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Monat: März 2016

Schrilles Grusical: ‚Der Vampyr‘ in der Komischen Oper Berlin***

21. März 2016TheaterkritikenNo Comments

Wer kennt noch den Komponisten Heinrich Marschner? 1795 in Zittau geboren und 1861 als Hofkapellmeister in Hannover gestorben, erzielte er mit seinen romsntischen Opern beachtlichen Erfolg bei seinen Zeitgenossen, heute dagegen ist sein Werk weitgehend vergessen. Gelegentlich taucht sein Drei-Akter „Hans Heiling“ (Berlin,1833) auf einer deutschen Bühne auf, jetzt versucht die Komische Oper seinem „Vamyr“ (Leipzig, 1828) frisches Theaterblut einzuflössen.
Doch wie läßt sich ein heutiges Publikum für die Schauerromantik des frühen 19.Jahrhunderts – zwischen Webers „Freischütz“ und Wagners „Fliegendem Holländer“ – begeistern?
Ganz einfach: aus der ürsprünglich fast dreistündigen, biedermeierlichen Grusel-Oper wird ein modisch-flottes Splatter-Musical von gerade mal 90 (pausenlosen) Minuten:  temporeich, kunterbunt, schräg und mit dick aufgetragener Ironie.
Der junge Regie-Star Antú Romero Nunes, in Berlin erfolgreich am Maxim-Gorki-Theater (u.a.“Rocco und seine Brüder“, „Die Räuber“), läßt die Puppen heftig tanzen: schon während der ersten Arie zerrt der titelgebende Vampyr-Lord, im weiß-gebleichten Ganzkörper-Trikot, eine Zuschauerin aus der ersten Parkettreihe auf die um den Orchestergraben laufende Vorderbühne und schlachtet sie blutig aus. Im Hintergrund kommentiert der Chor als eine graue Masse Untoter das gruselige Geschehen, hin- und her-schwankend vor rießien Fledermaus-Flügeln und einem riesigen, gläsernen Kelch voll rot-perlenden Saftes. Dann senken sich Kulissen aus dem Bühnenhimmel und verlängern auf schiefe Weise das Bühnen-Portal ins Unendliche, und gleich putzigen Marionetten trudeln der aldlige Vater Sir Humphrey und sein Töchterchen Malwina im geblümten Reifrock herein: bereit zur Hochzeit mit dem Vampyr. Und eine Abendgesellschaft in elegant-roten Seiden- Roben tanzt zierlich die Polonaise. Natürlich hat auch ein eifersüchtiger Liebhaber in groß-kariertem Anzug und Zylinder noch mitzureden, beziehungsweise zu singen, eine weitere Dame aus den hinteren Parkettreihen mischt sich auch noch ein – und natürlich treibt alles – dank Beil und Messer -  auf ein blutig-spritziges Ende zu:  auch ein Vampyr darf heute nicht ewig leben.
Musikalisch dominiert die Musik Marschners, eine gefällige Mischung aus Volkslied und italienisch inspiriertem Belcanto – ein bißchen behäbig, aber vom Orcheter unter Leitung des Holländers Antony Hermus zügig zu ansprechendem Klingen gebracht (auch wenn der nette Dirigent einmal von bösen Vampyr heftigst drangsaliert wird). Johannes Hofmann hat gelegentlich der Musik Marschners noch ein paar neue, elektronisch-anschwellende Töne hinzugefügt, um so dem grellen Kasperle-Theater den komisch-überdrehten Gruseleffekt zu verpassen. Sängerisch (Heiko Trinsinger, Jens Larsen, Nicole Chevalier u.a.) bietet der Abend eher durchschnittliche Qualität, dafür darf aber darstellerisch so kräftig aufgetrumpht werden, daß die glatt polierten Bühnenbretter sich sichtbar biegen.
Das Publikum hat sich sehr amüsiert.

Foto: Komische Oper Berlin/Iko Freese drama-berlin.de

nächste Vorstellungen: 26.März// 3./17./23.April//5.Juli 2016

Kindesmißbrauch – eine Zeitung deckt auf: ‚Spotlight‘ von Tom McCarthy****

16. März 2016FilmkritikenNo Comments

Der mit dem diesjährigen Oscar ausgezeichnete Film erzählt die „wahre Geschichte“ eines kleinen Reporter-Team der renommierten Zeitung „The Boston Globe“, das im Jahr 2001 das Vertuschungs-System der Katholischen Kirche über von Priestern mißbrauchte Kinder enthüllte. Zwar waren solche Vorfälle schon länger bekannt, aber von der Öffentlichkeit wie von der Presse nur als nebensächliche Notiz wahrgenommen worden. Erst der neue, aus Miami kommende Chefredakteur regt die vier hauseigenen investigativen Journalisten, die unter dem Namen „Spotlight“ arbeiten, zu ausführlicheren Recherchen zu Thema des sexuellen Mißbrauchs innerhalb der Bostoner Kirchengemeinden an. Dabei geht es – so der Auftrag – weniger um Einzelfälle, um Täter wie Opfer, als vielmehr um die Aufdeckung eines „Systems“: nämlich wie die Kirchenleitung – an ihrer Spitze der Kardinal – bewußt diese Verfehlungen vertuscht und „unter den Teppich kehrt“.
Der Film zeigt die mühevolle Arbeit der Journalisten: das Aufspüren und Anhören der Opfer (deren Zahl immer größer wird), das zeitraubende Durchsuchen von Kirchen-Verzeichnissen, Archiv-Akten und Gerichts-Zeugnissen über die Täter, die mühsamen und oft vergeblichen Versuche in diskreten Gesprächen mit Anwälten und Kirchenvertretern – offiziellen wie inoffiziellen -, Hintergründe zu erfahren, Bestätigungen zu bekommen. Es geht bei diesen Recherchen nicht nur um vordergründige, spektakuläre Außen-Wirkung – zumal Auflagenzahlen und Wettbewerb innerhalb des Zeitungsmarktes eine gewichtige Rolle spielen -, sondern auch um eine Reflexion über eigene (jounalistische wie menschliche) Verhaltensweisen und ethische Maßstäbe. Der Film endet mit dem Erscheinen des – duch „Nine/eleven“ um einige Wochen verzögerten – umfangreichen Berichtes am Dreikönigstag 2002. Der daduch ausgelöste (weltweite) Skandal innerhalb der Katholischen Kirche wird nur kurz im Abspann schriftlich angedeutet.
Bewundernswert, wie Regisseur Tom McCarthy, der zusammen mit Josh Singer auch für das ebenfalls Oscar-gekrönte Drehbuch verantwortlich ist, diese an sich nüchtern-trockene Journalisten-Story schnörkellos und geradlinig – wenn auch auf konventionelle Weise – erzählt. Er verzichtet ganz auf filmische oder spektakuläre Extravaganzen und trotzdem gelingt ihm eine sehr farbige, abwechslungsreiche, klug-unterhaltende und spannende Film-Inszenierung.
Getragen von einer beweglich-eleganten Kamera (Masanobu Takayanagi) und einem exzellenten Schauspieler-Ensemble, überzeugend bis in die kleinsten Nebenrollen. Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams, Brian d’Arcy James bilden das charakterlich sehr unterschiedliche, aber bestens aufeinander eingeschworene Reporter-Team, John Slattery ist ihr manchmal bedenken-tragender Vorgesetzter und Liev Schreiber verkörpert den immer die Ruhe und Distanz wahrenden Chefredakteur, einen wagemutigen, jüdischen Außenseiter in der stark irisch-katholisch geprägten Gesellschaft von Boston.
„Spotlight“ reitet keine Attacke gegen den Glauben, er kritisiert aber scharf das zwiespältige Verhalten kirchlicher Institutionen und er diskutiert – durchaus selbstkritisch – Sinn, Aufgabe und Bedeutung der (damals noch nicht durch-digitalisierten) Presse. Jener sogenannten „Vierten Macht“, die in demokratischen Staaten das Handeln von Parlament, Regierung und Justiz kritisch beobachtet – nicht nur in Boston.

Poster/Verleih: Paramount Pictures Germany

zu sehen u.a.: Central Hackerscher Markt (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineMotion Hohenschönhausen; CineStar Treptower Park; Cubix Alexanderplatz; CineStar Sony Center (OV); Eva Lichtspiele; Filmkunst 66; Filmtheaater am Friedrichshain (dt. u. OmU); Kino in der Kulturbrauerei (dt. u. OmU); Passage Neukölln (dt. u. OmU); Sputnik (dt.u.OmU); UCI Colosseum; Zoo-Palast

Ein Auschwitz-Thriller? : ‚Son of Saul‘ von László Nemes****

14. März 2016FilmkritikenNo Comments

Auschwitz-Birkenau, Oktober 1944. Der Ungar Saul Ausländer gehört zu jenem Sonderkomando, das die Nazis aus körperlich kräftigen, eingelieferten Juden zusammengesucht haben, um die „schmutzigen“ Arbeiten auszuführen: den jeweils neuen Opfern beim Entkleiden zu helfen, sie in die angeblichen Duschkammern zu pressen, danach die abgelegten Kleider nach Wertgegenständen zu durchsuchen, anschließend die Leichen in die Krematorien zu schaffen, die Gaskammern zu säubern sowie die anfallenden Aschemengen zu beseiteigen. (Nach einigen Wochen würden diese „Helfer-Sklaven“ und unfreiwilligen Zeugen der Verbrechen hingerichtet.)
Saul (dargestellt von dem ungarischen Dichter Géza Röhrig) – leicht verstört die Neuankommenden durchforschend – glaubt in der Leiche eines Jungen seinen Sohn zu erkennen. In einem inneren Akt des Widerstandes und der Menschlichkeit versucht er, den Leichnam vor der Verbrennung zu retten und sattdessen nach jüdischen Ritual zu begraben. Dafür sucht er – allen grauenvollen Umständen und Unmöglichkeiten zum Trotz  – mit eisener Energie und List einen Rabbi, der ihm beim Erdbegräbnis hilft und das Kaddisch spricht. Zur gleichen Zeit  versuchen einige Mithäftlinge des Sonderkommandos eine Aufstand und Ausbruch zu organisieren. Doch die Flucht, der Saul sich mit dem toten Sohn im Arm anschließt, mißlingt ebenso wie der Versuch einer rituellen Beerdignung. Was bleibt, ist ein Traumbild Sauls, der seien Sohn lebend in die polnischen Wälder fliehen sieht
Der ungarische Regisseur László Nemes hat für diese ungewöhliche Geschichte eine neuartige und faszinierende filmische Form gefunden. Im nur noch selten benutzten, alten 4:3-Format sitzt die Handkamera dem Darsteller des Saul buchstäblich „im Nacken“: hautnah zeigt das schmale, fast quadratische Bild die Groß- oder Nahaufnahme seines Gesichtes, dahinter nur verschwommen seine Umgebung: das grausame Geschehen vor den Gaskammern, das brutale Herauszerren der Leichenberge, die brutalen Auftritte der Nazi-Offiziere und ihrer Schergen, die heimlichen Vorbereitungen des Aufstandes der im Sonderkommando versklavten Männer und schließlich die waghalsige Flucht durch einen Fluß und in die Wälder…
Diese raffinierte Bildführung, die die graustigen Geschehnissen nur verschwommen im Hintergrund andeutet, wird ergänzt durch eine hoch-komplexe Tonspur, in der sich Schüsse und Schreie, Kommandos und Wortfetzen in unterschiedlichen Sprachen sowie vielerlei Geräusche und Laute äußerst realistisch mischen. Was das Auge nur schemenhaft wahrnimmt, registriert das Ohr in erschreckender Deutlichkeit.
Doch erzählt werden diese Geschichten nach konventionellen, dramaturgischen Regeln. Die Szenen sind inszeniert und geschnitten wie in einem guten Thriller, dessen wichtigstes Ziel es ist, Spannung aufzubauen. Hier wirkt der Film gelegentlich über-konstruiert und opfert ein wenig seine Glaubwürdigkeit seiner brillanten Machart.
„Son of Saul“ wird seit seiner Premiere in Cannes 2015 mit Auszeichnungen geradezu überhäuft, zuletzt mit dem diesjährigen Oscar für den besten Film in nicht-englicher Sprache. In Deutschland stößt er auch auf Vorbehalte, die vor allem auf dem bekannten, provokativem Diktum Adornos (keine Kunst nach Auschwitz) und der epochalen „Shoa“-Dokumentation von Claude Lanzmann beruhen, in der auf jegliche nachgespielte Szene in Vernichtungslagern bewußt verzichtet wird.. Doch scheint dieses „Bilderverbot“ nicht mehr so streng beurteilt zu werden, je jünger die Generationen der Betrachter sind und je weiter die schrecklichen Ereignisse in einer fernen historischer Distanz verschwimmen.

Poster/Verleih: Sony Pictures Germany

zu sehen(nur OmU): Filmtheater am Friedrichshain; fsk Kreuzberg; Kant-Kino; Movimento; Delphi(Sonntags-Matinée)

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