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Monat: Dezember 2015

Prätenziös: ‚Carol‘ von Todd Haynes***

30. Dezember 2015FilmkritikenNo Comments

Nach dem Roman „The Price of Salt“, den Patricia Highsmith noch vor ihrer berühmten Krimi-Serie unter Pseudonym veröffentlicht hat: die Geschichte einer lesbischen Liebe.
Carol Aire, Frau eines reichen Bankiers, sucht in einem New Yorker Kaufhaus nach einem passenden Weihnachtsgeschenk für ihre kleine Tochter. Dabei trifft sie auf die junge Spielwarenverkäuferin (und angehende Fotografin) Therese, ordert auf deren Vorschlag eine Spielzeugeisenbahn an ihre Adresse und läßt – wie zufällig – ihre Handschuhe liegen. Daraus entwickelt sich eine zunächst nur platonische Affäre zwischen den beiden Frauen, die sich gegenseitig besuchen, bis es zum Streit zwischen Carol und ihrem eifersüchtig-selbstgefälligem Ehemann kommt, und sie daraufhin mit Therese eine Auto-Reise unternimmt, immer in Richtung Westen. Dabei kommt es erstmals zu sexuellem Kontakt zwischen den beiden Frauen. Doch der Ehemann hat – Verdacht schöpfend – einen Detektiv auf die Spur Carols gesetzt, und erpresst mittels eine Tonbandes nicht nur die Scheidung und gesellschftliche Ächtung Carols sondern auch das alleiniges Erziehungsrecht für die kleine Tochter – die schmerzlichste Prüfung für Carol, die sich deshalb auch abrupt von Therese trennt. Doch es kommt zu einem juristischen Kompromiß, dem Carol zustimmt, da er regelmäßige Treffen mit der Tochter garantiert, und sie nun in einer eigenen Wohnung in der Madison-Avenue ein Leben in Unabhängigkeit verwirklichen kann. Ob Therese dabei eine Rolle spielt, bleibt – im Film – offen…
Regisseur Todd Haynes („Far from Heaven“; „I’m not There“) hat nicht nur die Story ins New York der frühen 50er Jahre verlegt, sondern  auch den gesamten Film ganz in der Art jener Zeit gedreht: im Stil der Holywood-Melodramen à la  Douglas Sirk. Dieses Genre bestach durch die subtile Art, in der die untergründigen Widersprüche und  Risse einer anscheindend  wohlsituierten, bürgerlichen Gesellschaft bloßgelegt wurden.
Doch Haynes hat seine ganze künstlerische Phantasie auf die äußeren Erscheinungen jener Zeit gelegt. Scheinbar perfekt werden Räume und Kostüme der 50ger Jahre kopiert, mit raffinierten Tricks Häuser, Straßen, Autobahnen und Landschaften fotografisch reanimiert und erstaunlich echt bewegen und artikuliert sich das gut gecastete Schauspieler-Ensemble in diesem historischen Ambiente.
Cate Blanchett ist – ähnlich ihrer oscarprämierten „Blue Jasmin“ – die verwöhnte, kühl-blonde Bankiersgattin Carol, die einen sozialen und moralischen Absturz verkraften muß – diesmal selbstverschuldet durch ihre (zunächst mühsam unterdrückte) erotische Leidenschaft.  Rooney Mara als Therese ist schon äußerlich ihr Gegenteil: schmal, brünett, mädchenhaft zurückhaltend. Erst langsam entdeckt sie ihre sexuellen und beruflichen Ambitionen,
reift im Laufe der Affäre zum selbtbewußten Charakter. Dabei bleibt immer in der Schwebe, wer von beiden Frauen treibende Kraft oder unterliegendes Opfer ist.
Doch dieser Konflikt wirkt oberflächlich und berührt in dieser Form heute kaum, genau so wie die starre Gesellschaftsmoral der 50ger Jahre nur noch fern und blaß bleibt. Es gelingt der Inszenierung nicht, Aktuelles im Historischen sichtbar zu machen. Der psychologische Kern einer Außenseiter-Beziehung verschwindet hinter der aufwendig-üppigen Ausstattung. Statt eines kritisch-verstörenden Blicks auf menschliche Leidenschaften und hinter fragwürdige, gesellschaftliche Konventionen, präsentiert „Carol“ über weite Strecken lediglich ein opulent-effektvolles Moden- und  Geschmacks-Panorama im farbig-schicken Retro-Look. Mainstream-Kino im Kampf um den Oscar 2016.

Poster/Verleih: DCM Filmdistribution

zu sehen u.a.: Babylon Kreuzberg (OmU); Capitol Dahlem; Cinema Paris; CinemaxX Potsdamer Platz; CineStar Potsdamer Platz (OV); Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU); Kino in der Kulturbrauerei; Odeon (OmU); Yorck-Kino

Fahler Todesengel: ‚La Traviata‘ in der Staatsoper im Schillertheater****

28. Dezember 2015TheaterkritikenNo Comments

„Amore e morte“ sollte ursprünglich die Oper von Giuseppe Verdi heißen, die heute als „La Traviata“ zu seinen populärsten Werken gehört. Regisseur Dieter Dorn – in den 70er Jahren am Schillertheater tätig, danach Jahrzehnte hochgeschätzter (Sprech-)Theater-König in München und vor wenigen Wochen 80 Jahre alt geworden – betont in seiner Neuinszenierung für die Berliner Staatsoper fast ausschließlich den Aspekt des Todes. Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen – im Libretto durchaus angedeutet – spielt keine Rolle.
Violetta Valery, die „vom Weg Abgekommene“, erlebt in den letzten Augenblicken vor ihrem Tod nocheinmal in blitzartigen Erinnerungsfetzen, die Geschichte ihrer Liebe zu Alfred Germont und deren tragisches Scheitern. Die fast leere Bühne ist von schwarzen Samtvorhängen umschlossen, in der Mitte ein riesiger Spiegel, der gelegentlich auch durchsichtig werden kann, ein kleiner Tisch mit Kerze, ein paar Stühle. Einsam lauscht Violetta – barfuß, dunkler Unterrock – den zunächst silbrig-jenseitigen Klängen des Vorspiels, mustert sich im Spiegel, in dem dann plötzlich ein übergroßer Totenschädel aufscheint und sich dann auflöst: gebildet aus acht Artisten in weißen Ganzkörpertrikos, die auch später immer mal wieder stumm auftauchen wie mahnende Gespenster – eine der verzichtbaren Ideen des Regisseurs, der ansonsten sich ganz auf eine psychologisch präzise Führung der Hauptpersonen konzentriert. Wie in einem fiebrigen Traum ziehen die Szenen ohne Pause vorüber: die fast leere Bühne ermöglicht blitzschnelle Auf- und Abtritte, auch des großen in stark farbige, fast zeitlose Abendroben gekleideten Chores (perfekt einstudiert von Martin Wright). Violetta, die für die Gesellschafts-Szenen in ein silber-funkelndes Kleid schlüpft, das sie dann beispielsweise während ihrer großen, besinnlichen Arie am Endes des ersten Aktes langsam wieder abstreift, steht immer im Mittelpunkt, meist – wie auch die übrigen Personen – gedoppelt durch den Riesenspiegel. Am Ende stirbt sie nicht wie gewohnt, indem sie auf den Boden oder ins Bett fällt, sondern sie verschwindet – in eine Welt hinter dem Spiegel und alle Umstehenden bleiben ratlos oder verblüfft zurück.
Dieter Dorns Interpretation, die auf jeden ausgepinselten Bühnenrealismus verzichtet, versucht aus Musik und Text intellektuell erfahrene Einsichten in leicht abstrahierte Haltungen, Bewegungen und Bild-Arrangements zu übersetzen. Sie ist in ihrer Stringenz bewundernswert, auch wenn sie teilweise rätselhaft oder unterkühlt wirkt. Ihre Durschlagskraft hängt dadurch stark von den Sängern und ihrer Darstellungskunst ab.
Hier hat die Staatsoper ein Dispositionsproblem: für die Rolle der Violetta wird eine mit riesigen Vorschußlorbeeren (hauptsächlich von ihrer Plattenfirna) bedachte junge Sängerin, Sonya Yoncheva, engagiert, das Publikum ist neugierig, die Vorstellungen sind ausverkauft, und dann tritt der neue Star nur  an drei der fünf angesetzten Abenden auf – mit der Entäuschung vieler Zuhörer muß daraufhin die Zweitbesetzung, Nadine Koutcher, unverdientermaßen zurechtkommen. Hier ist ein geschickteres Management gefordert.
Ich habe eine der Vorstellungen mit Nadine Koutcher erlebt: eine technisch perfekt fokussierte und geführte Stimme, die jedoch erst im Laufe des Abends an Ausdruck gewinnt – ebenso wie ihre Darstellung dieser vereinsamten Frau im Angesicht des Todes erst in den letzten Szenen unmittelbar berührt. Als Alfred sprang an diesem Abend (krankheitshalber) der Amerikaner Eric Cutler ein:  nach anfänglich tenoralem Näseln steigert er sich zu dramatisch-kraftvollem Ausdruck. Simone Piazolla als Vater Germont besticht durch einen runden, vollen Kavaliersbariton, als Darsteller bleibt er in seinem schlichten Anzug (wohl von der Regie gewollt) betont blaß. Musikalischer Triumph des Abend sind – unerwartet bei dieser Oper – die Musiker der Staatskapelle und ihr Chef Daniel Barenboim. Sie bereiten den Sängern den idealen Boden, tragen sie bildlich auf ihren Händen. Selten werden Orchestervorspiele zu Arien oder Ensembles so differenziert und delikat musiziert, selten werden die unterschiedlichten Rhythmen so federnd und trocken gezündet, selten klingt Verdi so farbig, mitreißend und anrührend zugleich An diesem Abend gehört Daniel Barenboim und seinen Musikern die glänzende Krone. Allen düsteren Todesbeschwörungen auf der Bühne zum Trotz.

Foto: Deutsche Staatsoper/Bernd Uhlig

Premiere war am 19.Dez.2015, vorerst letzte Vorstellung ist der 31.Dez.2015 (ausverkauft)

Senioren-Treffen im Luxus-Hotel: ‚Ewige Jugend‘ von Paolo Sorrentino****

27. Dezember 2015FilmkritikenNo Comments

In einem teuren Wellness-Hotel am Fuß der Schweizer Alpen treffen sich – wie jedes Jahr -  zwei alte Freunde, beide im 80sten Lebensjahrzehnt: der Komponist und Dirigent Fred Ballinger (Michael Caine) und der Film-Autor und Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel). Während Fred, der von seiner Tochter und Managerin Lena (Rachel Weiz) begleitet wird, etwas selbstgefällig seinen Ruhestand pflegt und sogar das Angebot, nocheinmal vor der britischen Queen ein eigenes Werk zu dirigiren, ablehnt, bastellt Mick mit einer Gruppe junger Leute geschäftig an seinem angeblich letzten großen Film, der so etwas wie sein Vermächtnis werden soll.
Umgeben sind beide Freunde von einer Meute stink-reicher Leute, die versuchen ihre erschlafften Körper frisch aufzupäppeln: wie beispielsweise der fettgewordenen Fußballstar Maradonna mit Karl-Marx-Tätowierung auf dem Rücken, oder einem jung-verschrobenen US-Schauspieler (Paul Dano), der sich auf seine anstehende Filmrolle als Adolf Hitler (in einem deutschen Film) durch vorgebliche genaue Beobachtung der exzentrischen Hotel-Gäste vorbereitet.
Das ist mal lustig, mal skuril anzusehen – Senioren-Problemchen im besten Boulevardstil: von der Prostata, über Alt-Männer- Sex-Weisheiten bis zu knappen Rückblicken auf Versäumnisse und Fehler im eigenen Berufs- und Liebesleben. Auch die Rolle von Kunst und Künstlern, ihrer schöpferischen Kraft und Energie wie ihrer grausamen und törichten Eitelkeiten werden angesprochen. Durch kleinere Nebenhandlungen erweitert sich das unterhalsame Senioren-Geplänkel: Freds Tochter Lena wird von ihrem Ehemann, der zugleich Micks Sohn ist, plötzlich wegen eines Pop-Sternchens verlassen, was wiederum Anlaß zu Vorwürfen Lenas an ihren Vater bietet, daß er sich wegen Karriere und anderweitiger Liebschaften nie um sie und ihre Mutter gekümmert habe. Und am Ende muß Mick erfahren, daß aus seinem Film nichts wird, da die vorgesehene , zugkräftige Hauptdarstellerin eines besseren Angebots wegen absagt: ein furioser Kurzauftritt von Jane Fonda als resolut-egozentrischem Alt-Star.
Kurz: ein nicht allzu tief schürfender Reigen mal fröhlicher, mal melancholischer Alltags- und Alters-Weisheiten: alles schon bestens bekannt durch Film, Fernsehn und Literatur.
Was aber den Reiz und die Qualität des Film ausmacht, ist seine raffinierte und elegante Inszenierung, die nicht nur das vorzügliche Darsteller-Ensemble in ein höchst lebendig-warmes Licht rückt. Die Kamera von Luca Bigazzi komponiert erlesene Bilder, gleitet fließend durch die noblen Salons und Massage-Galerien des Hotels, schwelgt in den schweizer Berg- und Wiesenlandschaften, tastet ebenso geschmeidig wie präzise die Gesichter und Körper der alten wie jungen Protagonoisten ab. Naturtöne, Geräusche, klassische und populare Musik werden zur dezent-stützenden Klangkulisse verwoben. Reales Geschehen wird mit turbulent-verstörende Traum-oder Fantasie-Sequenzen raffiniert verschnitten und vermitteln dem Film so einen eigenwillig-überzeugenden Rhythmus.
Paolo Sorrentino küpft mit diesem optisch dominierten Stil, der deutlich Fellini zum Vorbild hat, erfolgreich an seinen letztes Werk „La Grande Belleza“ an, auch wenn sein Drehbuch nicht dessen Stringenz besitzt und sich durch die vielen Neben-Details allzusehr in die Länge zieht.
Dennoch: gefälliger Alters-Boulevard in filmischer Hochglanz-Präsentation.

Poster/Verleih:Wild Bunch Germany

zu sehen u.a. Acid-Kino; Bundesplatz-Kino; Capitol; Cosima; Delphi; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Kulturhaus Spandau; Kino in der Kulturbrauerei; Passage Neukölln; Sputnik;  im OmU: Hackesche Höfe; Neues Off,Tilsiter

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