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Monat: Juli 2015

Grelle Horror-Picture-Show: ‚Elektra‘ im Staatstheater Cottbus***

13. Juli 2015TheaterkritikenNo Comments

Der Opern-Einakter „Elektra“ von Richard Strauß – nach dem Schauspiel von Hugo von Hofmannsthal – war bei seiner Uraufführung (Dresden, 1909) ein wahrer Schocker: die Helden der griechischen Antike wurden durch die psychologisierende Brille eines Dr.Freud gesehen, die ausladende Musik ging bis an die Grenze der Tonalität. Dazu große, an Wagner-Opern geschulte  Stimmen, ein Orchester von rund 120 Musikern:  Aufführungs-Voraussetzungen, die mittlere Theater schlicht überforderten – bis heute. Der geschäftstüchtige Strauß hat deshalb eine reduzierte Orchesterfassung für ca. 80 Musiker hergestellt – eine Bearbeitung, die jetzt auch in Cottbus benutzt wird. Überhaupt wird „Elektra“ zum ersten Mal am Staatstheater inszeniert.
Und zwar mit großem Erfolg: vor allem dank des prachtvoll aufspielenden Orchesters unter der äußerst differenzierten und – trotz gelegentlich donnernder Lautstärke – transparenten Anleitung des jungen Generalmusikdirektors Evan Christ. Alle Nuancen der subtilen Partitur, die psychologische Auffächerung der verschiedensten Gefühle wie Wut, Haß, (Geschwister-)Liebe oder seelischer Erstarrung, werden musikalisch klar hörbar – ohne daß dabei auf die berühmte, schwelgerische Klang-Opulenz der Strauß’schen Musik verzichtet wird. Eine Spitzenleistung von Dirigent und Orchester.
Aber auch die Sänger der Haupt-Partien boten Außerordentliches. Gesine Forberger, seit Jahrzehnten dem Haus verbunden, hat sich von einer perlenden Soubrette zu einem kraftvoll-dramatischen Sopran entwickelt, dessen leuchtende Töne trotz extremer Anforderungen immer rund und warm klingen. Auch darstellerisch vermag Gesine Forberger als rabiat-nervöse Elektra zu überzeugen. Ihr ebenbürtig: die Chrysothemis der Maraike Schröter – Gast von der Oper Chemnitz -, eine hell-leuchtende Stimme, die die anschwellende Lyrik dieser Partie voll zum Klingen bringt. Und als dritte im unglücklichen Frauen-Bund: Karen van der Walt als Amulett-behangene Klytämnestra, ein satter, voluminöser Mezzo mit dramatischem Ausdruck. Auch die kleineren Rollen sind musikalisch trefflich besetzt, ob Andreas Jäpel als Orest mit Irokesen-Frisur, Jens Klaus Wilde als ängstlich-eitler Aegisth oder die vielen Nebenrollen wie Aufseherin, Pfleger, Diener oder Mägde. Das Wagnis, diese anspruchvolle, schwierige Strauß-Oper in Cottbus erstmals vorzustellen, ist musikalisch überzeugend gelungen.
Die szenische Einrichtung hat der rührige Intendant Martin Schüler selbst übernommen. Dabei bedient er sich eines Tricks, von dem mittlerweile schon mehrere Theater profitiert haben: das Riesen-Orchester wird auf der Haupt-Bühne plaziert, der überbaute Orchestergraben dient als Spielfläche für die Sänger-Darsteller. So wird auch weitgehend die Gefahr vermieden, daß die Stimmen in den Orchester-Fluten ertrinken.
Bühnenbildnerin Gundula Martin hat ein cinemascope-breites Badezimmer entworfen, weißgekachelt und ziemlich heruntergekommen. Im Hintergrund eine Wand aus dünnen Fensterrahmen, durch die Dirigent und Orchester im sonst dunklen Bühnenraum zu sehen sind. Rechts führt eine steile Wendeltreppe in die Vorderloge des ersten Rangs – gleichsam der Ein- und Austritt zu den Gemächern des inneren Palastes. Gekleidet sind alle Personen entsprechend heutigen Mode-Trends: fließend weiße Gewänder für die Schwestern Elektra und Chrysothemis, die Mutter Klytämnestra in violettem Samt, Bruder Orest im Outfit eines Rockers während die putzenden Mägde mausgraue Kittelschürzen und klobiges Schuhwerk tragen – über Geschmack läßt sich bekanntlich streiten.
Regisseur Schüler inszeniert die antike „Fin-de-Siècle“-Tragödie als modernen Psycho- und Horror-Thriller. Er hält alle Personen zu fast naturalistischem Spiel an: die Augen müssen rollen, Hände und Arme werden heftigst gereckt oder in Blut getaucht,  es wird viel gestikuliert und im Kreis gerannt sowie oft an die Rampe geeilt, den Blick direkt ins Publikum gerichtet (oder wie es etwas hochtrabend in einem Vorab-Interview hieß, die „vierte Wand“ eingerissen). Eine Spielweise, die eher bajuwarischer Deftigkeit als wienerischer Dekadenz verpflichtet ist. Wenig subtil, aber plakativ und theatralisch  effektvoll.
Doch die mitreißende, musikalische Interpretation überspielt alle szenischen Fragwürdigkeiten – und animiert das Publikum – nach pausenlosen 100 Minuten – zu lang andauernden Beifalls-Stürmen.

Foto: Marlies Kross/Staatstheater Cottbus

nächste Vorstellungen nach der Sommerpause: 04.10./ 15.11./19.12. 2015//23.1.2016

Frühbarockes Musical: Monterverdis ‚Orfeo‘ in der Staatsoper im Schillertheater***

2. Juli 2015TheaterkritikenNo Comments

Eine Produktion von „sasha waltz & guests“. Die Premiere war im letzten Jahr in Amsterdam und nach mehreren Zwischenstationen gastiert die Aufführung nun für ein paar Tage in der Staatsoper im Schillertheater.
Es ist die sechste Opern-Inszenierung von Sasha Waltz, deren persönliche Handschrift darin besteht, daß – wie die „Finacial Times“ schreibt -  „Her singers dance; her dancer sing“.
Diese beeindruckende Einbindung von Sängern in einen choreographischen Bewegungsablauf prägt auch die Inszenierung von Claudio Monteverdis Oper „Orfeo“ (Mantua, 1607), eine „Favola in musica“, die stilbildend für die Entwicklung dieser Theatergattung wurde. Rezitative, Arien, Ensemble-Nummern, Chöre, Tänze und instrumentale Musik vereinen sich zu einem frühbarocken Drama, das auf der griechischen Mythologie beruht. Die Geschichte vom Sänger Orfeo, der dank seiner betörenden Kunst seine verstorbene Gattin Euridice aus der Unterwelt zurückholen darf, sie aber wieder verliert, als er sich beim Heimgang verbotenerweise nach ihr umdreht. Im letzten Akt gelingt jedoch eine Versöhnung, indem der Gott Apoll, Vater des Orfeo, seinen untröstlichen Sohn in den Olymp hinauf holt, wo Orfeo die Züge seiner geliebten Euridice in den Gestirnen wiederfinden wird.
Im Schillertheater ist der Orchestergraben zugedeckt und wird zur offenen Bühne; in der Mitte eine helle Spielfäche, rechts und links davon sitzen die Musiker, im Himntergrund zunächst ein hohes, hölzernes Portal, später nur eine Leinwand, auf verschiedene (Video-)Bilder – vorwiegend Wald-Landschaften – projeziert werden. Sänger und Tänzer tragen schlichte, zeitlose Kleidung: die Männer schwarze Anzüge, die Frauen lange, fließende Gewänder aus unterschiedlichen, edlen Stoffen und Farben. Sasha Waltz erzählt die antike Geschichte klar und in einem raffiniert austarierten Rhythmus, der alle Teilnehmer in eine umfassende Choreographie einbindet, wobei den Sänger die einfacheren Drehungen und Schritte, den Tänzern die anspruchsvolleren und komplexeren Sprünge und Bewegungen  zugedacht sind. Am Schluß, wenn der Chor den glücklichen Ausgang übermütig feiert, werden auch die Musiker samt Dirigenten in den fröhlichen Ringelreihen-Tanz – alle übrigens barfuß – miteinbezogen.
Doch so hübsch und elegant dieser singende und tanzende Orpheus sich präsentiert, das Arrangemant bleibt doch sehr vordergründig und punktet vor allem mit seiner gefällig-glatten Oberfläche. Denn die Choreographie bietet kaum Neues oder Vertiefendes, sie beschränkt sich hauptsächlich auf die Verdopplung der jeweiligen Aktion. Die dramatischen Auseinandersetzungen um Leben und Tod, um Kunst und Moral, um Tugend und Gott, all diese in Musik und Text  angedeuteten Sinnfragen werden von der effektvollen und attraktiven Tanz-Show weitgehend überdeckt.
So wird die Musik und ihre Darbietung zum Mittel- und Höhepunkt des Abends. Der Mitbegründer des Freiburger Barockorchesters Thorsten Johann feuert Musiker des berühmten Ensembles – darunter deren Stars Petra Müllejans und Hille Perl -  zu einem ebenso farbigen wie transparent-kernigem Spiel an und der fabelhafte Chor des „Vocalconsort Berlin“ verblüfft durch Tonschönheit und darstellerische Beweglichkeit. Der Bariton Georg Nigl ist ein ausdrucksstarker Orfeo, höchst flexibel in Stimme und Körpersprache, hochdramatisch im Liebestaumel wie im Schmerz,  lyrisch in verzweifelter Melancholie oder im späten, verklärenden Glück. Anna Lucia Richter gefällt als lieblich sanfte Euridice und singt mit zartem Sopran auch die Rolle der „Musica“,  Charlotte Hellekant verkörpert mit kraftvollem Mezzo zunächt die Botin, die die Nachricht von Euridices Tod überbringt, und begleitet später als „Speranza“ den Sänger Orfeo bis zum Tor zur Unterwelt. Auch die zahlreichen übrigen Solisten reihen sich  vortrefflich ins musikalische Geschehen ein.
Alle Mitwirkenden tragen durch ihre hohe Musikalität und tänzerische Präsenz zum großen Erfolg dieser frühen Oper beim Publikum bei – auch wenn die Jubelstürme vor allem einem etwas vordergründigen, aber effektvollen Spektakel gelten, der musical-ähnlichen Verküpfung von Tanz und Musik einer früh-italienischen Barock-Oper durch Berlin-Liebling Sasha Waltz.

Foto: Monika Rittershaus/Deutsche Staatsoper Berlin

Premiere: 1.Juli, weitere Vorstellungen: 02./03./05./06.Juli 2015

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