Rainer Allgaier

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Monat: September 2008

Sterbe-Possen: „Requiem“ in der Komischen Oper Berlin *

29. September 2008TheaterkritikenNo Comments

requiem.jpgEin Kessel Buntes zum Thema Sterben: ein Trauer-Redner verhaspelt sich in Phrasen und Worthuelsen, eine Begraebnis-Instituts-Dame rattert ihre Fragen runter, ein Versandhaus liefert Papp-Saerge zum Selberbasteln (und natuerlich legt sich einer zur Probe hinein und wird prompt vergessen), Porzellan-Geschirr wird vererbt und zerschmissen und zwischendurch erzaehlen einige Todkranke in einem Hellersdorfer Hospiz aus ihren meist komisch-spiessigen Lebenslaeufen. Ausserdem erscheinen der Tod in Gestalt von ‚Superman‘ sowie einige Frankenstein-aehnliche, blutige Monsterfiguren.  Aus einem U-Bahnhof – taucht unerwartet eine Horde Neandertaler in Fellschurz und mit Pruegelknochen auf.  Diese schrille Szenenfolge (Autoren:Armin Petras, Jan Kauenhowen) wird immer wieder mit den einzelnen Abschnitten von Mozarts unvollendetem Requiem verzahnt und kontrastiert, wobei der Chor und die vier Solisten (Brigitte Geller, Elisabeth Starzinger, Peter Lohdal, Dimitry Ivashchenko) heftigst mitagieren -mal in den ersten Publikumsreihen, mal auf der Buehne und meist in kurzen Krankenhaus-Hemdchen und Zottelhaarperuecken. Ob diese ganze wilde Burleske Sinn macht, bleibt das Geheimnis von Regisseur Sebastian Baumgarten, der damit die Arbeitsweise und -aesthetik der Volksbuehne am Luxemburg-Platz in die Komische Oper ueberfuehrt. Praktischerweise hat er dazu die passenden Schauspieler mitgebracht, die ihre (oft maessig-)komischen Banal-Pirouetten bewaehrt und routiniert im Operntempel in der Behrenstrasse drehen (Kathrin Angerer, Irm Hermann, Hendrik Arnst, Herbert Fritsch). Dabei scheut das Inszenierungs-Team weder Einfaelle noch Ausstattungs-Aufwand: staendig kreiselt die Drebuehne , die Video-Schirme flimmern, zeigen Bilder aus Berlin oder vom Berg Sinai, sogar ein kleiner grotesker Film ueber die Witwe von Ephesus wird eingespielt. Klamotten und Haartrachten  gereichen jedem Kostuemfundus zur Ehre – und zu all dem albern-aufgekratzten Comedy-Klamauk droehnt auch noch Mozarts wuchtige Musik unter Markus Poschners mehr energischer als differenzierter Leitung.
Scherz, Satire aber ohne tiefere Bedeutung – das junge Publikum im Saal war begeistert, die Aelteren verliesen eher kopfschuettelnd nach zwei pausenlosen Stunden das Haus. Fortsetzung folgt?  Im November wird in der Komischen Oper Verdis sterbenskranke „Traviata“ neuinszeniert. Der dafuer ausgewaehlte Regisseur sass im ersten Rang.

Foto: Monika Rittershaus / Komische Oper

Lemuren-Party: „Eugen Onegin“ in der Staatsoper *

28. September 2008TheaterkritikenNo Comments

ec_67172_4373302cf6a01c01e620e0a56e2c49cc.jpgOffene, kahle Buehne, eine steile, nach hinten ansteigende Schraege. Grau-weiss in den ersten beiden Akten, die auf dem Land spielen, schwarz-glaenzend im dritten, dem Petersburger Akt. Alle Personen treten gleichzeitig auf, in schmutzig-weissen Kostuemen, Augen und Lippen mit dickem, schwarzen Stift umrandet: halb lebende Leichen, halb Schiessbuden-Figuren. Sie trippel von hinten nach vorn und zurueck, legen die Hand ans Herz oder strecken die Arme gen Himmel. Gelegentlich wird die Buehne schlagartig in rotes oder violettes Licht getaucht, etwa wenn der Schuss beim Duell faellt, ansonsten changiert die Beleuchtung zwischen hellen Grau- und blassen Gelbtoenen. Eine bizarre Marionetten-Welt, abstrakt und – trotz der staendigen Bewegungs-Arrangements einiger stummer Pantomimen (Freyer-Ensemble) – ohne erkennbare Entwicklung. Eine strenge, durchchoreographierte Performance in schwarz und weiss, aber keine Geschichte, kein Liebes- und Seelendrama wie es Tschaikowsky in seiner wohl populaersten Oper so fein psychologisch auspinselt.
Dieser optisch-abstrakten, bildermaechtigen Regie-Methode des Malers und Inszenators Achim Freyer verdankt Berlin manch grosse und phantasiereiche Theater-Abende (Haendels „Messias“, Verdis „Requiem“). Diesmal aber geht die Rechnung nicht auf, es gelingt keine fruchtbare Reibung zwischen Musik, Text und Inzenierung. Tschaikowskys anruehrende Menschengestaltung kann sich unter den Masken der Figuren kaum entfalten oder gar einen Charakter entwickeln, alles bleibt starr, unverbindlich und dadurch ziemlich langweilig. Auch die Musik vermag dies nicht zu retten. Trotz der engagierten Leitung von Daniel Barenboim zerfallen diese „Lyrischen Szenen“ in einzelne Nummern, mal zart und delikat, mal hart und laut droehnend – es fehlt der grosse,spannende, alles zusammenschliessende musikalische Bogen. Entsprechend schwer tun sich die Saenger mit ihren darstellerisch schematisierten Rollen, koennen sich dadurch auch musikalisch nur selten voll entfalten: Roman Trekel als schlanker Onegin, Anna Samuil als enttaeuschte Tatjana, Rene Pape in dem winzigen Auftritt des Fuersten Gremin. Lediglich Rolando Villazon, nach seiner Stimm-Krise wieder hervorragend in Form, zeigt als Lenski einige Buehnenpraesenz: ein anruehrender, melancholisch- trauriger Clown.
Dieser „Onegin“ ist ein sehr ehrgeiziger und engagierter Versuch, die ausgetretenen Inszenierungs-Pfade zu verlassen und neue Weg zu finden. Doch der Versuch ist gescheitert, allerdings auf hohem Niveau – und in Ehren, was man ueber viele andere Opern-Auffuehrungen der letzten Zeit in Berlin nicht sagen kann.

Foto: Monika Rittershaus

Laut und konfus: „Turandot“ in der Deutschen Oper Berlin *

17. September 2008TheaterkritikenNo Comments

turandot_a.jpgStatt bombastischer Chinoiserien -  ein muffiger Saal mit Waenden aus hellen Sperrholzplatten.Schwarze Plastikstuehle fuer den Chor, der in biederer Freizeitkleidung das Publikum spielt, das einer schlichten Raetsel-Show auf der Vorderbuehne zuschaut. Hinten hoch in der Wand ist ein schmales Fenster, hinter dem – vom Volk getrennt und geschuetzt – der Kaiser und sein Stab (dunkler Anzug mit Orden) ebenfalls das toedliche Ratespiel verfolgen. Auftritt Turandot, blond im schwarzen Cocktail-Kostuem; sie setzt sich an einen kleinen Tisch und stellt dem im Smoking erscheinenden Kalaf die Fragen. Nachdem er sie geloest und seinerseits nun Turandot das Raetsel nach seinem Namen aufgibt, faellt krachend und hochsymbolisch die Hinterwand um und gibt den Blick auf die leere Buehne und auf die jetzt schlafende Turandot frei. Nachdem diese erwacht, und den Morgenmantel angezogen hat, laesst sie noch rasch die kleine Liu foltern, bevor diese sich erdolcht und als frische Leiche aufgehaengt wird. Doch die Liebe loest alle Raetsel, Kalaf und Turandot- im weissen Brautkleid – feiern Hochzeit und Kaiser-Kroenung, nachdem sie noch rasch den jeweiligen Vater ermordet haben. Und das Volk jubelt.
Diese krause Mischung aus Melodram und Gewalt-Krimi, Sozialkitsch und Parodie hat sich Regisseur Lorenzo Fioroni („Simon Boccanegra“) erdacht: viele Einfaelle, aber wenig durchdacht und schon gar nicht auf einen Nenner gebracht. Dazu eine betont haessliche Ausstattung : konfuser und auch buehnentechnisch mangelhafter hat sich Puccinis letzte Oper selten praesentiert. Gluecklicherweise kann die musikalische Seite einiges ausgleichen. Der erfahrene Dirigent Pinchas Steinberg bringt Chor und Orchester „maechtig auf Vordermann“, sorgt fuer Schwung und Raffinement – auch wenn oft zu laut musiziert wird. Turandot (Lise Lindstrom) und Kalaf (Marco Berti) wetteifern im musikalischen Toene-Stemmen, waehrend zarte Passagen nur der wie ein Schmuddel-Kind kostuemierten Liu (Inna Los) zugestanden werden. Auch das uebrige Ensemble, einschliesslich der als schrille Doppelgaenger der Hauptpersonen eingesetzten drei Minister, schlaegt sich wacker und erzielt so zumindest musikalisch wirkungsvolle Effekte. Ob dieser Effekt allerdings dem Haus in der Bismarckstrasse „Zukunft Gosse Oper“ (so das hauseigene Marketing) beschert, bleibt nach dieser Auffuehrung aeusserst fraglich.

Foto: Bettina Stoess/stage picture / Deutsche Oper Berlin

Ungeschminkt und brutal: „Gomorrah – eine Reise in das Reich der Camorra“ von Matteo Garrone****

14. September 2008FilmkritikenNo Comments

gomorrha_scene_10_bb.jpgSelten wurde in einem Spielfilm die Umgebung von Neapel so schaebig und trostlos gezeigt. Riesige, heruntergekommene Beton-Wohnsilos, oede, flache Landschaften mit nackten Steinbruechen oder sumpfigen Fluessen. Hier herrschen Chaos und Gewalt: das Reich der Verbrecher-Clans der Camorra. Fuenf Geschichten verwebt Regisseur Matteo Garrone (nach dem aktuellen Bestseller von Roberto Saviano) zu einem proletarischen Gesellschafts-Panorama, einem Teufelskreis aus Brutalitaet und Unterdrueckung, dem kaum einer entkommen kann. Ein Junge, dessen Ziel es ist, innerhalb eines Clans aufzusteigen; zwei etwas dumme Maenner, die glauben ausserhalb dieser Clans ihre verbrecherischen Spiele betreiben zu koennen; ein Unternehmer, der fuer viel Schmiergeld giftigen Muell illegal vergraben laesst; ein Schneidermeister, der heimlich die chinesische Billigkonkurrenz bedient; ein aelterer Mann, der Geld an Angehoerige ehemaliger Camorra-Mitglieder verteilt. Sie alle verstricken sich im gnadenlosen Freund-Feind-Spiel, bei dem es nur die Moeglichkeit gibt, mitzumachen oder umgelegt zu werden. Der Film zeigt so die innere Struktur und das Milieu, in dem die Verbrechen der Camorra entstehen koennen, und die den Opfern keinen Ausweg aus ihrem Leben lassen. Kuehl und distanziert beschreibt der Regisseur die kriminellen Vorgaenge, aller Glamour, den etwa Gangster-Filme aus Hollywood ausstrahlen, fehlt (bis auf einige etwas theaterhaft inszenierte Szenen). Auch die Bosse entpuppen sich nur als feiste alte Maenner, spiessige Brutalos in haesslichen Badeshorts, verbrecherische Kleinbuerger.
Die Zusammenhaenge mit Politik und Justiz, Korruption und Verquickung mit ausser-neapolitanischen Organisationen spielen in diesem Film keine Rolle, nur indirekt wird Kritik geuebt: dadurch dass solche verkommenen Zustaende wie in Neapel offensichtlich moeglich sind und geduldet werden. Insofern enthuellt der klug-gestaltete Film zwar nichts Neues ueber die Camorra, aber er weist mit zornigem Finger auf eine Wunde der italienischen Gesellschaft: das Bild der heruntergekommenen Slums von Neapel wird im Gedaechtnis haften bleiben.

Foto/Verleih: Prokino

Klang-Gespinste: „Fama“ im Magazin der Staatsoper ***

5. September 2008TheaterkritikenNo Comments

fama.jpgDer schweitzer Komponist Beat Furrer (geboren 1954) ist ein Meister des feinen Klanges. Vom kaum wahrnehmbaren Hauch ueber vielfaeltige Geraeusche bis zum vollen Ton eines Instruments oder der menschlichen Stimme, von der Stille bis zum massiven Laerm reicht die ausergewoehnliche Palette seiner Klang-Erfindungen. Entsprechend bezeichnet er sein musiktheatralisches Stueck „Fama“ als Hoertheater. Vom Entsehen und Vergehen des Tons oder des Geruechts (Fama), das der antike Dichter Ovid sich als raunend- klingenden Raum zwischen Land,Meer und Himmel vorstellte. Furrer hat sich selbst ein Libretto aus vorhandenen Texten zusammengestellt, ueberwiegend aus Arthur Schnitzlers innerem Monolog „Fraeulein Else“, die aus Angst vor sie blosstellenden Geruechten in Wahnvorstellungen fluechtet. Die Urauffuehrung fand 2005 in einem speziell dafuer eingerichteten Raum bei den Tagen fuer neue Musik in Donaueschingen statt, Christoph Marthaler hat dabei geholfen. Im Magazin der Staatsoper wird „Fama“ eher als konzertantes Gastpiel gezeigt; mit den Kuenstlern der Uraufuehrung, besonders dem fabelhaften Instrumentalensemble des Klanforums Wien unter des Komponisten eigener Leitung. Zu Beginn der knapp anderthalbstuendigen Auffuehrung sitzen die Musiker auf einem kleinen Konzertpodium, verschwinden aber im Lauf des Abends und verteilen sich auf den umlaufenden Galerien des Magazins oder im nicht einsehbaren Raum hinter der Zuschauertribuene, so das ein fast magisch toenender Gesamt-Raum-Klang entsteht. Die Schauspielerin Isabelle Menke wandert ebenfalls durch den Raum, ihren Else-Text mal melodramatisch singend, mal fluesternd, mal hauchend, leider aber durchweg unverstaendlich. Bassklarinetten, eine riesenhaft anzuschauende Kontrabassfloete und die Stimmen einen kleinen Chores (Vocalensemble NOVA) werden solistisch und aeusserst effektvoll eingesetzt: ein raffiniert-magisches Klang-Konzept, das vom gespannt zuhoerenden Publikum viel Beifall erhaelt. Dennoch: theatralisch bleibt der Abend mager, auch die gelegentlich eingesetzten bunten Scheinwerfer machen aus den delikaten Klangspielen noch kein dramatisch-ueberzeugendes Musik-Stueck.

Foto: Entwurf fuer die UA Donaueschingen c.limit architects vienna

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