Rainer Allgaier

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Monat: Januar 2009

Spannend: „Jerichow“ von Christian Petzold ****

28. Januar 2009FilmkritikenNo Comments

Ali, ein tuerkischstaemmiger Unternehmer, ist durch eine Imbisskette im flachen Nordosten Deutschlands zu einigem Wohlstand gekommen. Mit seiner deutschen Frau Laura, einer verschlossenen Blondine, sorgt er fuer die taegliche Belieferung und Kontrolle seiner Laeden. Als er wegen Trunkenheit am Steuer seinen Fuehrerschein verliert, heuert er Thomas, einen arbeitslosen, ehemaligen Afghanistan-Soldaten, als Fahrer an. Bald entwickelt sich zwischen Laura und Thomas eine erotische Beziehung. Da beide auf Alis Geld scharf sind, beschliessen sie, ihn umzubringen. Doch die Geschichte nimmt einen unerwarteten Verlauf.
Christian Petzold bedient mit  „Jerichow“  des bekannten, bereits mehfach verfilmten Romans „The Postman Alway Rings Twice“,  uebertraegt ihn aber sehr frei in die fast menschenleere, arme Landschaft der neuen Bundeslaender zwischen Prignitz und Ostsee. Weite Wiesen, lichte Walder, karge Steikuesten. Durchzogen von asphaltglaenzenden Autostrassen. Aber nicht die Story noch ihre Moral machen den Reiz des Films aus, sondern  die ruhige und praezise Art seiner Inszenierung. Die ruhigen, gleitenden Fahrten durch die sommerlich-hellen Gegenden, die unspektakulaere,  logische Erzaehlung der einzelnen Geschehnisse,  die klare Charakterisierung der Figuren. Doch sind es vor allem die Schauspieler, die den Film tragen:  Benno Fuermann als wortkarger Thomas von starker koerperlicher Praesenz,  Nina Hoss als herbe, eher passiv alles ueber sich ergehen lassende Laura und vor allem Hilmi Soezer, der aus Ali einen lebensprallen Charakter formt: klug, brutal, gerissen, misstrauisch, manchmal auch von einer liebenswuerdigen Feundlichkeit. Soezer macht unaufdringlich klar, dass dieser Ali im Grund  – ob bei seiner Frau, ob bei Thomas – eine Heimat sucht, einen Freund, der ihn aus seiner Isolation (als Mensch, als Tuerke) befreit. Doch die Gier nach Geld haben Thomas wie Nora blind gemacht.
Trotz einiger allzu unglaubwuerdigen, dramaturgischen Konstruktionen ist „Jerichow“ ( = irgendwo in der Provinz) eine gelungene Mischung aus Sozialreportage und Melodram. Ein sproedes, aber spannendes Kammerspiel, sicherlich Christan Petzolds bisher ueberzeugenster Film.

Foto/Verleih: Piffl
zu sehen: Broadway, Capitol, fsk, Hackesche Hoefe, Kant Kino, Kulturbrauerei, Yorck u.a.

Spannend: „Jericho“ von Christian Petzold

28. Januar 2009AllgemeinNo Comments

Ali, ein tuerkischstaemmiger Unternehmer, hat es als Besitzer einer Imbiss-Kette im flachen Nordosten Deutschlands zu einigem Wohlstand gebracht. Zusammen mit seiner Frau Laura, einer verschlossenen Blondine, besorgt er den taeglichen Nachschub und die Kontrolle seiner Laeden. Als er wegen Trunkenheit am Steuer seinen Fuehrerschein verliert, angagiert er Thomas, einen entlassenen Afghanistan-Soldaten auf Arbeitssuche, als Fahrer. Bald aber entwickelt sich eine erotische Beziehung awischen Thomas und Laura, die beide von Alis Geld abhaengig sind. Sie planen seine Ermordung, doch die Geschichte nimmt eine unerwarteten Verlauf. Diese Story ist schon mehrfach verfilmt worden: „The Postman Alway Rings Twice“. Christian Petzold benutzt nur die Grundkonstellation, versetzt seine Figuren aber in eine typisch deutsche Umgebung: die fast menschenleeren, armen neuen Bundeslaender im Nordosten.Weite sommerliche Wiesen, Waelder – durchschnitten von Autostrassen, eine oede, verlassene Steilkueste an der Ostsee. Einsame Menschen, die sich nach so etwas wie Heimat oder Freundschaft sehen. Doch die Gier nach Geld zerstoert alles. Das Faszinierende an diesem Film ist aber weder die Geschichte noch ihre Moral. Sondern die Art ihrer Verfilmung: leise, ruhig und praezise. Die Kamera gleitet durch die sommerliche Weite, bleibt nahe an den Personen, schildert unaufgeregt die einzelnen Ereignisse und baut dabei fast unmerklich grosse Spannung auf. Entscheidend aber sind die Schauspieler: Benno Fuermann als Thomas: wortkarg, aber von starker koerperlicher Praesenz; Nina Hoss als herbes, passives Objekt der beiden Maenner, die alles ueber sich ergehen laesst; vor allem aber Hilmi Soezer der aus Ali eine lebensprallen Charackter macht: brutal, klug, gerissen, schlau und doch empfindsam. Er sucht ob in seine Frau, ob in Thomas einen Freund, eine Menschen, der ihn aus seinen Isolierung (als Mensch, als Tuerke) herausholt. Doch die Sucht nach Geld hat Laura wie Thomas laengst blind gemacht. Trotz mancher zu deutlichen dramaturgischer Konstruktion: eine gelungene Mischung aus Sozialreportage und Melodram, eine spannende Dreiecksgeschichte mit unerwartetem Ausgang. Christian Petzolds bisher bester Film.

Kein Glueck im Spiel: „Pique Dame“ in der Komischen Oper *

26. Januar 2009TheaterkritikenNo Comments

Peter Tschaikowkys „Pique Dame“ (uraufgefuehrt 1890) spielt im zaristischen Russland des 18.Jahrhunderts. Hermann, ein deutscher Offizier, verliebt sich in Lisa, die Verlobte eines adligen Freundes, und sucht deshalb Geld im Spiel zu gwinnen. Lisas Vormund, eine alte Graefin, soll angeblich um eine Glueckzahlen-Kombination wissen, doch als Hermann sie deswegen bedroht, stirbt sie vor Schreck. In seinem Wahn glaubt er dennoch die gewinnversprechenden Zahlen zu erkennen, stoesst die entsetzte Lisa beiseite, und setzt am Spieltisch auf die Glueckskarten. Doch die dritte Karte sticht nicht – statt dem As erscheint die Pique Dame. Hermann toetet sich.
Regisseur Thilo Reinhardt versetzt die Handlung auf eine (sicherlich sparsame) Einheitsbuehne: eine duestere Hotel-Lobby mit dem Charme des „Realen Sozialismus“. Auch die Gesellschft, die darin herumwuselt und sich – der Enge wegen – aneianderquetscht, wirkt in ihren protzigen Klamotten und biederen Anzuegen recht halbseiden. Dadurch entfallen wesentliche soziale und psychologische Koordinaten, die Personen verlieren ihre innere Stimmigkeit, werden unglaubwuedig. Hermann ist (auch koerperlich) ein kleiner, vertrottelter Spieser im Trenchcoat, Lisa eine walkuerenhafte Blondine im weissen Pelz. Nur die Graefin – hochtoupiert, silbernes Paillettenkleid – strahlt eine gewisse elegante Wuerde und Autoritaet aus: Anja Silja – erstmals als Gast in der Behrenstrasse – verkoerpert mit bruechiger Stimme diese kleine Rolle aeusserst buehnenwirksam und macht verstaendlich, dass ihre Graefin einst die „Venus von Moskau“ genannt wurde.
Szenisch wie musikalisch kocht der Abend auf Sparflamme. Zwar singen und spielen Chor und Orchester mit grosser Praezision, aber die Saenger bleiben Mittelmass oder sind – trotz ihres engagierten Einsatzes – falsch besetzt (Kor-Jan Dusseljee als Hermann, Orla Boylan als Lisa). Dirigent Alexander Vedernikov begleitet die intimen Szenen sehr transparent, die grossen Ensembles klingen dagegen recht pauschal und zu laut.
Tschaikowskys „Pique Dame“ tut sich immer schwer auf den deutschen Buehnen. Die Produktion der Komischen Oper bestaetigt die ihr nachgesagte Langeweile aufs Neue.

Foto:Komische Oper Berlin

Kampfplatz Schule: „Die Klasse“ von Laurent Cantet ****

25. Januar 2009FilmkritikenNo Comments

Alltag in einer Pariser (Mittel-)Schule in einem sogenannten Problembezirk.. Francois Marin ist Leiter einer Klasse von 14- bis 15jaehrigen Schuelern, ueberwiegend mit arabischem oder afrikanischem Hintergrund. Der Film beginnt mit dem neuen Schuljahr im Herbst und endet mit den Sommerferien im Jahr darauf. Dazwischen ausschliesslich Nahaufnahmen aus dem Lehrerzimmer, dem Schuhof und vor allem aus Francois’s Klasse. Der taegliche Kampf des Lehrers um Aufmerksamkeit und Lernbereitschaft, die unterschiedlichen, oft provokanten Reaktionen der Schueler -  von innerer Ablehnung und Langeweile bis zur streberhaften Unterwuerfigkeit. Dabei wird kein duesteres schwarz-weiss Bild entworfen, sondern Lehrer wie Schueler als sich gegenseitig akzeptierende, aber kritische Partner gezeigt. Warum waehlt Francois in Beispiel-Saetzen immer nur den (weissen) Namen „Bill“ und nicht „Aissata“ oder „Rachid“ ? Warum muss man den „Konjunktiv in seiner Vergangenheitsform“ kennen, wenn doch niemand mehr im Alltag so redet?
Aus den etwa 20 Schuelern heben sich vor allem drei heraus: Souleymane, der kaum mitarbeiten will und spaeter die Schule verlassen muss; Khoumba, die sich in einem ruehrenden Brief ueber den mangelnden Respekt des Lehrers ihr gegenueber beklagt, und Esmeralda, die mit frechem Witz provoziert und am Schluss triumphierend erzaehlt, zu Hause Platon’s „Staat“ zu lesen. Auch Francois macht trotz seiner geduldigen Bemuehungen um das Interesse seiner Schueler gelegentlich Fehler, indem er beispielsweise die beiden Klassenvertreterinen, als er sich ueber sie aergert, mit „Schlampen“ vergleicht.
Der Film (der auf einem populaeren Tatsachen-Buch beruht) konzentriert sich ausschliesslich auf das Geschehen in der Schule (Originaltitel „Entre les murs“) – was ausserhalb passiert, erfaehrt man allenfalls in Berichten einzelner Schueler oder einmal in einer Elternsprechstunde. Es wird – und das ist das Kluge dieses Films – nie direkt Partei ergriffen, sondern nur beobachtet. Eine gespielte Dokumentation, aber ohne Wertung und ohne dass der Zuschauer erfaehrt, was „wahr“, was „gelogen“ ist. Hier liegt allerdings auch eine offenen Frage an den Regisseur: was hat er von seiner vorgegebenen „Geschichte“ gezeigt, was hat er weggelassen? Nach welchen (aesthetischen oder paedagogischen) Vorgaben hat er den Film montiert? Doch gerade diese Offenheit , das nicht bis in alle Einzelheiten Geklaerte, macht den Reiz und die Lebendigkeit dieses spannenden Einblicks in den heutigen Schul-Alltag aus.

Foto/Verleih: Concorde

zu sehen: Babylon Kreuzberg (OmU); Hackesche Hoefe (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Kulturbrauerei; Broadway u.a.

Wie rettet man eine Ehe? : „Die Aegyptische Helena“ in der Deutschen Oper ****

23. Januar 2009TheaterkritikenNo Comments

Der trojanische Krieg ist zu Ende. Menelas kehrt mit seiner Frau Helena, deren Leichtsinn und Treuelosigkeit die Katastrophe ausgeloest hat, nach Hause zurueck. Doch wie soll die Ehe nun weiter funktionieren? Der verzweifelte Menelas greift – noch auf dem Schiff – zum Dolch. Doch die aegyptische Magierin Aithra greift mit allerlei Tricks und Traenken ein, erfindet das Maerchen, dass die trojanische Helena nur ein Phantom gewesen und dass die wahre Helena keusch und unberuehrt die Zeit des Krieges in aegyptischer Abgeschiedenheit verbracht habe. Zwischen Zweifel und Hoffnung, Wahnvorstellungen und exotischen Begegnungen taumelt Menelas durch Palast und Wueste, neues Ehebett und therapeutisches Sofa bis am gluecklichen Ende die Eheleute wieder versoehnt und innerlich gewandelt nach Sparta heimreisen koennen.
Das prominente Gespann Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss wollten nach der Katastrophe des 1.Weltkrieges eine leichte, heitere Komoedie schaffen, die zwar die boesen Erfahrungen des Zusammenbruchs ihrer geistigen Welt mitspielen lassen sollte, aber auch zu ueberwinden vermochte – ein gleichnishaftes, heiteres Maerchen aus der Antike. Es wurde zwar ein sehr kunstvolles, aber kuenstlich auf hohem Kothurn schreitendes Drama, nicht gerade buehnenwirksam und gepanzert mit ausladender, dauer-hymnisch rauschender Musik. Eine Oper, die als einziges Werk der gemeinsamen Arbeit, bis heute kaum aufgefuehrt wird. Untauglich fuers Repertoire in ihrer gedanklichen Uberladenheit; und der Musik fehlen zuendende Einfaelle.
Regisseur und Buehnenbildner Marco Arturo Marelli versucht durch optische Eleganz und huebsche Arrangements die kuriose Ehe-Rettung plausibel zu erzaehlen. Dekor und Kostueme zitieren die Zeit der Urauffuehrung – die goldenen zwanziger Jahre. Mit Palmen und Champus. Ricarda Merbeht glaenzt mit kraftvollen Sopran und blonder Peruecke (ein bisschen zu brav) als Helena, Robert Chafin bemueht sich als Menelas im grauen Feldmantel und mit nicht immer sauberen Toenen die verwirrenden Vorgaenge zu durchschauen, die die Aithra Laura Aikin’s geich einer schlanken Koloratur-Kleopatra elegant auf der sich staendig drehenden Buehne inszeniert. Grosses Lob gebuehrt dem vorzueglich aufspielenden Orchester und den Dirigenten Andrew Litton, der die pathetisch-klangfarbenreiche Musik von Richard Strauss mit ihren weitgespannten Melodienboegen prachtvoll und dramatisch zu schoener Wirkung bringt.

Foto: Markus Lieberenz/  Deutsche Oper

Gescheiterte Traeume: „Zeiten des Aufruhrs“ von Sam Mendes **

22. Januar 2009FilmkritikenNo Comments

Amerika in der 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein weisses Haeuschen, gruene Rasenflaechen, gepflegte Wege: in solch biederer Vorstadt-Idylle leben scheinbar gluecklich Frank und April Wheeler (Leonardo di Caprio und Kate Winslet) mit ihren beiden Kindern. Frank faehrt taeglich mit den Vorortzug in die nahe Gross-Stadt, wo er in der Werbeabteilung eines (kuenftigen) Computer-Konzerns arbeitet, ohne grossen Ehrgeiz, ohne Begeisterung. April huetet Haus und Kinder, der Versuch als Darstellerin in einer nachbarschaftlichen Laiengruppe ist klaeglich gescheitert. Leben und Ehe erstarren in taeglicher Routine. Doch April will aus diesem als langweilig empfundenen Vorstadtleben ausbrechen und plant den Umzug der Familie nach Frankreich. Eine erneute, ungewollte Schwangerschaft und ein unerwarteter beruflicher Aufstieg Franks lassen jedoch diese Lebens-Traeume schnell und auf tragische Weise platzen.
Der britische Regisseur Sam Mendes hat den populaeren Roman von Richard Yates (1961) in ein dialogreiches Kammerspiel uebersetzt, routiniert aber ohne Ueberraschung. Alles ist vorhersehbar und wird bedeutungsschwanger ausgespielt. Die Nebenrollen bleiben blasse Chargen und trotz des intensiven Spiels des einstigen „Titanic-Paares“ Winslet/di Caprio mangelt es ueber weite Strecken an sozialer wie psychologischer Schaerfe. Unterlegt von einer plaetschernden Musik kippt der Film oft in sein Gegenteil: statt Taschentuecher gezueckt wird im Publikum gekichert. Aus geplatzten Jugendtraeumen und gescheiterten Ehen hat Hollywood schon weit aufregendere und eindrucksvollere Leinwanddramen geschaffen. Stars allein genuegen nur in seltenen Faellen.

Foto/Verleih: Paramount
Zu sehen in: CineStar Cubix am Alexanderplatz/ CinemaxX Potsdamer Platz / Odeon (OF) u.a.

Duestere Kantate: „Angst“ in der Komischen Oper ****

10. Januar 2009TheaterkritikenNo Comments

Der deutsche Komponist Christian Jost, Jahrgang 1963, ist in dieser Spielzeit „composer in residence“ an der Komischen Oper. Mehrere Konzertveranstaltungen mit Vorstellung unterschiedlicher Arbeiten von ihm gipfeln in der Urauffuehrung seiner neuen Oper „Hamlet“ am Ende der Saison. Im Januar 2006 wurde seine – vom Rundfunkchor Berlin in Auftrag gegebene – sogenannte Chor-Oper „Angst“ konzertant in den Sophiensaelen aufgefuehrt. Sie war so erfolgreich, dass nun die Komische Oper eine szenische Darbietung erarbeitete, wieder mit der Rundfunkchor unter seinem engagierten Leiter Simon Halsey.
In „Angst“ fuehrt Christian Jost unterschiedliche Facetten dieses Gefuehlzustandes vor. Die einstuendige Oper geht aus von einem Bergsteigerdrama, in dem ein Verletzter und sein Helfer vor die beklemmende Entscheidung gestellt werden, das sie verbindende Seil zu kappen, um so wenigsten einen von ihnen zu retten. Das Stueck ist in 5 Teile oder „Pforten“ gegliedert, die jeweils eine „Reise ins Innere der Angst“ schildern. Aber nur die erste und die letzte „Pforte“ beziehen sich direkt auf die Alpinistentragoedie, die Abschnitte dazwischen reflektieren eher seelische Zustaende oder Traumata – teils auf Verszeilen von Friedrich Hoelderlin.
Der grosse Chor, aus dem nur gelegentlich ein paar Frauen sich solistisch kurz hervortun, ist Traeger des musikalischen Geschehens. Er schildert die Ereignisse, er kommentiert und reflektiert die „Angst“. Vom Fluestern und Wispern steigert sich der Gesang klangfarbenreich und in vielfaeltiger Schichtung zu einem maechtigen Schlusschor – ein kraftvolles Crescendo ganz a-capella.
Die debuetierende Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic verzichtet auf alle Naturalistik. Die Buehne bleibt leer und dunkel, der schwarz gekleidete Chor nimmt unterschiedliche Positionen und Formationen ein, abstrakt, mal vor, mal hinter verschleiernden Gaze-Vorhaengen. Grelle Spott-Lichter huschen wie Blitze ueber die Szene, einmal flimmern ein paar Video-Bilder vom Krieg ueber eine Leinwand. Leider sind die jeweils gesungenen Texte kaum verstaendlich und auch die kaum zu lesende Uebertitelung hilft da nicht weiter. Dadurch laeuft die abstakte Inszenierung rasch ins Leere, wirkt beliebig.
Musikalisch – vor allem dank des exzellenten Rundfunkchores – entwickelt der Abend faszinierende Momente. Doch da die Partitur nur teilweise dramatische Passagen enthaelt und die Buehnenrealisierung eher blass bleibt, erscheint eine konzertante Wiedergabe (wie vor zwei Jahren) dem Werk angemessener zu sein: eine Kantate, die die Fantasie des Zuhoerers staerker anregt und so ins „Innere der Angst“ tiefer vorzudringen vermag.

Foto: Komische Oper
Naechste Auffuehrung; 18.Januar 2009

Belanglos: „Caravaggio“ – Ballett in der Staatsoper *

4. Januar 2009TheaterkritikenNo Comments

altDer roemische Barockmaler Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, war Genie und Revolutionaer in seiner Kunst. Als Mensch und Kuenstler ein Unangepasster, Gewalttaetiger, der (nicht nur) die damaligen Konventionen sprengte. Erfinder einer dramatisch-realistischen Hell-Dunkel-Malerei;  Menschen aus dem Proletariat dienten ihm als Modelle. Nichts davon ist zu spueren in dem neuen, zwei-stuendigen Tanzstueck, das der italienische Choreograph Mauro Bigonzetti unter dem Titel „Caravaggio“ fuer das Berliner Staatsballett erarbeitet und uraufgefuehrt hat. Auf eine durchgehende Handlung wird verzichtet, der riesige, goldene Bild-Rahmen auf der Buehne zeigt nur leere Schwaerze. Statt dessen schreiten die leicht bekleideten Taenzer in alt-meisterlichem Licht bedeutsam umher und ergehen sich in abstrakten, oft pieta-aehnlichen Posen: ebenso edel wie langweilig. Dazu eine romantisch-wabernde Musik nach Monteverdi-Motiven (Bruno Moretti), die den Kitsch-Charakter des Ganzen noch verstaerkt. Die Taenzer, darunter die exzellente Polina Semionova, geben ihr Bestes, aber dass sie nur Posen statt Ausdruck und Profil zeigen, geht aufs Konto der einfallslosen Choreographie. Ein grosses Thema – phantasielos verschenkt. Wer ist fuer solch oberflaechliche Produktion verantwortlich, nach welchen Gesichtspunkten werden beim Staatsballett Gast-Choreographen verpflichtet ? Vladimir Malakhov hat das berliner Ensemble taenzerisch auf hohes Niveau gebracht, aber wo geht’s inhaltlich und aesthetisch hin ? Offene Fragen.

Foto: E.Nawrath / Staatsballett

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3. Januar 2009AllgemeinNo Comments

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3. Januar 2009AllgemeinNo Comments

  
 

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