigende Tochter erweist. Der zweite Teil erzählt von ihrer platonischen Liebe zu einem verheirateten Pfarrer, vom Tod ihrer Eltern und vom eigenen, durch Krankheit bedingten Sterben. Elegant gefilmt in schöner historischer Ausstattung mit trefflichen Darstellern, die die Vorbilder knapp und plastisch charakterisieren können und die vor allem die Gedichte (oder auch Breifausschnitte) wunderbar zum Klingen bringen. Für Literatur-Freunde sehenswert.

Mein Berlinale-Journal 2015

7. Februar 201524. Juni 2018BerlinaleNo Comments

   Plakatmotiv/Foto:Imago/Future Image/Golejewskix

QUEEN OF THE DESERT**
Bio-Pic im üppig ausladenden Hollywoodstil über die englische Historikerin, Archäologin und Orientkennerin Gertrude Bell, die 1915 an der Konferenz über die Aufteilung des Osmanischen Reiches teilnahm, deren Vorschläge für flexible Grenzen jedoch kaum berücksichtigt wurden. Von Werner Herzog (!) zur Schnulze aus 1001er Nacht degradiert, mit einer stehts perfekt gestylten Nicole Kidman in der Hauptrolle – so schick wie belanglos.

45 YAERS***
Kammerspiel über ein älteres Ehepaar im winterlich-ländlichen England in der Woche vor seinem 45. Hochzeitstag, der mit einer Party gefeiert werden soll. Durch Zufall wird Ehefrau Kate damit konfrontiert, dass Ihr Mann Geoff vor ihrer Hochzeit ein intensives Verhältnis mit einer anderen Frau hatte, die jedoch durch einen Unfall in den Schweizer Bergen umkam. Etwas überdramatisierte Beziehungsgeschichte aus dem Blickwinkel der Frau – durch die feinfühlige und ruhige Regie (Andrew Haigh) sowie durch das intensive Spiel von Charlotte Rampling und Tom Coutenay sehr eindrucksvoll.

TAXI****
Neuster Film des iranischen Regisseurs Jafar Panahi, der seit 5 Jahren unter Berufs- wie Hausverbot steht. Im Film fährt er als Taxifahrer unterschiedliche Typen (gefilmt durch zwei im Auto installierte Kameras) an einem hellen Tag durch Teheran: einen Händler ausländischer Videos, einen Unfall-Verletzten mit seiner (das Testament einklagender)  Ehefrau, einen Anhänger der Todesstrafe, alte Frauen mit Goldfischen im Glas, eine altkluge Nichte, die Anwältin einer aus politischen Gründen inhaftierten Hungerstreikenden. Komisches und Skuriles mischt sich mit Tragischem – wobei offen bleibt: was (von Schauspielern) gespielt, was dokumentarisch oder realistisch ist. Eindrucksvoll in seiner Mischung aus schlitzohrigem Humor und bitterem Sarkasmus über die staatliche Diktatur.

JOURNAL D‘ UNE FEMME DE CHAMBRE***
Neuverfilmung des Romans von Octave Mirabeau durch Benoit Jacquot. Oppulentes Kostümdrama, in dem die drall-adrette Zofe von Léa Seydoux schon recht aufsässig ist – wenn auch nur in (im Off gesprochenen) Gedanken. Etwas beliebig und zusammenhanglos erzählt (mit allerlei Rückblenden)  und ohne die kritisch-intellekuelle Schärfe der Vorgänger-Verfilmungen von Renoir und Bunuel. Wohl aus aktuellen Gründen stark betont: der Antisemitismus des groben Dieners Joseph, mit dem am Schluß die Kammerzofe in eine üble Zukunft zieht.

VICTORIA**
Die Story ist eher banal: eine junge Spanierin, die nach Abruch ihres Klavierstudiums in Madrid in Berlin als Bedienung in einem Schnell-Café jobt, lernt ein paar flotte Typen in einer Disco kennen, verbringt mit ihnen den Rest der Nacht und wird am frühen Morge von den kriminellen Jungs als Fahrerin bei einem Banküberfall in Kreuzberg mißbraucht. Bei der anschließenden Flucht und einer Schießerei mit der Polizei kommen außer Victoria alle um – die junge Frau verschwindet ratlos und konsterniert mit der Geldbeute. Diese Story wird von dem deutschen Regisseur Sebstian Schipper und seinem Kameramann Sturla Brandht Grovlen gleichsam wie in einer einzigen Einstellung erzählt: die Handkamera sitzt den Protagonisten hautnah im Nacken, fährt eng um sie herum, folgt ihnen aus der Disco über nächtliche Strassen auf leere Haus-Dächer, in Aufzüge und gestohlene Autos  – bis nach dem fühmorgendlichen Banküberfall in der Zimmerstrasse die anschließende ebenso konfuse wie blutige Flucht im Luxushotel Friedrich-/ Ecke Behrenstrasse endet. Das duch die wackelnde Handkamera beim Zuschauer erzeugte Gefühl, immer direkt dabei zu sein – verstärkt durch die intensiven Schauspieler mit ihrem berlin-englichen Kauderwelsch (Victoria versteht kaum Deutsch!) – macht den Haupt-Reiz des zweieinhalb-stündigen Films aus: ein tempogeladener, rauschhafter Trip durchs heutige, nächtlich-coole Berlin. Doch hinter diesem  formalistischen Drive und zeitgeistigem Schick  -  viel heiße Luft!

KNIGHT OF CUPS**
Der neueste und siebte Film des amerikanischen Star-Regisseurs Terence Malik (der – wie für ihn typisch – auch bei der Berlinale nicht über den Roten Teppich lief, owohl er in der Stadt sein soll). Die Story – soweit erkennbar : der etwa 40jährige Hollywood-Schauspieler oder Drehbuchautor Rick (Christian Bale) leidet unter einer Sinn-Krise. Die Ehe mit einer Chirurgin (Cate Blanchett) ist zerbrochen, der Flirt mit einer zierlichen Brünetten (Natalie Portmann) bleibt eine kurze Affäre. Erinnerungs-Schnipsel an heftige Auseinandersetzungen mit dem Vater und/oder Bruder belasten das Gemüt des ständig über breite Boulevards kurvenden, oder am Pazifik-Strand wandernden Mimen. Das letzte gesprochene Wort des Films lautet: „Fang an“. Dieser äusserliche wie innerliche Leerlauf wird von einer schier unendlichen, im sekundentakt wechselnden Bilder-Flut überspült – Aufnahmen von Menschen und Landschaften in und um die kalifornische Filmstadt. Brilliant fotografiert und geschnitten – doch mehr als eine glänzende Oberfläche bleibt von diesen titelgebenden  Tarot-Karten nicht übrig.

MR. HOLMES*** (außer Konkurenz)
Der britische Ur-Dedektiv Sherlock Holmes scheint unsterblich. Jetzt, im von der BBC produzierten Film des amerikanischen Regisseurs Bill Condon, ist Mr.Holmes 93 Jahre alt . Kurz nach dem 2. Weltkrieg lebt er zurückgezogen auf einen alten Bauernhof in Sussex, züchtet Bienen und versucht  seinen letzten Fall, den der inzwischen verstorbene Dr.Watson noch als romangerechte Lektüre veröffentlicht hat, neu in redigierten Form herauszugeben, und zwar so, wie er sich wirklich ereignet hat. Doch das alte, einst so messerschaft die rätselhaften Morde analysierende  Gehirn funktioniert nicht mehr so richtig. Auch wenn der pfiffige Junge der harschen Haushälterin sich heftig bemüht diese Erinnerungslücken des kauzigen Mr.Holms zu überwinden, wobei einer japanische Arznei, einem Frauenhandschuh und den Bienen im wünderbar blühenden Garten eine wichtige Rolle zufällt. Hübsche Unterhaltung, gemischt mit britisch-trockenem Humor und einer Prise Nachdenklichkeit über Alterseinsamkeit und Tod – vor allem aber eine Paraderolle für den britischen Star-Schauspieler Ian McKellen, dessen  wacher Durch-Blick und Verstand den mächtigen Alter-Gesichtfalten immer wieder listig ein Schippchen schlagen.

ALS WIR TRÄUMTEN***
Ein Arbeitervorort von Leipzig. Fünf Kumpel kurz nach der Wende. Jetzt können sie endlich mal so richtig „die Sau rauslassen“. Die Schule schwänzen, Autos knacken, Alkohol klauen, in einem verlassenen Keller eine Punk-Disco aufmachen. Dann Bandenkriege, Schlägereien mit Neonazis und schließlich diverse Drogen, die alle Freundschaft und Träume – teils tödlich – beenden. Verfilmung des erfolgreichen Romans von Clemens Meyer durch Regisseur Andreas Dreesen. Effektvoll inszeniert in meist düster gehaltenen Farben und Kulissen, gemixt mit ein Paar Orwo-bunten Rückblenden in die Pionierzeit der Jungs. Viel Strotoskob-Geflimmer, bluttriefende Keilereien, aber auch einige stille und berührende Momente. Vieles bleibt sehr literarisch, besonders die Dialoge, zumal die (sehr überzeugenden) Schauspieler in akzentfreiem Bühnendeutsch parlieren. Die DDR-Rückblenden  wirken allzu putzig und harmlos. Von der eigentlich bitteren Wende-Story wird nur die Oberfläche gespiegelt – wenn auch filmisch durchaus attraktiv  – doch dringt die Geschichte kaum in zeithistorische oder psychologische Tiefen.

BODY***
Janusz, so um die Fünfzig, hübscher Schmerbauch, ist Untersuchungsrichter in Warschau – hart im Nehmen seiner oft recht blutigen Fälle.  Seine Frau ist vor einigen Jahren gestorben. Tochter Olga, Anfang 20, scheint den Tod der Mutter nicht überwinden zu können, ist magersüchtig. Janusz läßt sie in eine Klinik einweisen, wo sie von der Psychologin Anna therapiert wird. Anna, deren Kind früh verstarb, besitzt zugleich spiritistische Kräfte, weiß wie man zu Verstorbenen Kontakt findet. Sie überredet den skeptischen Janusz schließlich zu einer nächtlichen Sitzung, um ihn und Olga mit der toten Mutter in Verbindung zu bringen.  Der polnische Wettbewerbsbeitrag von Malgorzata Szumowska balanciert auf den schmalen Grad zwischen Realität und Groteske, mischt Trauer  und Tod mit (katholischem) Glauben und Esoterik, Einsamkeit mit Freßlust, häßliche oder komische  Alltags-Tragödien mit schwarzem Humor. Ein locker inszeniertes und darstellerisch trefflich besetztes Spiel – mal ernst, mal skurril – und mit einer überraschender Auflösung .

POD ELECTRICHESKIMI OBLAKAMI (Unter elekrtischen Wolken)***
Russland, eine weite, karge Winterlandschaft an einem grossen Fluß. Beton-Ruinen von Häusern und Brücken überall, ein mannshohes Pferd aus Metall-Draht, der Rest einer Lenin-Statue mit ausgestrecktem Arm – und alles in bleiern-dichten Nebel eingehüllt. Der Besitzer dieser riesigen, unwirtlichen Baufläche, auf der Menschen aller Art unentwegt umherirren, ist gestorben. Seine Tochter Sasha kehrt als Erbin aus dem Ausland zurück: denkt an einen Verkauf des Geländes an zahlungswillige Japaner. Doch ein Architekt (mit Feuermal im Gesicht) macht Einwände, ein Toristenführer, der einst mit Jelzin in Moskau demonstrierte, mischt sich ein, kirgiesische Arbeiter suchen ihre Kollegen. Am Ende, nach gut zwei Stunden, zieht Sasha mühsam das Metallpferd aus dem Film-Bild. Surreale Szenen, in sieben Kapiteln gegliedert, fügt der russische Regisseur Alexey German Jr. zu einem scheinbar endlosen, langsamen dahin fließenden Bilderstrom, der die historische und kulturelle Vergangenheit Russlands und seine mögliche Zukunft reflektieren soll. Eine sehr apokalyptische Vision, die – vor allem für nicht-russische Zuschauer – oft sehr rätselhaft bleibt. Das Datum „100 Jahre Oktoberrevolution“ war – so der Regisseur -  der Anlaß für diese gewaltige, surreale Bild-Phantasmagorie mit ihren düsteren, geschichts-philosophischen  Untertönen. „Was ist im Jahr 2017 los“ fragt einmal eine Figur. Antwort: „Krieg“!

EISENSTEIN IN GUANAJUATO***
In den Jahren 1931/32 hielt sich der damals schon weltberühmte, sowjetische Regisseur Sergej Eisenstein („Panzerkreuzer Potemkin“/ „Oktober“) längere Zeit in Mexiko auf. Er beabsichtigte einen Film über dieses Land zu drehen, das die Entwicklung von den Mayas bis zur (linkssozialistischen) Gegenwart in mehreren Episoden schildern sollte. Doch die amerikanischen Geldgeber, darunter der Schriftsteller Upton Sinclair, entzogen ihre finazielle Unterstützung, als das Unternehmen sich in ihren Augen zulange hinzog. Eisenstein musste nach Moskau zurück, das abgedrehte Filmmaterial verblieb – entgegen einer urspünglichen Abmachung -  in Hollywood.
(Teile daraus wurden später von mehreren Filmwissenschaftlern zusammengestellt und veröffentlicht, ohne daß es gelang die von Eisenstein unter dem Titel „Que Viva Mexico“ beabsichtigte Fassung zu rekonstruieren). Der britische Regisseur Peter Greenaway (71), der vor vielen Jahren mit seinem „Kontrakt des Zeichners“ bei der Berlinale (Forum) seinen großen Durchbruch feierte, hat sich für „Eisenstein in Guanajuato“ eine Episode ausgedacht, in welcher der 33jährige Sowjet-Künstler seine (bisher verborgene) Homosexualität entdeckt und sich auf eine kurze Affäre mit seinem mexikanischen Führer einlässt. Greenaway entfesselt ein fulminantes Feuerwerk aus mexikanischen Landschaften, pitoresken Häusern, Art-Deco-Interieurs, alten Maya-Zeichnungen, Symbolen und historischen Gemälden. Sommerlich-elegante Kostüme der 30er Jahre, junge Frauen in folkloristischen Kleidern, bärtige Männer im Zapata-Look. Dazwischen immer wieder Ausschnitte aus den schwarz/weiß Filmen von Eisenstein, oft gesplittet auf dreiteiliger Leinwand. Und viel Musik von Serge Prokofiev, der später für Werke Eisensteins bedeutende Partituren schrieb. Fotografie und Schnitt sind temporeich und mitreissend, gleichsam eine virtuose Annäherung an die berühmte Montage-Technik des Porträtierten. Den verkörpert sehr überzeugend Elmer Bäck, mit wild abstehender Haarmähne und provokanter Zunge ein sympathischer „verstubbelter Clown“ (wie er sich selbst bezeichnet). Schade nur, daß Greenaway sich überwiegend auf das schwule Melodram konzentriert, Figur und Gedankenwelt des Sowjetbürgers und Künstlers nur am Rande lebendig werden lässt. Dennoch: ein filmischer Bilderrausch, so spannend wie farbig.

YI BU ZHI YAO (Gone with the Bullets)*
Eine deftig-turbulente Komödie des chinesischen Regisseurs Jiang Wen. Sein Ausgangspunkt ist ein chinesischer Film aus den 20er Jahren, in dem es um einen Mord an einer Nutte geht. Jiang Wen pardiert und persifliert nicht nur den alten Schwarz-Weiss-Streifen, sondern er mixt mit modernster Technik alle denkbaren Film-Genres zu einer schrillen Klamotte: Hecktische Verfolgungsjagden in Oldtimern; Nachtclub-Shows im mondän-glitzernden Shanghai, Ganoven, die mit der Polizei unter einer Decke stecken, smarte Hochstabler und zwielichtige Frauen: das könnte eine lustige Pereformance werden – doch die grobe Hau-Ruck-Methode, mit der Lustspiel, Krimi, Musical, Sex-Parodie und Actionthriller  miteiander verquirlt und verhampelt werden, produziert statt Scherz, Satire und Ironie nur plattes Kasperle-Theater und gähnende Langeweile.

ELSER***
Person und Geschichte des Georg Elser sind wissenschaftlich gut erforscht, dürften aber einer breiten Öffentlichkeit weniger bekannt sein. Eine löbliche Absicht ist es deshalb, sein Schicksal in einem leicht zugänglichen Spielfilm nachzuerzählen. Am 8.November 1939 hatte der Schreiner Elser, aus dem Schwäbichen stammend, eine selbstgebastelte Zeit-Bombe im Münchner Bürgerbräu-Keller hinter dem Rednerpult Adolf Hitlers versteckt, die auch pünklich explodierte. Doch Hitler hatte seine Rede 13 Minuten früher abgebrochen, um rechtzeitig den Zug nach Berlin zu erreichen, da schlechtes Wetter den eigentlich dafür vorgesehenen Flug verhindert hatte. Elser wurde bald darauf gefasst, verhört, gefoltert und im April 1945 in Dachau hingerichtet, nachdem die Nazis lange Zeit vergeblich nach vermuteten Hintermännern gefahndet hatten. Das Bio-Pic des Münchner Regisseurs Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) ist jedoch recht bieder geraten. In vielen Rückblenden, während der brutalen Verhöre, erinnert sich Elser an die bescheidenen Verhältnisse, in denen er auf dem Dorf aufwuchs, an die unglückliche Ehe seiner Eltern, an seine grosse Liebe zu der verheirateten Elsa und an Freunde, die Kommunisten waren und von den Nazis in Konzentationslager gesteckt wurden. Langsam entwickelt sich der schwäbische Schreiner vom Pazifisten zum entschlossenen Bomben-Attentäter, unschuldig Opfer in Kauf nehmend, um das noch grössere Blutbad des heraufziehenden Krieges zu vermeiden. Christian Friedel verkörpert Elser als grossäugigen Lockenkopf, bleib dabei aber recht eindimensional, während Burghart Klaußner als verhörender Gestapo-Chef ein paar individuelle Züge zeigen darf. Zu den Produzenten des Film gehören mehrere Fernsehanstalten – dort ist dieser „Elser“ sicherlich an der richtigen Stelle  plaziert.

VERGINE  GIURATA***
Hanna ist Waise und wird bei einer befreundeten Familie in den Bergen Albanien großgezogen – ganz im traditionellen Stil und Gesetz (Kanun), nach dem Frauen nur die Rolle der Dienerin zugebilligt wird. Dem kann Hanna entgehen, indem sie männliche Kleidung anzieht, die langen Haare abschneiden lässt, den Namen Mark annimmt und vor den versammelten Männern des Dorfes ewige Jungfräulichkeit schwört. Einige Jahre später, nach dem Tod ihrer Nenn-Eltern, verlässt Mark/Hanna die Berge Albaniens und zieht zu ihrer Nenn-Schwester Lila, die mit Mann und Tochter in Mailand lebt. Zwar ist Mark/Hanna nicht gerade willkommen, und sie hat Schwierigkeiten, sich in der modernen Großstadt zurecht zu finden. Besonders die ihr angenommene, bzw. auferzwungene Männlichkeit irritiert nicht nur ihre Umwelt, sondern vor allem sie selbst. Nur langsam löst sie sich, findet wieder – auch dank ihrer Schwester – zu sich selbst. Die italienische Regisseurin Laura Bispuri verfolgt der Weg Hannas sehr einfühlsam, in ruhigen Sequenzen und mit nur wenigen Dialogen. Symbolische aufgeladene Bilder sollen den geschlechtlichen Zwiespalt zeigen: etwa die vielen unterschiedlichen (halb-)nackten Körper in einem Hallenbad, in dem die Tochter der Schwester  am Training für Synchron-Schwimmen regelmäßig teilnimmt oder ein Bademeister, der ihr sexuelle Angebote macht. Die Irritationen der in einer anarchischen Welt aufgewachsenen Hanna in der modernen Welt Nord-Italiens  überzeugen, die sich anbahnende (glückliche) Lösung ihres Gender-Problems weniger.

CINDERELLA***
Optisch oppulente Verfilmung des bekannten Märchens mit Hilfe von Computer-Technik und Digital-Tricks. Gefällig und unterhaltsam, aber ästhetisch fragwürdig. Regisseur Kenneth Branagh erweist sich als souveräner Hollywood-Routinier, unter den Darstellern triumphiert in der Rolle der bösen Stiefmutter Cate Blanchett als elegante Salon-Megäre. Szenen-Applaus für die virtuos-komische Rück-Verwandlung von Cinderellas goldener Kutsche: Schlag Mitternacht zerfällt sie bei rasender Fahrt in ihre ursprünglichen Bestandteile: Kürbis, Mäuse und Echsen. Der Charme des Films besteht in der leichten (angelsächsischen) Ironie, mit der der gigantische Ausstattungs-Kitsch präsentiert wird.

TEN NO CHASUKE**
Die Engel in einem japanischem Himmel betätigen sich als teetrinkende Drehbuchautoren, die oft über die Verwirklichung ihrer Ideen in der realen Welt – wenn sie auf diese herabblicken – erschrecken. Um eine solche Idee – junges Mädchen wird von Auto überfahren – wieder gut zu machen, senden sie ihren Teeauschenker Chasuke auf die Erde, wo er mit weißen Flügeln durch die Markthallen von Okinawa wandelt – wie einst Bruno Ganz im „Himmel über Berlin“. Dort rettet er nicht nur die stumme Schöne vor dem Autounfall, sondern prügelt sich auch blutig mit Gangster-Banden herum, oder  heilt mit seiner magischen Kraft Blinde und Lahme. Sogenannte ‚philosophische‘ Possen (=Allerweltsweisheiten) und filmische Zitate beflügeln die turbulente Reise des himmlischen Sendboten durch Markthallen und Karaoke-Bars. Nette Grund-Idee, deren Witz sich jedoch sehr schnell erschöpft und in Albernheit ausartet.

SELMA****(Berlinale Special)
Eine zentrale Episode im Kampf von Martin Luther King um die rechtliche Gleichstellung der Schwarzen in den USA. Um ihr Wahl-Recht durchzusetzen, das trotz Gesetz im Staat Alabama durch allerlei Schickanen verhindert wurde, organisieren King, der kurz zuvor den Friedensnobelpreis erhalten hat, und seine Unterstützer im Sommer 1965 einen gewaltlosen Marsch von dem kleine Städtchen Selma nach Montgomery, der Hauptstadt des Bundesstaates. Die Polizei küppelt die Schwarzen brutal nieder, doch ist dank der landesweit ausgestrahlten Fernsehbilder und Zeitungsberichte die Empörung so groß, daß Präsident Lyndon B.Johnson den „Voting Right Act“ unterschreibt. Der Film der schwarzen Regisseurin Ava DuVernay ist kein umfassendes Bio-Pic Martin Luther Kings, sondern konzentriert sich ausschließlich auf seine Beteiligung an den Vorkomnissen in und um Selma. Dabei gelingt es der Regisseurin vortrefflich, das historische Geschehen – den dreifachen Anlauf des Marschens – in opulenten, wenn auch unpathetischen Bildern zu zeigen und zugleich die Reflexionen, Strategien wie auch Selbstzweifel von King und  seinen Mitarbeitern deutlich werden zu lassen. Ausführliche Diskussionen mit seiner Ehefrau, mit gewaltbereiten Schwarzen oder dem amerikanischen Präsidenten verdeutlichen die vielschichtige historische Situation, deutet aber auch Folgen an, die bis heute virulent in den USA sind.  Grosses, engagiertes Kino im Hollywood-Stil – obwohl vom Studio nur unter „Indipendent“- Bedingungen (geringes Budget, keine Stars) produziert.  Ein schöner Erfolg: die Oscar- Nominierung als ‚Bester Film‘.

Mein Berlinale-Journal 2014

8. Februar 201424. Juni 2018BerlinaleNo Comments


Foto: c.Berlinale

LA VOIX DE L’ENNEMIE (Rachid Bouchareb) Englisch/Spanisch***
Neuverfilmung eines alten französischen Stoffes (1973), verlegt in eine texanische Kleinstadt an der heutigen Grenze zwischen Mexiko und den USA. Ein farbiger Mörder (Forest Whitaker) wird nach 18 Jahren Gefängnis entlassen, eine taffe Bewährungshelferin (Brenda Blethyn) kümmert sich um ihn, doch der verknöcherte Sheriff (Harvey Keitel) sieht in ihm nur den ewigen Verbrecher und ein alter Kumpel (Luis Guzman) versucht ihn erneut zu zwielichtigen Geschäften zu überreden. Überall werden dem besserungswilligen Mörder, der sich in der Haft zum Islam bekehrt hat, Fallen gestellt. Das Ende ist vorhersehbar. Trotz hervorragender Schauspieler, betörend schönen Panorama-Aufnahmen der weiten, kargen Landschaft – ein allzu konstruiertes, etwas weitschweifig erzähltes Drama über soziale Wiedereingliederung und patriotische Selbstgerechtigkeit.

JACK (Edward Berger) Deutsch ***
Die Odysee zweier Kinder durch Berlin auf der Suche nach ihrer Mutter. Jack ist 10, sein kleiner Bruder Manuel im Vorschulalter. Die Mutter, alleinerziehend, geht abends häufig aus und eines Sommertages klopfen die beiden Kinder vergebens an die Wohnungstür: die Mutter ist weg. Durch Parks und Strassen wandern die Kinder, lassen sich von Bekannten immer neue Orte, wo sie ihre Mutter finden könnten, benennen – aber erst nach den drei (sommerlichen) Tagen eines Wochenendes findet die kleine Familie in der Wohnung wieder zusammen. Und jetzt ist Jack durch diese Erfahrung innerlich bereit, ins – vom Sozialamt angewiesene – Heim freiwillig zurückzugehen. Der Film des jungen Edward Berger, der ganz aus dem Blickwinkel Jacks gedreht ist, überzeugt besonders durch die Emphatie für die Kinder und überzeugt durch seine feinfühlige Personenführung. Auch in der Charakterisierung der (durchaus symphatischen) Mutter und aller  – oft nur kurz auftauchenden – Nebenfiguren werden  die üblichen Klischee weitgehend vermieden.   Filmisch eher solide, aber als aktuelles, psychisch-soziales Porträt bewegend.

DIE GELIEBTEN SCHWESTERN (Dominik Graf) Deutsch**
Weimaer Klassik aus der kinoträchtigen Perspektive: im Bett mit Schiller. Dominik Graf erzählt die historisch nur vage belegte „Ménage á trois“ zwischen dem Dichter und den Schwestern Caroline und Charlotte von Lengefeld, ihren heiteren Beginn und das betrübliche Ende, als die beiden Schwestern sich aus Eifersucht zerstritten. Weimaer Klassik ohne hisstorischen Staub sollte es werden, aber das gelingt nur bedingt. Dramaturgisch schwerfällig wird drei (!) Stunden lang eine historische LoveStory bebildert : trotz eindrucksvoller Landschaftsbilder, edlen Räumen und eleganten Kostümen, und ein paar klassischen Zitaten – mehr als eine TV-taugliche SoapOpera bleibt nicht übrig, aus deren darstellerischem Ensemble sich allenfalls das Temperament der Hannah Herzsprung als verheiratete, ältere Schwester einprägt.

THE MONUMENTS MEN (George Clooney) Englisch – ausser Konkurrenz -***
US-Soldaten versuchen gegen Ende des zweiten Weltkrieges, in Europa geraubte und verschleppte  Kunstwerke aufzuspüren, sie zu sichern und den Eigentümern zurückzugeben, bzw. wenn diese nicht zu finden sind, den entsprechenden Staaten. Der Genter Altar spielt dabei eine wichtige Rolle oder ein Michelangelo-Madonna aus Brügge. George Clooney hat ein etwas hölzernes Drehbuch daraus gebastelt und im üblichen Stil Hollywoods ins Bild gesetzt. In Paris hat die tapfere Französin und innere Widerstandskämpferin Cate Blachett vom Museum Jeu de Paumes alle von Goering abtransportierten Gemälde fein säuberlich verzeichnet, samt deren deutschem Bestimmungsort – und dann übergibt sie es einem der „Monuments Men“, dem für sie so attrakaktiven Matt Damon. In Salzbergwerken verbrennen die abziehenden Nazis viele Kunstwerke, aber auf Neuenschwanstein und schliesslich dann in Altaussee gräbt der smarte Offizier Clooney dann doch noch den gesuchten Altar und die Madonna aus – kurz bevor die anrückenden Russen einmarschieren. Komische und tragische Szenen im bunten Kriegs-Schauplatz-Wechsel, die Dialoge  mal schlagfertig, mal Pathos-erfüllt, und die Musik rauscht mächtig. Ob sich für diese mittelmässige Kriegs-Plotte wirklich ein grosses Publikum interessiert? Ein Dokumentarfilm hätte das bisher kaum bekannte Thema sicherlich spannender und zutreffender würdigen können. 

KREUZWEG (Dietrich Brüggemenn) Deutsch***
Maria ist 14, lebt in einer süddeutschen Kleinstadt, und gehört einer alt-katholischen Kirchengemeinde an. Unter der strengen Obhut und Indoktrination von Mutter und Pfarrer hat sie nur ein Ziel: ihr Leben Gott zu opfern, um den kleinen Bruder von seiner Sprachlosigkeit (die kein Arzt erklären kann) zu heilen. Einen Mitschüler, der sie zum gemeinsamen Chorsingen einlädt, weisst sie zurück; in der Sportstunde protestiert sie gegen (dem Lauftraining unterlegte) Rockmusik als „satanische“, im Krankenhaus – wegen Unterernährung eingewiesen – verweigert sie jede Speise. In der Familie dominiert die resolute Mutter, der Vater und die kleineren Geschwister schweigen demütig. In vierzehn Szenen – parallel zu den vierzehn Kreuzwegstationen – wird Marias Schicksal vorgeführt, jeweils in einer einzigen Bildeinstellung: vom Firmunterricht, Familienausflug, Schulbesuch und Beichte bis zum Tod im Krankenhaus und dem Schliessen des Grabes nach der Beerdigung. Streng und radikal in Inhalt wie Form stellt der Film Fragen nach Glaube und Überzeugung, nach religiösem Wahn und Intoleranz, Erziehung und Familie. Überzeugend Lea von Acken als Maria: ein feines, blasses Gesicht, das von Innen leuchtet, alles Andere  bleibt  holzschnittartig.

NYMPHOMANIAC, VOLUME ONE  (Lars von Trier) Englisch – ausser Konkurrenz -****
Ein älterer Mann (Stellan Skarsgard) findet eine auf der Strasse liegende, junge Frau, offensichtlich leicht verletzt (Charlotte Gainsbourg). Er bietet ihr Unterkunft und Essen an, nach kurzer Erholung sagt sie, dass sie Joe heisse und Nymphomanin sei, dann – von ihm ermuntert – erzählt sie aus ihrem Leben. In diesem ersten, zweieinhalbstündigen Teil des Films sind es fünf Kapitel oder Episoden aus ihrer Kindheit und frühen Jugend (Stacy Martin als junge Joe). Wie sie mit einer Freundin im Zug Männer aufreisst, wie sie sich in ihren Bürochef Jerome (Shia LaBeouf) verliebt, wie die Ehefrau eines Geliebten eine groteske Eifersuchts-Show abzieht (glänzend: Uma Thurman), wie ihr Vater (Christian Slater) im grauenvollen Schmerz-Delirium stirbt und wie sie Jerome nach längerer Zeit wiedertrifft. Verknünft  werden diese (echten oder erfundenen?) Geschichten mit allerlei essayistischen Bild-Sequenzen, sei es über die Kunst des Angelns, Edgar Allen Poe oder die Polyphonie von Johann Sebastian Bach. Ein komplex erdachter und rasant geschnittener filmischer  Mix aus Buchstaben, Zahlen, unterschiedlichsten Animationen, Musik- und Toneinblendungen, Doppel- oder Mehrfach-Bilder, mal in Farbe, mal in Schwarz-Weiss, und immer wieder dazwischen Sex-Szenen ohne jedes Tabu. Volume 1: ein wilder, erotischer Bildungsroman, gelegentlich auch allzu pretenziös und bedeutungsüberladen – Fortzeung folgt.

AIMER, BOIRE ET CHANTER (Alain Resnais) Französisch****
Zwei befreundete Paare im britischen Yorkshire erfahren, dass ein dritter Freund nur noch einige Monate zu leben hat (Krebs!). Sozusagen als letztes gemeinsames Unternehmen studieren diese etwas älteren Freunde ein Theaterstück ein. Dabei erinnern sich alle an ihre Jugendzeit, und an die vergangenen und heutigen Gefühle und (Liebes-)Beziehungen, was zu allerlei turbulenten Situationen, komischen Verwirrungen und erregten Emotionen führt. Alain Resnais‘ neuer Film beruht wieder einmal auf einer der boulevardesken Komödien des britischen Autors Alan Ayckbourn („Life of Riley“) und wird mit viel ironischer Distanz als Theater im Film inszeniert. Vor in kräftigen Farben gemalten Kulissen agiert ein bestens aufgelegtes, sechsköpfiges Darsteller-Ensemble, das seinem „Affen, vollen Zucker gibt“ – angeführt auch diemal von Resnais temperamentvoller Ehefrau Sabine Azéma. Köstliche Unterhaltung für Filmfans, die auch das (komödiantische) Theater lieben.

TO MIKRO PSARI (Yannis Economides) Griechisch***
Ein älterer Auftragskiller in einem winterlichen, kalten Griechenland. Stavros, so sein Name, zerreibt sich zwischen mehreren Gangster-Familien, die alle um seine Mitarbeit werben. Nur ein mal zeigt er moralische Bedenken: als sein Nachbar seine noch kindliche Tochter Katharina gegen viel Geld zur Prostitution verschachern will – da erschiesst er die Eltern. Der griechische Regisseur Yannis Economides gliedert seine böse Gangster-Story in streng formale Bildfolgen, zeigt dabei eine moralisch durch und durch verdorbene Gesellschaft in einer heruntergekommenen Umgebung. Ein deprimierender Blick – eindrucksvoll, wenn auch etwas zu lang, ins Bild gesetzt : Giechenland heute ?

ZWISCHEN WELTEN (Feo Aladag) Deutsch***
Geschildert wird der Alltag deutscher Soldaten in Afghanisten. Im Mittelpunkt der Kommandeur Jasper, der zusammen mit Einheimischen ein Dorf vor Taliban-Angriffen schützen soll. Verbunden mit der privaten Geschichte seines noch jugendlichen Dolmetschers, eines Afghanen, der – wie auch sein Vater zuvor -  zwischen die Fronten gerät und als Verräter brutal verfolgt wird. Kommandeur Jasper schwankt – emotional aufgeschaukelt – zwischen Bundesgewehr-Gehorsam und menschlicher Hilfsbereitschaft. Der vor grandiosen Landschafts-Panoramen gedrehte Film der Österreicherin Feo Aldag besticht durch seine formale Raffinesse, befremdet aber durch das allzu konstruierte Drehbuch, das brav all die Probleme in einzelne Bilder-Szenen umsetzt, die seit Monaten in allen Zeitungs- oder TV-Berichten über die Situation in Afghanistan diskutiert werden. Emotional eindrücklich, aber als Film zu bieder.

PRAIA DO FUTURO (Karim Ainouz) Portugiesisch/Deutsch**
Ein Deutscher ertrinkt an einem Strande im Norden Brasiliens, sein geretteter Freund beginnt mit einem Retteungsschwimmer eine Sex-Affaire. Der Brasilianer folgt dem Deutschen nach Berlin, wo er trotz anfänglichen Schwierigkeiten sich niederlässt. Nach Jahren kommt dessen kleiner – inzwischen erwachsener – Bruder ebenfalls nach Berlin, stellt ihn zur Rede, warum er seine Familie einst so verlassen hat…  Effektvoll fotografiertes Schwulen-Melodram – der strahlende Himmel und das blaue Meer in Brasilien – das winterlich graue, aber neon-glitzernde Berlin – doch die Story bleibt fade, hat keine dramatische Kraft – und verebbt im ständigen sich Aus- und Anziehen der männlichen Darsteller.

BAI RI YAN HUO  BlackCoal, Thin Ice (Diao Yinan) Mandarin***
In einer nordchinesischen Stadt werden Leichenteile gefunden, doch die Ermittlungen der Polizei führen zu keinem Ergebnis. 5 Jahre später findet der ehemals mit dem Fall betraute Polizist, der aber inzwischen den Dienst verlassen musste (u.a.wegen Alkoholproblemen), eine Spur, die zu einer geheimnisvollen, jungen Frau in einem Reinigungsgeschäft führt. Mit allerlei Tricks und Finessen gelingt es diesem Cop a.D. die Lösung der rätselhaften Männer-Morde zu finden. Der chinesische Regisseur Diao Yinan entwickelt seinen Krimi nach den Vorbildern des französischen und amerikanischen „film noir“. Schnee bedeckt die Stadt und ihre Umgebung, überwiegend spielen die Szenen bei Nacht : auf Strassen, in Kneipen, Kinos oder Bars – einmal sogar auf der städtischen Eislaufbahn zu Walzer-Klängen von Strauss -  und immer von (dramaturgisch eingesetztem) grellem Neon-Grün oder Rot beleuchtet. Am Ende des nicht sonderlich spannenden, aber durchaus amüsanten Krimis dann ein üppiges, alle Personen irritierendes Tages-Feuerwerk, sinnlos in alle Richtungen von einem Hochhaus abgeschossen – wohl auch eine Anspielung auf den chinesischen Originaltitel.

WU REN QU No Man’s Land (Ning Hao) Mandarin***
Chinesischer „Western“ in der endlosen Weite der Wüste Gobi. Ein smarter junger Rechtsanwalt aus der Stadt gerät in einen Alptraum: zwischen brutalen Falkenjägern, rauhen LKW-Überlandfahrern und heimtückischen Tankstellenbesitzern. Hier kämpft jeder gegen jeden mit Messer, Gewehr oder Brechstange. Massenhafte Auto-Crashs in der braun-roten, staubigen Landschaft mit ihren exotischen Bergformationen und eine junge Frau, die am Ende als einzige überlebt. Mit dröhnender Musik unterlegt, ein chinesischer Film, der den Blockbusters aus Hollywood Paroli bieten will – und dies, was den film-technischen Aufwand und die Rafinesse der Bilder betrifft, durchaus vermag. Doch die endlosen Wiedholungen und Variationen der Action-Sequenzen (jeder der wüsten Kerle wird mindestens zweimal umgebracht, bevor er wieder blutüberströmt auftaucht!) wirken auf die Dauer von 117 Minuten ermüdend.

BOYHOOD (Richard Linklater) Englisch*****
Zu Beginn des Films ist Mason ein kleiner Junge von 6 Jahren, wohnhaft mit der etwas älteren Schwester und seiner Mutter in einem der typisch amerikanischen Vorort-Häuschen der Mittelschicht, hier zunächst in Houston/Texas, später in Austin. Der Vater ist ausgezogen und holt seine beiden Kinder lediglich am Wochenende oder in den Sommerferien zu gemeinsamen Ausflügen in Vergnügungs-Center oder in Parks der näheren Umgebung ab. Am Ende – nach fast drei Stunden – ist Manson 18, hat die High-School erfolgreich abgeschlossen und zieht weg in ein fernes College. Die Mutter bleibt allein zurück, da auch die Schwester bereits ausgezogen ist. Dazwischen: zwei weitere Heiraten der Mutter und jeweilige Scheidungen, neue Wohnungen, neue Schulen, neue Freunde. Beständig bleibt die Beziehung zum Vater, der inzwischen sich vom jugendlichen Musik-Freak zum angepassten Versicherungs-Angstellten mauserte und dies auch selbst-ironisch kommentiert, aber auch er hat wieder geheiratet, in eine tief religiöse Familie, was zur Folge hat, dass Mason von diesen neuen (Stief-)Grosseltern bei der Familienfeier zu seinem 15.Geburtstag seine erste Bibel als Geschenk erhält. Kurz: es ist die Geschichte einer amerikanischen Durchschnittsfamilie, mit komischen und traurigen Momenten, durchaus auch mit dramatischen, aber frei von extremen, aussergewöhnlichen Ereignissen. Der Clou dieses Films von Richard Linklater besteht darin, dass er in einem Zeitraum von 12 Jahren (2002-2014) gedreht wurde, in jedem zeitlichen Teil-Abschnitt gab es nur wenige Drehtage.  Die Darsteller bleiben dabei immer die Gleichen und altern sozusagen mit dem Film, was natürlich besonders bei dem Schauspieler des Mason, Ellar Colltrane, verblüffend augenscheinlich wird: von kleinen, kindlich-verspielten Jungen über den unsicheren Teenager  zum jungen, langsam reifenden Erwachsenen. Der Film gewinnt dadurch eine enorme Unmittelbarkeit und eine (in einem Spielfilm bisher so nicht gekannte) menschliche Lebendigkeit, die in ihrer alltäglichen Normalität – ohne jede Aufdringlichkeit – die Grundbegriffe unserer (westlichen) Zivilisation und ihrer Werte allgemeingültig durchscheinen lässt. Ein berührender, bewegender Film, ebenso grandios wie unterhaltsam.

LA BELLE ET LA BÊTE (Christophe Gans) Französisch*
Neuverfilmung des französischen Märchens von der Schönen, die sich für ihren Vater opfert, indem sie sich auf einem verwunschenen Schloss dem dort herrschenden Biest ausliefert. Am Ende aber für dieses Biest Mitleid empfindet und ihm dadurch seine menschliche Gestalt zurückgibt. Der Regisseur Christophe Gans inszeniert mit einigen prominenten Stars (Vincent Cassel, Leá Seydoux, André Dusollier) und einer aufwendigen Digital-Technik einen pompöses Computer-Spiel:  geschmacklos und verkitscht, frei von Ironie und fern aller (Märchen-)Poesie.

CHIISAI OUCHI The Little House (Yoji Yamada) Japanisch***
Ein junges Mädchen vom Lande, namens Taki, kommt 1935 nach Tokio. Als Dienstmädchen in das am Rande der Stadt neu erbaute Haus eines Abteilungsleiters einer Spielzeugfabrik. Die ganz in der japanischen Tradition erzogene Taki beobachtet, wie die junge Herrin des Hauses sich in einen (künstlerisch arbeitenden) Kollegen ihre Mannes verliebt. Als dieser 1943 zum Krieg eingezogen wird und die Frau des Hauses schriftlich ein letztes Treffen mit dem Geliebten arrangiert, unterschlägt Taki den Brief – eine Tat die ihr weiteres Leben (das kleine Haus wird 1945 durch Bomben zerstört und sie geht in ihre Heimat zurück) psychisch schwer belastet. Der 82-jährige Altmeister Yoji Yamada hat mit grosser Sorgfalt und einem feinen Gespür die bürgerliche Welt des „alten“ Japan wiederbelebt und geschickt durch eine Rahmenhandlung (der junge Gross-Neffe Takis findet und kommentiert ihr Tagebuch) mit der modernen, heutigen Gefühls- und Gedankenwelt konfrontiert. Berückend und eindrucksvoll ist der Film besonders durch die sorg- und vielfältig eingefügten bildlichen und gedanklichen Details, die auf Politik wie Kultur des traditionellen wie zeitgenössischen Japans verweisen.

Mein Berlinale Tagebuch 2012

7. Februar 201224. Juni 2018BerlinaleNo Comments

LES ADIEUX DE LA REINE von Benoit Jacquot ***
Zeit: 14.-18.Juli 1789, Ort: das Schloss von Versailles. Die junge Sidonie Laborde (Lea Seydou) ist Vorleserin der Königin Marie Antoinette (Diane Kruger). Unter der zahllosen Dienerschaft gehen Gerüchte über die Erstürmung der Pariser Bastille um, verbreiten Angst und Schrecken und sensibilisieren die allgemeine Beobachtung des hohen Herrscherpaares. Auch dieses scheint verunsichert, bereitet die Flucht ins Ausland vor.  Sidonie, ihrer Königin voll ergeben, muss jedoch auf deren Befehl mit der Grafin P., einer intimen (lesbischen?) Freundin Marie Antoinettes als schützende Begleitung in die freie Schweiz fliehen – ein für sie schmerzhaftes ‚Adieux a la Reine‘.  Ein delikat gefilmter  Bilderbogen, der die grossen gesellschaftspolitischen Umwälzungen im Alltag des betroffenen Versailler Königshofes zu schildern versucht. Elegante Kostüme, prachtvolle Interieurs und gute Schauspieler. Ein unterhaltsamer, nicht allzu tief schürfender Historienfilm mit üppigen Schauwerten.

EXTREMELY LOUD AND INCREDIBLY CLOSE von Stephen Daltry (ausser Konkurrenz) **
Verfilmumng des gleichnamigen Romans von Jonathan Safran Foers. Der knapp 10-jährige Oscar Schnell hat seinen Vater beim Angriff auf das World-Trade-Center verloren. Im Wandschrank des Toten findet er einen Schlüssel mit dem Namen ‚Black‘. Traumatisiert und sich der Mutter entfremdend, sucht er in ganz New York nach einem Besitzer dieses Sicherheitsschlüssels, da er glaubt dadurch sein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden. Teilweise begleitet ihn dabei sein stummer Grossvater. Doch der flüssig inszenierte Film bleibt literarische Fiktion, findet keine kinogemässe Umsetzung. Der kindliche Held wirkt hier, im realen und realistisch gefilmten Geschehen nur nervtötend altklug und das aufgesetzte Happy End bleibt verlogen und schal. Schade um die guten Schauspieler, darunter Tom Hanks, Sandra Bullock, Viola Davis und der Kinderstar Thomas Horn.

CESARE DEVE MORIRE von Paolo & Vittorio Taviani ***
Theateraufführung von Skakespeares ‚Julius Cäsar‘ als soziales Projekt in einem römischen Gefängnis. Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm. Kraftvoll und  klug inszeniert – beginnend mit dem erfogreichen Ende der Aufführung vor Publikum – in Farbe, dann in Schwarz-Weiss die langen und vielfältigen Proben-Stadien und am Film-Ende nocheinmal der Schlussteil der Aufführung (wieder in Farbe). Die starke Symphatie der beiden Regie-Brüder Taviani für diesen Resozialisierungs-Versuch durchzieht den ganzen Film, kritische Informationen spielen keine Rolle.

BARBARA von Christian Petzold ****
Die Geschichte einer Ärztin in der DDR. Da Dr.Barbara Wolf (Nina Hoss) einen Ausreiseantrag gestellt hat, wird sie in ein Provinzkrankenhaus versetzt und ständig überwacht. Sie plant mit Hilfe ihres reichen West-Freundes die Flucht über die Ostsee, doch entschliesst sie sich im letzten Moment in der DDR zu bleiben, da sie glaubt, dass es sinnvoller ist, den Menschen ihres Umfelds als Ärztin psychisch wie physisch zu helfen als im Westen das Leben einer verwöhnten Ehefrau zu führen. Der Film überzeugt weniger durch das allzu konstruierte Drehbuch und seine schlicht-gestrickten Figuren als durch die genau getroffene, bedrückende Alltags-Atmosphäre eines Provinzkaffs im totalen Überwachungsstaat DDR, wo jeder jedem misstraut und sich Freunden und Kollegen nur langsam und vorsichtig zu öffnen bereit ist. Neben der überzeugenden Nina Hoss ein gut ausgewähltes Darstellerensemble. Im filmischen Stil – mit seinen vielen Grossaufnahmen – eher einer TV-Ästhetik verpflichtet.

SHADOW DANCER von James Marsh (ausser Konkurrenz) ****
Intelligenter Psychokrimi vor dem Hintergrund des Nordirlandkonflikts im Belgrad der 1990er Jahre. Im Mittelpunkt eine junge Frau, Colette MacVeigh, aus dem Kreis der IRA, die beim Ablegen einer Bombe in einem Londoner U-Bahnhof verhaftet und vom britischen Geheimdienst vor die Wahl gestellt wird : lange Gefängnisstrafe oder Bespitzelung der eigenen Familie für die Engländer. Colette versucht sich zwischen den verfeindeten Lagern durchzumogeln, um sich und vor allem ihren kleinen Sohn zu retten. Getragen wird dieser spannende Film, der raffiniert wie ein Thriller inszeniert ist, von zarten, blassen Gesicht der Schauspielerin Andrea Risebourough, die dieser zwiegespaltenen Frau in einer von grausam-starrköpfigen Männergesellschaft, eine starke, sehr weibliche Präsens verleiht.

L’ ENFANT D’ EN HAUT von Ursula Meier ****
Simon ist erst 12, aber als Dieb ein Profi. Mit seiner angeblichen Schwester Louise, einige Jahre älter als er, lebt er in einem tristen Hochhaus in einem französische-schweizerischen Ski-Gebiet.
Tagsüber klaut Simon auf der von Touristen übervölkerten Piste, was ihm in die Hände fällt – Skier, Sonnebrillen, Anoraks oder auch Vesperbrote, mit dener er sich ernährt. Später verkauft er die gestohlene, oft teure Marken-Ware zu billigen Preisen, wie es sich gerade ergibt. Die Schwester nimmt gelegentlich Jobs an, z.B. als Reinigungshilfe in den vermieteten Luxus-Chalets oder sie verschwindet einfach mit wechselnden Freunden. Einmal enthüllt Simon, dass Louise in Wahrheit seine Mutter sei – sie bestreitet das sofort. Beide jungen Leute sehnen sich offensichtlich nach menschlicher Wärme, die sie aber weder untereinander noch bei anderen Personen finden. Als die Ski-Saison zu Ende ist, bleibt Katerstimmung, aber beide werden weitermachen – ähnlich den abziehenden Saisonarbeitern der Hotels und Restaurants. Ein sensibles Porträt der beiden jungen Menschen, beide orientierungslos in einer hektisch-geschäftigen Welt, nur auf sich selbst und ihre spröde Zusammengehörigkeit angewiesen : ein bemerkenswerter, genau beobachtender Film, hervorragend fotografiert, mit überzeugenden Darstellern -  ganz ohne Pathos und vor allem ohne filmisch beschönigendes Happy-End.

JAYNE MANSFIELD’S CAR von Billy Bob Thornton ***
Alabahma 1969. Eine steinreiche, erzkonservative Grossfamilie auf einem pompösen Landsitz im typischen ‚Vom-Winde-Verweht‘-Stil.  Zu Beerdigung der einstigen Hausherrin, die nach der Scheidung ein  zweites Mal in England geheiratet hat, reisen die dort angeheirateten und bisher unbekannten Verwandten an : mehr gehasst als geschätzt. Auch sonst hängt der Haussegen ziemlich schief, die erwachsenen Kinder erweisen sich als Taugenichse, kiffende Hippies oder Anti-Vietnam-Demonstranten. Regisseur Billy Bob Thornton, der selbst als kriegs-traumatisierter Sohn und Versager mitspielt, entwickelt eine voll ausgreiffende Familien-Schlacht mit stark komödiantisch-grotesken Einschlägen, die allerdings – nach Mainstream-Manier – in lauter versöhnlichen Tönen endet. Gute Schauspieler (u.a. Robert Duvall und John Hurt als das kauzige, amerikanisch-britisches Gegensatzpaar der Familien-Patriarchen), vielfach witzige Dialoge und eine attraktve Retro-Ausstattung im Stil der Sixtie’s  u.a. mit dem Schuppen, in dem  das Todesauto der verunglückten Jayne Mansfield gegen entsprechenden Eintritt bestaunt werden darf. Gefällige Unterhaltung.

LA MER A L’ AUBE von Volker Schlöndorff *** (Panorama)
Oktober 1941 in der französischen Bretagne: aus Rache für den Mord an einem Nazi-Offizier in Nantes ordnet Hitler die Erschiessung von 150 französischen Geiseln an. Die Behörden vor Ort müssen die Listen mit den Todeskandidaten erstellen. Der Film schildert, wie aus einem Internierungslager für Kommunisten und Juden an der bretonischen Küste 27 Männer ausgewählt und von einem deutschen Wehrmachtskommando füsiliert werden. Dabei konzentriert sich der Spielfilm von Volker Schlöndorff auf drei Personen: den inhaftierten, 17jährigen Schüler Guy Moquet, dessen anrührender Abschiedsbrief an seine Familie jährlich an den Schulen Frankreich vorgelesen wird, den deutschen Dichter und damaligen Offizier Ernst Jünger, der den barbarischen Akt nur als distanzierter Beobachter wahrnehmen will, und den noch jungen Wehrmachtssoldaten Heinrich Böll, der – historisch unkorrekt – an dem Massaker teilnehmen muss und dabei seelisch und körperlich zusammenbricht. Ein konventionelles, handwerklich solides Film-Drama, eine grauenvolle Episode deutscher Nazi-Geschichte, deren aufklärerisch-pädagogische Absicht, die künstlerische weit übertrifft.

WAS BLEIBT von Hans-Christian Schmid ***
Deutsches Familiendrama im Milieu der Besserverdiener. Ein Verleger (Ernst Stötzner), wohnhaft in modern-eleganter Villa im Siegkreis, versammelt die engere Familie an einem Sommer-Wochenende um sich, um zu verkünden, dass er sich aus Altersgründen sich vom Geschhäft zurückzieht. Der ältere Sohn (Sebastian Zimmerl) ist Zahnarzt, doch die (von Vater bezahlte) Praxis läuft nicht, der jüngere (Lars Eidinger) ist ein halbwegs erfolgreicher Autor, hat aber Eheprobleme und sich von seiner Frau getrennt. Die Mutter Corinna Harfouch), manisch depressiv, fühlt sich unterfordert – verübt Selbstmord. Alltags-Probleme und Beziehungsgeschichten zwischen und unter den verrschiedenen Generationen, flüssig inszeniert, gute Dialoge und ausgezeichnete Darsteller.
Kein grosser, aber in seiner konzentrierten Erzählweise ein ansprechend-kluger Film.

CAPTIVE von Brillante Mendoza ***
Nach realen Vorkommnissen im Jahr 2001 gedrehtes Entführungsdrama auf den Philippinen. Die muslimische Terrorgruppe Abu-Sayyaf entführt eine Gruppe aus Touristen, Entwicklungshelfer und Missionaren und zwingt sie zu einem monatelangen, strapaziösen Marsch durch den Dschungel. Soldaten der Regierung erweisen sich als unfähig, die Geiseln zu befreien, eher gefährdet sie die erschöpften Menschen durch wahllose Schiessereien. Mit der Zeit entwickeln sich ambivalente Beziehungen zwischen Entführer und Entführten. Auch die Natur und die einheimische Bevölkerung, soweit sie ins Bild kommt, scheinen in merkwürdig schillernder Beleuchtung.

Spannend und raffiniert inszeniert, bleiben jedoch die Absichten des Regisseurs undeutlich. Isabelle Huppert ordnet sich dem Darstellerensemble aus Profis und Laien perfekt ein.

HAYWIRE von Steven Soderbergh ** (ausser Konkurrenz)
Action-Thriller des vielbeschäftigten US-Regisseurs. Temporeicher Agenten-Krimi durch den schneebedeckten State New York, durch enge Gassen in Barcelona, über die Dächer von Dublin und am Strand New Mexico’s. Der Plott ist so verschachtelt, dass das Interesse des Zuschauers immer wieder zu erlahmen beginnt. Im Mittelpunkt: die Mixed-Martial-Art-Kämpferin Gina Carano, die hier ihr Filmdebut gibt: als ebenso elegante wie schlagkräftige Agentin. Um sie herum ein körperlich nicht ganz so fittes, dafür aber glamouröses Männer-Ensemble: Michael Douglas, Michael Fassbinder, Ewan McGregor, Antonio Banderas. Handwerklich gekonnter Mainstream, ansonsten überflüssig.

CSAK A SZEL (Just the Wind) von Bence Fliegaufs ****
Im Wald am Stadtrand einer ungarischen Stadt: ein kleine Siedlung von heruntergekommenen Häusern, bewohnt von Roma-Familien. Eine dieser Familien beobachtet der Film einen Tag lang, vom morgendlichen Aufstehen der Mutter, die zur Arbeit als Putzfrau in der Stadt geht, der Tochter im Teen-Alter, die zur Schule muss, während ihr jüngerer Bruder schwänzt. Der Vater ist in Kanada, sobald genügend Geld vorhanden, will der Rest der Familie nachkommen. Denn die allgemeine Stimmung im Land ist romafeindlich und nachdem am Abend wieder alle zu Bett gegangen sind, wird die Familie im Dunkeln überfallen und brutal erschossen. Die sehr bewegliche Handkamera verfolgt die verschiedenen Familienmitglieder diesen einen sommerlichen Tag über, bleibt ganz dicht bein ihnen. Und zeigt nebenbei wie sie auf eine abweisende Haltung bei der übrigen Bevölkerung stossen: beim Busfahrer, bei den anderen Putzfrauen, bei einer Gruppe auf der Strasse herumlungernder, saufender Männer. Ein intensiver Blick in ein beunruhigend-ärmliches Milieu und in eine brutale Welt, in der blanker Fremdenhass regiert. Ein Film – nur von ein paar sparsamen Tönen unterlegt – ohne pathetische Anklage, aber zutieft erschreckend in seinen genauen, nervös-bedrohlichen Bildern.

GNADE von Matthias Glasner **
Ein deutsches Ehepaar (mit schulpflichtigem Sohn) zieht ins norwegische Hammerfest: Nils (Jürgen Vogel) arbeitet dort als Ingenieur in einer grossen Gasverflüssigungsanlage, seine Frau Maria (Birgit Minichmayr) in einem Sterbehospitz. Bei der Heimkehr von einer Nachtschicht überfährt Maria auf der dunklen, schneebedeckten Landstrasse eine  Schülerin – ohne es zunächst richtig wahrzunehmen. Auch Nils, der darauf hin die Strecke abfährt, findet nichts. Erst ein paar Tage später wird die Leiche in einem Schneeloch entdeckt – doch da es keine Zeugen gibt, verläuft die Untersuchung im Nichts. Erst nach seelischen  Sühne-Qualen und einem dadurch inneren Erstarken ihrer laschen Beziehung, gehen Nils und Maria einige Wochen später zu den Eltern der getöteten Schülerin und gestehen, was vorgefallen ist. Die Polizei wird – so kann man dem Epilog beim heiter-gelassenen Sommerwendfest des Ortes entnehmen – nicht eingeschaltet. Matthias Glasners Film fällt zwiespältig aus: neben grossartigen Bild-Sequenzen, in denen die norwegische Landschaft optisch grandios einbezogen wird und einigen sensibel gestalteten Innen-Szenen ( z.B.wenn Nils und Maria dem Elternehepaar ihre Schuld gestehen), werden weitschweifig und umständlich die einzelnen Etappen des Beziehungs- und Schuld-Dramas aufgeblättert,  dazu diverse Nebenhandlungen (Nils Seitensprung, der Streit des Sohnes mit Schulkameraden) breit eingefügt  und  vor allem raschelt allzu aufdringlich das Papier der Dialoge. Auch bleibt die Geschichte letzlich sehr privat, lässt allgemeinere Aspekte nur teilweise erkennen. Hervorragend dagegen das Darstellerensemble, insbesondere die norwegischen Schauspieler. Fazit: ein hochbegabter, ehrgeiziger Regisseur, ein nur in Teilen überzeugendes, filmisches Schuld-und-Sühne-Drama.

ELLES von Malgoska Szumowska ** (Panorama)
Eine rennomierte Pariser Journalistin (Juliette Binoche) recherchiert über Studentinnen, die durch Prostitution ihr Geld verdienen. Sie interviewt dazu ausführlich zwei junge Frauen (eine Französin und eine Polin), deren Schilderungen von oft bizarren Sex-Erlebnissen in knappen Rückblenden zu sehen sind. Dabei gerät die gut bürgerliche Journalistin, verheiratet, zwei halberwachsene Söhne, mit sich und ihrer eigen Sexualität in Konflikt. Natürlich: Happy-End und neues Glück mit dem Ehemann. Ausser den hübschen Gesichtern der beiden ‚Nutten‘ und der hochelegant gekleideten Juliette Binoche und ihrer menschlich-symphatischen Ausstrahlung hat der Film nichts zu bieten. Nicht einmal für Voyeure.

BEL AMI von Decian Donnellan & Nick Ormerod ** (ausser Konkurrenz)
Ausstattungs-Spektakel nach dem schon mehrfach verfilmten Roman von Maupassant. Die Geschichte eines skrupellosen Aufsteigers in der Pariser Gesellschaft um 1890 – einer Zeit des hemmungslosen Kapitalismus, der Gier und des schönen Scheins. Der Held schläft sich durch diverse Betten der Ehefrauen mächtiger Männer an die Spitze der Gesellschaft, zu Geld und zu Vermögen. Doch statt eines (bösen) aktuellen Gleichnisses schwelgt der Film in oppulenten Kostümen und Paris-Kulissen (gedreht in Budapest). Der amerikanische Teene-Star aus den Vampir-Kassenknüllern, Robert Pattinson, spielt einen dauergrinsenden Schönling, mehr Trottel als berechnender Aufsteiger, aber immerhin ganz attraktiv assistiert von Uma Thurman, Christina Ricci und Kirstin Scott-Thomas. Oberflächliches Kostüm-Kino.

TABU von Miguel Gomes ****
Die alte Aurora lebt mit ihrer schwarzen Haushälterin in einer kleinen Neubauwohnung in Lissabon, verspielt ihr weniges Geld gern im Casino. Ihre Nachbarin Pilar hilft ihr dann aus und steht ihr auch sonst hilfsbereit zur Seite. Als Aurora ins Krankenhaus muss, gibt sie Pilar die Adresse eines alten Freundes, den sie ans Krankenbett holen soll. Doch bis Pilar den alten Herrn in einem Altersheim gefunden hat und mit ihm ins Hospital fährt, ist Aurora schon tot. Der einstige Freund enthüllt nun – in einer  grossen Rückblende – die Vorgeschichte : eine stürmische Liebesaffaire zwischen ihm und der damals verheirateten Aurora im kolonialen Afrika der 1950er Jahre, die nach deren Entdeckung durch Auroras Mann ein abruptes Ende findet – seither haben sie sich nie wiedergesehen. Ein bewusst ‚altmodischer‘ Film, im damals üblichen Schwarz-Weiss-Format und mit vielerlei Anspielungen auf die die Geschichte und die Mythen des Kino. Die Sehnsucht der Alten nach der Vergangenheit, die melodramatische Amour fou, die Exotik des fernen Afrika – all diese Motive werden mal in stummen Spielszenen erzählt, mal als ‚voice-over‘ berichtet, mal als Slapstick, mal als dramatischer ‚Kulturfilm‘. Geräusche und Musik sind oft kontrastierend zu den Bilder eingesetzt, amerikanische Schlager wie portugisisch anmutende Melodien. Dadurch entwickelt der Regisseur Miguel Gomes eine ausgeklügelte, anspielungsreiche Erzählweise – die im Gegensatz   zu ihrer scheinbar ‚tradidionellen‘ Form in Wirklichkeit sehr ungewöhnlich und hochmodern ist  – ein ebenso raffinierter wie kunstvoller Film.

FLYING SWORDS OF DRAGON GATE von Tsui Hark **
Martial-Art-Spektakel in 3D. Fliegende Schwerter und duch die Lüfte sausende Kämpfer beiderlei Geschlechts wirbeln im wildem Tempo durch Wüsten und Sandstürme: ein chinesisches Action-Märchen aus sagenhaften Zeiten – meist in ausgewaschenen Sepia-Gold-Tönen. Dazu westliches Minimal-Music-Gewummere mit chinesischen Gongs  und dröhnendem Schwerterklang kombiniert – nach einer halben Stunde, in der die raffiniert-virtuosen (digitalen) Spezial-Effekte zu bestaunen sind, beginnt das Interesse schnell nachzulassen, da sich die Kung-Fu-Choreographien scheinbar endlos wiederholen -  Langweile breitet sich aus…

BAI LU YUAN (White Deer Plain) von Wang Quan’an *
China zwischen 1912, dem Ende des Kaiserreiches und 1938, dem Überfall der Japaner. Ort: ein Dorf in der Provinz. Zwei Familien-Clans bekämpfen einander, passen sich den politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen der Zeit an und nützen dies für den eigenen Vorteil aus: eine Dorfgesellschaft der Mitläufer und Wendehälse. Dazwischen eine attraktive Frau mit sexuellen Anforderungen an ihre verschiedenen Freunde und Ehe-Männer. Ein episch angelegtes Gesellschafts-Panorama, das aber seinem eigenen Ziel kaum gerecht wird: der Film verheddert sich rasch in einzelne Privat-Episoden, besonders in alberne Sex-Szenen,  und verliert darüber den Gesamtzusammenhang. Er schlittert in belanglos-uninteressante Sequenzen, und mündet trotz oppulenter Landschafts-Aufnahmen – inhaltlich wie filmisch – in 188 Minuten ermüdender Langeweile.
 

Mein Berlinale-Tagebuch 2011

11. Februar 201124. Juni 2018BerlinaleNo Comments

TRUE GRIT  (Wettbewerb – ausser Konkurrenz)****
US-Western von Ethan und Joel Cohen. Mit viel Witz und einer kräftigen Portion Ironie haben die beiden berühmten Regie-Brüder den alten Western von Henry Hathaway (1969 mit John Wayne) neu verfilmt. Wie eine 14-jährige Göre einen abgehalfterten Marshall dingt, um den Mord an ihrem Vaters zu rächen. Mit ihm und einem dazustossenden Ranger aus Texas, der ebenfalls hinter dem Mörder her ist, ziehen sie durch winterliche-einsame Savannen und Berge, stossen schliesslich auf den Gesuchten und ein paar weitere Banditen und erlegen in einem ebenso komischen wie glanzvollen Show-Down sämtliche Ganoven. Allerdings nicht ohne eigene Blessuren davonzutragen.
Mischung aus klassischem Western-Kino und gleichzeitiger Persiflierung des Genres. Brillant-witzige Dialoge, grossartige Schauspieler: Jeff Bridges als abgewrackter, sarkastischer Marsall, Matt Damon in der Rolle des leicht dämlichen Texas-Rangers und die Neuentdeckung Hailee Steinfeld als jugendlich-schlagfertige Initiatorin des kuriosen Rachefeldzuges. Eindrucksvolle Landschafts-Panoramen und geschickt aufpolierte Country-Music runden „True Grit“ zum ’scheidig‘-komödiantischen Unterhaltungs-Kino – zeigen wie intelligente Regisseure, aufbauend auf den bewährten Traditionen,  Hollywood zu frischem Glanz verhelfen.
(Der Film läuft ab 24.Februar in den deutschen Kinos)

THE FORGIVENESS OF BLOOD (Wettbewerb) ****
Ein armes Dorf in der Bergen von Albanien. Trotz des EU-Beitritts herrscht hier noch das Gesetz der Blutrache. Die alten Männer halten an diesem Ritual eissern fest. Zwischen zwei Clans kommt es wgen eines Grundstückes zum Streit, ein Mann wird dabei getötet. Der Täter, Oberhaupt und  Vater einer kleinen Famile mit vier Kindern muss sich vor dem verfolgenden Clan und vor der Polzizei verstecken, die beiden Söhne dürfen das Haus nicht mehr verlassen, auf Wochen, auf Monate,  sonst droht ihnen tödliche Rache. Nur die Frauen werden – entsprechend dem Ritual -  verschont und müssen nun für den täglichen Unterhalt sorgen: tragen Brot aus, verkaufen Zigaretten. Nick der ältere der beiden Söhne, 17 Jahre, der nach seinem Schulabschluss einen Internetshop eröffnen möchte und der in hübsches Mädchen aus der Klasse verliebt ist,  leidet unter dem unfreiwilligen Eingesperrtsein, begehrt allmälich gegen den immer wieder zu nächtlichen Besuchen erscheinenden Vater als Verkörperung der alten (Un-)Sitte auf – ihm will das Blutrachegesetz und das starre Festhalten der Alten daran  nicht mehr einleuchten.  Am Schluss flieht er aus dem heimischen Gefängniss.
Mit fast dokumentarischer Genauigkeit schildert der amerikanische Regisseur Joshua Marston diese fast unglaubliche Geschichte, verfolgt die kargen Gesten und Worte der Personen, zeigt die verwitterten und verbitterten Gesichter der Alten, die der stumm leidenden Frauen und beobachtet mit sensibler Genauigkeit den langsam innerlich hochkochenden Widerstand des jungen Nick (hervorragend: Tristan Halilaj), der mit diesen falschen Traditionen nichts mehr zu tun haben will. Ob sein Ausbruch in eine andere Welt, in die des modernen, jungen Albanien gelingt, bleibt offen. Ein eindringlicher Film, ohne Pathos, aber mit viel Empathie für die junge Generation dieses armen, europäischen Landes.

MARGIN CALL (Wettbewerb) ****
Thrillerähnlich gefilmtes Drama in einer New Yorker Investment Bank, kurz vor der Finanzkrise 2008. Ein junger Risiko-Analyst entdeckt, dass die Bank sich verspekuliert hat und überwiegend auf wertlosen Papieren sitzt. Nächtliche Krisen-Sitzung des Aufsichtsrates und der leitenden Angestellten, Beschluss des Vorstands-Vorsitzenden, am nächsten Morgen alle Papiere loszuwerden, auch unter Inkaufnahme von Verlusten und grösstem Image-Schaden. Danach rollen einige Aufsichtsrats-Köpfe und ein Grossteil der Angestellten wird entlassen. Die ‚überlebenden‘ Manager versuchen einen Neuanfang.
Keine kritische Abrechnung mit dem amerikanischen Wirtschafts- und Finanzsystem, sondern ein Kammerspiel um die Besitzer und Angestellten der Bank – raffiniert gefilmt (Regie: der Newcomer JC Chandor) und hervorragend gespielt (u.a. Kevin Spacey, Jeremy Irons, Demi Moore).  Intelligentes, aktuelles Kino, wenn auch ein bisschen glatt und gelegentlich die bekannten Klischees streifend.
(„Margin Call“ ist ein Fachbegriff aus der Börsenwelt: Aufforderung an Kunden, Geld nachzuschiessen, wenn eine Bank in Schwierigkeiten gerät).

PINA (Wettbewerb – ausser Konkurrenz) ****
Dokumentarfilm von Wim Wenders über Pina Bausch und ihr Wuppertaler Tanz-Theater.
Ursprünglich plante er den Film zusammen mit Pina Bausch,  die Vorarbeiten und ersten Proben liefen bereits,  doch ihr unerwarteter Tod im Juni 2009 verhinderte alles Weitere. Die Tänzer ermunterten Wenders, doch noch weiterzumachen, einen Film über Pina zu gestalten  – er wurde zur Hommage für die grosse Choreographin und ihr Ensemble. Kurze Statements der einzelnen Tänzer über ihr Arbeits- oder ihr persönliches Verhältnis zu Pina wechseln mit längeren Ausschnitten aus vier – noch von Pina selbst ausgewählten – Tanzstücken (Sacre du printemps, Cafe Müller, Kontakthof, Vollmond) sowie einigen wenigen, älteren Aufnahmen oder Interview-Schnipsel von ihr selbst. Hinzu kommen knappe Tanz-Szenen der einzelnen Tänzer in Freien: in Parks, Abraumhalden oder in und unter der Wuppertaler Schwebebahn;  am Schluss tanzen alle hintereinander als bunte Reihe den Rand eines steilen Kraters entlang.
Die Aussagen der Tänzer zeigen ganz klar , dass es sich bei diesem Ensemble um eine stark miteinander verklammerte Künstler-Familie mit Pina als dem dominierenden Oberhaupt handelte, wobei viel Persönliches im Spiel war – die Choreographin in der Doppelrolle als Künstlerin und  menschliche Bezugsperson einer auf sie eingeschworenen Gruppe. Nur so konnten die grossen, oft sehr eigenwilligen Tanzstücke erarbeitet und im Repertoire gehalten werden. Durch die Konzentration auf die vier erwähnten Stück lassen sich Stil und Besonderheiten der choreographischen Arbeit Pina Bausch’s sehr schön erkennen – zumal diese Dokumentationen dieser weltweit erfolgreichen Arbeiten etwa zwei Drittel des knapp zwei-stündigen Films ausmachen.
Regisseur Wim Wenders hat diese Dokumentation, elegant gefilmt und geschnitten, im aktuellen 3- D-Verfahren gedreht. Die Wirkung allerdings scheint mir überschätzt, sie bringt – der landläufigen Meinung zum Trotz – keinen künstlerische oder choreographischen Mehrwert.
Sehenwert vor allem für Tanz-Interessierte.
(Der Film läuft seit dem 24.Februar in den Kinos)

WER WENN NICHT WIR (Wettbewerb) ***
Erster Spielfilm des renommierten Dokumentar-Regisseurs Andres Veiel. Ein Bio-Pic über Bernward Vesper ( ‚Die Reise‘), den Sohn des Nazi-Schrifstellers Will Vesper. Seine Zerissenheit zwischen Vaterliebe und Vaterhass. Seine Liebe zu Gudrun Ensslin und ihr von erotischen und politischen Spannungen geprägtes Zusammenleben. Chronologisch werden die Ereignisse bis zu seinem Tod in knappen Szenen nachgespielt, verblendet mit  Dokumentaraufnahmen aus der politischen Geschichte der Bundesrepublik. Eher brav und solide gebastelt, mit ziemlich papiernen Dialogen. Aber überzeugend gespielt: besonders von August Diehl in der Titelrolle, Lena Lauzemis als Gudrun Ensslin und vielen prominenten Darstellern in den Nebenrollen (Thomas Thieme, Immogen Kogge, Susanne Lothar u.a.).
Eher für’s Fernsehn als für die Kino-Leinwand geeignet.

MEIN BESTER FEIND (Wettbewerb – ausser Konkurrenz) ***
 ’Schwarze Komödie‘ um einen jüdischen Kunsthändler im Wien der Nazi-Zeit. Es geht um eine Zeichnung von Michelangelo, die der Führer gross-spurig an Mussolini zurückgeben will. Doch der schlaue Kunsthändler hat vorsichtshalber, Kopien der Blattes anfertigen lassen und so jagen der Sohn des Kunsthändlers und sein opportunistischer, zu den Nazis übergelaufener Freund  durch Wiener Galerien, polnische Konzentrationslager und das im Bombenhagel untergehende Berlin nach dem Millionenschatz, wobei der Kleider- und Idenditäts-Tausch eine komisch- entscheidende Rolle spielt. Der Irrwitz der Situation leidet unter der politischen Korrektheit mit der Regisseur Wolfgang Murnberger das turbulent-komödiantische Geschehen in Szene setzt.  Moritz Bleibtreu brilliert zwar als jüdisch-cleverer Kunsthändlers-Sohn zwischen allen Fronten, doch vermag auch er die fehlende bissige-böse Schärfe nicht wettzumachen.


BIZIM BÜYÜK CARESIZLIGIMIZ
(Wettbewerb) ***
Zwei nicht ganz tau-frische Männer: der eine ist Übersetzer, der andere ein braver Angestellter – beide leben seit vielen Jahren in einer gross-zügigen, modernen Wohnung mit fantastischem Ausblick auf Ankara zusammen. Gemeinsames Kochen ist ihre Leidenschaft. Grosszügig gewähren sie der jungen Schwester eines Freundes für einige Zeit Unterkunft (deren Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen) – und verlieben sich beide in das hübsche Mädchen.
Eine türkische ‚Menage-a-trois‘ – aber ohne Sex.  Gefällige Unterhaltung, deren besonderer Reiz in der fein-nuancierten Darstellung der beiden unterschiedlichen Männer liegt  und in den prächtigen Panoramabildern von Ankara und seiner Umgebung, sei’s im Sommer, sei’s im Winter.

THE FUTURE (Wettbewerb) ***
Eigentlich müsste hinter dem Titel ein Fragezeichen stehen, denn Sophie (Miranda July) und Jason (Hamish Linklater) sind ein Paar um die Mitte Dreissig, das sich überlegt, wie ihr Leben weitergehen soll, was es ihnen noch bieten kann. Er ist Compter-Doktor, der per Telefon berät, sie unterrichtet kleine Kinder in einer Ballettschule.  Sie wohnen in einer bescheidenen, aber hübschen Wohnung in Los Angeles und leben sorglos in den Tag hinein. Doch jetzt haben sie eine  – im Film auch sprechende -  Katze adoptiert;  allerdings hat die sich ein Bein gebrochen und muss in der Tierklinik behandelt werden  – 30 Tage lang. Es sind – so Sophie und Jason – ihre letzen ‚freien‘ Tage und das gilt es, effektiv auszunützen. Kurzentschlossen hängen sie den Job an den Nagel und schauen sich neugierig in der Nachbarschaft um: Jason versucht sich als Öko-Aktivist, der Bäume verkauft,  Sophie bändelt mit einem Hersteller von Schildern und Plakaten an…   Nach 31 Tagen ist das bisherige harmonische Zusammensein fraglich geworden – die Zukunft offen.
Die Autorin und Video-Künstlerin Miranda July (sie spielt auch die weibliche Hauptrolle) hat einen federleichten Film komponiert, voll sanfter Ironie und leiser Melancholie. Lockere Dialoge, verspielte und surreale Szenen sind geschickt eingeflochten – besonders komisch die mit  krächzender Stimme eingefügten Kommentare der Katze, von der nur die beiden Pfötchen (das bandagierte und das heile) zu sehen sind. Doch wie die Darsteller und die Story – ein bisschen sehr ’softig‘ sind sie alle, gefallen sich allzu sehr in ihrer selbstverliebten, heiteren Sanftheit. Eben: Weicheier mit Charme.

LES FEMMES DE 6eme ETAGE  (Wettbewerb – ausser Konkurrenz) ***
Paris in den 1950er Jahren. Monsieur Joubert besitzt ein pompöses Wohn-Haus in einer noblen Strasse. Mit strenger, klatschsüchtiger Congierge natürlich und einem notdürftig ausgebautem 6. Stockwerk, nur über die Hintertreppe zu erreichen,  in dem fünf  äusserst temeramentvolle, spanische Putzfrauen wohnen, die jeweils in den verschieden Wohnungen des Hauses arbeiten.  Maria ist die hübsche Neue, die hinzukommt und die für Monsieur Joubert und seine Frau kochen und aufräumen darf (die alte ist ihm nämlich gerade davongelaufen). Es dauert nicht lange bis der etwas schüchtern-weichliche Joubert, Anlegeberater von Profession, sich in Maria verliebt und eine sehr französische Boulevard-Komödie sich daraus entwickelt – eifersüchtiges Ehefrau-Püppchen und Paella-mampfende Putzen eingeschlossen.
Nette Unterhaltung mit sehenswerter Pariser Haute-Couture, spanisch-flotter Musik und eleganten Dialogen. Und als augenzwinkender Nachschlag gibt’s ein sentimantal-romantisches Ende. Im täglichen Festival-Betrieb: eine harmlos-charmante Petitesse.

SING YOUR SONG (Wettbewerb – Berlinale Special) ***
Dokumentarfilm der Amerikanerin Susanne Rostock über den Sänger und Schauspieler Harry Belafonte. Konventionell, aber spannend gestaltet:  aus Interviews, historischen Zeitdokumenten, TV-Shows und Hollywood-Filmen („Carmen Jones“). Dabei liegt der Schwerpunkt weniger auf dem in aller Welt geschätzten Entertainer als vielmehr auf dem politisch engagierten Aktivisten. Belafonte, der vor 82 Jahren in Harlem geboren wurde, erfuhr schon früh in seinem Beruf vielfältige Demütigungen wegen seiner Hautfarbe: durfte z.B. das Hotel in Las Vegas, in dem seine umjubelte Show stattfand, nicht durch den Haupteingang betreten oder im dortigen Restaurant essen, lange Zeit waren gemeinsame Auftritte mit weissen Sängern oder Schauspielern verboten. Er engagierte sich bald in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, war befreundet mit Martin Luther King, animierte erfolgreich Hollywoodstars wie Marlon Brando zu aktiver Unterstützung. Später war Belafonte bei der Hungerkathastophe in Äthiopien tätig, verhalf der Südafrikanerin Miriam Makeba zu Auftritten in Amerika, um gegen die Apartheit aufzurütteln, und arbeitet bis heute als UNO-Botschafter.
Ein engagiertes Leben, mit sich daraus ergebenden Schwierigkeiten im Privaten, voll von politischem Optimismus und  voll von fröhlicher Musik.  Gespiegelt in 98 Minuten Film – für politisch oder sozial Erläuterndes bleibt da weniger Raum.

ALMANYA (Wettbewerb – ausser Konkurrenz)***
Erfrischende Komödie um eine türkische Familie in Deutschland. Der Grossvater kam vor 25 Jahren als Gastarbeiter aus Ostanatolien nach Deutschland, holte später die Familie nach, hat soeben auf Wunsch seiner Frau den deutschen Pass bekommen und – als künftigen Feriensitz -  ein Grundstück in der alten Heimat erworben. Jetzt muss die ganze Familie nebst Enkeln und deutscher Schwiegertochter dorthin reisen, um das erworbene Haus zu besichtigen und einzurichten.
Eine köstlich-bunte Collage aus Vergangenheit (mit alten Schwarz-Weiss-Bildern und Schlagern der damaligen Zeit) und Gegenwart; eine filmische Reise durch das Gastarbeiterland BRD. Vorurteile auf beiden Seiten werden freundlich ironisiert : in Bild und Ton. Witzig wie die Verhaltensweisen der verschiedenen Generationen gezeigt werden, köstlich wie die unterschiedlichen Kulturen aufeinanderprallen. Und wie schön, dass dieser jugendlich-temperamentvolle Spass von zwei türkisch-stämmigen Schwestern (Yasemin und Nesrin Samdereli) ausgedacht und – ohne platt zu werden – ins komödiantische Licht gerückt wurde: es darf herzlich gelacht werden – über Türken wie Deutsche.

SCHLAFKRANKHEIT (Wettbewerb)**
Deutscher Film von Ulrich Köhler, der unter Entwicklungshelfern in Kamerun spielt. Im ersten Teil steht der deutsche Arzt Ebbo Velten (Pierre Bokma) im Mittelpunkt, der ein durch europäische Gelder subventioniertes, kleines Krankenhaus im Urwald leitet, doch sein Arbeitsvertrag geht zu Ende.  Fau und Tochter kehren ins heimische Wetzlar zurück, während Velten so mit seiner Arbeit und Afrika verbunden ist, dass er sich zum Bleiben entschliesst. Im zweiten Teil, der einige Zeit später spielt, kommt der in Paris aufgewachsener farbige Arzt Alex (Jean-Christoph Folly) in die Buschklinik, um die Effektivität der Subventionsgelder zu überprüfen – er findet jedoch nur eine bessere Hühnerfarm, Velten selbst hat eine schwarze Frau geheiratet und treibt undurchsichtige Geschäfte.
Erzählt wird das alles nur in Episoden, eine durchgehend stringente Handlung mit nachvollziehbarem Ende gibt es nicht. Der Film besticht durch vielfältige Szenen und Bilder des afrikanischen Lebens und der – für Europäer – manchmal unverständlichen Denk- und Verhaltensweise der dortigen Bewohner. Durch kleine, scheinbar nebensächliche Details werden die Personen präzise charakerisiert, und so auch versucht, den Zwiespalt der beiden Hauptfiguren (der Deutsche mit Afrika im Herzen, der französiche Afrikaner mit Abneigung gegen die ‚Landsleute‘ und umgekehrt) deutlich werden zu lassen. Insgesamt aber besitzt der Film – schon durch seine offene dramaturgische Struktur – etwas Unbestimmtes und Vages. Als ob der Regisseur sein eigentliches Thema nur in Einzelbeoachtungen und Episoden umkreist, den Kern aber nicht benennen will oder kann.

ODEM (Wettbewerb) **
Israelischer Spielfilm um zwei palästinensische Freundinnen. In Ramallah waren sie Schulkammeradinnen, als Studentinnen in London trennten sich ihre Wege, in der Gegenwart sind sie sich fremd: die eine als gutbetuchte Ehefrau mit Sohn in einem eleganten Londoner Vorort, die andere als verzweifelt am Leben Gescheiterte. Eine stark konstruierte Geschichte vor politischem israelisch-palästinensischem Hintergrund um erotische Verwirrungen zwischen zwei Frauen. Zwar beeindrucken die beide Darstellerinnen, aber insgesamt bleibt der rückblenden-lastige Film unausgewogen und unklar in seiner Zielrichtung.

SARANGHANDA, SARANGHAJI ANNEUNDA (Wettbewerb) **
Ein reiches, noch junges Paar trennt sich: er ist Architekt, sie Verlegerin. Sie leben in einem modisch-schicken Appartment-Haus in der Nähe von Seoul. Zwei Stunden schweigen sie sich mehr oder weniger an, packen ein und wieder aus. Da aber der Regen über Süd-Korea nicht nachlässt, können sie nicht in das anvisierte Nobel-Restaurant fahren, bleiben zu Hause und kochen Pasta. 105 Minuten plustert sich modisch-filmischer Minimalismus auf: langweilig und banal.

UN MONDO MISTERIOSO (Wettbewerb) **
Beziehungs-Geschichte ohne Handlung aus Argentinien. Ana und Boris sind ein Paar so um die Dreissig. Ana erklärt, sie brauche Zeit zur Selbstfindung. Boris, ein sanftmütiger Softie, zieht in ein bescheidenes Hotel. Seine Tage vertreibt er sich mit Busfahrten und der Beobachtung von jungen Frauen. Er kauft sich ein altes Auto, unternimmt Ausflüge in die Umgebung, tifft einen Freund, geht mit dem auf eine Party  und kehrt am Ende in die Wohnung zu Ana zurück – auch wenn sie sich eigentlich nichts zu sagen haben. Elegant gefilmt, aber langatmig.

 

V  SUBBOTU (Wettbewerb) **
Tschernobyl, Sonnabend, den 26.April 1986. In der Nacht ist ein Reaktor des Kernkraftwerkes geplatzt. Valery, ein junger Mann rennt, auch wenn er nur ahnt, wass passiert sein könnte, durch endlose Gänge, duch den Wald,  Landstrassen entlang. Er holt seine verdutzte Freundin Vera aus ihrem Arbeiterinnenheim, versucht einen abfahrenden Zug zu erwischen. Die Handkamera folgt dieser überstürtzten Flucht, sitzt den beiden quasi im Nacken.
Doch sie verpassen den Zug, geraten stattdessen in eine Hochzeitsfeier, deren Gäste noch nicht wissen oder begreifen, was passiert ist. Valery ersetzt in der kleinen Band, die zum Tanz aufspielt, den besoffenen Schlagzeuger. Immer mehr steigert er sich in eine hysterische Verzweiflung, Alkohol lässt die Stimmung des Festes ins Exzessive hochschäumen. Am Ende entkommt er mit den Freunden von der Band in einem Boot : vorbei am zerstörten Reaktor.  Sind sie schon lebende Tote ?
Der Films des ukrainische Regisseurs Alexander Mindadze ist erschreckend und bitter. Die hektische Fluchtbewegung – nur weg! -  spiegelt sich in stark schwankenden, teilweise unscharfen Bildern der Kamera und in bedrohlichen Tönen aus der realen Umwelt. Doch nach der ersten  Hälfte tritt der Film auf der Stelle. Das endlose Saufen und Feiern bei der Hochzeit im Kulturhaus, dieWackel-Optik der Bilder und ihre fast ausschliessliche Konzentation auf Grossaufnahmen der schwitzender Gesichter ermüden, wiederholen nur bereits Erzähltes. Die unheimliche Bedrohung, die von dieser Katasthrophe ausgeht und die durch die Flucht-Sequenzen zunächst so erschreckend vermittelt wird, verliert in den allzubreit ausgespielten Feier-Szenen ihre aufwühlende Wirkung und lässt das Interesse des Zuschauers am Geschehen abflachen.

YELLING TO THE SKY (Wettbewerb)**
Sozial- und Familiendrama in einem heruntergekommenen New Yorker Vorort. Arbeitslosigkeit,
Gewalt und Drogen bestimmen das tägliche Leben in der schäbigen Reihenhaussiedlung, die überwiegend von Farbigen bewohnt wird. Die hellhäutige,17-jährige Sweetness, lebt mit ihrer älteren Schwester Ola, die ein Baby bekommt, der nervenkranken, schwarzen Mutter und ihrem weissen Vater in trostlosen Verhältnissen. Kein Geld, kein Verständnis, der Vater schlägt Mutter und Kinder, wenn er besoffen nach Hause kommt – und dennoch klammert sich die Familie aneinander. Sweetness versucht ihre Opferrolle, die sich auch durch Schulkameraden erleiden muss, abzustreifen und wird zur cool-gestylten Dealerin. Als jedoch ihr ‚Arbeitgeber‘ eines Tages von vermummten Gestalten erschossen wird, hört sie mit dem Dealen auf, versucht auf ein College zu kommen und bleibt vorerst bei ihrer (unerwartet friedlichen) Familie.
Die amerikanische Regisseurin Victoria Mahoney hat autobiographische Erfahrungen in ihren Film eingearbeitet. Schonungslos, fast dokumentarisch schildert sie den gewalttätigen Alltag dieser unterprivelegierten, farbigen Schicht. Überzeugende Darsteller verdichten diese zupackende Schilderung des grausamen Lebens sozialer Unterschichten. Doch die Story selbst ist wenig überzeugend: die innere Wandlung von Sweetness zu Dealerin und danach zur strebsamen Schülerin und Tochter wird kaum begründet. Und dass der brutale Vater sich am Schluss zum weichherzigen Familienoberhaupt mausert, wirkt völlig unglaubwürdig. Das gezeigte Milieu scheint stimmig, die Geschichte jedoch eher gängigen  Kino-Gesetzen angepasst.

UNKNOWN (Wettbewerb – ausser Konkurrenz) **
Berlin als winterlich-düstere Kulisse für einen Action-Thriller. Der Plot dreht sich um eine kriminelle Pharma-Lobby, die hinter einem Berliner Wissenschaftler her ist, der im Hotel Adlon einen grossen Kongress einberufen hat. Liam Neeson spielt einen Amerikaner, der als befreundeter Wissenschaftler zu diesem Kongress in Berlin einfliegt.  Bei einer Taxifahrt wird er in einen Verkehrsunfall (auf der Oberbaumbrücke) verwickelt, liegt danach vier Tage traumatisiert in einem Krankenhaus und,  als er ins Adlon zurückkehrt, will ihn seine Frau nicht mehr erkennen. Ausweis- aber nicht geldlos hetzt er durch die Stadt, wird plötzlich von unbekannten Gangstertypen verfolgt, sucht Hilfe bei einem alten Stasi-Mann (köstlich-kauzig:Bruno Ganz) und einer hilfsbereiten, bosnischen Taxifahrerin (charmant: Diane Krüger). Rasante Auto-Verfolgungsjagden (durch die Friedrichstrasse und die Dussmann-Kolonaden) wechseln ab mit brutalen Schlägereien auf Dächern und Parkdecks. Und am Ende jagt eine Bombe gar das halbe Adlon in die Berliner Luft.
Temporeich und aufwendig gefilmter Thriller (Regie: der Spanier Jaume Collet-Serra), aber ohne jeglichen ‚doppelten Boden‘ , wie ihn beispielsweise ein Hitchcock so raffiniert durchscheinen lässt,  bei dessen Filmen auch hier manche Anleihe getätigt wurde.  Action um der Schauwerte willen, so kintopp-gemäss zusammen geschnitten wie die lokalen Örtlichkeiten unrealistisch aneinandergereiht – was zählt ist der Effekt.


EL PREMIO (Wettbewerb) **
Polit-Plotte von Paula Markovitsch. Im Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur haust eine junge Frau mit ihrer 7-jährigen Tochter in einer ärmlichen Hütte an einem winterlich-öden Meeres-Strand. Die Frau vermutet, dass ihr Mann von der Junta eingesperrt wurde und verheimlicht deshalb ihre Identität. Den Filmtitel-gebenden Preis gewinnt die kleine Tochter in der Dorfschule für einen die heimische Armee lobenden Aufsatz, obwohl sie zuerst einige abfällige Sätze über Soldaten aufgeschrieben hatte, die (unbewusst) die Haltung der Mutter wiedergaben.
Sicherlich politisch und moralisch gut gemeint, aber so träge in Szene gesetzt, in blassesten Grau- und Blautönen, dass das Interesse an der Geschichte sehr schnell nachlässt.

CORIOLANUS (Wettbewerb) *
Kriegsszenen auf dem Balkan: bennende Ruinen, harte Attacken, Söldner, protestierende Arbeiter und Studenten in den Strassen. Sakespeare’s Drama übertragen in die Gegenwart: Coriolan als brutaler General im modernen, grünen Kampfanzug. Gegenschnitt:  klassizistische Villen mit modisch-elegantem Interieur: hier spielen die Szenen im römischen Senat, in Coriolans Familie.  Auf der Strasse davor  marschieren streikende Arbeiter, Frauen, Studenten, kurz: das Volk.  Gesprochen werden Shakespeare-Verse: und so werden auch die lateinischen Personen- und die antiken Orts-Namen beibehalten. Ein merkwürdiger Kontrast, der keine fruchtbare Reibung erzeugt – eher zum Theatralisch-Lächerlichen tendiert.
Coriolanus, der römische Feldherr, der auf Grund seiner militärischen Erfolge erst zum Herrscher ernannt und dann seines Hochmuts wegen verbannt wird, ist sicher nicht Shakespeare’s bedeutendstes Drama. Auch was den – als Regisseur debütierenden -  Schauspieler Ralph Finnies an der Geschichte interessiert hat, bleibt ziemlich unklar. Die Auseinandersetzungen um Macht und Herrschaft, um Beteiligung des Volkes daran, um Stolz und Verrat  – bei Shakespeare theatralisch-gedankliche Auseinandersetzungen und Aktionen  – missraten im Kostüm von heute zu hölzernen Schwarz-Weiss-Diskussionen; die Figuren schrumpfen – trotz der guten Schauspieler (Finnies selbst in der Titelrolle, Vanessa Redgrave als seine Mutter)  – zu hohl tönenden Papp-Kamaraden. Viel Lärm um Nichts.

nicht gesehen: JODAEIYE NADER AZ SIMIN (Asghar Farhadi / Wettbewerb)  -  Goldener Bär

                         A TORINOI LO (Bela Tarr / Wettbewerb)

                        

Mein Berlinale Tagebuch 2010

13. Februar 201024. Juni 2018BerlinaleNo Comments

(Reihenfolge nach Anzahl der Sterne)

KAK YA PROVEL ETIM LETOM (How I End This Summer) (Russland, 2010) Wettbewerb *****
Zwei-Personen-Drama von Alexei Popogrebsky. Sergei, ein erfahrener Meteorologe hat in diesem Sommer einen jungen Assistenten auf seiner abgelegenen Station in der russischen Arktis bekommen, Pavel, der  etwas unbekuemmert die taegliche Routine vom Ablesen und Uebermitteln aktueller Wetterdaten zu erledigen koenen glaubt. Ein innerer Kampf der charakterlich ungleichen Maenner baut sich langsam auf, gesteigert erst durch eine von Pavel  unterschlagene Funk-Nachricht vom Tod von Sergei’s Frau, dann durch Bedrohungen der unwirtlichen Natur. Das Ende des hochdramatischen Show-Down’s endet nicht mit einem Todesschuss, sondern mit einer erscheckend-bitteren Konsequenz.
Der Film erzaehlt seine Geschichte sehr praezise und ganz knapp, gleichsam in filmischen Ellipsen, in Bilder von majestaetisch-kargen Landschaften (oft im Zeitraffer der Tages- oder Nachtstunden) und in Nahaufnahmen der Gesichter, die die inneren Gefuehle der beiden Darsteller so eindrucksvoll  spiegeln, dass es kaum verdeutlichender Dialoge bedarf. Obwohl viel geschieht, Schusswaffen ebenso eine Rolle spielen wie bedrohliche Eisbaeren, entsteht die Spannung nicht durch aesserliche „Action“, sondern durch eine psychlogische Verfolgungsjagd, deren Ausgang bis zuletzt voellig ungewiss bleibt.
Kammerspiel., Seelendrama, Naturschauspiel – ein aussergewoehnilcher Thriller mit boeser Pointe.

BAL (Honey) (Tuerkei, 2009) – Wettbewerb – ****
Dritter Teil einer Film-Trilogie von  Semih Kaplanoglu. Gesehen durch die Augen des sechsjaehrigen Yusef, der mit Vater und Mutter in einem abgelegenen Tal Anatoliens lebt. Der geliebte Vater ist Bienenzuechter, muss aber wegen des Klimas in immer abgelegeneren Gegenden seine Stoecke aufstellen und kommt dabei durch einen Sturz zu Tode. Yusef selbst ist Stotterer, tut sich in der Schule schwer, aber der feinfuehlige Lehrer weiss ihm durch die erhoffte Auszeichnung zu helfen.
Ein sehr ruhiger Film, ohne jede aufputschende Dramatik, die in wunderbaren Landschafts-Aufnahmen und schlichten Innen-Raeumen das einfache Leben seiner Protagonisten zeigt – ganz auf das direkte, unverstellte Spiel des kindlich-naiven Darstellers Bora Altas vertraut. Und statt illustrierende Musik nur Geraeusche und Laute aus der Natur verwendet: das Zwitschern der Voegel, das Bimmeln eines Gloeckchens oder das Summen der Bienen. Dennoch keine verklaerende Idylle, sondern das harte Leben in Anatolien und die Katastrophe des Vater-Verlustes. Ein durch seine Schlichtheit und Menschlichkeit beruehrender Film.

SHEKARCHI (Zeit des Zorns)    (Dtl./Iran 2009)   – Wettbewerb – ****

Teheran heute: Ali wird aus dem Gefaengnis entlassen. Er nimmt einen Job als Nachtwaechter in einer Fabrik an, um mit dem kargen Lohn seine junge Frau und die kleine Tochter zu ernaehren. Eines Tages werden – so die lange verzoegerte Auskunft der Behoerde – Frau und Tochter toedliche Opfer einer Schiesserei zwischen Polizei und Demonstranten. Zornig und verzweifelt toetet Ali daraufhin wahllos Polizisten auf der Autobahn. Er flieht in die nahen Waelder, wird aber von zwei Polizisten geschnappt, doch die Gruppe verirrt sich und muss Unterschlupf in einer verlassenen Huette nehmen: zwischen den beiden Polizisten bricht jedoch Gewalt aus – am Ende wird Ali auf Grund einer Verwechslung von einem der beiden erschossen.
Ein sproeder Film, in kargen, blaeulichen Bildern knapp erzaehlt, der – zumindest fuer nicht-iranische Zuschauer – manches unverstaendlich erscheinen, Untertoene oder Doppel-Bedeutungen nicht erkennen laesst. Dennoch baut Regisseur Rafi Pitts, der auch die Hauptrolle spielt, die Spannung
geschickt auf, reichert die Story mit einigen Krimi- und Action-Momenten an. Ungeschoent zeigt er die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen einfacher Leute in der iranischen Millionenstadt,  deutlich prangert er Korruption in Behoerden und Polizeiapparat an. Ein mutiger Film? Gedreht wurde er mit deutschen Geldern im Auftrag des ZDF.

EXIT THROUGH THE GIFT SHOP (England, 2009) – ausser Konkurrenz – ****
Als „DokuFeature“ bezeichnet das Berlinale-Programm diese ironisch-witzige Collage des englischen Graffiti-Kuenstlers Banksy – einem Mann, der nie sein Gesicht zeigt und deshalb zu Beginn das Publikum mit schwarz verhuelltem Haupt und elekronisch verzerrter Stimme von der Leinwand herab willkommen heisst. Er erzaehlt wie der amerikanische Klamottenverkaeufer Thierry,  „Street-Art“-Werke mit seiner Videokamera mit geradezu besessenem Eifer dokumentierte und auch Banksy selbst bei dessen naechtlichen Aktionen begleitete.
Doch der Film, den Thierry daraus sehr exzentrisch zusammenschnitt,  missfiel Banksy. Daraufhin ernannte sich der umtriebige Thierry selbst zum Kuenstler, arrangierte mit riesigem Marketing-Aufwand eine temporaere Ausstellung eigener Werke in L.A., die stilistisch alles verwurstete, was von Duchamps bis heute als zeitgenoessische Kunst gilt und sich als solche verkaufen laesst. Der Erfolg war enorm – wie Banksy im off bissig kommentiert.
Der tempogeladene, fantasievoll geschnittetene Film, optisch von opulenter Farbigkeit, sprudelt in Wort und Bild geradezu ueber vor Komik, Parodie und Satire – auf Kunst, Kuenstler und vor allem auf den Kunstmarkt und seine Glaeubigen. Und man kann auch nicht sicher sein, ob der Mann mit dem Pseudonym Bransky nicht auch das Publikum der Berlinale, das den Film begeistert aufnahm,  mit klammheimlichem Gelaechter ironisch auf den Arm nimmt…

SOLZNE (Die Sonne)  (Russland/Italien/Frankreich/Schweiz, 2005) – Retrospektive – ****
Spielfilm um den Verzicht des japanischen Kaisers Hirohito auf seine Abstammung von der Sonnengoettin Amaterasu in einer Rundfunkansprache, Tokyo 1946. Ein im Kino schon oefters dramatisiertes Thema, doch der russische Regisseur Aleksandr Sokurow konzentriert sich in seinem Film ausschliesslich auf die Persoenlichkeit des Kaisers. Nach der Zerstoerung des Palastes  wohnt der Tenno in einem duester-luxurioes ausgestatteten Bunker, der Hofstaat versucht mit aeusserster Strenge den traditinellen Tagesablauf einzuhalten, waehrend der amerikanische General MacArthur eine Abdankung des Kaisers und seiner verzweifelten Regierung erwartet. Doch der Kaiser hat seine eigenen Vorstellungen: er laedt die Amerikaner zu einem offiziellen Foto-Termin,  er besucht – durch das zerstoerte Tokyo fahrend – MacArthur in dessen Residenz , traegt unerwartet Frack und Zylinder, spricht englisch, obwohl die Hofetikette das verbietet. Und dann entschliesst er sich, seiner goettlichen Abstammung zu entsagen  – zum Entsetzen des Hofes und vieler Japaner. Am Ende, nach der
beruehmten Rundfunkansprache, die im Film nicht gezeigt wird, fuehlt sich Hirohito wie befreit – als Mensch und als Familienvater.
Sokurow hat das Aufeinandertreffen der japanischen mit der westlichen Kultur und die dadurch verursachte Loesung aus erstarrter Tradition als Kammerspiel in dunkel-leuchtenden Bildern gestaltet, eine leise Tonspur aus einer Bach und Wagner-verfremdenden, elegischen Musik und fernem Kriegslaerm daruntergemischt. Issey Ogata spielt den Kaiser als faszinierende Mischung aus entwaffnender Naivitaet, hoher Intelligenz  und einem verteckten Humor – eine Persoenlichkeit, die aber nie ganz ihr inneres Geheimnis preisgibt, von den amerikanischen Foto-Journalisten – nicht zu unrecht – als Charlie Chaplin belaechelt. Der Kaiser selbst lacht erst am Ende des Films, als er mit seiner Frau zu den wartenden Kindern eilt  – in ein neues Zeitalter. Ein filmisches Meisterwerk fuer kulturgeschichtlich interessierte Fans.

METROPOLIS (Dtl. 1927)  – Berlinale Special -  ****
Restaurierte Fassung des Klassikers von Fritz Lang. Durch Funde in einem argentinischen Archiv konnte die bisher bekannte  Kopie um 30 Minuten erweitert werden. Inhaltlich nichts neues, aber formal: opulente Bilder und Sequenzen, die das filmische Genie des Regisseurs Fritz  Lang eindrucksvoll bestaetigen. Ihm gelang – mehr oder weniger bewusst – eine bildliche Dokumentation dessen, was man heute als bedeutende, d.h. zukunfstweisende,  geistige Stroemungen der Weimarer Zeit erkennt.  Hohler Pathos und ungewoehnliche Bild-Welten halten sich die Waage. Wer wissen will, wie die geistig fuehrenden Koepfe dieser Zeit  „tickten“, findet eine disparat-bildmaechtige Antwort in Langs Zukunfts-Vision von 1927.

THE GOSTWRITER (Engl/Fr/Dtl, 2009) – Wettbewerb -  ***
Thriller von Roman Polanski nach einem Erfolgs-Roman (und Drehbuch) von Robert Harris um einen
ehemaligen englischen Ministerpraesidenten, der sich angeblich in schlimme Machenschaften verstrickt hat (CIA, Irak-Krieg). Ein bisschen simpel ist die Story, die Harris sich ausgedacht hat -  dabei als enttaeuschert Anhaenger den ehemaligen Freund Tony Blair stehts im Blick. Polanski hat den Krimi routiniert ins Bild gesetzt, die bleierne Atmosphaere geschickt verdichtet und die Darsteller klug gefuehrt. Kommt aber an frueher Genie-Streiche kaum heran.

SAN QIANG PAI AN JING QI (A Woman, A  Gun And A Noodle Shop) (China 2009)
-Wettbewerb -  ***
Unterhaltsame Komoedie von Zhang Yimou. Nach dem Vorbild einer ‚Comedia del Arte‘ treffen sich in einer verlassenen Nudelbar inmitten einer pittoresken Huegellandschaft eine alter Ehemann, seine attraktive junge Frau, deren etwas begriffsstutziger Liebhaber, ein lustiges Diener-Paar und ein schlitzaeugig-boeser Polizist : in historisch-bunten Kostuemen und begabt mit allen Tricks chinesischer Variete-Kuenstler (der fliegende Nudelteig!) – ein etwas ausgedehntes Spiegelfechten mit allen Tricks und Raffinessen des chinesischen Unterhaltungs-Kinos und seiner Show-Werte. Huebsch und harmlos zugleich.

MAMMUTH (Frankreeich, 2009)  – Wettbewerb – ***
Serge Pilardosse (60)  ist Schlachter und will nach einem harten Arbeitsleben in den wohlverdienten Ruhestand wechseln. Dabei stellt er fest, dass einige Unterlagen von frueheren Arbeitgebern fehlen. Auf Draengen seiner Frau, die in einem Supermarkt arbeitet, faehrt er mit seinem alten Motorrad (Typ „Mammut“) ueber Land, um die fehlenden Papiere zu suchen. Dabei trifft er auf nette und fiese Typen, auf alte Freunde und junge Spinner – eine tragikomische Reise in die Vergangenheit, in der auch allerlei Gespenster auftreten wie z.B. eine tote, (von einem Motorradunfall) blutbeschmierte Geliebte (Isabelle Adjani), die ihm aber aufmunternde Ratschlaege erteilt.
Der junge Regisseur Benoit Delepine hat zusammen mit dem Autor Gustave de Kervern eine turbulente und fantasievolle Komoedie um Alt-Star Gerard Depardieu inszeniert.
Depardieu, massiv im Fett und mit schulterlangen offenen Zottel-Haaren, turnt und toelpelt sich durch unzaehlige Slapsticks und komische Stituationen – alles wie durch seine Brille gefilmt in verwackelten, grobkoernigen oder ueberbelichteten Bildern. Ob im Supermarkt, im Hotel unter dauertelefonierenden Handesvertreternoder oder bei einer leicht verrueckten Nichte, die ihre ganzes Haus mit Puppen-Skulpturen vollgepflastert hat. Am Ende kehrt er in flatternden Hippiekleidern nach Hause zurueck – unter die frisch-rasierten Achseln seiner muerrisch-patenten Frau Catherine, von Yolande Moreau („Seraphime“) mit wunderbar trockenem Humor gespielt. Schraeg-unterhaltsames Star-Kino.

NA PUTU (On The Path)  (Bosnien, 2009) – Wettbewerb -  ***
Der neue Film der bosnischen Regisseurin Jasmila Zbanic, die 2006 mit „Esmas Geheimnis – Grbavica“ den Goldenen Baeren gewann. Wiederum spielt die Geschichte im heutigen Sarajewo. Ein glueckliches, junges Paar , Luna und Amar – sie Stewardess, er Fluglotse. Doch Amar wird wegen Alkohol  im Dienst fuer mehrere Monate suspendiert. Ein alter Freund vermittelt ihm Arbeit bei einer moslemischen, wahabitischen Gemeinde. Obwohl Moslem durch Erziehung, aber im Alltag sehr religions-neutral, schliesst sich Amar allmaehlich dieser Gemeinschaft an: sie erloest ihn vom Alkohol, von Zigaretten, vom ‚oberflaechlichen-westlichen Lebensstil‘. Luna dagegen bleibt skeptisch: Maenner, die Frauen keine Hand mehr geben duerfen, Burka-verschleierte Schwestern,  die ihre Unterwerfung
den Maennern gegenueber und das Kinder-Gebaeren als weiblichen Wert an sich preisen  – hier zieht Luna eine Grenze – man trennt sich. Auf immer ?
Engagiertes Kino der bosnischen Regisseurin, die die immer noch vorhandenen Narben der zerstoererischen, kriegerischen Auseiandersetzungen in ihrem Land zeigt, konventionell in der Machart, aber durchaus spannend, da sie ihre Figuren nie einseitig betrachtet, sondern versucht beide Seiten zu verstehen – hervorragend gespielt von eindrucksvollem Darstellern – ein nicht sensationelles, aber nachvollziebar-aktuelles Kino fuer ein breites Publikum – auch auserhalb der bosnischen Grenzen.

THE KIDS ARE ALL RIGHT (USA, 2009) – ausser Wettbewerb -  ***
Attraktive Hollywood-Komoedie, in der eine langjaehrige lesbische Partnerschaft im Mittelpunkt steht – ohne die Grenzen des Mainstream-Kinos zu verletzen.
Durch eine anonyme Samenspende haben die Aerztin Nic (Annette Bening) und ihre Freundin Jules (Julianne Moore)  zwei Kinder grossgezogen:  die 18jaehrige Joni, die gerade auf ein College wechselt  und den 15jaehrigen Laser, einen Sportfan. Doch die Kinder sind neugierig auf den „Bio-Dad“, der alsbald in dem attraktiven Gastwirt und Bio-Gaertner Paul (Mark Ruffalo) gefunden wird,  einem ausgemachten „womenizer“.  Die Folge: allerlei Liebes- und Sex-Verwirrungen, Eifersuchts- und Pubertaetsprobleme: eine schraege, kalifornische Familie kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Natuerlich mit Happy-End.
Die Regisseurin Lisa Cholodenka hat diese Boulevard-Komoedie mit leichter Hand ins Bild gesetzt.
Umganssprachlich-schlagfertige Dialoge wuerzen die familiaeren Reibereien und die Darsteller-Stars machen aus den Rollentypen eine hinreissende Performance: Annette Bening hat dabei in der Langzeit-Ehe die zickigen Hosen an und eine ausgepraegte Liebe fuer gute Rotweine,  Julienne Moore betreut den eher  muetterlichen Part der Gemeinschaft – mit Hang zum heterosexuellen Seitensprung – und Mark Ruffalo ueberzeugt als ehemaliger Samenspender durch einen bemerkenswerten „sexy body“. Trotz manch derber (und nur eingeschraenkt jugendfreier) Einfaelle : am Ende mahnt der 15jaehrige Laser seine wegen des Samenspenders zerstrittenen weiblichen Eltern: „Ihr duerft euch nicht trennen“ – „Warum?“ – „Dafuer seid ihr viel zu alt!“.   – The Kids are all right.

THE RIVER (USA, 1950)   – Retrospektive -  ***
Indien, gesehen mit den Augen des – noch im amerikanischen Exil arbeitenden – franzoesischen Regisseurs Jean Renoir: der breit dahinfliessende Ganges als Symbol des immerwaehrenden Lebens, dessen Ufer unterschiedliche Menschen umfassen, Arme und Reiche, Glueckliche und Leidende. Sozusagen Indien als Mutter harmonischer Lebensweisheit. Renoir bedient sich dabei einer Spiel-Handlung, in der die Toechter zweier englischen Familien, die noch ganz im Kolonialstil in schoenen Ufer-Villen leben, sich in einen durch seine schwere Kriegsverwundung verbitterten Offizier verlieben. Liebes-Leid und -Freud, aber auch Tod (eines der Kinder) und Geburt – all dies ereignet sich am gleichmuetig dahin stroemenden Fluss. Farbenpraechtige Feste und Hindu-Zeremonien runden das harmonischen Indien-Bild Renoirs ab – heute nach 60 Jahren und den politischen und sozialen Ereignissen auf dem unruhigen Subkontinent erscheint dies wie ein ferner, humanistisch-poetischer Traum.

DANIEL SCHMID – LA CHAT QUI PENSE (Schweiz, 2009)    – Panorama – ***
Liebevolle Dokumentaion von Pascal Hofmann und Benny Jaberg ueber den Schweizer Regisseur Daniel Schmid, der 2006 an Kehlkopf-Krebs starb. Ein chronologischer Lebenslauf aus Interviews, Statsments von Freunden, Szenen aus Filmen und Theaterauffuehrungen, Familienfotos und privaten Sequenzen. Kindheit in Graubuenden (der frueh verstorbene Vater war Hotelier in Flims), Studium in Berlin und Muenchen, dadurch Bekanntschaft mit Fassbender, Schroeter und Wenders, Umzug nach Paris, wo Schmid zahlreiche Filme drehen konnte, und Rueckkehr in den 90er Jahren in die heimatliche Schweiz. Seine Vorliebe gilt filmische Melodramen ( „Heute Nacht oder nie“, „Violanta“) aber auch sensiblen Dokumentationen wie „Der Kuss der Tosca“ ueber das Altersheim greisser Saenger in Mailand. Schmid’s Filme wenden sich auf Grund ihrer melodramatischen Thematik und ihrer inszenatorischen Kuenstlichkeit ueberwiegend an ein intelektuelles Publikum, weshalb er auch bis heute nur Insidern vertraut ist – auch wenn er spaeter konventionelle Opern in Zuerich und Genf
  inszenierte. Eine symphatisch-filmische Erinnerung fuer den  Freundeskreis und  ein aufschlussreich-sehenswertes, wenn auch weitgehend unkritisches Portraet des eigenwilligen Schweizers fuer Neugierige.

DER RAEUBER (Dtl/Austr., 2009) – Wettbewerb – ***
Johann Rettenberger ist Bankraeuber, ein verschlossener Einzelgaenger. Zugleich ein zaeher Marathon-Laeufer, der es nach seiner Entlassung aus der Haftanstalt zum Wiener Landesmeister bringt. Er hat keine Freunde, nur eine sproede Beziehung zu Erika, einer alten Bekannten, die aber bald sein Tun entdeckt und ihn bei der Polizei anzeigt. Doch dem sportlich durchtrainierten Johann gelingt die Flucht aus dem Polizeirevier:  er flieht erst zu Fuss, spaeter in gestohlenen Autos durch den WienerWald, gejagt von einem Riesenaufgebot der Polizei. Bei einem Ueberfall in einer Laubenkolonie, um Essbares zu finden,  wird er vom Messer eines sich wehrenden Rentner toedlich verletzt,  er stirbt auf der Autobahn bei laufendem Motor.
Der junge Regisseur Benjamin Heisenberg hat – nach einem wahren Fall in der 80er Jahren – einen spannenden Film inszeniert. Besonders die erste Haelfte besticht durch eine schnelle, schnoerkellose Erzaehlweise, die den wortkargen Taeter und seine abweisende Beziehung zu seiner Umwelt knapp
und praezise zeichnet. Die Flucht des Raeubers und seine Verfolgung durch die Polizei bleibt aber dann doch zu sehr im Rahmen der genre-ueblichen Konvention, ohne dem eine neue oder eigene Note hinzufuegen zu koennen. Entsprechend  ist der Wiener Wald effektvoll grau verschneit, und die musikalische Untermalung durch anschwellende Trommelschlaege droehnt spannungssteigernd …
Hervorragend ist die Verkoerperung des gefaehrlichen „Raeubers“ und durchtrainierten  Marathonlaeufers durch den oesterreichischen Schauspieler Andreas Lust – sein schmales Gesicht mit den brennenden Augen, sein fast wortloser Habitus, seine knappen, geschmeidigen Bewegungen praegen sich kraftvoll ein.

HOWL (USA, 2009) – Wettbewerb -  ***
Gespielte Dokumention vom Werdegang des amerikanischen Dichters Allan Ginsberg, von seinen Insider-Erfolgen im San Francisco der 50er Jahre ( in Schwarz-Weiss) und von einem Prozess, der wegen Obszoenitaet in seinen Gedichten gefuehrt wurde (in Farbe). Filmische Collage von Roy Epstein und Jeffrey Friedman, die zu einem Drittel die Lyrik Ginsbergs durch phantasievolle, aber sehr geschmaecklerische (digitale) Computer-Animation nachvollziebar zu gestalten versucht. Ein Film fuer Insider.

SUBMARINO (Daenemark, 2009) – Wettbewerb – ***
Sozial-Drama im heutigen Kopenhagen von Thoamas Vinterberg, einem der Pioniere der beruehmeten Dogma-Bewegung. Die Geschichte zweier Brueder aus der sozialen Unterschicht, die sich fremd geworden sind, aber nach dem Tod der Mutter auf Grund deren Testamentsverfueguegung  (eine billige Immobilie) wiederbegegnen. Nick, lebt in den Tag hinein, uebernimmt aber schweigend die Schuld eines Mordes auf sich, den ein Freund an einer Nachbarin  begangen hat. Der andere Bruder ist heroinabhaengig und versucht, sich und seinen kleinen Sohn, durch dealen mit Heroin  ueber Wasser zu halten. Die triste Atmosphaere – alles spielt vor einer grauen, winterlichen Vorstadt-Kulisse – interessiet vor allem durch den Blick des Regisseurs auf die „unschuldigen:“ Kinder: ihre unverstellt-naive Wahrnehmung der schlimmen Umwelt , ihre ungebrochen-vertrauensvolle Zuneigung gegenueber Eltern und  einigen Erziehern bilden zwar deneinzigen, aber echten Hoffnungsschimmer inmitten der gezeigten heutigen Goss-Stadt- Misere aus
Arbeitslosigkeit, materieller und moralischer Armut.

GREENBERG (USA, 2009) – Wettbewerb – **
Melancholische Alltagskomoedie von Noah Baumbach. Roger Greenberg (Ben Stiller), 41 Jahre alt, kommt in seine Heimatstadt Los Angeles zurueck, um fuer einige Wochen, das Haus seines Bruders zu betreuen, waehrend dieser mit seiner Familie in Vietnam Urlaub macht. Greenberg, von Beruf Schreiner, trifft alte Freunde, stellt aber fest, dass man sich kaum etwas zu sagen hat. Unsicher, aber gleichzeitig sehr egomanisch, was gelegentlich zu kleinen Auseinandersetzungen mit seiner Umgebung fuehrt, laesst er sich auf ein zunaechst sexuelles Abenteuer  mit der jungen Assistentin seines Bruders ein (Greta Gerwig). Allmaehlich entwickelt sich jedoch zwischen dem Mann in der Mitlife-Krisis und der noch lebens-unerfahrehen, jungen Frau eine ernstere Beziehung. Das Ende bleibt offen.
Freundlich gemachte Unterhaltung mit witzigen Dialogen, zugeschnitten auf die Gepflogenheiten des  „american way of life“,  und getragen vom Star des Films – dem wuseligen Ben Stiller als leicht  komischem Durchschitts-Amerikaner. Nur bedingt festival-tauglich.

SHUTTER ISLAND (USA, 2009)  – ausser Konkurrenz – **
Der neue Film von Martin Scorsese : ein verwirrender, duesterer Thriller um eine psychiatrische Krankenanstalt auf einer abgelegenen Insel vor der amerikanischen Ost-Kueste im Jahre 1954. Filmisch eindrucksvoll, aber inhaltlich wirr: ein Mix aus Horror-, Psycho- und Kriminal-Film . Mit kritisch- gemeinten Anspielungen auf Nazi-Konzentrationslager, die McCarthy-Aerea, den Irak-Krieg und Guantanamo – aber letzlich ein leicht vorhersehbares, langweiliges Konstrukt, das zwar alles andeutet, aber sich auf unverbindlich-beliebige Kino-Kost beschraenkt. Die guten Schauspieler, darunter Leonardo di Caprio, Ben Kingsley, Mark Ruffalo und Max von Sydow, sowie das exzellente technische Team, vermoegen das ambitionierte, aber konfus-duestere Drama nicht zu retten.

MY NAME IS KHAN (Indien, 2009) – ausser Konkurrenz – **
Entgegen den Erwartungen keine Bollywood-Opera, sondern ein Drama ueber die Folgen des 11.September 2001 in Amerika : ueber die Hysterie grosser Teile der US-Bevoelkerung gegenueber ihren Mitbuergern moslemischen Glaubens. Der indische ( inzwischen aelter gewordene) Star Shah Rukh Khan spielt einen autistischen in den USA lebenden Inder, der immer nur beweisen will, dass er kein Terrorist ist und gerade dadurch in Schwierigkeiten geraet. Ein ernsthaftes Thema – in vielen kleinen Nebenszenen erschreckend verdeutlicht – aber durch bombastischen Gefuehls-Kitsch  weichgespuelt.und mit droehnender Musik hochgepuscht.
An welches Publikum wendet sich dieses dreistuendige Melodram ? Kritische Aufklaerung oder beruhigende Verharmlosung ?

JUD SUESS – FILM OHNE GEWISSEN  (Dtl., 2009)  -Wettbewerb   **
Gut gemeint – kuenstlerisch misslungen. Oskar Roehlers Spielfilm ueber die Entstehung des Nazi-Opus „Jud Suess“ und ueber die Rolles seines Hauptdarstellers Ferdinand Marian scheitert an der bieder, unzulaenglichen Inszenierung. In dunklen, fast farblosen Bildern reiht sich ein Klischee ans andere – Goebbels als bruellende Karikatur (Moritz Bleibtreu), Ferdinand Marian als zweifelnd-eitler Schauspieler und Suffkopp (Tobias Moretti) – obwohl er ein fuer seine Zeit typischer Mitlaeufer war.
Auch sonst wird manch historisches Detail filmgerecht aufgemotzt – Marian’s Frau zur Halbjuedin stilisiert oder Hans Moser zur komisch-debilen Charge verniedlicht. Der Film wirkt grobgeschnitzt, hoelzern und gelaehmt von der historischen Vorlage : da hilft auch das aufwendige Nachspielen oder Ein-Kopieren der heutigen Schauspieler in den historischen Jud-Suess-Film wenig – selten blieb ein gegenwaertiger Film, der sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit beschaeftigt, so leblos und steif, so uninspiriert und fade wie diese angeblich kritische Auseinandersetzung mit dem Schnulzen-
und Propaganda-Kino der Nazi’s -  “ Der Wind hat mir ein Lied erzaehlt….“ singt  folgerichtig im Abspann Zarah Leander.

AMPHETAMINE (Hongkong, 2009) – Panorama – *
Love-Story zwischen einem wohlhabenden, jungen Banker in Hongkong und einem noch juengeren, huebschen Sportlehrer aus einer armen, chinesischen Migrantenfamilie.
Hoch-gestylter, schwuler Kitsch, ohne jegliche Ironie.

Mein Berlinale-Tagebuch 2009

13. Februar 200924. Juni 2018BerlinaleNo Comments


(Reihenfolge nach Anzahl der Sterne)

TATARAK von Andrzej Waida (Polen)*****
Eine filmische Reflexion ueber den Tod, bei der mehrere Erzaehlebenen miteinander verwoben werden. Erstens: die Geschichte Martas, der Frau eines Arztes, die ohne um ihre toedliche Krankheit zu wissen, einen letzte Sommer in einer polnischen Kleinstadt der 50er Jahre verbringt. Unter anderem  freundet sie sich mit einem jungen Arbeiter an, der beim Schwimmen in der Weichsel vor ihren Augen ertrinkt. Zweitens: die -  allerdings nur kurz  – gezeigte Arbeit des Regisseurs Wajda  und seiner Crew bei der Verfilmung dieser Geschichte. Drittens: die Darstellerin der Marta – die bekannte polnische Schauspielerin Krystyna Janda – berichtet allein in einem fast leeren Zimmer bei meist starrer Kameraeinstellung ueber den Krebstod ihres Mannes, eines  Kameramanns, der viel mit Wajda gearbeitet hat und dessen Andenken der gesamte Film gewidmet ist.
Mit der Brechung des filmischen Flusses durch die unterschiedlichen Erzaehlstraenge gelingt es Wajda,  das Phaenomen des Todes zu umkreisen,  gleichermassen hinter die jeweiligen Filmbilder zu blicken.  Die Geschichte der Marta allein wuerde nur das Gefuehl ansprechen. Erst das Zeigen, dass diese Geschichte „gemacht“ oder inszeniert ist und andererseits die persoenliche Betroffenheit der Darstellerin durch ein Todes-Ereigniss, das nichts mit der dargestellten Geschichte zu tun hat, weitet den Blick ueber vordergruendige Bilder und Darstellungen hinaus. Gleichzeitig vermag Wajda durch die Schilderung der sommerlich-bluehenden Natur – der duftende Kalmus ist das komprimierte Bild dafuer – dem Film eine heitere Gelassenheit zu vermitteln, die das duestere Theama des Todes in eine menschliche Balance bringt. Ein leises, aber bewegendes Meisterwerk. (Wettbewerb)

STORM von Hans Christian Schmid****
Justiz-Thriller im Milieu der Den Haager Kriegverbrecherprozesse. Eine Staatsanwaeltin (Kerry Fox) sucht Zeugen gegen einen ex-jugoslawischen General, dessen Prozess auf Grund des UN-Gesetzes moeglichst schnell beendet sein muss. Eine Zeugin (Anamaria Marinca) wird nach laengerem Zoegern zur Aussage ueberedet, doch dann scheint ein politischer Deal – es geht um die Aufnahme der ehemaligen jugoslawischen Laender in die EU – alles hinfaellig zu machen.
Ein gekonnt gefilmter Krimi, aber doch sehr vom Rechts-Idealismus des Regisseurs gepraegt: entsprechend entwickelen sich die Geschichte und ihre Personen, einschliesslich eines versoehnlichen Schlusses. Doch  in der Realitaet bedeutet leider nicht jeder Urteilsspruch auch Gerechtigkeit fuer die Opfer. Trotzdem : ein spannender Film und ein vielschichtiges, aktuelles Thema.  (Wettbewerb)

DIE EIGENHEITEN EINER JUNGEN BLONDINE von Manuol di Oliveira (Portugal)****
Der neuste Film des 100jaehrigen portugiesischen Alt-Meisters. Ein junger Mann, Buchhalter im Textil-Geschaeft seines Onkels, verliebt sich in ein Maedchen, das er im Fenster gegenueber seines Bueros erblickt. Er haelt um ihre Hand an, aber sein Onkel verweigert die Zustimmung und weist ihn aus seinem Haus. Um Geld fuer die Hochzeit zu verdienen, geht der junge Mann ins Ausland. Als er zurueckkommt, scheinen alle Probleme geloest, auch der Onkel ist nun einverstanden. Beim Juwelier waehlt das Paar einen passenden Ehe-Ring aus, dabei versucht die Braut einen anderen Ring zu stehlen. Daraufhin verstoesst der junge Mann die Braut.
Nach einem literarischen Stoff aus dem 19.Jahrhundert erzaehlt Oliveira diese unspektakulaere Geschichte, angesiedelt im heutigen Lissabon, in ruhigen, klaren Szenen: keine Kamerafahrten, wenig Bewegungen, aber (im kunstgeschichtlichen Sinn) ausgefeilte, schoene Bildern. Doch trotz der starren Einstellungen und der theaterhaften Fuehrung der Darsteller: eine – in Ablauf und Montage – ausgesprochen filmische Erzaehlweise, die an Vorbilder wie Dreyer oder Ozu erinnert. Ein kleines Meisterwerk (nur 64 Minuten lang) eines der grossen Filmregisseure Europas. (Berlinale spezial)

MY ONE AND ONLY von Richard Loncraine (USA)****
Amerika in den Fifties. Ann ist mit einem erfolgreichen Bandleader („My one and only“) verheiratet und hat zwei halberwachsene Soehne. Doch jetzt erwischt sie den etwas nervoesen Gatten wiedereinmal mit einer anderen im Bett und es reicht ihr: mit einem hellblauen Cadillac und ihren beiden Soehnen faehrt sie quer durch die Staten, immer auf der Suche nach einem neuen Mann mit entsprechendem Geld. Doch die quirlige Ann ist ein Pechvogel – iimmer geraet sie an den Falschen. Ob im versnobten Boston, im Arbeiterviertel von Pittsburg, bei ihrer frommen Schwester in St.Louis oder zuletzt in Hollywood, wo sie als Statistin in einem Monumentalfilm den Produzenten beeindruckt. Auch mit der Mutterrolle klappt es nicht so recht: da Ann mit ihrer Maennersuche beschaeftigt ist, uebersieht sie die Beduerfnisse ihrer pubertierenden Kinder vollkommen. An Ende aber entdeckt sie, dass sie auch ohne Maenner zurechtkommen kann: immerhin bleiben vorerst noch die Soehne.
Der britische Regisseur Richhard Loncraine hat diese Geschichte mit leichter Hand inszeniert, ein komisches Road-Movie, bei dem die Dialoge blitzen wie in den Screwball-Komoedien jener Zeit, die Musicbox swingt und die Petticoats wippen. Eine intelligent verguegliche Reise durch das optimistische Amerika jener Jahre – mit leichtem Augenzwinkern. Als schlagfertige Blondine, zwischen Naivitaet und Cleverness, fuehrt Renee Zellweger ein bis in die kleinsten Rollen ueberzeugendes Ensemble an, das mit Charme und Witz einen vergnueglichen Blick auf das gute alte Amerikas und seine Kinogeschichte wirft. (Wettbewerb)

CHERI von Stephen Frears  (GB/FR/BRD)***
Oppulenter Kostuemfilm nach einer Novelle von Colette. Charlotte, eine altgewordene, dicke Kurtisane der Belle Epoque (Kathy Bates) verkuppelt ihren 19jaehrigen Sohn Cheri (Rupert Friend) an die Kollegin Lea (Michelle Pfeiffer), die ihrerseits gerade daran denkt, sich aus Altersgruenden vom Berufsleben zurueckzuziehen. Doch Lea verliebt sich in den jungen Taugenichts, bleibt mit ihm sechs Jahre zusammen – Geld spielt keine Rolle – , bis Cheri auf Anordnung seiner Mutter heiraten muss, um eine Familie zu gruenden. Schmerzliche Trennung, aber Lea sieht ein, dass ein weiteres Verhaeltniss mit dem um Jahrzehnte Juengeren keine Zukunft haben kann: ihre Zeit ist abgelaufen. Stephen Frears („Gefaehrliche Liebschaften“, „Die Queen“) hat einen unterhaltsamen, aber auch belanglosen Film gedreht. Nach huebsch-ironischen Szenen und Dialogen zu Beginn badet die Geschichte immer mehr im Sentimentalen. Obwohl die ueppigen Jugendstil-Decors und die ausgefallenen Roben der Damen groesste Schauwerte besitzen, und Michelle Pfeiffer hinreissend darin aussieht: der Story von der alternden Frau gewinnt Stephen Frears nur oberflaechliche Reize ab. Von seinem alten Witz und Sarkasmus, die solche Kostuem-Geschichten den Biss verliehen, ist leider nicht mehr zu spueren. (Wettbewerb)

THE PRIVATE LIVES OF PIPPA LEE von Rebecca Miller (USA)***
Pippa Lee ist die wohlsituierte Gattin des um Jahrzehnte aelteren Verlegers Herb. Man zieht in eine schicke Seniorensiedlung (in Connecticut), um in Ruhe das Alter zu geniessen. In ausfuehrlichen Rueckblenden erfaehrt man Pippas bisheriges Leben: die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter, die Flucht zu einer lesbischen Tante,  das Abgleiten in Drogen und wie Herb, ihr spaeterer Mann, sie daraus befreit hat. Jetzt nach langen Ehejahren und zwei inzwischen erwachsenen Kindern entdeckt Pippa durch Zufall, dass Herb ein Verhaeltnis mit ihrer Freundin hat. Dadurch fuehlt sie sich ploetzlich frei von allen Verpflichtungen und faehrt – als Herb stirbt – mit einem befreundeten Mann gen Westen.
Rebecca Miller hat ihren eigenen Roman mit einem grossen Star-Aufgebot verfilmt: ganz im tradierten Hollywood-Stil, gefuehlvoll, mit komischen Szenen und witzigen Dialogen, praechtigen Bildern und fabelhaften Darstellern (Robin Wright Penn, Alan Arkin, Keanu Reeves, Monica Bellucci, Julienne Moore, Winona Ryder). Tiefere Schichten allerdings beruehrt der Film kaum, dazu sind die meisten Probleme nur angerissen und zudem zu „luxurioes“ – es bleibt bei gefaelliger Unterhaltung. (Wettbewerb, ausser Konkurrenz)

THE GOOD AMERICAN von Jochen Hick ***
Dokumentarisches Portraet des Deutschen Tom Weise, der in den 90er Jahren in New York erfolgreich das Internet-Portal „Rent-boy“ gruendet und verwaltet. Ausserdem organisiert er zahlreiche Paraden und Events fuer die amerikanische Gay-Community. Verdient damit viel Geld.. Da er HIV-positiv ist, bekommt er zwar keinen amerikanischen Pass und lebt somit illegal in den Staaten, fuegt sich aber so in seine Umgebung ein, dass er von seinen Freunden und Mitarbeitern als „The good American“ bezeichnet wird. 2008 kehrt er nach Deutschland zurueck und versucht in Berlin eine neue geschaeftliche Existenz zu gruenden.
In den vielen und lebhaften Statements gibt er sich aeusserst redegewandt und sehr selbstbewusst, seine Mitarbeiter bezeichen ihn eher als autoritaer. Der Reiz des Film liegt vielfach in den Alltags-Beobachtungen des „american way of live“, auch in ihren Randerscheinungen, weniger in den ausfuehrlichen Beschreibungen der schwulen „Gemeinden“. Ein Film fuer Insider. (Panorama)

ALLE ANDEREN von Maren Ade**
Chris (Lars Eidinger) und seine Freundin Gitti (Birgit Minichmayr) machen Ferien im luxurioesen Haus von Chris‘ Mutter auf Sardinien. Er ist angehender Architekt, sie arbeitet als PR-Frau bei einem Musik-Konzern. Man liebt und langweilt sich, zweimal trifft man sich mit einem befreundeten Paar, doch die Stimmung schlaegt jedesmal rasch ins Agressive um. Sonst passiert kaum etwas. Zwei Stunden darf man den kleinen und groesseren Auseinandersetzungen dieser durchschnittlichen Beziehung zusehen und ihren ebenso alltaeglichen wie banalen Wortgefechten lauschen. Manche Zuschauer finden diese Form der eins-zu-eins Umsetzung der platten Realitaet auf die bunte Leinwand grossartig, ich habe mich ueberwiegend beim Zuschauen und Zuhoeren ebenso gelangweilt wie Chris und Gitti in diesem sehr deutschen Film. (Wettbewerb)

ABOUT ELLY von Asghar Farhadi (Iran)**
Drei junge Paare aus Teheran, ein (in Deutschland) geschiedener Freund, drei kleine Kinder und ein Kindermaedchen, namens Elly, machen Ferien am ziemlich rauhen Kaspischen Meer. Am 2.Tag geht eines der Kinder ins Wasser, ertrinkt fast dabei, wird in letzter Minute gerettet. Doch wo war das Kindermaedchen ? Auch Elly ist verschwunden, niemand weiss, ob abgereist oder ertrunken. Keiner kennt Elly genauer, erst langsam wird klar, dass eine der Muetter sie bloss angeheuert hat, um sie eventuell mit dem mit geschiedenen Freund zu verkuppeln. Aber auch dies ist nur die halbe Wahrheit, jeder hat ploetzlich etwas zu verbergen. Wer luegt, was ist die Wahrheit, gibt es eine solche ueberhaupt – um solche Fragen kreist der Film, etwas langatmig und konstruiert. Duesteres Kammerspiel in grau-blauen Toenen. (Wettbewerb)

EDEN A L’OUEST von Costa-Gavras**
Elias (Riccardo Scarmarcio), ein junger Illegaler aus einen nahoestlichen oder nordafrikanischen Land, geraet unfreiwillig in einen griechischen Ferienclub. Obwohl die Polizei nach ihm fandet, hat er Glueck und wird von einer deutschen, sexhungrigen Touristin (Juliane Koehler) versteckt. Ein Zauberkuenstler (Ulrich Tukur), der in diesem Club gastiert, laedt ihn ein, nach Paris zu kommen. Damit beginnt  fuer den – nur ein paar Brocken Franzoesisch verstehenden – Elias eine turbulente Reise quer durch Europa. Mal als Mitfahrer oder Beischlaefer,  mal als ausgebeutete Billiglohnkraft, immer auf  der Flucht vor der Polizei, der er mit flinken Beinen und schlauer List witzig-komische Volten schlaegt. In Paris findet er zwar seinen Zauber-Kuenstler wieder, der aber erinnert sich nicht mehr an ihn, und so geht die ebenso traurige wie abenteuerliche Reise des illegalen Elias wohl noch eine geraume Weile weiter…
Costa-Gavras hat einen eher unterhaltsamen, als politischen Film gedreht. Wohl mit ernstem Hintergrund, aber eher mit der Absicht vordergruendiger Vergnueglichkeit. Nett, aber nicht unbedingt  festival-tauglich. (Wettbewerb, ausser Kokurrenz)

DEUTSCHLAND 09**
13 Kurzfilme von deutschen Regisseuren, die unverbunden aneiandergereiht sind. Vorgegebenes, aber nicht genauer bestimmtes Theama ist „Deutschland heute“. Entsprechend kuenstlerisch uneinheitlich fallen die einzelnen Beitraege aus. Das reicht von einem Stimmungsbild des morgendlich erwachenden Berlin (Angela Schanelec) bis zur schrillen Satire eines vergammelten Krankenhauses, in dem der Patient Deutschland operiert wird (Wolfgang Becker); von einem heiter ironischen Spiel um einen pessimistischen Vater, der (nach  Pilleneinnahme) sein Kind ueber Berlin fliegen sieht, und das schliesslich im Kanzleramt bei Angela Merkel landet (Danny Levi) bis zur boesen Goteske ueber einen bayrischen Speditionsunternehmer, der die Redaktion der FAZ erschiesst , weil sie nicht mehr „Fraktur“ druckt (Hans Steinbichler). Teils unterhaltsam, teils bissig, teils ueberfluessig. (Wettbewerb, ausser Konkurenz)

MAMMOTH von Lukas Moodysson (Schweden)*
Mini-Geschichten, die in New York, Bangkok und Manila spielen, werden miteinander verknuepft: es geht um Familien und Kinder. Leo und Ellen, ein bestverdienendes Ehepaar, lebt mit 7jaehriger Tochter und philippinischer Nanny Gloria in Manhattan. Gloria’s Kinder wachsen in bescheidenen Verhaeltnissen bei ihrer resoluten Grossmutter in Manila auf, der 10jaehrige Salvatore wird von einem Touristen missbraucht. Und auf einer Geschaeftsreise nach Thailand lernt Leo eine huebsche Bardame kennen (auch sie hat ein kleines Kind), er will aber keinen Sex, sondern nur den vom gluecklich-freien Leben in der unschuldigen Natur – zwecks Selbstfindung – traeumen. Den Reichen der 1.Welt geht’s gut, aber Zeit fuer ihre Kinder haben sie trotzdem nicht: die Armen der 3.Welt muessen dagegen auf unanstaendige Weise schuften, deshalb werden auch ihre Familien zerstoert. Banale Erkenntnisse in schoenen Breitwandbildern = Betroffenheits-Kitsch. (Wettbewerb)

RAGE von Sally Potter (GB)*
Wortreiche Statements eines guten Dutzend Beteiligter einer verruecktem Modenschau in New York. Exzentrische Typen in Nahaufnahmen vor grellfarbigem Hintergrund : Unfaelle, Mordanschlaege und allgemeines Chaos dieser Show werden wortreich geschildert und kommentiert. Ein formaler Einfall der Regisseurin Sally Porter, der 15 Minuten traegt, aber gute anderthalb Stunden langweilt. Trotz einzelner ironischer oder sarkastischer Momente (Jude Law als russische Transe, Judie Dench als schrille Mode-Journalistin) insgesamt ebenso misslungen wie ueberfluessig. (Wettbewerb)


THE DUST OF TIME von Theo Angelopoulos *
Zweiter Teil einer Trilogie, die sich mit dem 20. Jahrundert beschaeftigt. Hauptpersonen sind ein griechisches Paar, Spiros und Eleni. Getrennt durch die Zeitlaeufe, treffen sie sich wieder am Tag von Stalins Tod in Kasachstan. Sie werden erneut getrennt, Eleni kommt nach Sibirien, wo sie ihren und Spiros Sohn gebirt, der aber bei Pflegeeltern (im Westen) aufwaechst. Um die Jahreswende 1999/2000 treffen sich alle wieder, diesmal in Berlin. Der Sohn ist inzwischen Regisseur geworden, hat eine kleine Tochter und sucht in Rom nach filmischen Spuren der Familiengeschichte.
Es ist ein Film, der laufend zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den verschiedenen Altersstufen der Personen, zwischen Orten und Laendern springt, so dass nur schwer die verwickelten Zusammenhaenge zu durchscheuen sind. Manche Bilder sind eindrucksvoll, besonders die in den russischen Rueckblenden, doch der groesste Teil des Films ist aus bedeutungsschwangeren Szenen zusammengefuegt, die oft ins Kunstgewerbliche oder Banale abdriften (zerstoerte Fernseher in Cinecitta, eine besetztes Haus in Berlin). Trotz beruehmter Namen bleiben die Schauspieler blass, werden oft zum Chargieren gezwungen (Michel Piccoli, Bruno Ganz, Irene Jacob, Willem Dafoe). Das Film wirkt ueber weite Strecken, als ob Angelopoulos seinen eigenen Stil parodiere. (Wettbewerb, ausser Konkurrenz)

RICKY von  Francois Ozon*
Eine alleinerziehende Fabrikarbeiterin in einer franzoesischen Industriestadt  verliebt sich in einen spanischen Kollegen,. Sie bekommt ein Baby von ihm, dem alsbald Huehner-Fluegel wachsen. Das fliegende Baby fuehrt zu komischen Situationen im Kinderzimmer wie in der Oeffentlichkeit, aber irgenwann fliegt es (aus Unachtsamkeit der Mutter) davon. Die zunaechst enttaeuschte Klein-Familie findet sich damit ab. Ein ziemlich langweiliger Film-Mix aus Sozialreportage, schlichter Situations-Komik und Fantasy-Elementen. Ueberfluessig. (Wettbewerb)

Mein Berlinale-Journal 2008

10. Februar 200824. Juni 2018BerlinaleNo Comments

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THERE WILL BE BLOOD von Paul Thomas Anderson (Wettbewerb)
Monumentales Epos um den Minenarbeiter David Plainview, der nach Silber graebt und Oel findet. Clever und gerissen kauft er den meist unwissenden Farmern das Land, unter dem die Oelfelder liegen, ab und errichtet zwischen 1900 und 1927 ein gigantisches Wirtschafts-Imperium. Er nimmt ein vaterloses Kind als Sohn an, doch bei einem Bohrunfall wird dieser Sohn taub. Sogar einer christlichen Sekte tritt Plainview bei, um auf diese Weise Land fuer die geplante Pipe-Line zum Meer zu erwerben. Doch das Ende des erfolgreichen Tycoon’s sind Suff und Mord. Nach einem Roman von Upton Sinclair breitet Regisseur Paul Thomas Anderson einen gewaltigen Bilderbogen (mit grandiosen Landschafts-Panoramen) aus, ganz auf die zentrale Figur des schlauen, ehrgeizigen und selbstgerechten Magnaten konzentriert – eindrucksvoll verkoerpert von Daniel Day-Lewis. Ungewoehnlich der Sound aus Geraeuschen und Musik verschiedener Stilrichtungen. Auch ein Film ueber Amerika, seine Groesse und seine Gefahren.

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