Rainer Allgaier

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Monat: Februar 2018

Theater-und Film-Notizen: Februar 2018

27. Februar 2018TheaterkritikenNo Comments

THE SHAPE OF WATER von Guilermo del Toro (Kanada/USA 2017)

Vielgerühmter und mit bedeutenden Preisen ausgezeichneter Fantasy-Film des Schauspielers, Autors und Regisseurs Guilielmo del Toro („Pans Labyrinth“), Eine stumme Putzfrau entdeckt in einem Wissenschaftszentrum der US-Regierung  ein menschenähnliches Amphiebien-Wesen, das am Amazonas entdeckt wurde und dessen Nutzen zu Raumfahrts-Experimenten im Geheimlobor  ausgetestet werden. Die stumme Frau hat erst Mitleid, dann „verliebt sie sich in den düster-schillernden „Wassermann“…

Als Mix aus Märchen-, Comic- und Gruselfilm  aufwendig und effektvoll  inszeniert. Meine Meinung: kunstgewerblicher Kitsch                                                                                                           

Deutscher Kino-Start: 15.3.2018

 

THE POST (Die Verlegerin) von Steven Spielberg (USA 2017)

Im Sommer 1971veröffentlichten zuerst die „New York Times“ und dann die „Wahington Post“ Auszüge aus den sogenannten „Pentagon Papers“, einem von den verrschiedenen Regierungen geheimgehaltenen Dossier über Vorbereitung und Durchführung des (noch nicht beendeten) Vietnam-Krieges. Der Film verknüpft dieses historische Ereignis wirkungsvoll mit der Geschichte der „Post“-Verlegerin Katharine Graham, die, nadem die „New York Times“ ein gerichtliches Veröffentlichungs-Verbot bekam, sich druchrang dennoch weiter Teile der Geheim-Papiere zu drucken und so der Pressefreiheit zu einem legendäeren Sieg verhalf. Spielberg macht zusammen mit den hochpräziesen Darstellern Merryl Streep (als Verlegerin) und Tom Hanks (als Chefredakteur) ein spannendes Historien- und Medien-Drama, das zugleich ganz aktuelle Diskussionen um Sinn und Freiheit der Presse unaufdringlich miteinbezieht.  Intelligentes und unterhaltsames Hollywood-Kino (oscar-nominiert).                                       

Deutscher Kino-Start: 22.2.2018

 

 DON QUIXOTE / Das Staatsballett in der Deutschen Oper

Gefällige Inszenierung im alten Stil, nach Petipa durch den spanischen Choreographen Victor Ullate, der das „Spanische“ an den Ballett von 1869 besonders betont. Bescheidenes Bühnenbild, da beschränkt wegen des Wasserschadens vom Heiligen Abend, aber elegante Kostüme (Roberta Guidi di Bagno). Polina Semionova als Kitri: klassisch perfekt, aber auch Elisa C.Cabrera (Mercedes), Elena Pris (Königin der Gitanos) und Marian Walter  (Basil) sind gute Partner. Insgesamt: ein bißchen brav.                   

Premiere: 22.2.2018

 

DON GIOVANNI / Mozart in Cottbus

Vom Intendanten Martin Schüler als pralles Volkstheater inszeniert, das Spiel mit dem Sex deutlich betonend. Vor einer gekippten Renaissance-Fassade spielend, mit Requisiten und  Kostümen aus unterschiedlichen Zeiten. Musikalisch etwas unausgeglichen (Dirigent Evan A. Christ), am profiliertesten und auch am souveränsten: Andreas Jäpel als Leporello, hübsch die zierliche Zerlina von Liudmilla Lokaichuk (als Kontrast zum baumlangen Ingo Witzke als Masetto). Unterhaltsam.                         

Premiere: 24.2.2018 .

Meine Berlinale 2018

18. Februar 201824. Juni 2018BerlinaleNo Comments

Berlinale 182

 

EVA von Benoit Jacquot (französisch)

Neuverfilmung eines Romans von James Hadley Chase. Ein junger Tunichtgut namens Bertrand stielt einem sterbenden Schriftsteller das Manuskript eines Theaterstückes, veröffentlicht es, wird damit berühmt und reich. Sein Verleger, mit dessen Sekretärin Bertrand sich verlobt, wartet auf ein ebenso erfolgreiches, zweites Werk, das Bertrand jedoch nicht liefern kann. In einem Luxushotel beobachtet er die Edelprostituierte Eva, glaubt mit ihr die Figur für sein neues Stück gefundenzu haben und beginnt ein Verhältnis mit ihr. Doch die undurchsichtige, kühl berechnende Eva lässt ihn auflaufen…   Konventionell und bieder erzähltes Kino ohne jedes Raffinement. Und auch Isabelle Huppert kann diesen Schmachtfetzen nicht retten – die Rolle einer eiskalten Rechnerin  hat sie schon sehr oft und dann weit überzeugender verkörpert. Langweilig!

 

TRANSIT von Christian Petzold (deutsch, französisch)

Verfilmung des bekannten Romans von Anna Seghers, der die beklemmende Situation von vor den Nazis flüchtenden Menschen im überfüllten Marseille der 1940er Jahre beschreibt. Sie schildert deren Schicksale  und erzählt, wie sie versuchen, Schiffs-Passagen nach Amerika zu ergattern oder die gefährliche Flucht über die Pyreneen wagen. Der junge Deutsche Gregor nimmt die Idendität des Schriftstellers Weidel an, der in Paris Selnstmord verübte, obwohl er bereits Zusicherung und Visum für die Flucht nach Mexiko besaß. In Marseille trifft Gregor auf Weidels vorausgereiste Frau Marie, die noch nichts vom Tod ihres Mannes weiß, und die mit dem deutschen Arzt Richard, der ebenfalls auf eine Schiffspassagenach Mexiko hofft, in einem kleinen, schäbigen Hotel lebt. Soll Gregor ihr die Wahrheit gestehen?  Ihr zur Flucht verhelfen ? Mit ihm? Regisseur Christian Petzold lässt die historische Geschichte im heutigen Marseille spielen, moderne Autos fahren durch die Straßen, die Kleidung der Personen modern, wenn auch schlicht. Ob die damit angedeutete, allgemeine, „zeitunabhängige“ Flüchtlings-Situation überzeugt, bleibt offen und jedem einzelnen Zuschauer überlassen. Die dichte und bedrohliche Atmosphäre der Romanvorlage  ereicht der Film dadurch nicht – vielmehr scheint die Geschichte vereinfacht und kompatibel gemacht für ein breites Fernseh-Publikum (Mitproduzent: Arte/ZDF). Doch die flüssige Inszenierung und die guten Darsteller, allen voran der „Nachwuchs“ Franz Rogowski und Paula Beer, überspielen sowohl den unscharfen, politischen Hintergrund wie auch die spürbar literarische Sprache des Drehbuches und sorgen so für Spannung und Aufmerksamkeit.

 

FIGLIA MIA von Laura Bispuri (italienisch)

Ein einfaches Fischerdorf auf Sardinien, umgeben von sandigen Hügeln. Die Menschen leben vom Fischfang und dessen Verkauf. Die 10jährige Vittoria, auffallend blass und rothaarig, wird von ihren Eltern, besonders von ihrer Mutter Tina liebevoll umsorgt.. Doch langsam und ganz allmählich entdeckt das sensible Mädchen, daß Angelica, eine im Dorf umtriebige Blondine ihre wahre Mutter ist. Tina hat die kleine Vittoria nach ihrer Geburt von Angelica wegen deren unsteter Lebensweise (Männer/Alkohol) übernommen und großgezogen. Doch Vittoria freundet sich mit Angelica immer enger an, enteckt mit ihr einen Alltag ohne Ordnung und Regeln: ein harmonisches Zusammensein mit Tieren wie Hund und Pferden, lange Saziergänge durch die wilde Landschaft, das Erforschen von Höhlen in steilen Meeresfelsen. Bald kommt es zum Zerwürfnis: die beiden so gegensätzlichen Mütter, die liebevolle Tina und ungestüme Agelica, beginnen sich um Vittoria zu streiten, und dabei wird die 10jährige, die beiden zugeneigt bist, immer neugieriger und selbstbewußter..

Die italienische Regisseurin Laura Bispuri schildert auf sehr eigenwillige wie filmische Weise diese innere Entwicklung einer noch sehr jungen Frau, deren Reifeprozess von gegensätzlichen Vorbildern bestimmt wird. Die karge Landschaft und das ärmliche Milieu des sardischen Dorfes bilden den hochsommerlichen Hintergrund für die sich in ständiger Bewegung befindeten Personen – hautnah eingefangen von einer Handkamera und mit einer ausgeklügelten Tonspur fein unterlegt. Hervorragend sind die Darstellerinnen der drei Hauptrollen: Valeria Golina als fürsorgliche Pflegemutter Tina, Alba Rohrwacher als unangepasste Außenseiterin Angelica sowie die junge Sara Casu als wache, aber nie altkluge Vittoria. Auch wenn das Ende des Film sich allzu versöhnlich zeigt – „Filia mia“ besticht durch seinen engagierter Blick auf die Beziehungen  zwischen Müttern und Kindern und deren vielschichtige Entwicklung..

 

3 TAGE IN QUIBERON von Emily Atef (deutsch, französisch)

Im März 1981 gab die damals 42jährige Romy Schneider dem deutschen Magazin „Stern“ ein langes Interview.in einem Luxushotel in Quiberon in der Bretagne, wo sie sich einer Diät- und Alkohol-Entzugs-Kur unterzög. Das Gespräch mit dem Reporter Michael Jürgs und dem – befreundeten – Fotografen Robert Lebeck, das sie danach auch unzensiert zur Veröffentlichung freigab, beinhaltete  Äußerungen über ihre berufliche, private und finanzielle Situation und ist bis heute die Grundlage des schillerndes Bildes der deutsch-östereichischen Schauspielerin in der Öffentlichkeit: Freimütig spricht sie über ihre Eltern und den Beginn ihrer Karriere, über ihren Weggang aus Deutschland, wo sie ausschlißlich mit der“Sissi“-Rolle identifiziert wurde, über ihre Abneigung gegen die deutsche Presse und immer wieder über ihre Liebe zu ihren beiden Kindern, denen sie glaubt eine ungenügende Mutter zu sein.

Der in schwarz-weiß gedrehte Film der iranisch-französischen Regisseurin Emily Atef ist als Kammerspiel angelegt. Die von Großaufnahmen gepägten Interview-Szenen im Hotel (wobei die Original-Fotos von Robert Lebeck als Vorbilder dienen)  wechseln mit einem abendlichen, feucht-fröhlichen Ausflug in eine Hafenkneipe, wo eine Hochzeits-Party stattfindet, oder  – nach Ende des Interviews – mit einem Photoshoot auf den Meeres-Klippen, bei dem die gelöste und übermütig hüpfende Romy sich den Fuß bricht. Das alles geht über das gepflegte Fernseh-Format nicht hinaus – wenn nicht Marie Bäumer die zwischen Lachen und Weinen hin- und hergerissene Romy Schneider so überzeugend verkörpern würde. Ihr intensives Spiel macht den Film sehenswert, auch wenn über das historische Vorbild sonst nicht viel Neues zu erfahren ist.

 

ANG PANAHON NG HALIMAW (In Zeiten des Teufels) von Lav Diaz (tagalog)

Ein Dschungel-Dorfl auf den Philippinen, Ende der 1970er Jahre. Vom Diktator Marcos gebilligte Milizen ziehen marodierend duchs Land. töten, wer sich ihren Ordnungs-Vorstellungen nicht beugt, wer noch an Traditionen und altem Glauben festhält. Sie zerstören das dörfliche Krankenhaus, vergewaltigen die Ärztin, foltern deren Mann, einen Dichter, mißhandeln eine alte „heidnische“ Frau, brennen ihre Hütte ab, töten einen älteren Mann, der ihre Schandtaten und Morde anprangert.

Der inzwischen hochgeschätzte, philippinische Regisseur Luv Diaz setzt sich in all seinen Werken mit der post-kokonialen Geschichte seines Landes auseinander, diemal mit der Zeit, als Marcos fest im Sattel saß und ungehindert seine Willkürherrschaft ausübte. Das Besondere an diesem Film: bei aller realistischen Drastik der schwarz-weißen Bilder im alten Leinwand-Format läßt er die Dialoge nicht sprechen, sondern singen – a capella und in einfachen Melodien. Die Kamera, die oft mit Licht und Gegenlicht expressive Wirkungen erzielt, hält die Szenen in wenigen, meist starren Einstellungen fest, Szenen, die oft sehr lange dauern und sich so zu einer Gesamtlänge des Werkes von vier Stunden  addieren. Es sind kritisch-bewegende Episoden von Liebe, Schmerz, Gewalt und (ein wenig) Hoffnung – in einer kühnen, strengen und überzeugenden Form. Das Gegenteil von Kino á la Hollywood!

 

MUSEO von Alonso Ruizpalacios (spanisch, englich)

Juan und Wilson, zwei Studenten aus wohlhabenden Familien, rauben geschickt und erfolgreich in der Weihnachts-Nacht mehrere Klein-Platiken der Maya-Zeit aus dem Archäologischen Museum im Mexiko-City. Auf einer Autofahrt zu den Ruinen von Palenque und anschließend nach Acapulco versuchen sie die wertvollen Kunstwerke – mit Hilfe eines befreundeten Fremdenführers – füe eine hohe Geld-Summe zu verkaufen. Doch unerfahren und naiv wie sie im internationalen und illegalen Kunsthandel sind, mißlingt der geplante Coup  gleich mehrmals…

Auch wenn es ein tatsächliches Vorbild für diesen Kunstraub gibt, erzählt der Film seine  Geschichte ziemlich unstimmig und unglaubwürdig. Zumal die Aktionen der beiden Studenten mit turbulenten Szenen in ihren personenreichen Familien kontrastiert werden, ohne daß dadurch die Story psychologisch klarer oder überzeugender wird. Weder komischen Szenen, exzentrische Kameraführung, bomastische Musik noch die wortlastige Mimik von Gael Garcia Bernal (Juan) –  all diese Tricks können die sich immer stärker ausbreitenden Langeweile in dem 126-minütigem Film  kaum verhindernden. Überflüssig!

 

 

Helden-Epos für Britannien: ‚Die dunkelste Stunde‘ von Joe Wright***

14. Februar 201824. Juni 2018FilmkritikenNo Comments

ChurchillLondon im Mai 1940. Winston Churchill wird – eher als Außenseiter oder Zwischenlösung – zum englichen Premierminister ernannt. Seine Vorgänger Chamberlain und Halifax erhoffen sich, durch Friedensverhandlungen mit Hitler eine  Niederlage Englands zu verhindern. Zur gleichen Zeit sind  Teile der britischen Armée in Calais und Dünnkirchen von den vorwärtsdrängenden deutschen Truppen eingekreist. Churchill gelingt es unter Aufgabe einiger Bataillone, den Großteil der Soldaten durch Schiffe und Boote nach England heimzuholen. Verhandlungen mit Hitler lehnt er – nach starken Selbstzweiflen – ab und schwört die Briten auf Widerstand ein, auch wenn dieser „Blut, Schweiß und Tränen“ kosten wird.

Diese politisch brisanten Tage verwandelt der von Joe Wright spannend inszenierte (und elegant ausgestattete) Film in ein gefühlsträchtiges Drama. Er konzentriert sich dabei auf die heftigen Auseinandersetzungen zwischen zwei diametralen Handlungsweisen: entweder diplomatisches Verhandeln mit den Nazis (Chamberlain) oder patriotischer Widerstand  ohne Kompromiß (Churchill).  Entsprechend den Gesetzen des Unterhaltungs-Films muß das politische Geschehen vereinfacht und zugespitzt werden – manchmal bis zur Oberfächlichkeit. Die Figur Churchills steht dabei im Mittelpunkt, alle anderen sind nur (gut gespielte) Stichwortgeber: Gary Oldmann – pächtig ausstaffiert von Kostüm- und Maskenbildner – verkörpert  diesen barocken Einzelgänger Churchill sehr wuchtig und überzeugend: ob als muffiger Ehemann, poltender Politiker (im Kabinett) oder überzeugender Redner. (im Parlament). Gary Oldman wurde deshalb für den diesjährigen Oscar nominiert.

Doch auch er kann nicht verhindern, daß der durchaus attraktiv inszenierte Film im Laufe seiner 125 Minuten immer mehr zum allzu pathosgeladenen Heldenepos und patriotischem Kino-Drama mutiert.

Ob sich hier aktuelle Auswirkungen des Brexit dokumentieren?

Poster/ Verleih: Universal Pictures Germany

zu sehen: Casablanca; CinemaxX Potsdamer Platz; Titania Palast; Cosima; Eva-Lichtspiele; Filmkunst 66; Filmtheater am Friedrichshain; Kino in der Kulturbrauerei; Colosseum; CineStar Sony Center (OV); Deiphi LUX (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU); Rollberg (OmU)

Elegante Nadel-Stiche: ‚Der seidene Faden‘ von Paul Thomas Anderson****

8. Februar 201824. Juni 2018FilmkritikenNo Comments

FadenLondon in den 1950er Jahren. Der Modeschöpfer Raynolds Woodcock ist Star dieser Luxus-Branche, er entwirft Kleider für Adlige, Mitglieder der königlichen Famile und Superreiche. Ein nicht mehr ganz junger, eingefleischter Junggeselle, überaus selbstbewußt und exzentrisch, der schon beim Frühstück auf seinem Zeichen-Block Roben entwirft und dabei absolute Ruhe von allen Anwesenden einfordert – schon das Kratzen eines Buttermessers auf dem Toastbrot bringt in außer Fassung. In einem Landgasthaus entdeckt er in der jungen Kellnerin Alma seine neue Muse, die er nicht ins Bett, sondern in sein Atelier schleppt, um an ihr und durch ihre Ausstrahlung neue Kreationen auszutüffteln.  Natürlich wird aus den beiden gegensätzliche Naturen bald ein Liebes-, und wenig später ein Ehe-Paar. All dies geschieht unter den strengen Augen von Raymonds Schwester Cyril, die die Geschäfte führt und mit ihm in dem pompösen Londoner Haus lebt, das im Paterre die Besucher – und Vorführräume, darüber die private Wohnung und – ganz oben unterm Dach – Atelier und Näh-Räume für die fleißigen Arbeits-Frauen umfaßt. Doch auch als Ehemann besteht der Modezar auf seiner Selbstbezogenheit und seinen speziellen Eigenwilligkeiten – so reagiert er beispielsweise auf ein von Alma als Überraschung arrangiertes Abendessen mit scharfer Ablehnung und brutal-verletzenden Anschuldigungen ihr gegenüber.  Die Verbindung von Künstler und Muse zeigt Risse. Doch Alma erweist sich auch in der ihr neuen Umgebung von Londons reichen „Upper Class“ als klug und lernfähig –  und nutzt ein „altes“ Mittel, um die Beziehung zwischen Raymonds und ihr in den Griff zu bekommen…

Der amerikanische Regisseur Thomas Paul Anderson („Magnolia“, „There Will Be Blood“) zeigt sich in seinem neuen Film wiederum als Meister einer ebenso sorfältigen wie eleganten Inszenierung. Er schrieb auch das klug gebaute Drehbuch, führte hochsensibel die Kamera, fand in Mark Tildesley einen hervorragenden Ausstatter, der die Mode-Welt der 50er Jahre in delikaten Farben wieder aufleben läßt. Dazu komponierte Jonny Greenwood eine passende Filmmusik – auch sie ganz im klassischen Stil jener Epoche. Optisch ist dieser „Seidene Faden“ (im Original“ Phantom Thread“) ein prachtvolles Filmgemälde. Doch die Beziehungs-Geschichte zwischen Raymonds und Alma, dem Künstler und seiner Muse, will nicht recht zünden, bleibt im Grunde konventionell und wenig überzeugend, so daß Regisseur Anderson zum Hilfsmittel der Stil-Mixtur greifen mußte. Die ersten beiden Drittel des Films lassen auf fast dokumentarische Weise das Geschäft mit der Mode der 50er Jahre aufleben, zeigen Macher und Verkäufer dieser Luxus-Ware, die Mannequinns und die Näherinnen – und mittendrin ihren eitel-symphatischen Schöpfer. Im letzten Drittel dann bildet das Ehe-Zerwürfnis den Mittelpunkt  und wechselt zum Genre einer schwarzen Komödie, die jedoch aufgepfropft und wenig überzeugend wirkt.

In diesem Schlußteil können auch die fabelhaften Schauspieler nicht allzu viel retten und fliehen in bewährte Mimik. Doch zuvor liefern sich der inzwischen 60jährige Daniel Day-Lewis als exzenrischer Mode-Gott und die Newcomerin Vicky Krieps als jugendfriche Alma ein fabelhaftes Schauspieler-Duell, verkörpern das höchst gegensätzliches Künstler- und Liebespaar mit pschologischer Rafinesse und darstellerischem Witz. Als Schwester Cyril überwacht Leslie Manville mit strenger Haltung, aber klarem Blick die beiden so unterschiedlichen Charaktere von Bruder und Schwägerin, hält dabei alle Fäden klug in der Hand.

Kein Meisterwerk, dennoch ein hoch-ästhetisches Film-Vergnügen.

Poster/Verleih: Universal Pictures Germany

zu sehen u.a.: Blauer Stern Pankow; Bundesplatz Kino (dt.und OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain (dt. und OmU); Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Movimento (dt. und OmU); Tonino; Union Filmtheater Köpenick; Cine Star Sony Center (OV); Delphi LUX (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU); Rollberg (OmU)

Kruder Psycho-Schocker:’Die Gezeichneten‘ in der Komischen Oper Berlin**

2. Februar 201824. Juni 2018TheaterkritikenNo Comments

Die Gezeichneten Komische Oper 2 300x200Im Frühjahr 1918 wurde diie Oper „Die Gerechten“ des östereichischen Komponisten Franz Schreker in Frankfurt/Main uraufgeführt und wegen ihrer musikalischen Pracht und dem delikaten Thema mit großem Erfolg vielfach nachgespielt  – bis zum Verbot durch die Nazis. Erst 1979 kam es zur Wiederentdeckung des vergessenen Werkes – wiederum in Frankfurt/Main. Schreker, der sein eigener Librettist war, erzählt darin die tragische Geschichte des häßlichen Adligen Salvago, der im 16.Jahrhundert vor der Stadt Genua auf einer Insel ein freizügiges Liebes-Paradies für die reiche Jugend der Stadt erschaffen hat. Fasziniert von seiner Häßlichkeit porträtiert ihn die kranke Malerin Carlotta, in die sich Salvago während der Sitzungen dann prompt verliebt. Doch Carlotta schenkt ihre Gunst seinem attraktiven Freund und Lebemann Tamare und so scheint eine Katastrophe vorgezeichnet…

Jetzt stellt die Komische Oper das inzwischen hundertjährige Musikdrama auch in Berlin zur Diskussion und zwar in einer Inszenierung des katalanischen Skandal-Regisseurs Callisto Bieto, der vor einigen Jahren mit einer umstrittenen „Entführung aus dem Serail“ von Mozart am Haus in der Behrenstraße debütierte.

Bieto hat die alte Geschichte im Heute angesiedelt und sie deshalb geändert und neu motiviert. Salvago in nicht mehr äußerlich häßlich, sondern innerlich: er ist pädophiel, die Liebesinsel mausert sich zum makabren Kinderspielplatz. Zugleich leidet Salvago am „Peter-Pan-Syndrom“, das heißt: er will nicht älter werden und immer kindlich bleiben. Deshalb klammert er sich häufig an Puppen oder Stoff-Teddys. Diese neue psychologische  Motivation der Hauptperson hat aber zur Folge, daß das Liebesdrama um Carlotta und den Macho-Freund Tamare zur Nebenhandlung schrumpft und unlogisch wirkt. Entsprechend muß Bieto auch den Schuß der Oper ändern – das schon im Original nicht sehr überzeugende Textbuch mißrät nun zum kruden und unglaubwürdigen Psycho-Schocker. Verstärkt wird dieser Eindruck durch eine geradezu karge Inszenierung. Bis zur Pause agieren dlle Personen in farblosen Alltags-Anzügen auf der Vorder-Bühne vor einer hellen Wand, auf die schwarz-weiße Videos von Kinder- oder Männer-Gesichter projeziert werden. Nach der Pause dreht sich die Wand weg und gibt den Blick auf das düstere Kinder-Elysium frei: eine rote Miniatur-Eisenbahn, bewegliche Leucht-Gitter-Stäbe und jede Meng herabhängender Teddys bieten zwar etwas mehr szenische Farbigkeit, aber kaum  mehr Durchblick auf die wirre Handlung.

Triumphieren können dagegen die Musiker des riesigen Orchesters der Komischen Oper, die unter der Leitung des erfahrenen Österreichers Stefan Soltesz die üppige Musik Schrekers auf faszinierende Weise zum Klingen bringen. Das schillert und leuchtet in vielfältigen Farben, rauscht in mächtigen Aufschwüngen oder glänzt in zarten Tönen. Die Stimmen der Sänger wedern dabei gleichsam wie ein vocales Instrument eingebettet, mal deklamatorisch, mal arios. Die Musik gleicht einem großen, fliesendem Strom, glühend und glitzernd, gleichsam wie eine vorweggenommene Film-Partitur aus Hollywood.

Der englische Tenor Peter Hoare verkörpert mit hellem, geschmeidigem Tenor den pädophiel-kindlichen Salvago, Michael Nagy mit markantem Spiel und kernigem Bariton seinen machohaften Gegenspieler Tamare. Als Malerin Carlotta vermag die Litauerin Ausrine Stundyte nur darstellerisch zu überzeugen, da ihr Sopran sehr vibratoreichen ist und duch zu scharfe Höhe oft stört.. Die vielen kleineren Nebenrollen  werden vom umfangreichen Ensemble der Komischen Oper solide gemeistert.

Schade, trotz der aparten Musik von Franz Schreker –  durch Bearbeitung und Inszenierung werden diese „Gezeichneten“ zum  problematischen,  fast drögen Abend!

Foto: Michael Nagy (Tamare) u. Peter Hoare (Salvago) / Komische Oper Berlin  / Iko Freese/drama-berlin.de

Premiere: 21.Januar 2018, weitere Vorstellungen: 22.Jan./ 1./10./18.Febr.2018

 

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