Rainer Allgaier

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Monat: September 2011

Matte Blüten-Lese: ‚Winterreise‘ im Deutschen Theater **

12. September 2011TheaterkritikenNo Comments

Die Bühne des Deutschen Theaters hat sich in eine prächtige Blumenwiese verwandelt, eine Sitzbank in der Mitte, ein Konzertflügel im Hintergrund. Fünf Frauen in hellen, duftigen Sommerkleidern, Rucksäcke umgeschnallt, wandern auf und ab, pflücken kleine Sträusse, ruhen sich aus, klimpern ein wenig auf dem Klavier – bis aus einem verborgenen Lautsprecher Ausschnitte aus Franz Schuberts spätem Liederzyklus „Winterreise“ (interpretiert vom Bariton Michael Volle) zu hören sind.
Einzelne Sätze oder Satzwendungen aus diesen Liedern werden (bei angehaltener Musik) zu Stichworten für allerlei Wortspiele oder für lange Textpassagen, die mal vom ganzen Damen-Ensemble, gelegentlich als Dialog, überwiegend jedoch Monologe vorgetragen werden. Darin wird ausführlichst über die vergehende Zeit, über die Liebe, das Leben und den Tod philosophiert, nachgedacht oder gekalauert.
Elfried Jelinek, die Autorin,  erfand für auch ihr neuestes Stück, das im Februar diesen Jahres an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt wurde, eine schier endlose Suada, in der sie diesmal jedoch weniger ihre Ansicht zur politischen Geschichte und Vergangenheit Österreichs als ihre eigene Biographie und ihre persönlichen Probleme wortreich und -wie immer- sprachgewaltig umspielt. Neben einigen bissigen Anmerkungen zum Fall Natascha Kampusch und des damit verbundenen, degoutanten Presse-Rummels sind das Verhältnis zu ihrer autoritären Mutter, die Demenzerkrankung ihres Vaters und seine „Abschiebung“ in eine psychiatrische Anstalt sowie ihre eigenen Versagens-Ängste und Depressionen die wesentliche Themen, die von den fünf umherwandernden Blumen-Pfückerinnen mehr oder weniger wortreich und umfassend ausgebreitet werden. Manchmal klingt das recht komisch, öfters jedoch tönt’s anklagend-pathetisch – und auf die Dauer von knapp drei Stunden auch ziemlich enervierend.
Zumal die Sprech-Kunst der fünf Schauspielerinnen das gepflegte Mittelmass nicht überschreitet und auch das gestisches Repertoire sich auf das immer gleiche Arme-Recken und den Textrhythmus- Skandieren beschränkt.
Kein grosser Abend, den Regisseur Andreas Kriegenburg aus dem redundanten Jelinek-Text gefiltert hat – trotz des hübschen Bühnenbilds (Nikolaus Frinke) eine sehr un-theatralische Inszenierung und – im Vergleich mit anderen Jelinek-Stücken – ohne anregenden Biss.

Foto: Deutsches Theater (Arno Declair)

nachste Aufführungen: 18.9. / 1. / 3. / 26. 10

Wundersame Menschlichkeit: ‚Le Havre‘ von Aki Kaurismäki ****

12. September 2011FilmkritikenNo Comments

Einst war Marcel Marx (Andre Wilms) ein schriftstellernder Künstler in Paris (in Kaurismäkis “La vie de Boheme“, 1992), jetzt lebt er als Schuhputzer in Le Havre: so könne er der Gesellschaft besser dienen, wie er einmal trocken bemerkt. Mit seiner Frau Arletty (Kati Outinen) und der Hündin Laika führt er ein bescheidenes, aber zufriedenes Leben – in einem ärmlichen Vorstadtviertel mit Bäckerei, Gemüseladen und Bar, einer Welt der ‚kleinen’, liebenwerten Leute. Doch plötzlich erkrankt Arletty schwer, muss ins Krankenhaus, ohne grosse Hoffnung auf Heilung. Im Hafen entdeckt die Polizei in einem Schiffs-Container ein Gruppe schwarzer Flüchtlinge, die nach London geschleusst werden sollte: keine ausgemerkelten Assylanten, sondern selbstbewusste, sauber gekleidete Menschen mit grossen, fragenden Augen. Einer, ein flinker Junge, kann der Polizei entfliehen, Marcel findet ihn zufällig, als der sich unterm Hafen-Quai versteckt, nimmt ihn mit nach Hause. Und er animiert mit Erfolg das gesamte Viertel, dem schwarzen Jungen namens Idrissa (Blondin Miguel) zu helfen: die Bäckerin, der Gemüsehändler, die Kneipenbesitzerin verbergen ihn vor der Polizei, organisieren ein Benefizkonzert mit einem Alt-Rocker und sammeln so das nötige Geld für den Schleusser zur Weiterfahrt Idrissas zu seiner schon in London befindlichen Mutter. Sogar der misantrophische Kommissar hilft am Ende dabei: er sei für Verbrechen, nicht für die Steuer oder die Einwanderung zuständig, rechtfertigt er sein Verhalten lakonisch. Und nachdem Idrissa glücklich – dank der Hilfe Marcels und der guten Nachbarn – seinen Häschern entkommen ist, geschieht ein weiteres Wunder: Arletty kehrt geheilt aus dem Krankenhaus zurück. Während die Kamera den nun prachtvoll aufblühenden Kirschbaum im Vorgärtchen zeigt, hört man sie nüchtern sagen, dass sie jetzt erstmal das Abendessen zubereiten will.
Es ist eine heikle Balance, die dieser Film eingeht: zwischen romantischem Sozial-Märchen und böser Realität, zwischen Menschlichkeit und Solidarität auf der einen, und materieller Ungleichheit und Ungerechtigkeit in einer globalisierten Welt auf der anderen Seite. Kaurismäki gelingt diese schwierige Gradwanderung durch seinen filmischen Minimalismus, der die Künstlichkeit der Geschichte nicht kaschiert, sondern deutlich und offen zeigt. Die Mitmenschlichkeit und die Gutherzigkeit Marcels und seiner Freunde werden so zum bewusst-ideellen, filmischen Gegenentwurf zur kalten Realität der heutigen, rein ökonomisch organisierten Welt. Kaurismäki schildert das Leben der kleinen Leute in raffiniert ausgeleuchteten Farbbildern, überwiegend in grünen oder blauen Tönen mit leuchtend-roten Akzenten, und trotz der Farbe ganz im Stil der schwarz-weissen Filme der 40-ger und 50-gerJahre des letzten Jahrhunderts, ein wenig italienischer Neorealismus, ein bisschen französischer „film noir“ – und nicht zufällig heisst Marcels Frau ‚Arletty’ wie die berühmte Schauspielerin der weibliche Hauptrolle in Marcel Carne’s „Le Jour se leve“ von 1939, der ebenfalls in Le Havre spielt. In dieser künstlichen Welt nimmt auch die Musik eine wichtige Rolle ein, ob französische Musette oder altmodisch-temperamentvoller Rock (eine herrliche Nummer mit dem echten Altrocker Roberto Piazza). Wunderbar auch der Kaurismäki eigene, trockene Humor – der immer wieder in den lakonisch-knappen Dialogen aufblitzt und dadurch jedes falsche Pathos oder Sentimantalität unterläuft.
Kein Film für die Blockbuster-Generation, aber ein gelungenes, realistisches Leinwand-Märchen, kraftvolles und intelligentes Kino, traditions-satt und gegenwarts-bewusst.

Foto/Poster: Pandora Filmverleih

zu sehen: fsk (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU); Cinema Paris; CinemaxX Potsdamer Platz; International; Filmtheater am Friedrichshain; Kant Kino; Kulturbrauerei; Yorck

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