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Monat: Juni 2018

Brillant: „Die Nase“ in der Komischen Oper****

25. Juni 201813. Juli 2018Allgemein

Ende der 1920er Jahre wollte der junge, russische Komponist Dmitri Schostakowitsch das Genre Oper der neuen, revolutionären Zeit und ihren kulturellen Vorstellungen anpassen. Er wählte – in Ermangelung eines zeitgenössischen Stoffes –  als Vorlage seiner ersten Oper die klassische Erzählung „Die Nase“  von Nikolai Gogol. In der erwacht im zaristischen Russland der Kollegienassesor Kowaljew nach durchzechter Nacht ohne Nase. Entsetzt, da dieser Verlust, die geplante Karriere wie das Ansehen bei seinen Mitbürgern ruinieren würde, versucht er so schnell wie möglich das verlorene Organ wieder einzufangen. Doch weder in der Kirche noch beim Anzeigenbüro  einer Zeitung, noch bei der Polizei oder einem Arzt findet er Hilfe, sondern nur Unvertändnis und Spott. Doch als besagter Riecher sich – im Brotteig der Frau des Barbiers – wiederfindet, will das gewichtige Körperteil zunächst nicht an seinen korrekten Platz in Kowaljows Gesicht zurück…

Schostakowitsch untermalt die komisch-surreale Geschichte mit einer wilden Mischung aus schrägen Polkas und krachenden Walzern, sakralen und atonalen Passagen, läßt es in den Orchesterstimmen zischen, kicksen oder pupsen, mixt auch das Bandoneon oder die „Singende Säge“ in die schrille Partitur. Alles in riesiger Lautstärke (geschickt kontrastiert durch sanft-leise Zwischenspiele) und einem sich fast übersclagenden Tempo. Schostakowitsch wirft wirklich alle Konventionen über Bord – und das mit überschäumender Lust. Kein Wunder, daß nach der Uraufführung 1930 im damaligen Leningrad, die „Nase“ auch von den Opernbühnen verschwand und erst in der 1960er Jahren wiederentdeckt wurde.

Diese turbulente Theaterwerk ist eine Steilvorlage für einen so fantasievollen Regisseur wie Barrie Kosky. 2016 hat er diese „Nase“ für „Covent Garden“ in London inszeniert – mit großem Erfolg – und jetzt auch – nach einem Zwischenspiel in seiner Heimat Australien – für die Komische Oper neu eingerichtet. Im schlichten, grauen Bühnenkasten von Klaus Grüberg wird auf üppige Kulissen verzichtet, statt dessen deuten Tisch oder Bett die intimen Räume und die leere, große Bühne die öffenlichen Straßen und Plätze knapp an – jeweils raffiniert angestrahlt. Kunterbunt mit Zitaten aus allen Modeepochen  leuchten die Kostüme (Buki Shiff). Alle Peronen sind grell geschminkt und tragen  – ein pfiffiger Trick der Regie – riesige Nasen, so daß das kleine, rot geschminke Organ von Kowaljew ihn zum un-normalen Außenseiter stilisiert. In hohem Tempo wechseln die Szenen, wuseln die zahlreichen Darsteller und Kompasen über die Bühne oder gruppieren sich vor dem Vorhang zur effektvollen Chorus-Line. Die Nase selbst, nachdem sie ihrem Träger entflohen ist, hat sich stark vergrößert, tanzt auf nackten Beinen umher – und vervielfältigt sich plötzlich zu einer toll steppenden Varieté-Nummer – furios!  (Choreographie: Otto Pichler).

Virtuos beherrschen auch die vielen Sängerdarsteller und Choristen ihren jeweiligen Part, oft sind es nur knappe Minuten, in denen sie in den unterschiedlichsten Rollen auftreten. Im Mittelpunkt: Günter Papendell als Kowaljew – ein geschmeidiger Bariton von äußerster stimmlicher wie körperlicher Beweglichkeit, der bei aller darstellerischen Rassanz auch in einigen leisen Momenten überzeugt. Überzeugend auch der erste Auftritt des neuen Chef-Dirigenten Ainärs Rubikis, der geradezu virtuos das ganze turbulente Geschehen im musikalischen Griff hat, Bühne und Orchester taktsicher und anspornend vereint.

Manchem Zuschauer/-hörer mag die zweistündige, pausenlose Dauer-Groteske etwas anstrengend erscheinen, doch die quirlige Brillanz der Aufführung gleicht dies auf`s Eleganteste aus. Großer Beifall.

Premiere: 16.Juni 2018, weitere Vorstellungen: 24./ 28./30.Juni // 6./ 14.Juli 2018

 

Zwiespältiger Genuß: „Il viaggio a Reims“ in der Deutschen Oper Berlin***

23. Juni 201824. Juni 2018Allgemein

Die „Reise nach Reims“ komponierte der damals auf dem Höhepunkt seines Ruhmes stehende Gioacchino Rossini aus Anlaß der Königskrönung von Karl X im Jahr 1825. Es wurde seine letzte Oper in italienischer Sprache, danach folgten nur noch französischen Werke des in Paris lebenden Komponisten. Trotz Akklamation bei der Uraufführung zog Rossini das „Drama gioccosa“ bald zurück, verwendete aber ein Gutteil der Musik in seiner folgenden Oper „Le comte Ory“ (1828). Erst 1983 erlebte die „Reise nach Reims“ ihre Wiederbelebung duch Claudio Abbado beim Rossini gewidmeten Pesaro-Festival. Den dortigen großen Erfolg, auf diversen Medien archiviert, wiederholte der italienische Star-Dirigent auf mehreren Bühnen, auch halb-szenisch in der Berliner Philharmonie.

Auch in der Deutschen Oper wird die historisch-komische „Reise nach Reims“ ein Erfolg – allerdings nur ein musikalischer. Ein aus Gästen und hauseigenen Sängern geschickt zusammengestelltes Ensemble läßt Koloraturen perlen, Melodien mal sanft erklingen, mal schmissig schmettern und in einem 14-stimmigen A-Capella-Chor klangsatt strahlen. Erstaunlich wie gut die Sänger miteinander harmonieren – keiner sticht als „Star“ heraus, alle beherrschen das italienische Rossini-Idiom vorzüglich – auch wenn sich gelegentlich einige nicht so perfekte Töne daruntermischen.  Der junge Dirigent Giacomo Sagripanti sorgt für Tempo und gute Balance zwischen Bühne und Orchestergraben. Daß dabei manche Passage oder Begleitung etwas pauschal gerät, fällt kaum ins Gewicht. Das musikalische Feuerwerk zündet!

Szenisch dagegen wirbelt die Klamotte. Regisseur Jens Bosse verwandelt das originale französische Kur- und Bade-Haus, in dem Adlige aus ganz Europa zur Krönung nach Reins aufbrechen wollen, in einen verspiegelten Riesen-Schlafsaal mit langen Betten-Reihen  links und rechts, in denen sich die einzelnen Herrschaften lümmeln und miteinander wenig originelle (Theater-)Scherze treiben. Dazu kurzberockte Krankenschwestern, die gleichsam als Backround-Girls die singenden Adlelshäupter um-tänzeln wie in einer platten TV-Show.  Koloratur mit Kissenschlacht. Und im zweiten Teil des fast dreistündigen Abends verschwinden alle Personen hinter grell-bunten Neon-Logos, die sie wie brave Revue-Statisten vor sich hertragen müssen. Aus der munteren Krönung wird langweiliger Komödienstadl.

Schade um Rossini und seine musikalisch so launige „Reise nach Reims“.

Premiere: 15.Juni 2018; weitere Vorstellungen: 22.; 24.; 30.Juni; 5.Juli 2018

 

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