Theater- und Filmnotizen Mai 2018

SEMELE  –  Oratorium von Georg Friedrich Händel  in der Komischen Oper Berlin****

Die Ouvertüre beginnt in c-moll, entsprechend erzählt Regisseur Barrie Kosky die Liebesgeschichte der Thebanischen Prinzessin Semele und des Göttervaters Jupiter nicht als heiter-frivole Barock-Komödie, sondern als melancholisch-dramatische Gefühls-Tragödie, wenn auch mit halbwegs versöhnlichem Ausblick am Ende.

Georg Friedrich Händels Oratorium von 1744 spielt in der Inszenierung, der die ursprünglich vorgesehene Regisseurin abhanden kam und für die Barrie Kosky als Chef des Hauses einsprang, in einem düsteren, weitgehend zerstörten, ursprünglich wohl vornehmen Salon.  Aus einem Haufen Asche taucht die verbrannte Semele auf und erinnert sich in – durch mächtige Donnerklänge gespaltenen –  Gedanken-Splittern an ihre Geschichte: die Verweigerung der Hochzeit mit den Prinzen Athamas, der aber von ihrer Schwester Ino heiß begehrt wird, an die Liebes-Begegnung mit Jupiter und iher beiden tiefen Gefühle füreinander, die bis an die Grenzen der Existen reichen, an die raffinierte Intrige der eifersüchtigen Gemahlin Jupiters, Juno, die dann zu ihrem, Semeles bitteren Tod durch Verbrennen, aber auch zur Geburt ihres halbgöttlichen Kindes Dionysos führt. Ob Händel sein mit virtuosen Arien und hinreißenden Chören prachtvolles Oratorium wirklich so als düstere Parabel auf die unterschiedlichen Arten der Liebe komponiert hat wie es Koskys Inszenierung sieht,  mag dahingestellt sein. Es gibt auch freundlichere Deutungen.

Aber die strenge und zugleich fantasievoll-konsequente Führung der Hauptpersonen, die groteske Zeichnung der Nebenfiguren, der sich sich oft gespentisch-einmischende, wirbelnde Chor sowie das teatralich-effektvolle Gesamt-Arrangement, machen diese „Semele“ zu packendem Musiktheater. Gesteigert durch großartige Sänger-Darsteller, die sich tänzerisch-locker wie in einem Musical bewegen können und zugleich der Musik strahlenden Glanz und emotionale Tiefe verleihen.  Nicole Chevalier, in der Premiere noch indisponiert, verkörperte in der zweiten Vorstellung,(die ich besuchte) eine fulminant-berührende  Semele, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriß. Ezgi Kutlu ist – mit flexiblem Mezzo – in violetter Seidenrobe ihre  elegante Gegnerin Juno, Allan Clayton der liebende, aber letzlich machtlose Jupiter mit schönen tenoralen Tönen. Hübsche Nebenfiguren sind Nora Friedrich als sportliche Freundin der Juno, der  Countertenor Eric Jurenas als (vielleicht zu) tölpelhafter Prinz und Nebenbuhler Athamas, der baßorgelnde junge Evan Hughes als barbrüstiger Schlaf-Gott. Etwas blaß bleibt Katarina Bradic als Semeles Schwester. Klangschön der in jeder Hinsicht bewegliche Chor, ebenso machtvoll wie sensibel das „historisch“ spielende Orchester unter dem umsichtigen Konrad Junghänel, dessen dirigierende Hände und graue Haarpracht, dank des hochgefahrenen Orchestergrabens, für das Publikum immer wirkungsvoll sichtbar bleibt. Starker Beifall.

 

Premiere: 12.Mai 2018, weitere Vorstellungen: 18. / 26.Mai // 3./ 15.Juni // 10.Juli 2018

 

 

HÄNDER-FESTSPIELE in HALLE 2018

1. Parnasso in festa

    Eine Serenade, komponiert 1734 für eine königliche Hochzeit in London. In Bad Lauchstädt als deutsche Erstaufführung in italienischer Sprache durch die Lauten-Compagny Berlin unter Wolfgang Katschener aufgeführt. Die belgische Theater-Historikerin und Regisseurin präsentierte barock nachempfundenes Theater in prachtvoll-üppiger Ausstattung: als lebendige Theatergeschichte. Sänger gut, aber nicht herausragend, Katschner und sein Ensemble wie immer prachtvoll. Gefällige, etwas schulmeisterliche Neu-Entdeckung für Händel-Liebhaber und Festspiel-Freunde

(Premiere: 26.Mai 2018).

2. Berenice, Regina D´Egitto

    Wenig bekannte italienische Oper, die 1737 in London uraufgeführt wurde. Im großen Haus der Oper Halle von Jochen Biganzoli als personeller Dauerlauf durch kleine Räume auf der sich ständigen drehenden Bühne vorgeführt, während schell-flimmernde Videos eine moderne Digital-Welt (durchaus kritisch)reflektieren. Kostüme am Beginn und am Ende im barocken Schnitt, dazwischen elegantes Design von heute. Die ägyptische Königin Berenice soll aus politischen Gründen einen Röm nahestehenden Prinzen heiraten, weigert sich zunächst wegen des Verlobten ihrer Schwester, in den sie selbst verliebt ist, Das Libretto arrangiert jedoch ein etwas ungläubiges Happy End, was der schönen Aufführung in Halle aber keinen Abbruch tut. Exzellent Romelia Lichtenstein in der Titelpartie (besonders reizvoll:  Arie, in der sie am Rande des Orchestergrabens mit einem Oboisten virtuos duettiert), brillant die beiden Gast-Counterköniglichen -Tenöre Samuel Marino und Filippo Mineccia als Liebes-Obijekte der beiden königlichen Schwestern. Das Festspielorchester unter Jörg Halubek musizierte auf historischen Instrumenten schwung- und klangvoll   – insgesamt eine herausragende Händel-Produktion innerhalb der diesjährigen Festspiele in Halle.     

(Premiere: 25.Mai 2018)