Rainer Allgaier

Theater- und Filmkritiken

  • Theaterkritiken
  • Filmkritiken
  • Berlinale
  • Rainer Allgaier
  • Impressum
  • Datenschutz
  • Theaterkritiken
  • Filmkritiken
  • Berlinale
  • Rainer Allgaier
  • Impressum
  • Datenschutz

Monat: April 2015

Erfrischendes Alsterwasser: ‚Emma und Eginhard‘ in der Staatsoper im Schillertheater****

27. April 2015TheaterkritikenNo Comments

Kaiser Karl der Große kommt von einem erfolgreichen Feldzug gegen die (noch heidnischen) Sachsen zurück und wird von seinem Hof als Friedenfürst bejubelt. Doch schnell bedrängen ihn private Sorgen: er ertappt eines Nachts seine Tochter Emma, wie sie einen Liebhaber aus ihrer Kammer entläßt – keinen geringeren als sein (nicht adliger) Schreiber und Vertrauter Eginhard. Wütend läßt er die  beiden verhaften und droht ihnen mit der Todesstrafe. Aber: soll er in diesem Fall nicht doch Gnade vor Recht ergehen lassen? Seine Ratgeber (und seine Frau) vertreten dabei unterschiedliche Ansichten…
Diese Episode aus dem Sagenkreis um Karl den Großen diente 1728 dem Komponisten Georg Friedrich Telemann als Grundlage einer Jubiläums-Oper für das damals hochberühmte Theaterhaus am Hamburger Gänsemarkt. Wohl über fünf Stunden dauerte der bunte Bilderbogen aus ernsten, komischen und satirischen Szenen -  mit vielen, überwiegend kurzen Arien, einigen Duetten und wenigen Ensemble-Nummern. Gefällige Unterhaltung und Erbauung für ein stolzes und reiches Hamburger Bürgertum, gewürzt mit käftigen Seitenhieben auf den Adel. Natürlich in deutscher Sprache.
Der umtriebige Dirigent René Jacobs, der schon zahlreiche Opern der Renaissance und des Barocks neu- oder wiederentdeckt hat, belebt jetzt mit dem ihm eigenen, zupackend-musikalischen Temperament die in Berlin noch nie gespielte Telemann-Oper. Deren Untertitel „Die-Last-Tragende-Liebe“ rührt übrigens daher, daß Emma nach der Liebesnacht ihren Eginhard auf dem Rücken über den frisch verschneiten Burghof trägt, damit er keine verdächtigen Spuren im Schnee hinterläßt. Pech nur, daß der an Schlaflosigkeit leidende, kaiserliche Vater die Szene beobachtet und mit bösen Konsequenzen droht…
Die Regisseurin Eva-Maria Höckmayr versucht die alte Liebes-Story für ein heutiges Publikum lebendig werden zu lassen, indem sie die das Geschehen in hohem Tempo durch Zeiten und Räume laufen läßt. Die Drehbühne (Nina von Essen) zeigt unzählige, sich ständig ändernde Zimmerfluchten vom vornehmen Salon mit klassicher Goldleiste bis zur düster-finsteren Rumpelkammern, die üppigen Kostüme (Julia Rösler) reichen vom roten Hermelinmantel samt deutscher Kaiserkrone über barocke Roben und Allonge-Perrücken bis zur modichen Party-Kleidung von heute. Geschickt und effektvoll wird die etwas einförmige und deshalb ermüdende Abfolge der streng hintereinander geschalteten Arien durch kleinen Neben- oder Zusatzhandlungen belebt: so daß zum musikalischen Genuß auch optisch ein Feuerwerk gezündet wird. Auch wenn der Trick bei der Länge von dreieinhalb Spielstunden nicht immer ganz aufgehen will. Hübsch auch wie das im ersten Teil eher komödiantische, im zweiten dann dramatische Spiel um die verschiedenen Liebe-Möglichkeiten auf Distanz gehalten wird – so treten der Hofnarr (im modischen Anzug) oder auch der Kaiser immer wieder aus dem die Bühne einfassenden Goldrahmen heraus und schießen so von der Rampe außerhalb ihre bissigen oder bösen Kommentare auf die turbulente Liebesjagd ab.
Das große, aus Gästen und Mitgliedern des Hauses zusammengefügte Sängerensemble hat sichtlich Spaß am temporeichen Spiel, musikalisch bleiben ein paar Wünsche offen. Die Amerikanerin Robin Johannsen läßt als Emma blitzsaubere Koloraturen perlen, der Russe Nikolay Borchev ist ein elegant-baritonaler Eginhard, Gyula Orendt ein sonorer Kaiser und Johannes Chum der tenoral-spitze Hofnarr. Am Ende des Abends sorgt ein neckischer Amor fürs Happy End und alle ziehen unter René Jacobs beschwingter Leitung die etwas holprige, aber fröhliche Moral:
„Auf schwere Hindernisse
  ist Lieb´und Lust gedoppelt süße.“
Großer Beifall des Premieren-Publikums.

Foto:Monika Rittershaus/Deutsche Staatsoper Berlin

Nächste Vorstellungen:29.April/ 2./8./10.Mai 2015

Warten auf Godot: ‚Moses und Aron‘ in der Komischen Oper***

25. April 2015TheaterkritikenNo Comments

Zu Beginn erscheinen auf einer Leinwand ein paar Zitate aus Becketts „Warten auf Godot“. Wie Wladimir und Estragon suchen auch Moses und Aron ihren Gott und das von ihm verheißene gelobte Land. Und wenn bei Beckett sich die beiden Figuren als Zauberer definieren, dann entpuppen sich in Barrie Koskys Inszenierung von “ Moses und Aron“ die beiden Brüder als Klein-Künstler, die mit allerlei bewährten Zaubertricks die wankelmütige Chor-Masse zu manipulieren versuchen. So wird Arons Stöckchen zur sich windenden Schlange oder Moses trickst mit einen Davidstern auf weißem Tuch. Die dunkel ausgeschlagene Bühne (Klaus Grünberg) ist ein leerer, eng wirkender Raum unter einer sehr niedrigen, bis übers Orchester reichenden Decke; auf dem ansteigenden Boden liegen Gebetsteppiche (vom Parkett aus kaum zu erkennen). Wild stürmt der riesige Chor in dezent-farbiger Alltagskleidung herein, teilt sich oft in mehrere miteinander streitende und diskutierende Gruppen, reckt wie in alten Stummfilmen plakativ die Hände in die Höhe, fällt zu Boden, lauscht und läßt sich verführen von dem geschickt argumentierenden Aron, während Moses wie ein altes Männchen in einem ärmlich-schwarzen Anzug plus Zylinder vor sich hin stottert. An das alte Kintopp erinnert dann auch die Orgie um das goldene Kalb – hier eine Tänzerin und drei Tänzer in Goldlamé mit Federbusch auf dem Kopf, vom Bühnerand aus gefilmt mit einer uralten Stativ-Kamera. Doch danach wird´s brutal: der Chor schleppt große Puppen herbei, zerstört sie teilweise und schichtet sie zu einem mächtigen Leichenberg (wie auf einem Auschwitz-Foto), durch den sich Moses bei seiner Rückkehr vom biblischen Berg durchwühlen muß – auf dem nackten Öberkörper blutrote, hebräische Zeichen: sozusagen die Gesetzes-Tafeln. Verzweifelt über die orgiastischen Taten des Volkes beklagt er das Wort, das ihm fehlt, und verwischt die Gesetzes- Buchstaben auf seiner Haut
Arnold Schönberg schrieb und komponierte die ersten beiden Akte seiner zwölftönigen Oper „Moses und Aron“ Anfang der 1930er Jahre, gleichsam als persönliche Auseinandersetzung mit dem Judentum, zu dem er sich erneut bekannte. Er ringt in der Oper um Sinn uund Möglichkeit des Glaubens, thematisiert ahnungsreich das kommende Exil, den Leidensweg der Juden, die Hoffnung auf ein gelobtes Land, das er dann in Amerika fand. Vollendet hat er das Werk im kalifornischen Exil nicht, vom abschließenden dritten Akt existiert nur der Text zu einer Szene. Eine Aufführung der beiden fertigen Akte fand erst nach Schönbergs Tod statt, zunächt konzertant 1954 in Hamburg, szenisch 1957 in Zürich.  Berühmt durch Gastspiele in aller Welt war die West-Berliner Einstudierung von Gustav Rudolf Sellner und Hermann Scherchen von 1959 – das Musterbild einer (damals hochgeschätzten) abstrakten Inszenierung.
Regisseur Barrie Kosky scheint in der Komischen Oper dem Gottessucher Schönberg-Moses zu mißtrauen, macht aus der biblischen Herrschergestalt einen stotternden alten Mann, der mit seinem Luftikus von Bruder Aron die leicht verführbare, schwankende Menschenmasse mit kleinen Zaubertricks zu lenken und zu beherrschen versuchen. Dementsprechend wirken auch die beiden Sängerdarsteller (Robert Hayward als Moses, Andreas Conrad/John Daszak (alternierend) als Aron) eher kleinformatig und blass, während der von David Cavelius fabelhaft einstudierte Chor zum beherrschenden Mittelpunkt des Abends wird: einmal wegen der phänomenalen musikalischen Gestaltung zwischen flüsterndem Sprechgesang und leuchtender Kantilene, zum andern wegen seiner virtuosen, szenischen Beweglichkeit. Hier scheint der Chor der Komischen Oper seinen (seit Gründung) hochberühmten Ruf noch zu übertrumpfen.
Riesenerfolg aber auch für das große, um viele Instrumente erweiterte Orchester des Hauses, das zugleich transparent und farbenreich klingt. Der Dirigent Vladimir Jurowski, diesmal als Gast an die Komische Oper zurückgekehrt, hält den gesamten musikalischen Apparat mit stauenswerter Souveränität zusammen und läßt die – für viele Zuhörer immer noch spröde wirkende – aus einer einzigen Zwölftonreihe entwickelte Musik Schönbergs zu einem überzeugendem und ausdrucks-starkem Klangerlebnis werden, perfekt in der Balance von Wort und Ton.
Vor allem der Musik und des Chores wegen ist diese Aufführung von Schönbergs – inzwischen viel gespieltem und prestigeträchtigem -  Operndrama lohnend und anregend.

Foto (Tanz ums Goldene Kalb): Monika Rittershaus/Komische Oper Berlin

Nächste Vorstellungen: 28.April/ 2.u.10.Mai/ 7.Juli 2015

Wilde Mischung: ‚Roméo und Juliette‘ in der Deutschen Oper Berlin***

21. April 2015TheaterkritikenNo Comments

Eine offene, schwarz ausgeschlagene Bühne. In der Mitte ein heller, leicht ansteigender Doppel-Tanzboden, der sich später nach hinten – wie ein Buch – aufschlagen läßt und so unterschiedliche Raum-Assoziationen im Lauf den knapp zweistündigen Abends ermöglicht. Wenn der Dirigent Donald Runnicles den Einsatz zur ‚Symphonie dramatique‘ „Roméo et Juliette“ von Hector Berlioz gibt, rennen, stoßen, wirbeln Tänzerinnen und Tänzer in schlichten, schwarzen oder weißen Kleidern über die Fläche, springen und berühren sich entsprechend der Partitur-Überschrift: Kämpfe, Tumult, Intervention des Fürsten. Danach wird vom – noch unsichtbaren – Chor und einer seitlich in üppiger Abendrobe aufretenden Altistin (Ronnita Miller) die tragische Liebesgeschichte von Romeo und Julia besungen. Ende des ersten Teils.
Im zweiten Teil trifft der einsame Romeo (Joel Suárez Gómez) die junge Julia (Yael Schnell) auf einem burlesken Ball, eine nächtlich-lange Liebesszene schließt sich an – beides hochromantische, rein instrumnetale Musik-Passagen.
Im – wiederum ohne Pause anfügten – dritten Teil wird die scheintote Julia auf ein durch Kieselsteine markiertes Grab gebettet, der verzweifelte Romeo ersticht sich – nicht jedoch ohne die erwachende Julia noch einmal umarmt zu haben (was bei Shakespeare nicht der Fall ist!), dann tötet sich auch Julia. Pater Lorenzo (Nicolas Courjal) erscheint und beklagt in einer großen Baß-Arie dieses tragische Ende, versöhnt aber – pantomimisch von einem Tänzer (Orlando Rodriguez) gedoubelt – die verfeindeten Gesellschafts-Clans der Montagues und der Capulets. Die jeweils schwarzen oder weißen Tänzer-Paare mischen sich und der seitlich stehende Chor in seinen phantasievollen Roben und Hauben stimmt einen machtvollen, vielstimmigen Versöhnungsschwur an.
Der Shakespeare-begeisterte Hector Berlioz komponierte „Roméo et Juliette“ 1839 bewußt als dramatische Symphonie – trotz Chören und Sänger-Solisten weder als Oper, Oratorium noch als Ballett gedacht. Dennoch versuchten sich Musiker oder Regisseure immer wieder in den unterschiedlichsten Präsentations-Formen an dem eigenwilligen Werk.
2007 schuf Sasha Waltz für die Pariser Oper eine Inszenierung als modernes Tanztheater. Sie läßt die jeweiligen Handlungen zwar klar erkennen, aber ihre Bewegunbgssprache und das szenische Arrangement bleiben immer abstrakt und zeitlos. Nicht die äußere Geschichte wird nacherzählt, sondern deren innere oder untergründige Tiefenschicht soll sichtbar gemacht werden. Das gelingt am ehesten in den ersten beiden Teilen, bleibt aber insgesamt koventionell und wenig überraschend. Höhepunkt ist hier der elegante, weit ausschwingende Pas-de-deux des Liebespaares. Doch im dritten Abschnitt wirken die sich ständig wiederholenden Drehungen und ausgestreckten Arme allzu schlicht und überwiegend kunstgewerblich.
In den durchgängig choreographierten Ablauf werden – eingeschränkt – auch die Solisten und der Chor miteinbezogen – wobei besonders der Sänger des Pater Lorenzo sich überzeugend dem fließend-geschmeidigen Bewegungsfluß einzufügen vermag.
Generalmusikdirektor Donnald Runnicles, der seit seinem Amtsantritt an der Deutschen Oper sich für die Werke von Berlioz stark macht („Die Trojaner“, „Fausts Verdammnis“) und auf dessen Wunsch die Pariser Produktion von Sasha Waltz nach Berlin geholt wurde, fügt sich der Szene bestens ein: er hält das gut gestimmte Orchester zu ebenso transparentem wie klangmächtigem Spiel an – einerseits lyrisch-sanft, andererseits scharfkantig-akzentuiert die Tänzer und auch dei Sänger unterstützend.
Neu an dieser Produktion ist, daß Sasha Waltz sie hier in Berlin erstmals mit Tänzerinnen und Tänzern ihrer einstigen Truppe einstudieren konnte – also mit einem Ensemble, das mit ihren Ideen und ihrem Stil vertraut ist wie kein anderes. Sicherlich hat diese eingespielte Zusammenarbeit auch zum großen Publikums-Erfolg des Abends beigetragen – auch wenn keine außergewöhnlichen tänzerischen Auftritte zu bestaunen sind.  Und am Ende – allem Bühnen-Aufwand zum Trotz – die Musik über die Szene triumphiert.

Foto:Bernd Uhlig/Deutsche Oper Berlin

Premiere war am 18.4. Nächste Vorstellungen: 22./ 28./ 29.April// 02.Mai 2015

Im modischen Turnschuh: ‚Parsifal‘ in der Staatsoper im Schillertheater***

13. April 2015TheaterkritikenNo Comments

Richard Wagners „Parsifal“.im Gewand von Heute. Aus dem mittelalterlichen Grals-Sucher ist in der Neu-Inszenierung der Staatsoper ein kurz-behoster, junger Mann im schwarzen Kapuzen-Pulli, Turnschuhen und mit riesigem Rucksack geworden. Er verirrt sich – einen Schwan erlegend – in ein heruntergekommenes Kloster-Refektorium, von dessen einst prächtiger Dachkuppel nur noch ein paar schlichte Bretter übriggeblieben sind. Dort versammelt sich ein Männerbund in dunklen Joppen und Strick- oder Pelzmützen, um ihren schwer verwundeten, priesterlichen Anführer Amfortas zum traditionellen Ritual zu überreden. In diesem nächtlichen Ritual wird das Blut aus seiner Wunde gepresst und im Gralskelch herumgereicht. Parsifal versteht nur Bahnhof und wird weggejagt,während eine blondgelockte Frau namens Kundry die liegengebliebenen Wundverbände des Amfortas zu den weihevoll an- und abschwellenden Klängen der Wagnerschen Musik sorgfältig aufsammelt.
Im zweiten Akt gerät Parsifal dann in Klingsors Schloßsaal, der sich als aseptisch-helle Kopie des düsteren Grals-Tempels entpuppt. Der hornbebrille, etwas spillerige Hausherr, Todfeind aller Gralsbrüder, wird von vielen grossen und kleinen Töchtern umgeben, die allesamt in pastell-bunten Blümchenkleidern den durch Fenster hereinkletternden Parsifal umtanzen. Auch die blonde Kundry gehört zu diesen Töchtern, ihr gelingt es Parsifal zu umgarnen und ins Nebenzimmer zu locken, aus den er aber nach wenigen Augenblicken halbnackt und entsetzt flieht. Dem nervösen Vater Klingsor nimmt er den Speer, mit dem einst Amfortas verwundet wurde, aus der Hand, stößt ihn dem Alten in die Brust und entschwindet.
Es folgt – wieder im alten Kloster-Gemäuer – der abschließende dritte Akt: ohne blühende Aue und Karfreitagszauber, dafür aber mit dem im Tod sich vereinenden Liebespaar Kundry-Amfortas (Gurnemanz ist der Mörder !) und einem siegreich-strahlenden Parsifal – jetzt, ganz erwachsen, in langen Hosen.
Der russische Regisseur Dmitri Tcherniakow – inzwischen international vielbeschäftigt – will „Parsifal“ als realistische Geschichte von heute erzählen. Die Personen sind mit psychologischer Rafinesse stimmig geführt, die szenischen Bilder sind  klug darauf abgestimmt, optisch klar und einprägsam. Doch das Konzept, das im ersten Akt prächtig und im zweiten noch hinreichend funktioniert, kippt im dritten völlig und macht aus Wagners „Bühnenweihfestspiel“ eine fast komische Kolportage. Szene und Musik laufen nicht nur auseinander, sondern behindern sich gegenseitig stark. Denn die Musik beschwört eine religiös gefärbtes Mysterium, das alles äußere Geschehen überhöht und ihm so seine innere „Wahrheit“ verleiht.  Darum wird ein als psychologisch-realistisches Drama konzipierter „Parsifal“ unverständlich und zum (teils grotesken) Mißverständnis – auch wenn es wie hier mit großem Kunst- und Theater-Verstand realisiert wird..
Bleibt die Musik:
Dirigent Daniel Barenboim wählt diesmal – für seinen dritten „Parsifal“ an der Staatsoper – auffallend langsame Tempi, was den Sängern gelegentlich Schwierigkeiten bereitet, allerdings den szenischen Details – beispielweise in den Aktschlüssen – zu Gute kommt. Auffallend auch die kontrastreiche Betonung und Hervorhebung der einzelnen Orchestergruppen – der hohen – oder tiefen Streicher, der Holz- oder der Blechbläser – , wodurch weniger auf den „Bayreuther-Mischklang“ gezielt, als verborgene Strukturen der Moderne hörbar gemacht werden. Insgesamt gelingen Barenboim und seiner Staatskapelle eine stringente, klangvolle Interpretation – frei von jedem falschem Pathos.
Neben dem nuanciert singenden Chor (Einstudierung: Martin Wright) und einigen wohlklingenden Sängern des hauseigenen Ensembles in kleineren Partien triumphiert eindeutig der Gurnemanz des René Pape durch seinen warmen, fülligen Bass und seine absolute Wortverständlichkeit. Der junge Andreas Schager gilt als künftiger Parsifal-Star (Bayreuth 2017!); er besticht durch kraftvoll-leuchtende Spitzentöne, müsste aber für die gesamte Partie – musikalisch wie darstellerisch – noch flexibler werden. Anja Kampe ist eine überzeugende Kundry, ein Sopran mit schöner Tiefe und klarer Höhe. Wolfgang Koch als Amfortas und Tómas Tómasson als Klingsor ergänzen solide das gut harmonierende Solisten-Ensemble.
Der neue „Parsifal“ bleibt zwiespältig:  ein szenisches Konzept, das – wenn auch gut  umgesetzt -  scheitert, ein musikalische Interpretation auf hohem Niveau, die jedoch einige Wünsche offen lässt.

Foto: Ruth Walz/Deutsche Staatsoper
Premiere war am 28.März, die letzte (ausverkaufte) Vorstellung dieser Spielzeit ist am 18.April
2015

Zwischen Maffia und Moral: ‚A Most Violant Year‘ von J.C.Chandor****

7. April 2015FilmkritikenNo Comments

Abel Morales, aus Kolumbien stammend, hat sich in New York eine Existenz als erfolgreicher Geschäftsmann im Heizölhandel aufgebaut. Doch die Konkrurrenz schlägt zurück und schreckt dabei nicht vor Gewalt zurück. Die Fahrer von Morales ölbeladenen Transportwagen werden tätlich bedroht, entführt und der teure Inhalt gestohlen. Im Winter 1981, einem Jahr in dem die Kriminalität in New York – so die täglichen Radiomeldungen – einen Höhepunkt erreicht, wird es eng für Morales, zumal auch ein ehrgeiziger Staatsanwalt ihn der Steuerhinterziehung beschuldigt. Morales, der – nomen est omen – streng darauf bedacht ist, daß er und seine Mitarbeiter jederzeit legal handeln, gerät in die Klemme: ein Fahrer wird mit unerlaubter Waffe erwischt, die Steuerfahnder durchstöbern während einer Geburttagsfeier seiner kleinen Töchter seine neue, schicke Villa, die kreditgebende Bank zieht sich daraufhin zurück. Und Anna, seine mit der Buchhaltung beschäftigte Frau, gesteht, daß sie illegal Geld für einen eventuellen Notfall aus der Firma abgezogen hat. Noch kurz zuvor hatte Abel ein grosses Grundstück am Hafen auf Kredit gekauft, das geringere Wege und billigere Frachtkosten ermöglicht, gleichsam als Krönung seiner beruflichen Existenz. Plötzlich steht alles in Frage und Abel wird gezwungen zu handeln – auch gegen seine bisherigen Grundsätze.
J.C.Chandor, der schon 2011 in „Margin Call“ das amerikanische (Bank-) Business kritisch beleuchtete, schildert auch in seinem neuen, ins Jahr 1981 zurückverlegten Film eine böse Geschichte zwischen legalem Geschäft und Korruption, zeigt den Existenzkampf eines um korrektes und menschliches Handeln bemühnten Unternehmers mit den brutalen Geschäftsmethoden seiner Konkurrenten und dem Übereifer einer ehrgeizigen Justiz.
Inszeniert als spannender Krimi, bei dem die weiten, teils heruntergekommenen Hafen- und Lager-Platze – im Hintergrund die von kalter Wintersonne beleuchteten Wolkenkratzer Manhattens -  ebenso eine wichtige Rolle spielen, wie die immer höflich und diskrete geführten Verhandlungen und Unterredungen der Unternehmer, Kreditgeber und Rechtanwälte in schäbigen oder eleganten Büros, respektive Restaurants. Eine rasante Verfolgungsjagd, in der Abel einen der Entführer eines seiner Öltransporter zu fassen versucht, erst im Auto, dann zu Fuß, schließlich in der vollen U-Bahn bringt den Wendepunkt:  der gefaßte Öldieb verrät, an wen er seine Beute verkauft hat und gibt damit Morales die Möglichkeit, seinen Gegner zu stellen.
Paralell zu diesem Wirtschaftskrimi zeichnet der Film das eindruckvolle Porträt des energiegeladenen Unternehmer-Paares Abel und Anna Morales, das sich seinen Platz in der amerikanischen Gesellschaft mit zäher Energie erkämpft. Dabei erweist sich Anna als die Härtere, sie ist in diesem Business-Umfeld aufgewachsen, kennt die Spielregeln. Jessica Chastain spielt sie mit kühler Eleganz, ihre aufrichtige Zuneigung zu ihrem Mann ist dabei kein Widerspruch zu ihrem klaren geschäftlichen Verstand. Diesen Morales, der als Eingewanderter versucht, immer korrekt und legal zu handeln, verkörpert Oscar Isaacs als gutaussehenden Businessman mit grauen Schläfen, modisch-teurem Kamelhaarmantel und aufrechter Gesinnung – in jedem Moment überzeugend. Aber auch sportlich fit, um die körperlichen Strapazen des Jobs (und der Verfolgungsjagd) gut zu überstehen. Auch die übrigen Rollen sind hervorragend besetzt: typengerecht und individuell zugleich.
Ein starker Film: obwohl in einem eher unspektakulären Milieu angesiedelt (Heizöl-Lieferanten!), bleibt er optisch sehr effektvoll und spannend, die pyschologisch fein gezeichneten Charaktere werden exzellent gespielt und der harte Kampf um Geld und Macht ist heute so aktuell wie 1981.

Poster/Verleih: SquareOne Entertainment

zu sehen: CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66; Hackesche Höfe Kino (OmU); Intimes; Kino in der Kulturbrauerei (dt.u.OmU); Neues Off (OmU); Passage Neukölln; Colosseum

Kategorien

  • Allgemein
  • Berlinale
  • Filmkritiken
  • Theaterkritiken
  • Verschiedenes

Neueste Beiträge

  • Ende der Spielzeit 2018/19 in den Berliner Opernhäuser
  • Kino & Theater – Mai / Juni 2019
  • Gelungenes Musiktheater: „Oceane“ in der Deutschen Oper Berlin****
  • Kino & Theater März 2019
  • Meine BERLINALE 2019

Schlagwörter

Nase Reise nach Reims

Archive

  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015
  • November 2014
  • Oktober 2014
  • September 2014
  • August 2014
  • Juni 2014
  • Mai 2014
  • April 2014
  • März 2014
  • Februar 2014
  • Januar 2014
  • Dezember 2013
  • November 2013
  • Oktober 2013
  • September 2013
  • August 2013
  • Juli 2013
  • Juni 2013
  • Mai 2013
  • April 2013
  • März 2013
  • Februar 2013
  • Januar 2013
  • Dezember 2012
  • November 2012
  • Oktober 2012
  • September 2012
  • August 2012
  • Juli 2012
  • Juni 2012
  • Mai 2012
  • April 2012
  • März 2012
  • Februar 2012
  • Januar 2012
  • Dezember 2011
  • November 2011
  • Oktober 2011
  • September 2011
  • August 2011
  • Juli 2011
  • Juni 2011
  • Mai 2011
  • April 2011
  • März 2011
  • Februar 2011
  • Januar 2011
  • Dezember 2010
  • November 2010
  • Oktober 2010
  • September 2010
  • August 2010
  • Juni 2010
  • Mai 2010
  • April 2010
  • März 2010
  • Februar 2010
  • Januar 2010
  • Dezember 2009
  • November 2009
  • Oktober 2009
  • September 2009
  • August 2009
  • Juli 2009
  • Juni 2009
  • Mai 2009
  • April 2009
  • März 2009
  • Februar 2009
  • Januar 2009
  • Dezember 2008
  • November 2008
  • Oktober 2008
  • September 2008
  • Juli 2008
  • Juni 2008
  • Mai 2008
  • April 2008
  • März 2008
  • Februar 2008
  • Januar 2008
  • Dezember 2007
  • November 2007
  • Oktober 2007
  • September 2007
  • August 2007
  • Juli 2007
  • Juni 2007
  • Mai 2007
  • April 2007
  • März 2007
  • Februar 2007
  • Januar 2007
  • Dezember 2006
  • November 2006
  • Oktober 2006
  • September 2006
Proudly powered by WordPress | Theme: Doo by ThemeVS.