Rainer Allgaier

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Monat: Dezember 2009

Putzfrau und Kuenstlerin: „Seraphine“ von Martin Provost ****

31. Dezember 2009FilmkritikenNo Comments

Kurz vor dem 1.Weltkrieg bezieht der in Paris lebende, deutsche Galerist Wilhelm Uhde eine Wohnung im laendlichen Senlis, um sich hier in Ruhe seiner kunst-schrifstellerischen Arbeit widmen zu koennen. Sehr bald entdeckt er, dass seine Zugehfrau, die etwas unwirsche, aeltere Seraphine Louis, heimlich Still-Leben malt. Uhde ist beeindruckt von dieser „primitiven“ oder „naiven Kunst“, wie er die Bilder Seraphine’s bezeichnet. Er bestaerkt die ungebildete Frau in ihrem kuenstlerischen Tun, dabei unterstuetzt von seiner Schwester Anne-Marie, die ihn gelegentlich besucht und mit Neuigkeiten der Pariser Kunst-Szene versorgt. Doch der Ausbruch des Krieges zwingt Uhde zur Rueckkehr nach Deutschland. Erst 1927 trifft er, der inzwischen mit seinem Lebensgefaehrten im nicht weit entfernten Chantilly lebt, Seraphine wieder. Er foerdert sie mit Geld, das ihr die bis dahin ausgeuebte Taetigkeit als Dienst- und Putzmagd erspart und ein Dasein in bescheidenem Maass ermoeglicht. Und er verspricht ihr eine Ausstellung ihrer neuen, grossformatigen Bilder in Paris, muss dieses Vorhaben aber wegen der Weltwirtschaftskrise verschieben. Seraphine empfindet dies als „Verrat“, gibt die Malerei auf und fluechtet in eine Art religoesen Wahns. Sie landet in einer Irrenanstalt, wo sie einige Jahre spaeter stirbt.
Der Regisseur und Drehbuchautor Martin Provost konzentriert sich in seinem – 2008 mit 7 Cesars ausgezeichneten – Film ganz auf die Person Seraphine’s, alles andere wird nur angedeutet: die engstirnige Bourgeoisie in der franzoesischen Provinz, das harte Arbeitsleben der einfachen Leute,
die intellektuelle Kunstszene im fernen Paris. Provost zeigt diese Welt der Seraphine in kurzen, praechtig photographierten Tableaus, schneidet in rascher Szenenfolge aus Blicken und Gesten die Begegnung und Annaeherung von Seraphine und ihrem Foerderer Uhde, um sich dann  ganz der Figur Seraphine’s zu widmen: wie sie ihre Einsamkeit als Aussenseiterin der Gesellschaft durch
hingebungsvolles Malen, meist in der Nacht, kompensiert, wie sie sich ruppig von ihren Mitmenschen abwendet, dafuer sich aber ihren kuenstlerischen „Eingebungen“ – teils in der freien Natur – und ihren religioesen „Erleuchtungen“ hingibt.
Yolande Moreau spielt diese naive, intellektuell-schlichte, aber von ihrer Eigenwertigkeit voll ueberzeugte „Putzfrau und Malerin“ mit groesster Intensitaet. Aeusserlich von pummeliger Figur und als Frau eher unattraktiv, aber oft auch mit listigem Gesichtsausdruck und schlagfertig – eine inviduell-eigenwillige Persoenlichkeit, die auf Grund mangelnder Bildung die falsche Schluesse zieht ( in Bezug auf ihren Foerderer) und ihrem (religioesen) Wahn erliegt. Ein ueberragende schauspielerische Leistung.
Neben Yolande Moreau agieren Ulrich Tukur als Wilhelm Uhde, Anne Bennent als seine Schester sowie die uebrigen Darsteller sehr dezent und zurueckhaltend, beeindrucken aber als praezise Chargen.
Ein kluger Film in ruhigen Bildern und ein schoenes Plaedoyer fuer eine Frau, deren menschliches Schicksal einer filmischen Ehrenrettung wert ist, auch wenn sie als Kuenstlerin eher eine Randerscheinung der franzoesischen Kunstgeschichte bleiben wird.

Foto/Verleih: Arsenal

zu sehen: Cinema Paris dt.u.OmU; Eiszeit; Filmtheater am Friedrichshain

Liebe, Poesie und Tod: „Bright Star“ von Jane Campion ****

30. Dezember 2009FilmkritikenNo Comments

Im Jahr 1818 lernt Fanny Bawne, die mit Mutter und Geschwistern im damals noch laendlichen Londoner Vorort Hampstead lebt und ein bescheidenes Auskommen als Schneiderin verdient, den 22-jaehrigen, bislang erfolglosen Dichter John Keats kennen und lieben. Eine Heirat verbietet sich wegen Keats‘ mangelnder Finanzen. Ausserdem erkrankt der Dichter, genau wie sein kurz zuvor gestorbener Bruder, an Tuberkulose. Freunde vermitteln ihm einen laengern Aufenthalt, der Linderung verspricht, im suedlichen Rom, doch Keats stirbt dort ein Jahr spaeter (1821).
Die neuseelaendische Regisseurin Jane Campion schildert diese historische Liebesgeschichte aus dem Blickwinkel Fannys: zeigt sie als selbstbewusstes, schlagfertiges und lebens-neugieriges junges Maedchen, das in seiner Scheiderkunst ungewoehnlich talentiert ist, sich selbst die raffiniertesten Kleider und Huete kreiert. Ihr gegenueber wirkt Keats sehr viel passiver und zurueckhaltender, dafuer aber besingt er Fanny in seinen poetischen Briefen und Gedichten, u.a. im Titel gebenden Sonett „Bright Star“.
Der Film zeigt die aufbluehende, erste Liebe der beiden jungen Menschen in elegant ausbalancierten Naturbildern – blumenuebersaeten Wiesen, einem Zimmer voller taumelnder Schmetterlinge, winterlich-stillen Parklandschaften.  Kontrastiert von der sorgfaeltig-genauen Beschreibung des sozialen Umfeldes – den Teegesellschaften und dem haeuslich-bescheidenen Alltag der Familie Brawn mit seinen sehr britischen, oft leicht ironischen oder humorvollen Umgangsformen und Gepflogenheiten.
Die Australierin Abbie Cornish und der Brite Ben Whishaw scheinen die ideale Verkoerperung des (spaeter) beruehmeten Liebespaares zu sein, aber auch die uebrigen Darsteller – Paul Schneider als Keats egozentrischer Freund Brown, Kerry Fox als Fannys klug im Hintergrund agierende Mutter – sind vorzueglich ausgesucht.
Jane Campion gelingt in „Bright Star“ die anruehrende Verlebendigung einer vergangenen Zeit und zeigt zugleich, dass deren Menschen und deren Gefuehle uns heute so fern nicht sind. Sie erzielt diese Wirkung neben den optischen und dramaturgischen Raffinessen besonders durch den sensiblen Umgang mit der (englischen) Sprache – sei es in erfundenen Dialogen oder in ausfuehrlichen Keats- Zitaten. Ein Film, der trotz ueppig-prachtvoller Bilder und dichterischer Worte hohles Pathos oder suesslichen Kitsch meidet . Wenn auch ein paar Sequenzen zu lang : kein Bio-Pic, sondern ein klassischen Liebesdrama ohne aufgeschminkte, falsche Historie.

Foto/Verleih: Tobis

zu sehen: CineStar Sony Center OV; Hackesche Hoefe OmU; Odeon OmU; Filmkunst 66; Capitol; CinemaxX Potsdamer Platz u.a.

Chargen-Stadl: „Der Barbier von Sevilla“ in der Deutschen Oper ***

26. Dezember 2009TheaterkritikenNo Comments

Sevilla liegt in dieser Inszenierung von Katharina Thalbach am Meer. Scharen von Touristen in Bikini und Badehose, Kinder mit Ball und Gummi-Delphinen, wuselnde Kellner in langen Schuerzen und ein hipper Friseur-Salon vor einer suedlich anmutenden Haeuserfront: dazu ein Moench mit echtem Esel, kichernde Nonnen, verwegene Radfahrer. Doch dann erscheint, gezogen von einem gruenen Traktor, ein riesiger brauner Holzkasten auf Raedern, der sich schnell als aufklappbares Theater-Mobil entpuppt. Und dort wird flotte „Comedia del Arte“ chargiert: die Geschichte vom alten Doktor Bartolo, der sein Muendel Rosina heiraten will, aber vom jungen Grafen Almavia ausgestochen wird – natuerlich mit Hilfe des findigen Barbiers Figaro. Ein tolle Klamotte: die zuschauenden Touristen staunen nur so, welche Verkleidungen und Tricks die -  immer im Takt der Musik huepfenden -  Schauspieler sich einfallen lassen: der trottlige Bartolo mit allerlei „Besteck“ im weiten Morgenrock, der Musiklehrer Basilio als komischer Don Quixotte mit Spitzbart, ein agiler Graf im seiden-glaenzenden Outfit eines farbigen Entertainers aus Hollywood, der seinen Kopf unter Rosinas bunt-karierten Rock steckt und ihr so die vergnueglichsten Koloraturen entlockt.
Nachdem im ersten Finale die Touristen noch mit Plakaten demonstrieren („Nie wieder Billig-Torismus“, „Freiheit fuer die Kunst“), verwandeln sie sich im zweiten Teil langsam selbst in groteske Musical-Figuren a la „Sweeny Todd“ – bei der Thalbach ist eben die ganze Welt ein Theater – Schmiere hin – Klamotte her !
Musikalisch haelt der junge spanische Dirigent Enrique Mazzola die Faeden so gut es geht zusammen: bei dem kuterbunten Buehnenwirbel keine leichte Aufgabe – der Fluss der Musik kommt dabei manchmal ins Schleudern. Die Saenger (alle Hauptpartien sind wegen der zahlreichen Repertoirevorstellungen doppelt besetzt) haben sichtlich Spass an den vielen Gags, singen und agieren mit Temperament und Laune – auf hohem Niveau.
Katharina Thalbach und ihrem Team (Buehne:Momme Roehrbein, Kostueme: Guido Maria Kretscmer) ist ein (erwartbarer) grosser Publikumserfolg gelungen. Als alter Theaterhase weiss sie eben , wie man Maeuse mit Speck faengt. Die Kasse kann jubeln.

Foto: Matthias Horn/Deutsche Oper Berlin

naechste Vorstellungen: 31.12.09 (15 und 19.30 Uhr)

Huebsches Boulevard-Theater: „Whatever works“ von Woody Allen ****

23. Dezember 2009FilmkritikenNo Comments


Boris (Larry David) hat bereits eine Ehe, einen komisch-missglueckten Selbstmordversuch und eine fabelhafte Karriere als Physik-Professor hinter sich, fuer die -wie er meint – nur knapp den Nobelpreis verpasst hat. Jetzt schlaegt er sich als ziemlich ungeduldiger Schachspiel-Lehrer fuer mehr oder weniger begabte New Yorker Schueler durchs Dasein. Bis Melody (Even Rachel Wood), eine junge Ausreisserin aus Mississipi, sich bei ihm keck einnistet: sich in den alten, besserwisserischen Grantler verliebt und nach einigem Hin-und-Her sogar heiratet. Spaeter tauchen auch noch die Eltern der huebschen Melody auf und verwandeln sich blitzschnell aus bigotten Landeiern in hippe Szenen-Menschen: die Mutter wird zur sexbesessenen Foto-Kuenstlerin, der Vater feiert sein schwules Coming-out. Und Meldoy findet – dank muetterlicher Mithilfe – den passenden jungen Mann, natuerlich einen gutaussehenden Schauspieler, waehrend der misanthropische Boris beim erneuten Selbstmordversuch einer resoluten Hellseherin in die gluecksbringenden Arme faellt.
Eine Komoedie wie auf dem Theaterboulevard: mit flotter Klipp-Klapp-Dramaturgie und ausladenden Dialogen: witzig, ironisch, sarkastisch. Manchmal sehr boshaft und hinterhaeltig,  aber gelegentlich auch melancholisch skizziert Woody Allen Alltags-Leben und Verhalten seiner (ueberwiegend intelektuellen) New Yorker Mitbuerger – allesamt aber liebenswuedige Stadtneurotiker der bekannten Sorte. Insofern wirkt der Film wenig ueberraschend und geriert sich manchmal etwas altherrenhaft, wenn auch die Souveraenitaet,  mit der Woody Allen seine Figuren und deren Wortwitz in Szene setzt, nach wie vor bewundernswert bleibt. Dass diese philosphisch eingefaerbte Komoedie nicht durchweg  zuendet (wie die vorangegengenen Filme aus London oder Barcelona), liegt auch am Darsteller des Boris, der seine Rolle eher „spielt“ als „verkoerpert“ und so als bissig-charmanter Querulant und Querdenker nicht ganz ueberzeugt. Dennoch: insgesamt witzig-kluge Unterhaltung.

Foto/Verleih: Central Film

zu sehen: Odeon OmU; Hackesche Hoefe OmU; Delphi u.a.

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