Rainer Allgaier

Theater- und Filmkritiken

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Monat: Februar 2009

Nur teilweise gelungen: „Der Vorleser“ von Stephen Daldrey ***

27. Februar 2009FilmkritikenNo Comments


Berlin 1995: Der Anwalt Michael Berg erinnert sich an seine Jugend in einer westdeutschen Kleinstadt. Als 15-jaehriger Schueler hat er sich 1958 in die Strassenbahn-Schaffnerin Hanna Schmitz verliebt, einer verschlossenen, 20 Jahre aelteren Frau. Das Besondere dieser Beziehung: vor dem Sex muss Michael ihr aus literarischen Werken vorlesen. Nach ein paar Wochen verschwindet Hanna spurlos. Acht Jahre spaeter ist Michael Jura-Student und besucht 1966 mit seinem Seminar einen der Auschwitz-Prozesse. Dort entdeckt er Hanna als Angeklagte, sie war Waerterin in einem KZ und wird zu lebenslaenglicher Strafe verurteilt. Michael erkennt bei der Verhandlung, dass Hanna Analphabetin ist. Zwar nimmt er keinen Kontakt zu ihr auf, schickt ihr aber von ihm gelesene Litaratur als Ton-Kassetten ins Gefaengnis. Dort lernt sie muehsam lesen und schreiben, vor ihrer Entlassung (nach 20 Jahren) erhaengt sie sich in der Zelle. Michael kommt mit seinem Konflik, ob die Liebe zu Hanna ihn schuldig macht, kaum klar. Am Ende des Film beginnt er seiner erwachsenen Tochter seine Geschichte zu erzaehlen.
In Bernhard Schlinks 1995 erschienenem Roman ist Michael der Ich-Erzaehler, der neben seiner aeusseren Lebens-Geschichte viel ueber die Fragen von Schuld und Suehne, von Politik, Gesetz, Recht und Moral reflektiert. Diese Gedanken und die Auseinandersetztung der Nachgeborenen mit ihrer Elterngeneration ueber den Holocaust bilden den Kern des Romans. Doch in Stephen Daldreys Verfilmung spielt diese Meta-Ebene nur am Rande eine Rolle.  Daltrey und sein Autor David Hare konzentrieren sich auf die Liebesgeschichte und deren Auswirkung auf das persoenliche Leben der Haupt-Personen. Die rechtlichen und politischen Fragen des Romans fallen fast weg oder konzentrieren sich auf etwas papierene Szenen wie die Seminar-Dialoge zwischen dem Rechts-Professor und seinen Studenten. Entsprechend dieser Dramaturgie, die fast ausschliesselich die individuellen Schicksale Hannas und Michaels betont, liegt das Gewicht des Films vor allem auf den Darstellern. Und hierin beruht auch die Staerke des Films. Kate Winslet zeigt Hanna als etwas geheimnisvolle Frau zwischen Haerte und Zaertlichkeit, Unsicherheit, Angst und falscher Scham. Sie vermeidet jede Heroisierung dieser Figur, bewahrt sie aber auch vor Sentimentalitaet. David Kross ueberzeugt vor allem als junger Schueler und unerfahrener Liebhaber,  als dauer-rauchender Student bleibt er blasser. Ralph Finnies als erwachsener Michael betont vor allem dessen melancholischen Charakter und seine Unfaehigkeit, sich seiner Umgebung zu oeffnen: ein traumatisch an seiner Liebe zu Hanna leidender Mann,  daran dass sie eben kein KZ-Monster war. Viele gute deutsche und englische Darsteller runden ein ueberzeugendes Ensemble ab (Bruno Ganz, Burkhard Klausner, Lena Olin). Daltreys „Vorleser“ beweist durchaus grosse handwerkliche, am Hollywood-Standart zu messende Qualitaeten, als eigenstaendige oder gar eigenwillige Verfilmung eines Welt-Bestsellers bleibt sie der moralisch engagierten Vorlage jedoch einiges schuldig.

Foto/Verleih: Senator

zu sehen : CineStar im Sony-Center (0F); Hackesche Hoefe (OmU); Delphi; Kulturbrauerei; Yorck; Zoo-Palast; u.a.

Krimi im Wienerwald: „Revanche“ von Goetz Spielmann ****

22. Februar 2009FilmkritikenNo Comments


Eine raffinierte Mischung: Prostituiertenmilieu in der Grossstadt,  Bankueberfall in biederer Kleinstadt,  psychologischer Krimi im laendlichen „Waldviertel“. Alex (Johannes Krisch) ist Handlanger in einem schaebigen Wiener Bordell,  hat ein zaertliches Verhaeltnis mit der ukrainischen Prostituierten Tamara (Irina Potapenko). Um dem schmierigen, aber geschaeftstuechtigen Puffbetreiber zu entkommen, ueberfaellt Alex erfolgreich eine Bank. Auf der anschliessenden Flucht im geklauten Auto wird Tamara durch die fehlgeleitete Kugel des Polizisten Thomas (Andreas Lust) unbeabsichtigt erschossen. Alex versteckt sich bei seinem Grossvater (Hannes Tannheiser) , der in der Naehe einen kleinen Bauernhof muehsam und allein bewirtschaftet. Alex sinnt auf Revanche, zumal der Polizist Thomas, der wegen des toedlichen Schusses vom Dienst zunaechst suspendiert wird,  mit seiner Frau Susanne (Ursula Strauss), einer Verkaeuferin im Supermarkt, nahebei im neuerichteten Eigenheim wohnt. Jeden Tag laeuft Thomas, von innerer Verzweiflung ueber den unbeabsichtigten Todesschuss geplagt, als Jogger durch den Wald. Alex verfolgt ihn, anfangs verborgen hinter Baeumen, aber eines Tages begegnet man sich am See…
Der Film lief bereits letztes Jahr auf der Berlinale (im Panorama), wurde aber – in der Masse des Angebots – nur wenig beachtet. Dabei gelang dem Drehbuchautor und Regisseur Goetz Spielmann eine bewundernswerte, ebenso strenge wie praezise Erzaehlung. Kein Bild, keine Szene ist ueberfluessig,  jede Geste,  jede Handlung streng aufeinander bezogen. Nur knappe Dialoge, im umgangssprachlichen Dialekt, die Figuren klar charakterisiert und von hervorragenden Schauspielern ueberzeugend verkoerpert. Ein ebenso spannender wie – in seiner lakonischen Direktheit – ansprechender Film : schnoerkellos und scharf wie die Axt, mit der Alex immer wieder verzweifelt und wutentbrannt Holz auf des Grossvaters Hof spaltet.

Foto/Verleih: Movienet

zu sehen: New Yorck, Filmkunst 66, Kino am Friedrichshain, Hackesche Hoefe

Zivilcourage: „Milk“ von Gus Van Sant ****

20. Februar 2009FilmkritikenNo Comments

Nach meheren vergeblichen Versuchen wurde Harvey Milk im Januar 1978 als Abgeordneter des 5.Distrikts in den Stadtrat von San Francisco gewaehlt: als erster bekennender Homosexueller. Nach elf Monaten erfolgreicher Arbeit fiel er im November des gleichen Jahres einem Mordanschlag durch seinen konservativen Konkurrenten Dan White zum Opfer. Kurz zuvor hatte Milk seine bisherigen Lebenserinnerungen in ein Diktiergeraet gesprochen – fuer den Fall seines Todes.
Von dieser Situation ausgehend, erzaehlt der Film in ausfuehrlichen Rueckblenden die Geschichte Harvey Milks. Vom Aufbruch des 40jaehrigen etablierten Bank-Angestellten aus New York in ein unbekanntes, freies Leben in der Schwulen – und Hippie-Szene von San Franciscos. Vom ersten buergerschaflichen Engagement in der Castro-Street bis zu den vergeblichen Versuchen in den Stadtrat gewaehlt zu werden. Milk ist jedoch ein kluger, lernfaehiger Kopf,  der mit Charme und Charisma sich durchzusetzen weiss und schliesslich sein Ziel erreicht, naemlich dass Buergerechte auch fuer Homosexuelle gelten.
Auf geschickte Weise verknuepft der Film das private mit dem politischen Leben Milks, zeigt wie sie sich gegenseitig ergaenzen. Die meist ungluecklich endenden Liebesbeziehungen und die Attraktivitaet seiner politischen Auftritte.  Dabei singt der Film kein Heldenlied, sondern bleibt nuechtern, freundlich distanziert, oft witzig. Auch die Gegener werden nie im platten Schwarz-Weiss gezeichnet, ob die (dokumentarischen) Fernseh-Auftritte der Anita Bryant oder die (gespielten) Rede-Duelle mit dem konservativ-religioesen Senator John Briggs. Besonders bemerkenswert die schillernde Charakterisierung des ehemaligen Polizisten, Gegeners und Moerders Dan White (oscarnominiert: Josh Brolin): anziehend und abstossend zugleich. Doch zum mitreissenden Bio-Pic wird der Film vor allen durch Sean Penn. Er spielt diesen Milk ueberzeugend bis in die kleinste Geste – ein aufrechter Buerger, engagiert, ehrlich,  mitfuehlend, humorvoll.  Sean Penn traegt den Film, so klug und virtuos auch Gus Van Sant seine Regie-Kuenste ausspielt.
Kleiner Einwand: eine gewisse Glaette des Films – von den sehr dezenten (jugendfreien !) Szenen im Schwulenmilieu bis zur staendig rauschenden Musik und dem zu pathetischen Schluss. Irritationen oder subversive Elemente wie in frueheren Filmen Gus Van Sant’s („Elephant“, „Paranoid Park“) sind einer farbig-raffinierten,  aber vorhersehbaren Erzaehlweise gewichen. Offenbar muss breiter Erfolg mit kleinen Zugestaendnissen erkauft werden – ob im Studio von Hollywood oder im Rathaus von San Franciso.

Foto/Verleih: Constantin

zu sehen: Odeon (OmU). Hackesche Hoefe (OmU), Neue Kant Kinos, Kulturbrauerei, CinemaxX Potsdamer Platz u.a.

Zivilcourage: „Milk“ von Gus Van Sant

20. Februar 2009AllgemeinNo Comments

Im Januar 1978 wurde Harvey Milk als Abgeordneter fuer den 5.Distrikt in den Stadtrat von San Francisco gewaehlt: als erster bekennender Homosexueller. Nach elf erfolgreichen Monaten im Amt fiel er – gleichzeitig mit dem Buergermeister – dem Mordanschlag seines Abgeordneten-Kollegen und Gegeners Dan White zum Opfer. Kurz zuvor hatte Milk seine bisherigen Lebens-Erinnerungen in ein Diktiergeraet gesprochen – fuer den Fall seines Todes. Der Film erzaehlt nun in langen, klug geschnittenen Rueckblenden Harvey Milks Geschichte: vom Aufbruch des 40jaehrigen Bank-Angestellten in New York zu einem neuen, freien Leben in San Francisco, sein Eintauchen in die immer groesser werdende Schwulen-Gemeinde um die Castro-Street, sei erstes kommumalpolitisches Engagement, die mehrfachen, vergeblichen Versuche, sich waehlen zu lassen, die Anfeindungen durch politische und religioese Gegener, bis zum Erfolg im Januar 78. Geschickt verquickt der Film das private mit dem politischen Leben Milks, zeigt seine meist ungluecklichen Liebesbeziehungen ebenso wie sein geschickte, wortgewandtes und auch humorvolle buergerschaftliche Agieren, dem er letztlich seinen Stuhl im Rathaus verdankt. Dabei wird kein Heldenlied gesungen, sondern Schwaechen und Staerken Milks offen und mit optischem Reiz geschildert. Auch seine Gegener – ob die (dokumentarischen) Fernseh-Auftritte der Anita Bryant oder die (gespielten) Rede-Duelle mit dem stock-konservativen Senator Brigg – platte schwarz-weiss Argumentation wird vermieden. Eindrucksvoll besonders die schillernde Gestaltung des ehemaligen Polizisten, Gegenkandidaten und Moerders Dan White (Josh Brolin): anziehend und abstossend zugleich. Aber nicht nur die virtuose Regie von Gus Van Sant macht dieses engagierte Bio-Pic sehenswert, sondern vor allem die herausragende Verkoerperung Harvey Milks durch Sean Penn: bis in die kleinste Geste ueberzeugt er in jeder Sekunde: seine ehrliches Engagement fuer Buergerrechte, seine Zivilcourage, seine politische Attraktivitaet. Wenn etwas en dem Film stoert, so ist es eine gewisse Glaette, von den sehr diskreten Szenen im Schwulen-Milieu bis zur staendig unterlegten, gelegentlich allzu aufdringlichen Musik. Alle Irritationen oder subversiven Momente der fueheren Filmen Gus Van Sant’s („Elephant“. „Paranoid Park“)entfallen zugunsten einer zwar raffiniert-effektvollen, aber stehts vorhersehbaren Erzaehlweise. Ein bisschen Anpassung muss wohl sein, um den grossen Erfolg zu erlangen – ob im Studio in Hollywood oder im Rathaus von San Francisco

Schrilles Panoptikum: Gounod’s „Faust“ in der Staatsoper *

16. Februar 2009TheaterkritikenNo Comments

Nachdem Faust und Mephisto, in Moenchskutten gewandet, auf der Vorderbuehne ihren Vertrag unterzeichnet haben, oeffnet sich der Vorhang vor einem hellen 3-Etagen-Raum mit vielen blinkenden, farbigen Leucht-Birnchen. Der Chor, in Freizeitklamotten wie aus einem billigen Warenhaus,  zappelt treppauf , treppab : Marionetten auf der grellen Geisterbahn. An der Rampe eilen Mephisto im weissen Jackett und Faust in Lederkluft etwas hilflos hin und her, waehrend die arme Margarethe im 3.Stock ihr Bett und Schmuckkaestchen findet. Nach der Pause ist die Buehne dann leer, vor glatten, silbernen Waenden eilt der Chor mit Einkaufstueten von rechts nach links und von links nach rechts. Mephisto traegt eine schwarze Priesterkluft,  Faust ein T-Shirt und Gretchen tastet sich im blutverschmierten Unterrock immer der Wand entlang bis sie sich am Ende die Kehle aufschlitzt. Die Waende fahren hoch und an einer festlich gedeckten Tafel lassen Damen und Herrn im kleinen Schwarzen das erloesende „Gerettet“ erklingen.  Der Regisseur dieses Ringelpiez auf dem modischen Theater-Jahrmarkt heisst Karsten Wiegand und ist Opern-Direktor am Nationaltheater in Weimar.
Musikalisch ist die Neuinszenierung gluecklicherweise in einer der Staatsoper angemesseren Liga beheimatet. Auch wenn hier einige Wuensche offen bleiben. So bemuehen sich Chor und Staatskapelle unter Alain Atinoglu um die spezifisch franzoesische Idiomatik von Gounod’s Musik, aber es fehlt dann doch Einiges an Clarte und Eleganz. Hervorragend der Faust des amerikanischen Saengers Charles Castronovo, er verbindet lyrische Geschmeidigkeit mit heller, strahlender Hoehe. Die Margarethe der Russin Marina Poplavskaya verfuegt ueber eine sehr schoene, warme Stimme, bat jedoch am Premierenabend wegen einer Indisposition um Nachsicht. Rene Pape hatte ebenfalls gesundheitliche Probleme, imponiert aber mit seiner tiefen Stimme, auch wenn der ironisch-boese Witz dieser Partie nicht ganz seinem Temperament entspricht. Sehr flexibel und elegant singt Roman Trekel  den Bruder Margarethes, Valentin, seine Kostuemierung als Street-Gang-Macho ist jedoch recht befremdlich .
Musikalisch also hoerenswert, szenisch ein Flop.

Foto: Monika Rittershaus / Staatsoper Unter den Linden

Mein Berlinale-Tagebuch 2009

13. Februar 200924. Juni 2018BerlinaleNo Comments


(Reihenfolge nach Anzahl der Sterne)

TATARAK von Andrzej Waida (Polen)*****
Eine filmische Reflexion ueber den Tod, bei der mehrere Erzaehlebenen miteinander verwoben werden. Erstens: die Geschichte Martas, der Frau eines Arztes, die ohne um ihre toedliche Krankheit zu wissen, einen letzte Sommer in einer polnischen Kleinstadt der 50er Jahre verbringt. Unter anderem  freundet sie sich mit einem jungen Arbeiter an, der beim Schwimmen in der Weichsel vor ihren Augen ertrinkt. Zweitens: die -  allerdings nur kurz  – gezeigte Arbeit des Regisseurs Wajda  und seiner Crew bei der Verfilmung dieser Geschichte. Drittens: die Darstellerin der Marta – die bekannte polnische Schauspielerin Krystyna Janda – berichtet allein in einem fast leeren Zimmer bei meist starrer Kameraeinstellung ueber den Krebstod ihres Mannes, eines  Kameramanns, der viel mit Wajda gearbeitet hat und dessen Andenken der gesamte Film gewidmet ist.
Mit der Brechung des filmischen Flusses durch die unterschiedlichen Erzaehlstraenge gelingt es Wajda,  das Phaenomen des Todes zu umkreisen,  gleichermassen hinter die jeweiligen Filmbilder zu blicken.  Die Geschichte der Marta allein wuerde nur das Gefuehl ansprechen. Erst das Zeigen, dass diese Geschichte „gemacht“ oder inszeniert ist und andererseits die persoenliche Betroffenheit der Darstellerin durch ein Todes-Ereigniss, das nichts mit der dargestellten Geschichte zu tun hat, weitet den Blick ueber vordergruendige Bilder und Darstellungen hinaus. Gleichzeitig vermag Wajda durch die Schilderung der sommerlich-bluehenden Natur – der duftende Kalmus ist das komprimierte Bild dafuer – dem Film eine heitere Gelassenheit zu vermitteln, die das duestere Theama des Todes in eine menschliche Balance bringt. Ein leises, aber bewegendes Meisterwerk. (Wettbewerb)

STORM von Hans Christian Schmid****
Justiz-Thriller im Milieu der Den Haager Kriegverbrecherprozesse. Eine Staatsanwaeltin (Kerry Fox) sucht Zeugen gegen einen ex-jugoslawischen General, dessen Prozess auf Grund des UN-Gesetzes moeglichst schnell beendet sein muss. Eine Zeugin (Anamaria Marinca) wird nach laengerem Zoegern zur Aussage ueberedet, doch dann scheint ein politischer Deal – es geht um die Aufnahme der ehemaligen jugoslawischen Laender in die EU – alles hinfaellig zu machen.
Ein gekonnt gefilmter Krimi, aber doch sehr vom Rechts-Idealismus des Regisseurs gepraegt: entsprechend entwickelen sich die Geschichte und ihre Personen, einschliesslich eines versoehnlichen Schlusses. Doch  in der Realitaet bedeutet leider nicht jeder Urteilsspruch auch Gerechtigkeit fuer die Opfer. Trotzdem : ein spannender Film und ein vielschichtiges, aktuelles Thema.  (Wettbewerb)

DIE EIGENHEITEN EINER JUNGEN BLONDINE von Manuol di Oliveira (Portugal)****
Der neuste Film des 100jaehrigen portugiesischen Alt-Meisters. Ein junger Mann, Buchhalter im Textil-Geschaeft seines Onkels, verliebt sich in ein Maedchen, das er im Fenster gegenueber seines Bueros erblickt. Er haelt um ihre Hand an, aber sein Onkel verweigert die Zustimmung und weist ihn aus seinem Haus. Um Geld fuer die Hochzeit zu verdienen, geht der junge Mann ins Ausland. Als er zurueckkommt, scheinen alle Probleme geloest, auch der Onkel ist nun einverstanden. Beim Juwelier waehlt das Paar einen passenden Ehe-Ring aus, dabei versucht die Braut einen anderen Ring zu stehlen. Daraufhin verstoesst der junge Mann die Braut.
Nach einem literarischen Stoff aus dem 19.Jahrhundert erzaehlt Oliveira diese unspektakulaere Geschichte, angesiedelt im heutigen Lissabon, in ruhigen, klaren Szenen: keine Kamerafahrten, wenig Bewegungen, aber (im kunstgeschichtlichen Sinn) ausgefeilte, schoene Bildern. Doch trotz der starren Einstellungen und der theaterhaften Fuehrung der Darsteller: eine – in Ablauf und Montage – ausgesprochen filmische Erzaehlweise, die an Vorbilder wie Dreyer oder Ozu erinnert. Ein kleines Meisterwerk (nur 64 Minuten lang) eines der grossen Filmregisseure Europas. (Berlinale spezial)

MY ONE AND ONLY von Richard Loncraine (USA)****
Amerika in den Fifties. Ann ist mit einem erfolgreichen Bandleader („My one and only“) verheiratet und hat zwei halberwachsene Soehne. Doch jetzt erwischt sie den etwas nervoesen Gatten wiedereinmal mit einer anderen im Bett und es reicht ihr: mit einem hellblauen Cadillac und ihren beiden Soehnen faehrt sie quer durch die Staten, immer auf der Suche nach einem neuen Mann mit entsprechendem Geld. Doch die quirlige Ann ist ein Pechvogel – iimmer geraet sie an den Falschen. Ob im versnobten Boston, im Arbeiterviertel von Pittsburg, bei ihrer frommen Schwester in St.Louis oder zuletzt in Hollywood, wo sie als Statistin in einem Monumentalfilm den Produzenten beeindruckt. Auch mit der Mutterrolle klappt es nicht so recht: da Ann mit ihrer Maennersuche beschaeftigt ist, uebersieht sie die Beduerfnisse ihrer pubertierenden Kinder vollkommen. An Ende aber entdeckt sie, dass sie auch ohne Maenner zurechtkommen kann: immerhin bleiben vorerst noch die Soehne.
Der britische Regisseur Richhard Loncraine hat diese Geschichte mit leichter Hand inszeniert, ein komisches Road-Movie, bei dem die Dialoge blitzen wie in den Screwball-Komoedien jener Zeit, die Musicbox swingt und die Petticoats wippen. Eine intelligent verguegliche Reise durch das optimistische Amerika jener Jahre – mit leichtem Augenzwinkern. Als schlagfertige Blondine, zwischen Naivitaet und Cleverness, fuehrt Renee Zellweger ein bis in die kleinsten Rollen ueberzeugendes Ensemble an, das mit Charme und Witz einen vergnueglichen Blick auf das gute alte Amerikas und seine Kinogeschichte wirft. (Wettbewerb)

CHERI von Stephen Frears  (GB/FR/BRD)***
Oppulenter Kostuemfilm nach einer Novelle von Colette. Charlotte, eine altgewordene, dicke Kurtisane der Belle Epoque (Kathy Bates) verkuppelt ihren 19jaehrigen Sohn Cheri (Rupert Friend) an die Kollegin Lea (Michelle Pfeiffer), die ihrerseits gerade daran denkt, sich aus Altersgruenden vom Berufsleben zurueckzuziehen. Doch Lea verliebt sich in den jungen Taugenichts, bleibt mit ihm sechs Jahre zusammen – Geld spielt keine Rolle – , bis Cheri auf Anordnung seiner Mutter heiraten muss, um eine Familie zu gruenden. Schmerzliche Trennung, aber Lea sieht ein, dass ein weiteres Verhaeltniss mit dem um Jahrzehnte Juengeren keine Zukunft haben kann: ihre Zeit ist abgelaufen. Stephen Frears („Gefaehrliche Liebschaften“, „Die Queen“) hat einen unterhaltsamen, aber auch belanglosen Film gedreht. Nach huebsch-ironischen Szenen und Dialogen zu Beginn badet die Geschichte immer mehr im Sentimentalen. Obwohl die ueppigen Jugendstil-Decors und die ausgefallenen Roben der Damen groesste Schauwerte besitzen, und Michelle Pfeiffer hinreissend darin aussieht: der Story von der alternden Frau gewinnt Stephen Frears nur oberflaechliche Reize ab. Von seinem alten Witz und Sarkasmus, die solche Kostuem-Geschichten den Biss verliehen, ist leider nicht mehr zu spueren. (Wettbewerb)

THE PRIVATE LIVES OF PIPPA LEE von Rebecca Miller (USA)***
Pippa Lee ist die wohlsituierte Gattin des um Jahrzehnte aelteren Verlegers Herb. Man zieht in eine schicke Seniorensiedlung (in Connecticut), um in Ruhe das Alter zu geniessen. In ausfuehrlichen Rueckblenden erfaehrt man Pippas bisheriges Leben: die komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter, die Flucht zu einer lesbischen Tante,  das Abgleiten in Drogen und wie Herb, ihr spaeterer Mann, sie daraus befreit hat. Jetzt nach langen Ehejahren und zwei inzwischen erwachsenen Kindern entdeckt Pippa durch Zufall, dass Herb ein Verhaeltnis mit ihrer Freundin hat. Dadurch fuehlt sie sich ploetzlich frei von allen Verpflichtungen und faehrt – als Herb stirbt – mit einem befreundeten Mann gen Westen.
Rebecca Miller hat ihren eigenen Roman mit einem grossen Star-Aufgebot verfilmt: ganz im tradierten Hollywood-Stil, gefuehlvoll, mit komischen Szenen und witzigen Dialogen, praechtigen Bildern und fabelhaften Darstellern (Robin Wright Penn, Alan Arkin, Keanu Reeves, Monica Bellucci, Julienne Moore, Winona Ryder). Tiefere Schichten allerdings beruehrt der Film kaum, dazu sind die meisten Probleme nur angerissen und zudem zu „luxurioes“ – es bleibt bei gefaelliger Unterhaltung. (Wettbewerb, ausser Konkurrenz)

THE GOOD AMERICAN von Jochen Hick ***
Dokumentarisches Portraet des Deutschen Tom Weise, der in den 90er Jahren in New York erfolgreich das Internet-Portal „Rent-boy“ gruendet und verwaltet. Ausserdem organisiert er zahlreiche Paraden und Events fuer die amerikanische Gay-Community. Verdient damit viel Geld.. Da er HIV-positiv ist, bekommt er zwar keinen amerikanischen Pass und lebt somit illegal in den Staaten, fuegt sich aber so in seine Umgebung ein, dass er von seinen Freunden und Mitarbeitern als „The good American“ bezeichnet wird. 2008 kehrt er nach Deutschland zurueck und versucht in Berlin eine neue geschaeftliche Existenz zu gruenden.
In den vielen und lebhaften Statements gibt er sich aeusserst redegewandt und sehr selbstbewusst, seine Mitarbeiter bezeichen ihn eher als autoritaer. Der Reiz des Film liegt vielfach in den Alltags-Beobachtungen des „american way of live“, auch in ihren Randerscheinungen, weniger in den ausfuehrlichen Beschreibungen der schwulen „Gemeinden“. Ein Film fuer Insider. (Panorama)

ALLE ANDEREN von Maren Ade**
Chris (Lars Eidinger) und seine Freundin Gitti (Birgit Minichmayr) machen Ferien im luxurioesen Haus von Chris‘ Mutter auf Sardinien. Er ist angehender Architekt, sie arbeitet als PR-Frau bei einem Musik-Konzern. Man liebt und langweilt sich, zweimal trifft man sich mit einem befreundeten Paar, doch die Stimmung schlaegt jedesmal rasch ins Agressive um. Sonst passiert kaum etwas. Zwei Stunden darf man den kleinen und groesseren Auseinandersetzungen dieser durchschnittlichen Beziehung zusehen und ihren ebenso alltaeglichen wie banalen Wortgefechten lauschen. Manche Zuschauer finden diese Form der eins-zu-eins Umsetzung der platten Realitaet auf die bunte Leinwand grossartig, ich habe mich ueberwiegend beim Zuschauen und Zuhoeren ebenso gelangweilt wie Chris und Gitti in diesem sehr deutschen Film. (Wettbewerb)

ABOUT ELLY von Asghar Farhadi (Iran)**
Drei junge Paare aus Teheran, ein (in Deutschland) geschiedener Freund, drei kleine Kinder und ein Kindermaedchen, namens Elly, machen Ferien am ziemlich rauhen Kaspischen Meer. Am 2.Tag geht eines der Kinder ins Wasser, ertrinkt fast dabei, wird in letzter Minute gerettet. Doch wo war das Kindermaedchen ? Auch Elly ist verschwunden, niemand weiss, ob abgereist oder ertrunken. Keiner kennt Elly genauer, erst langsam wird klar, dass eine der Muetter sie bloss angeheuert hat, um sie eventuell mit dem mit geschiedenen Freund zu verkuppeln. Aber auch dies ist nur die halbe Wahrheit, jeder hat ploetzlich etwas zu verbergen. Wer luegt, was ist die Wahrheit, gibt es eine solche ueberhaupt – um solche Fragen kreist der Film, etwas langatmig und konstruiert. Duesteres Kammerspiel in grau-blauen Toenen. (Wettbewerb)

EDEN A L’OUEST von Costa-Gavras**
Elias (Riccardo Scarmarcio), ein junger Illegaler aus einen nahoestlichen oder nordafrikanischen Land, geraet unfreiwillig in einen griechischen Ferienclub. Obwohl die Polizei nach ihm fandet, hat er Glueck und wird von einer deutschen, sexhungrigen Touristin (Juliane Koehler) versteckt. Ein Zauberkuenstler (Ulrich Tukur), der in diesem Club gastiert, laedt ihn ein, nach Paris zu kommen. Damit beginnt  fuer den – nur ein paar Brocken Franzoesisch verstehenden – Elias eine turbulente Reise quer durch Europa. Mal als Mitfahrer oder Beischlaefer,  mal als ausgebeutete Billiglohnkraft, immer auf  der Flucht vor der Polizei, der er mit flinken Beinen und schlauer List witzig-komische Volten schlaegt. In Paris findet er zwar seinen Zauber-Kuenstler wieder, der aber erinnert sich nicht mehr an ihn, und so geht die ebenso traurige wie abenteuerliche Reise des illegalen Elias wohl noch eine geraume Weile weiter…
Costa-Gavras hat einen eher unterhaltsamen, als politischen Film gedreht. Wohl mit ernstem Hintergrund, aber eher mit der Absicht vordergruendiger Vergnueglichkeit. Nett, aber nicht unbedingt  festival-tauglich. (Wettbewerb, ausser Kokurrenz)

DEUTSCHLAND 09**
13 Kurzfilme von deutschen Regisseuren, die unverbunden aneiandergereiht sind. Vorgegebenes, aber nicht genauer bestimmtes Theama ist „Deutschland heute“. Entsprechend kuenstlerisch uneinheitlich fallen die einzelnen Beitraege aus. Das reicht von einem Stimmungsbild des morgendlich erwachenden Berlin (Angela Schanelec) bis zur schrillen Satire eines vergammelten Krankenhauses, in dem der Patient Deutschland operiert wird (Wolfgang Becker); von einem heiter ironischen Spiel um einen pessimistischen Vater, der (nach  Pilleneinnahme) sein Kind ueber Berlin fliegen sieht, und das schliesslich im Kanzleramt bei Angela Merkel landet (Danny Levi) bis zur boesen Goteske ueber einen bayrischen Speditionsunternehmer, der die Redaktion der FAZ erschiesst , weil sie nicht mehr „Fraktur“ druckt (Hans Steinbichler). Teils unterhaltsam, teils bissig, teils ueberfluessig. (Wettbewerb, ausser Konkurenz)

MAMMOTH von Lukas Moodysson (Schweden)*
Mini-Geschichten, die in New York, Bangkok und Manila spielen, werden miteinander verknuepft: es geht um Familien und Kinder. Leo und Ellen, ein bestverdienendes Ehepaar, lebt mit 7jaehriger Tochter und philippinischer Nanny Gloria in Manhattan. Gloria’s Kinder wachsen in bescheidenen Verhaeltnissen bei ihrer resoluten Grossmutter in Manila auf, der 10jaehrige Salvatore wird von einem Touristen missbraucht. Und auf einer Geschaeftsreise nach Thailand lernt Leo eine huebsche Bardame kennen (auch sie hat ein kleines Kind), er will aber keinen Sex, sondern nur den vom gluecklich-freien Leben in der unschuldigen Natur – zwecks Selbstfindung – traeumen. Den Reichen der 1.Welt geht’s gut, aber Zeit fuer ihre Kinder haben sie trotzdem nicht: die Armen der 3.Welt muessen dagegen auf unanstaendige Weise schuften, deshalb werden auch ihre Familien zerstoert. Banale Erkenntnisse in schoenen Breitwandbildern = Betroffenheits-Kitsch. (Wettbewerb)

RAGE von Sally Potter (GB)*
Wortreiche Statements eines guten Dutzend Beteiligter einer verruecktem Modenschau in New York. Exzentrische Typen in Nahaufnahmen vor grellfarbigem Hintergrund : Unfaelle, Mordanschlaege und allgemeines Chaos dieser Show werden wortreich geschildert und kommentiert. Ein formaler Einfall der Regisseurin Sally Porter, der 15 Minuten traegt, aber gute anderthalb Stunden langweilt. Trotz einzelner ironischer oder sarkastischer Momente (Jude Law als russische Transe, Judie Dench als schrille Mode-Journalistin) insgesamt ebenso misslungen wie ueberfluessig. (Wettbewerb)


THE DUST OF TIME von Theo Angelopoulos *
Zweiter Teil einer Trilogie, die sich mit dem 20. Jahrundert beschaeftigt. Hauptpersonen sind ein griechisches Paar, Spiros und Eleni. Getrennt durch die Zeitlaeufe, treffen sie sich wieder am Tag von Stalins Tod in Kasachstan. Sie werden erneut getrennt, Eleni kommt nach Sibirien, wo sie ihren und Spiros Sohn gebirt, der aber bei Pflegeeltern (im Westen) aufwaechst. Um die Jahreswende 1999/2000 treffen sich alle wieder, diesmal in Berlin. Der Sohn ist inzwischen Regisseur geworden, hat eine kleine Tochter und sucht in Rom nach filmischen Spuren der Familiengeschichte.
Es ist ein Film, der laufend zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen den verschiedenen Altersstufen der Personen, zwischen Orten und Laendern springt, so dass nur schwer die verwickelten Zusammenhaenge zu durchscheuen sind. Manche Bilder sind eindrucksvoll, besonders die in den russischen Rueckblenden, doch der groesste Teil des Films ist aus bedeutungsschwangeren Szenen zusammengefuegt, die oft ins Kunstgewerbliche oder Banale abdriften (zerstoerte Fernseher in Cinecitta, eine besetztes Haus in Berlin). Trotz beruehmter Namen bleiben die Schauspieler blass, werden oft zum Chargieren gezwungen (Michel Piccoli, Bruno Ganz, Irene Jacob, Willem Dafoe). Das Film wirkt ueber weite Strecken, als ob Angelopoulos seinen eigenen Stil parodiere. (Wettbewerb, ausser Konkurrenz)

RICKY von  Francois Ozon*
Eine alleinerziehende Fabrikarbeiterin in einer franzoesischen Industriestadt  verliebt sich in einen spanischen Kollegen,. Sie bekommt ein Baby von ihm, dem alsbald Huehner-Fluegel wachsen. Das fliegende Baby fuehrt zu komischen Situationen im Kinderzimmer wie in der Oeffentlichkeit, aber irgenwann fliegt es (aus Unachtsamkeit der Mutter) davon. Die zunaechst enttaeuschte Klein-Familie findet sich damit ab. Ein ziemlich langweiliger Film-Mix aus Sozialreportage, schlichter Situations-Komik und Fantasy-Elementen. Ueberfluessig. (Wettbewerb)

Hinreissend: „Ariadne auf Naxos“ in der Deutschen Oper *****

12. Februar 2009TheaterkritikenNo Comments

Offene Buehne, das Ballett in Trainings-Klamotten uebt zu den Klaengen der Ouvertuere. Ein Herr mit dunkler Brille (ein moderner Haushofmeister) unterbricht, gibt die Anweisung, dass Oper und Zwischenspiel gleichzeitig stattzufinden haben. Allgemeine Verwirrung,  Verzweiflung beim jungen Komponisten (mit schoenem Mezzo: Ruxandra Donrose). Als der Vorhang sich dann schliesst, packt er seine Partitur, uebergibt sie dem Dirigenten im Orchestergraben und beobachtet nun die anschliessend beginnende Oper aus der ersten Parkettreihe heraus, bis am Ende, wenn der Vorhang nach dem grossen Liebes-Duett zum zweiten Mal faellt, er auf die nun leere Buehne zurueckkehrt.
So intelligent und einsichtig umschliesst der kanadische Regisseur Robert Carsen Vorspiel und Oper von Hugo von Hoffmannsthal und Richard Strauss zu einem raffinierten Buehnen-und Parkett-Spiel, einem Theater im Theater. Er verzichtet konsequent auf jede ueberkommene Tradition, auf Barock und Commedia del‘ Arte.  Stattdessen schnoerkellose, moderne, ironisch gebrochene Theaterformen: Ariadne und ihre Dienerinnen, ganz in knoechellangen schwarzen Gewaendern, gebaerden sich im parodierten Pina-Bausch-Stil,  waehrend Zerbinetta, kecke Blondine auf leuchtend roten High Heels, und ihre knackaerschigen Hot-Boys eine perfekte Broadway-Show abziehen.. Erst wenn Bacchus auftritt, oeffnet sich der schwarze Buehnen-Kubus langsam und erstahlt beim hymnischen Zwiegesang von Bacchus unnd Ariadne in strahlendem Weiss.
Robert Carsen gelingt das Kunststueck, aus einer stark traditions-belasteten Oper ein zeitgenoessisch-komoediantisches Musiktheater zu entwickeln – mit einfachen, aber sehr effektvollen Mitteln: die Begeisterung des (eher konservativen) Publikums wollte kein Ende nehmen.
Auch musikalisch ist diese „Ariadne“ hoerenswert. Das Orchester unter Jacques Lacombe spielt transparent und schwungvoll,  das Saenger-Ensemble klingt sorfaeltig aufeinander abgestimmt. Violeta Urmana singt eine kraftvoll-dramatische Ariadne (mit leichten Schaerfen in der Hoehe) – gewissermassen ein Schwester von Wagners Bruenhilde. Als Zerbinetta triumphiert Jane Archibald: cool, sexy und mit blitzenden Koloraturen. Ergaenzt vom soliden Roberto Sacca als Bacchus im gutsitzenden schwarzen Anzug.
Leider ist diese gelungene Produktion der beliebten Strauss-Oper nur eine Leihgabe der Bayerischen Staatsoper Muenchen – fuer 5 Vorstellungen. Warum bloss sind solche Inszenierungen nicht in Berlin moeglich ? Liegt’s an den Intendanten, liegt’s am Klima der Stadt ?

Foto: Bettina Stoess/Deutsche Oper

Spannendes Polit-Duell: „Frost/Nixon“ von Ron Howard****

7. Februar 2009FilmkritikenNo Comments

Keine Doku, sondern die Verfilmung eines erfolgreichen Londoner Theaterstueckes von Peter Morgan, das ein historisches Fernseh-Duell als verbalen und psychologischen Box-Kampf schildert. 1974 war Richard Nixon wegen der Watergate-Affaire als US-Praesident entlassen worrden, ein Schuldgestaendniss legte er jedoch nicht ab. Erst drei Jahre spaeter aeusserte er sich erstmals oeffentlich zu seiner Karriere und zu Watergate in einem langen – und groesstenteils langweiligen – Fernseh-Interview. Die Absicht Nixons dabei war,  seine Rehabilitation zu erreichen, und er ging deshalb auf das Angebot des nicht sonderlich bekannten, britischen Talkshow-Master David Frost  ein:  ein  – wie er glaubte – journlistisches Leichtgewicht. Und in der Tat gelang es Frost erst am Ende der vier 90-Minuten Sendungen, Nixon dazu zu bringen, Fehler einzugestehen. Wobei offen bleibt, ob dies durch Fragen Frosts unfreiwillig zustande kam oder ob dies Nixons Absicht war.
Der Film des Regisseurs Ron Howard („Apollo 13“, „A Beautiful Mind“) ist im Stil einer rassanten Reportage gebaut, schildert die Vorbereitungen beider Seiten auf die TV-Show , ebenso die kleinen und groesseren Machtkaempfe der Berater hinter den Kulissen. Die Prinzipen und Gesetzte des Fernsehns und seiner Macher (z.B. Geld-Journalismus, Erfolgs-Quoten) werden angedeutet, wie auch kurze Einblicke in das Privatverhalten von Frost und Nixon gezeigt,  bis dann der effektvolle Film in den Nahaufnahmen der Gesichter beim Interview kulminiert. Faszinierend die beiden Darsteller: Michael Sheen als David Frost, ein flott-eloquenter Hallodri mit Blendax-Dauer-Laecheln, der aber weder die Cleverness noch die Intellektualitaet seines Gegners besitzt. Frank Langella spielt diesen Nixon als schwergewichtigen, in-sich-ruhenden Ex-Staatsmann, hochintelligent, schlau und gewitzt, der seinem Spitz-Namen „Tricky-Dick“ voll gerecht wird. Nur am Schluss, wenn er nach einem kurzen Abschiedsbesuch von Frost, allein in seiner Villa am Meer einsam zurueckbleibt, scheint das gefuehls-gepraegte Kino die historische Wahrheit zu ueberlagern.

Foto/Verleih: Universal

zu sehen: Babylon Kreuzberg OmU; Hackesche Hoefe OmU; Neue Kant Kinos 2; Colosseum 2; Yorck; Zoo-Palast u.a.

Star-Theater: „Glaubensfrage“ von John Patrick Shanley***

6. Februar 2009FilmkritikenNo Comments

Amerika im Jahr 1964. Klosterschule einer irisch gepraegten katholischen Gemeinde in der Bronx. Schwester Aloysius (Meryl Streep) uebt als Rektorin ein streng-konservatives Regime, teilt sarkastischen Bemerkungen und – mit harter Hand -  Kopfnuesse aus. Ihr ganzes Misstrauen gilt dem neuen Priester und Lehrer Father Flynn (Philip Seymour Hoffman), der stehts gut gelaunt frischen Wind in Kirche und Schule bringt. Als er dem einzigen farbigen Schueler, der von den anderen seiner Hautfarbe wegen ausgegrenzt wird, ein gewisses Entgegenkommen zeigt, verdaechtigt ihn Schwester Aloysius paedophiler Neigungen. Der Krieg zwischen den beiden ungleichen Charakteren steigert sich zu immer heftigeren Auseinandersetzungen, bis Father Flynn sich versetzen laesst. Wobei offen bleibt, ob dies ein Schuld-Eingestaendniss ist oder ob er nur der unschoenen Situation entkommen will. Doch nach seinem Weggang und ihren scheinbaren Triumph – obwohl es nie einen Beweis, sondern ausschliesslich Verdaechtigungen gab – beschleichen auch Schwester Aloysius erste Zweifel („Doubt“ -Zweifel-  lautet uebrigens auch der amerikanische Originaltitel).
Es ist ein erfolgreiches Theaterstueck, das sein Autor John Patrick Shenley hier verfilmt hat. Handwerklich gekonnt, effektvoll und mit brillanten Dialogen. Ueber einige dramaturgische Schwaechen, wie den etwas ploetzlichen Fortgang Father Flynn’s, der recht unerwartert und unmotiviert erfolgt, oder den genauso rasch einsetztenden Zweifel der so selbstsicheren Aloysius, spielt das – auch in Nebenrollen – hervorragend besetzte Darsteller-Ensemble furios hinweg. Nicht die etwas altbackene Story macht den Reiz des Films aus , sondern allein die Schauspieler. Allen voran Meryl Streep, die aus der recht einfarbigen Rolle des Rektorinnen-Drachens, mittels vieler sprachlicher und gestischer Nuancen eine lebenspralle Figur gestaltet.(Gelegentlich bis an die Grenze des Zuviel).  Philip Seymour Hoffman ist ihr in seiner freundlichen Gelassenheit ein ebenbuertiger Partner, aber auch Amy Adams in der Rolle einer naiven Jung-Lehrerin oder Viola Davis in einem Kurz-Auftritt als Mutter des schwarzen Schuelers ueberzeugen eindrucksvoll. Grosses Schauspieler-Theater, geschickt auf die Leinwand platziert. Alle hier genannten Darsteller sind fuer den diesjaehrigen Oscar nominiert.

Foto: Walt Disney

zu sehen: Kurbel, Kulturbrauerei, Thalia in Potsdam

Poetische Zeitmaschine: „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ von David Fincher ***

3. Februar 2009FilmkritikenNo Comments

Zu Beginn wird eine pompoese Uhr in der Bahnhofs-Halle von New Orleans enthuellt – doch die Zeiger laufen rueckwaerts. Ebenso geht es der Lebensuhr des am Ende des 1.Weltkrieges geborenen Benjamin Button: als Greis in Babygestalt verjuengt er sich im Lauf der Jahre bis er als dementes Baby stirbt. Ausgesetzt von seinem entsetzten Vater – einem Knopf-Farikanten – waechst er in einem Altersheim auf, aber waehrend die skurilen Alten (einschliesslich der schwarzen Ziehmutter) langsam wegsterben, wird Benjamin immer juenger. Er verdingt sich als Matrose auf einem alten Schlepperkahn , wird im winterlichen Murmansk durch eine engliche Diplomaten-Gattin in die Liebe eingefuehrt (hervorragend: Tilda Swinton), trifft im euphorischen Amerika der 40er und 50er Jahre seine grosse Jugendliebe Daisy wieder,  reist spaeter – als er immer jugendlicher wird – gleich einem  Hippie durch die Welt, bis er als geistig vertrotteltes Kleinkind in den muetterlichen Armen der inzwischen alt gewordenen Daisy stirbt.
Regisseur David Fincher („Fight Club“, „Zodiac“) ezaehlt diese wundersame Geschichte ueber Jugend, Liebe und Tod sehr poetisch, zwischen Maerchenton und historischen Realitaeten. Bezaubernd und ueberraschend im Detail:  beispielsweise eine virtuose Bilder-Sequenz ueber den Zufall eines Autounfalls in Paris oder die slapstick-artigen Erinnerungs-Blitze eines Zimmergenossen im Altersheim. Doch der Film hat auch einige Schwaechen:  die Rahmenhandlung – kurz vor der Kathastrophe des Hurrican „Katrin“  2005  -  wirkt in ihrer Ausfuehrlichkeit bemueht, die computer-gepixelten Figuren des 1.Teils bleiben bei aller technischen Perfektion eher ein Kuriosum – erst als Brad Pitt (Benjamin) und Cate Blanchet (Daisy)  real auftreten, entwickelt der seltsame Fall seinen magischen Sog und entfaltet die sentimentalischen Qualitaeten eines beruehrenden Films. Kein philosophisches Meisterwerk – hier mangelt es dem Film etwas an geistiger Tiefenschaerfe,  aber dank seiner Detail-Vielfalt und seiner cinematographischen Farbigkeit  ein schoenes und unterhaltsames Kino-Epos in bester amerikanischer Tradition.

Poster-Foto / Verleih: Warner

zu sehen: Odeon (OmU); Astor; CineStar Cubix; International; Die Kurbel; Neues Off; Kulturbrauerei; Zoo Palast u.a

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