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Monat: November 2016

Opulentes Historien-Spektakel: ‚Die Hugenotten‘ in der Deutschen Oper Berlin****

18. November 2016TheaterkritikenNo Comments

hugenotten2Im Zuge einer kleinen Wiederbelebungs-Reihe von Opern des bei Berlin geborenen und in Paris zum Super-Star gewordenen Komponisten Giacomo Meyerbeer (1791 – 1864) präsentiert die Deutsche Oper Berlin eines seiner – im 19.Jarhundert – erfolgreichsten Werke: „Die Hugenotten“ (uraufgeführt Paris 1836). Und zwar in voller Länge, so daß der Abend einschließlich zweier Pausen über 5 Stunden dauert.

Meyerbeer und sein – ebenfalls sehr berühmter –  Librettist Eugène Scribe verquicken in ihrer „Grand opéra“ die Liebesgeschichte des jungen, protestantischen Adligen Raoul,  den die Königin Marguerite von Valois mit ihrer katholischen Hofdame Valentine vermählen möchte, mit den blutigen Ereignissen der Bartholomäusnacht, dem fürchterlichen Massenmord an den französischen Hugenotten. Allerdings stehen dabei die musikalischen und szenischen Schau- und Hör-Effekte im Vordergrund, gesellschafts-kritische Aspekte treten demgegenüber in den Hintergrund. Nicht umsonst sieht der Regisseur der Neuinszenierung, David Alden, in Meyerbeer “ den Großvater des Broadway-Musicals“ (Zitat aus dem Programmbuch).

Die Bühne (Giles Cadle) zeigt einen großen hellen, leeren Raum, in dem durch das schnelle Herein- und Herausschieben von Blumenvasen, Ledersesseln, Gipspferden oder bemalten Vorhängen der jeweilge Handlungsort angedeutet wird, die zahlreichen Kostüme (Constance Hoffman)  changieren üppig zwischen historisch und heutig. Den ersten Teil läßt die Regie als farcenhaft überdrehte Salon-Komödie, halb Offenbach, halb Feydeau spielen, im Mittelakt wird die rituelle Kirchen-Ordnung, in der Protestenten wie Katholiken streng symmetrisch auf harten Bänken plaziert sind, durch Fähnchen-Winken oder Kreuz-Prozessionen wirkungsvoll gestört und aufgelöst,  doch erst im letzten Teil gewinnt  das verzweifelte Liebesdrama in langen, melodie-satten Duetten zwischen Raoul und Valentine Momente inniger Berührung. Bevor  dann im düsteren Schein flammen-lohender Kreuze alle erschossen werden und die Königin Margerite in ihrer jetzt blutbefleckten, weißen Robe die Arme entsetzt  in einen schwarzen Himmel reckt.

Giacomo Meyerbeers Musik illustriert das (halb-)historische Schauerdrama höchst effektvoll. Er mischt – fast genial – alle bekannten Stile und Genres: vom protestantischen Choral eines Luther, über elegante Koloraturen eines Rossini dramatische Ausbrüche und romantische Lyrik à la Cherubini oder Weber, bis zu komödiantisch-satirischen Einlagen nach Art eines Offenbach. Eine ebebso kunstvoller wie  wirkungsvoller Musik-Mix, vor allem für die ausladenden Schau- und Chor-Szenen, jedoch auch mit anrührenden, echt empfundenen Arien und Duetten.

Allerdimgs nicht leicht zu singen. Deshalb sind das Glück dieser Neuinszenierung – neben dem grandiosen Chor-Ensemble – die Gesangs-Solisten. sie machen den Abend zum (musikalischen) Ereignis. Allen voran Gast-Star Juan Diego Flórez, dessen leichter, heller Tenor sich langsam zu wandeln scheint und neue, tiefere Farben gewinnt. Ihm ebenbürtig ist Olesya Golovneva als Valentine mit einem strahlenden Sopran, der mit hohen Koloraturen ebenso wie satten Mezzo-Töne glänzt. Auch Patrizia Ciofi windet als Marguerite von Valois glitzernde Koloratur-Ketten, präsentiert in scicker Haute Couture eine elegante Figur, hat den Zenit ihrer Stimme aber wohl schon passiert. Die Nebenrollen sind ebenfalls attraktiv besetzt: Irene Roberts als gewiefter Page Urbain oder der kernige Baß Ante Jerkunika als protestantisch-fanatischer Diener Marcel.

Zusammengehalten wird das aufwendige Historien-Spektakel durch den Dirigenten Michele Mariotti, derzeit Generalmusikdirektor in Bologna. Er animiert das Orchester der Deutschen Oper zu flexiblem und frischem Wohlklang und stützt  geschickt die Instrumental-Solisten, die häufig in den großen Arien mit den Sängern konzertieren. Vor allem aber gelingt es ihm, die vielen Musiker  – ob Orchester, Chor oder Sänger – bestens zu koordinieren und so die effektvoll-prächtige Show einer Meyerbeer’schen „Grand-opéra“ wieder lebendig werden zu lassen. Großer Beifall.

Premiere: 13.11.2016                                                                                                                      Foto: Bettina Stöss / Deutsche Oper Berlin

Im wilden Osten: ‚Tschick‘ von Fatih Akin****

2. November 2016FilmkritikenNo Comments

TschickEine Schule in Berlin-Marzahn. Maik Klingenberg, 14 jähriger Einzelgänger mit scheinbar reichen Eltern, hat nur Augen für die hübsche Mitschülerin Tatjana. Die beachtet ihn jedoch kaum und lädt ihn auch nicht zu ihrer Schulschluß- Party ein. Ebenso wenig wie Tschick, einen erst vor Kurzem in die Klasse gekommenen Russland-Deutschen. 

Dies ist der Ausgangspunkt für eine sich zögerlich entwickelnde Freundschaft und für eine gemeinsame Reise in einem gestohlenen Auto quer durch den wilden Osten. Da Maiks Mutter auf einer „Beauty Farm“ – zu deutsch: Entzugsanstalt für Alkoholiker – weilt und sein autoritärer Vater zu einer angeblichen Geschäftsreise mit flotter Assistentin aufbricht, passt es wunderbar, daß Tschick ihn mit einem geklauten Lada zu einer Reise in die sommerliche „Walachei“ abholt. Mit Schlafsack, Keksen und Cola (plus MaiksTaschengeld) gondeln sie unter stahlend-blauem Sommer-Himmel durch die weite Brandenburger Landschaft. Treffen eine blidungsbeflissene Öko-Familie auf einem alten Bauernhof, geraten in Streit mit einem sturen Dorfpolizisten, begegnen auf einer Müllhalde der jungen Streunerin Isa, die unbedingt nach Prag will und die ihnen beibringt wie man mit Hilfe eines alten Schlauches das für den Lada notwendige Benzin klaut. Sie fahren über waghalsige Sumpfbrücken, baden und waschen sich in einem tiefblauen Stausee und verabreden auf einer alten Burg-Ruine, sich in 50 Jahren an dieser Stelle wiederzutreffen.  Doch die Reise endet fast tragisch, als sie in einen bösen Unfall mit einem schlingernden Riesen-Laster verwickelt werden : aus Angst vor Polizei und drohender Einsperrung in ein Heim verschwindet der verletzte Tschick im Dunkel der Nacht,  während Maik nach kurzem Krankenhaus-Aufenthalt – dank der Anwälte seines Vaters – wieder zu Hause landet: was ihm bleibt, ist die Erinnerung an den unkonventionell-optimistischen Tschick und an einen tollen Sommer voll anarchischer Freiheit.

„Tschick“, das schmale Buch von Wolfgang Herrendorf erschien 2010 und entwickelte sich schnell zu einem Bestseller mit Millionenauflage. Das gleichnamige Theaterstück folgte kurz darauf. Kein Wunder, daß Produzenten und Regisseure sich um eine Verfilmung rissen. Doch 2015, kurz vor Beginn der Dreharbeiten, schied der vorgesehene Regisseur David Wnendt („Kriegerin“,“Feuchtgebiete“) aus. Fatih Akin übernahm das bereits zusammengestellte Darsteller- und Technik-Team und – trotz knapper Vorbereitundszeit – gelang ihm das Kunststück, die Frische und Lebendigkeit des Romans ins Filmische zu übersetzen.

Unkonventionell in Bildführung und Schnitt, kombiniert mit einem raffinierten Musik-Mix aus aktuellern Rock-Titeln mit der schmalzigen „Ballade pour Adeline“ von Richard Cleydermann, vor allen aber besticht der Film durch eine treffliche und überzeugende Besetzung der Hauptrollen: Tristan Göbel als der „Psycho“ Maik und Anan Batbileg als der stoische „Asi“ Tschick. Fatih Akin versteht es auch, den jugendlicher Überschwang, die Waghalsigkeit und den anarchistischen Freiheitsdrang mit leiser Melancholie zu mischen und so die Wahrhaftigkeit dieser heutigen „Coming-of-Age“-Geschichte zu bewahren. Und gleichzeitig alte literarische wie filmische Vorbilder duchschimmern zu lassen. Bei allen witzigen, komischen oder auch anarchistischen Turbulenzen dieser wilden Reise durch die sommerliche, deutsche Landschaft bleibt der tiefere Ernst dieser Lebensgeschichten gewahrt. Schöne Empathie für Außenseiter.

Daß der muntere Film auch einige Schwächen hat, fällt nicht weiter ins Gewicht. So scheint die Figur des Vaters allzu klischeehaft,, einige Episoden sind etwas zu ausführlich oder umständlich erzählt, dann lahmt das Tempo. Insgesamt jedoch  macht diese schräge Reise durch den sommerlichen Osten mit ihrem Anarcho-Unterton viel Spaß und sorgt für beste Kino-Unterhaltung  – ohne dabei die (oft harte) Realiät auszublenden.

Start: 15.September 2016

Foto/Plakat: Studio Canal Deutschland

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