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Monat: August 2011

Nostalgie-Trip für Bildungsbürger: ‚Midnight in Paris‘ von Woody Allan ***

24. August 2011FilmkritikenNo Comments

Paris im Hochglanz-Format – der Film gewordene Traum aller amerikanischen Touristen: so erscheint die sommerliche Stadt auch dem mehr oder weniger erfolgreichen, kalifornischen Drehbuch-Schreiber Gil, der sie mit seiner hübschen Verlobten Inez und deren republikanisch gesonnenen Elteren – reichen Geschäftsleuten – für einige Tage besucht. Während jedoch Inez und ihre snobistische Mutter sich vorwiegend fürs Shoppen interessieren, träumt sich Gil, der mühsam an seinem ersten Roman bastelt, in vergangene Zeiten zurück. Und er trifft sie alle: Ernest Hemingway, den coolen Macho, das trinkfeste Ehepaar Zelda und Scott Fitzgerald auf einer Dauer-Party-Tour, die mütterlich-matronenhafte Gertrude Stein, die wohlwollend sein Roman-Manuskript zur Kenntnis nimmt. Natürlich verliebt er sich promt in die schöne Adriana, Ex-Geliebte von Modigliani und Picasso, die jedoch ihrenseits ausschliesslich von den goldenen Jahren der Belle Epoque schwärmt und den staunenden Gil (Zeitreise hin, Zeitreise her) mit ins ‚Moulin Rouge‘ nimmt, wo er natürlich auf Toulouse-Lautrec, Degas und Matisse trifft. Am Ende lässt er seine irritierte Verlobte und deren Eltern alleine nach Amerika zurückreisen, bleibt in der traumhaft schönen Stadt an der Seine und trifft – welch ein Zufall – die blonde Verkäuferin, in deren Trödelladen er vor einigen Tagen eine alte Schallplatten-Aufnahme mit Cole-Porter-Songs erworben hat: mitten auf einer Seine-Brücke bei strömendem Regen: Parlez-moi d‘ amour…
Woody Allen geht diesmal auf Nostalgie-Tour und  umspielt den amerikanischen Mythos „Paris“ mit sanfter Ironie. Komödiantische Szenen in romantischen Film-Bildern – mal turbulent, mal elegisch, ob in der Gegenwart, den Goldenen Zwanzigern oder der Belle Epoque spielend. Dazu schlagfertige Dialoge, eine Riege trefflicher Schauspieler in Kurz-Auftritten (darunter Adrien Brody als Dali und Kathy Bates als Gertrude Stein – auch Carla Bruni macht als geduldig-freundliche Fremdenführerin gute Figur) und einen überzeugenden Owen Wilson als Gil, der mit seiner Mischung aus offener Neugier, Naivität und Herzlichkeit den Typus eines durchaus symptischen Westküsten-Amerikaners verkörpert (der auch ein bisschen das alter Ego seines Regisseurs sein könnte).
Ein wenig schlicht ist die Film-Botschaft, nämlich dass fast jeder Mensch glaubt, in einer anderen, vergangenen Epoche glücklicher leben zu können. Und die oft nur sekunden-dauernden Auftritte berühmter Künstler-Personen der Vergangenheit nerven gelegentlich als leeres, filmisches Name-Droping.
Doch Woody Allens szenischer Witz, sein romantisch-satirischer Blick und sein komödiantischer Einfallsreichtum überdecken solche Schwächen auf elegante Weise. Besonders hübsch (für Insider), wenn der Hollywood-Serien-Schreiber Gil dem jungen Bunuel im Paris der späten Zwanziger Jahre die Idee für den „Würgeengel“ vorträgt, worauf dieser mit totaler Verständnislosigkeit reagiert. Allerdings: einem „normalen“ Kinogänger von heute, dürfte es wohl ähnlich ergehen…
Foto/Poster: Concorde Filmverleih GmbH

zu sehen: CineStar SonyCenter (OV); Filmkunst 66 (OmU); Filmtheater am Friedrichshain (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU); Odeon (OmU); Astor, Adria, Capitol, CinemaxX Potsdamer Platz, Delphi, International, Kino in der Kulturbrauerei, Passage, Yorck u.a.

Vom Erkalten der Gefühle: ‚Blue Valentine‘ von Derek Cianfrance ****

11. August 2011FilmkritikenNo Comments

Dean (Ryan Gosling) und Cindy (Michelle Williams) sind seit gut fünf Jahren ein Liebes- und Ehepaar, untere Mittelschicht, wohnhaft im Grünen (in Pennsylvania), sie arbeitet als Hilfskraft im örtlichen Krankenhaus, er – ehemals Möbelpacker – kümmert sich um Haus und Garten und vor allem um die kleine Tochter. Doch irgendetwas stimmt nicht. Cindy, durch deren Schuld der Hund auf die nahe Strasse gelaufen ist und überfahren wurde, reagiert oft gereizt auf den etwas macho-haften, gross-spurigen Ton von Dean, ist genervt von Haushalt und Arbeit, obwohl sie sich bemüht, liebevoll und freundlich zu Kind und Ehemann zu sein. Dean, der instinktiv spürt, dass Etwas in ihrer Beziehung schiefläuft, nötigt Cindy deshalb zu einer entspannenden Nacht in einem Love-Hotel. Doch der intime Abend mit Alkohol und Sex misslingt in seiner angestrengten Bemühung und Cindy verlässt sichtlich froh den grotesk ausgestatteten „Future-Room“, als sie telefonisch zur Arbeit ins Krankenhaus gerufen wird. Am Schluss des Films zieht sich Cindy mit der kleinen Tochter für eine Weile – um Abstand zu gewinnen, wie sie sagt – zu ihrem (ungeliebten) Vater zurück. Dabei hat sie kurz zuvor, als Dean in einer erregten Auseinadersetzung mit ihr den Ehering vom Finger gestreift und ins Gebüsch geworfen hat, diesen anschliessend wieder mit ihm zusammen im hohen Gras gesucht: eine fast komische, ebenso klug erdachte wie bildlich treffende Szene für die wiedersprüchlichen, auseinanderlaufenden Gefühle des Paares.
Doch der Film schildert nicht nur das Ehe-Drama des noch jungen Paares, sondern auch wie sie sich vor sechs Jahren kennen- und lieben gelernt haben. Bei Dean war es Liebe auf den ersten Blick, als er sie zufällig in einem Altersheim, wo sie ihre Grossmutter besuchte, sah, Cindy ihrerseits gab sich zunächst abweisend und spröde, hatte sie sich doch gerade von einem Liebhaber, von dem sie ein Kind erwartet, getrennt. Erst allmählich erliegt sie dem jungenhaften Charme von Dean, der sie mit seiner Ukulele (und seinem misserablem Gesang) buchstäblich zum Tanzen (vor einem Schaufenster im nächtlichen Brooklyn) bringt.
Doch diese Geschichte wird – und das ist der ‚geniale Trick‘ des Films und seines hierzulande noch unbekannten Autors und Regisseurs Derek Cianfrance – nicht chronologisch, sondern in fast bruchlosen Parallel-Montagen erzählt – was vom Zuschauer allerdings einige Aufmerksamkeit erfordert. Dadurch aber entsteht ein sehr dichtes, präzises, fast einer Vivisektion gleichendes Panorama der Gefühle eines jungen Paares, romantisch und realistisch zugleich, da die Geschichte fest im durschnittlichen, amerikanischen Alltag geerdet ist. Cindy und Dean gleichen jungen Leuten von nebenan, sie sind sympathisch und freundlich bemüht mit sich und ihrer jeweiligen Umgebung und kommen dennoch mit ihrer Beziehung nicht klar.
Filmisch ist das sehr raffiniert inszeniert, ausgefeilt in Kamera und Schnitt, und getragen von den beiden vorzüglichen Haupt-Darstellern, denen der schwierige Spagat zwischen verliebten Teenagern und jung- ermüdeten Eheleuten überzeugend gelingt. Ein schnörkelloses, unsentimentales Porträt heutiger Beziehungen, dennoch voller menschlicher Empathie und filmischer Kraft.

Foto/Poster:Senator Filmverleih

zu sehen: CineStar Soony Center (OV); Hackesche Höfe Kino (OmU); Odeon (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei; Neues Off

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