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Monat: März 2017

Eine Reise ins Innere: ‚Tod in Venedig‘ in der Deutschen Oper****

23. März 2017TheaterkritikenNo Comments

Tod Venedig„Death in Venice“ ist die letzte Oper von Benjamin Britten, 1973 im Rahmen des vom Komponisten gegründeten Aldeburgh Festival uraufgeführt (ein Jahr später an der Deutschen Oper Berlin erstmals in Deutschland gezeigt).

Basierend auf der Erzählung von Thomas Mann, floß sicherlich viel Autobiographisches in das etwa 3-stündige Werk. Das Nachlassen der schöpferischen wie physischen Kräfte, der Versuch einer Erholung und Wiederbelebung in einer lebensbejahenden, südlichen Stadt – das ist der Hintergrund der Geschichte des alternden Schriftstellers Gustav von Aschenbach, der sich im magisch-faszinierenden Venedig in den schönen polnischen Knaben Tadzio verliebt, sich diesem Gefühl rückhaltlos hingibt und dann – statt abzureisen – der ausbrechenden Cholera erliegt. Bei Thomas Mann wie auch bei Britten wird dieses Drama leicht ins Mythische überhöht als angedeuteter Kampf zwischen Apollo und Dionysos.

Im Gegensatz zum fast zeitgleich gedrehten Film von Lucchino Visconti – einem optisches Kino-Fest von ausladender Pracht – macht Britten aus dem Stoff ein feines, ganz auf die Psychologie der Hauptfigur konzentriertes Kammerspiel.  Zurückhaltend in der Orchestersprache,  die Gesangslinien jedoch farbig pointiert durch einzelne Instrumente. Eine Musik, die durchaus kontrastreich strukturiert ist, zugleich aber dezent und – besonders in den beiden Aktschlüssen – berührend wirkt.

Auf diese psychologische Reise des Gustav von Achenbach in sein Inneres konzentriert sich auch die Regie des Briten Graham Vick. Statt Lagune, Gondel oder Markusdom zeigt die Bühne einen kahlen, lindgrünen Raum, der durch mehrere Klapptüren betreten werden kann. Im Hintergrund links ein monströser Bilderrahmen – im ersten Akt noch mit einem verblichenem, schwarz-weißen Porträt-Foto bestückt. im zweiten dann leer –  rechts davon liegt ein ebenfalls ins Riesige vergrößerter, violett-schwarzer Tulpen-Strauß, der in den Szenen am Lido-Strand von Tadzio und seinen Kameraden als Kletter-Felsen benutzt werden kann (Ausstattung: Stuart Nunn). Fast abstakt läuft so die tragische Geschichte ab, in der viele Personen in Mini-Rollen durch den Raum huschen oder marschieren, ganz auf die psychologische Feinzeichnung der Hauptperson konzentriert.

Der aus England stammende Paul Nilon gestaltet die Mammutpartie des Gustav von Aschenbach mit kleinem, aber wohltönenden Tenor und intensiver Darstellungskraft – allerdings ohne ganz die Vielschichtigkeit dieses Charakters  auszuschöpfen. Gegenspieler dieser „Faust“-Figur sollte ein „Mephisto“ sein, den Britten in sieben Mini-Rollen für einen Baß-Bariton aufspaltete. Der junge Amerikaner Seth Carico filtert daraus dank seines mitreißendes Temperaments ein halbes Dutzend köstlich-kraftvoller Mini-Porträts:  als zwielichtiger Gondolier, alter Geck. beflissener Hotelmanager, theatralischer Friseur oder fideler Straßensänger und leiht dazu noch seine Stimme dem – nicht sichtbaren – Dionysos. Apoll dagegen erscheint kurz  – im Straßenanzug – in der Gestalt des Counter-Tenors Tai Oney. Schauspiel-Komparsen toben als Tadzios sportliche Kameraden umher, zeigen Muskeln und nackte Oberkörper (Choreographie: Ron Howell). In zahllosen Klein-Auftritten (Hotelgäste, Trauernde, Venezianer) erscheinen diverse Solisten des Ensembles und des Chores – singend mal auf, mal hinter der Bühne, alle bestens einstudiert und alle musikalisch wundersam zusammengebunden vom Generalmusikdirektor des Hauses, Donald Runnicles, der auch mit seiner vierten Britten-Einstudierung an der Deutschen Oper seine glückliche Hand für den britischen Komonisten eindrucksvoll beweist.

Der von ihm angeregte Britten-Zyklus findet damit – auch in der sorgfältigen Regie –  ein schönes (vorläufiges ?)  Bühnen-Happy-End. Allerdings bleibt noch eine Frage offen: warum verschont diesmal der venezianische Tod den Künstler Aschenbach? Denn der geht am Ende einfach durch die Türe nach Links ab, während Tadzio erschlagen am Boden liegen bleibt ?

Foto: Marcus Lieberenz / bildbühne.de / Deutsche Oper Berlin

Premiere: 19.März 2017 weitere Vorstellungen: 22./ 25.März // 23./ 28.April 2017

Im doppelten Ghetto: ‚Moonlight‘ von Barry Jenkins***

12. März 201724. Juni 2018FilmkritikenNo Comments

MoonlightIn einem mehrfachen Ghetto lebt Chiron:  als Schwarzer, als jugendlicher Außenseiter, als einsamer Schwuler.

In drei Abschnitten zeigt der oscargekrönte Film des 37-jährigen, farbigen Regisseurs Barry Jenkins seine Entwicklung vom verschlossenen, schmächtigen Kind bis zur Karriere als muskelbepacktem, einzelgängerischem Drogendealer.  Im ersten Teil lebt Chiron, der zu dieser Zeit „Little“ genannt wird, mit seiner drogenabhängigen Mutter in einer schwarzen Vorstadt von Miami/Florida. Als schweigsamer Einzelgänger hat nur einen einzigen Freund, Kevin, der ihn immer wieder ermuntert, kein Weichei zu sein und sich gegenüber den anderen Jungs zu behaupten. Auch der schwarze Kubaner Juan, der seine Mutter mit Stoff versorgt, bemüht sich wie ein Ziehvater. aus „Little“ einen echten Mann zu machen, indem er ihm beispielsweise das Schwimmen im Meer beibringt. Auch in der Schule – der zweite Teil spielt einige Jahre später – bleibt Chiron, der nun von allen auch so genannt wird, ein separater Einzelgänger, von brutalen Mitschülern deshalb als Schwuchtel verhöhnt und auch tätlich angegriffen. Nur Kevin hält zu ihm, wagt sogar eine körperliche, sexuelle Berührung, die Chiron innerlich „befreit“ und sich danach in einem unerwartet brutalen Angriff auf einen ihn beleidigenden Mitschüler entlädt. Im dritten und letzten Abschnitt des Films hat sich Chiron, der nun „Black“ genannt wird, zu einem körperlich kräftigen Mann entwickelt. Nicht mehr in Florida, sondern in Atlanta, wo seine Mutter in einer geschlossenen (Entzugs-)Anstalt untergebracht ist, handelt er erfolgreich mit Drogen. Bis er einen Anruf von Kevin erhält, der inzwischen Koch und Angestellter eines Coffeeshops in Miami geworden ist, zudem glücklicher Vater eines kleinen Sohnes. Die beiden unterschiedlichen Freunde treffen sich wieder und resümieren in einem langen Gespräch ihr bisheriges Leben…

Das Drehbuch von Regisseur Barry Jenkins adaptiert das – nie aufgeführte – Theaterstück eines Autors, der wie Jenkins in dem scharzen Vorort von Miami in dem es spielt, aufwuchs und den poetischen Titel trägt: „In Moonlight All Black Boys Look Blue“. Entsprechend zeigt die letzte Einstellung des Films Chiron als Neunjärigen am Strand von Miami und seine dunkle Haut hat im Mondschein einen starken blau-violetten Schimmer. Es ist die formale Vielfalt und Schönheit solcher Einstellungen, die dem an sich konventionellen Ghetto-Drama mit seinen oft klischee-beladenen Szenen und Figuren eine überraschende Ausdruckskraft verleihen. Die Erzählweise ist schnell, oft abrupt oder sprunghaft, das Licht reflektiert die vielfältigen, meist hellen Farben Floridas, die Kamera balanciert dramatugisch zwischen Schärfe und Undeutlichkeit, der Ton ist raffiniert gemixt – ein paar Takte Mozart, viel  schwarzer Pop („Every Nigger is a Star“) – manche Sequenzen bleiben stumm – verweisen auf Chirons Unfähigkeit sich auszudrücken. 

Daß diese Gradwanderung einer ungewöhnlichen filmischen Erzählweise gelingt, verdankt sie vor allem einem bestens ausgewählten Schauspieler-Ensemble, insbesondere den drei  überzeugenden Darstellern der Hauptfigur: Alex Hibbert (Little), Asthon Sanders (Chiron),Trevante Rhodes (Black). Besonders eindrucksvoll durch seine starke Präsenz  als Drogendealer mit väterlichen Gefühlen: Mahershala Ali als Juan – er erhielt dafür den Oscar als bester Nebendarsteller.

Auch wenn sie ausschließlich unter Farbigen spielt, diese Coming-of-Age Geschichte ist weder neu, noch überraschend und vor allem im Schußteil sehr Theater-lastig. Doch die originelle, fantasievolle und zupackende Filmsprache verhilft ihr zu einem schönen und anrührenden Kino-Erfolg.

 

Poster / Verleih: DCM Filmdistribution

zu sehen (Woche 9.-15.3.): Babylon Kreuzberg (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66 (dt, und OmU); Filmtheater am Friedrichshain; Hackesche Höfe Kino (OmU); International (OmU); Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Moviemento (OmU); Neues Off (OmU); Odeon (OmU); Rollberg (OV); New Yorck

 

 

Ein weites Land: ‚Certain Women‘ von Kelly Reichardt****

8. März 201724. Juni 2018FilmkritikenNo Comments

Certain WomenEine Klein-Stadt im US-Bundesstaat Montana, die nähere Umgebung: ein flaches, winterliches Land, in der Ferne die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains. Vier Frauen stehen im Mittelpunkt dreier lose miteinander verknüpften Geschichten.

1. Laura (Laura Dern), eine Anwältin mittleren Alters, hat Schwierigkeiten mit einem Klienten, der ihren juristischen Ratschlag – nicht zu klagen – erst dann beherzigt, als ein männlicher Rechtsanwalt diesen klar bestätigt. Der danach einen Polizisten in Geiselhaft nimmt, und Laura mitten in der Nacht den unblutigen Ausgang vermitteln darf.

2. Die Geschäftsfrau Gina (Michelle Williams) macht mit Mann und pubertierender Tochter einen Camping-Urlaub und träumt von einem eigenen Haus, für das sie umherliegende Sandsteinhaufen einem alten Mann geschickt und freundlich abhandelt.

3. Eine Pferdepflegerin mit indianischen Wurzeln, Jamie (Lily Gladstone), verliebt sich in Beth (Kristen Stewart), eine junge Abendschul-Lehrerin, die gerade ihr Jura Examen bestanden hat. Ob die etwas überanstrengt wirkende Beth die herzlich und unschuldig wirkenden Gefühle der vereinsamten Jamie erkennt, und was sie darüber denkt, bleibt offen. Als sie ihren abendlichen Zusatz-Job (wegen der zu langen Anfahrt in die Schule)  aufgib, kommt es zu einer letzten, stummen Begegnung.

Die amerikanische Regisseurin Kelly Reichardt, die mit Filmen über starke Frauen  wie „Wendy und Lucy“ oder „Meek’s Cutoff“ berühmt wurde, schildert in ihrem neuen Werk – dessen Drehbuch sie bassierend auf Kurzgeschichten der aus Montana stammenden Autorin Maile Meloy verfasste – auf ganz unspektakuläre Weise die Befindlichkeit und Sehnsucht von vier sehr „normalen“, durchschittlichen Amerikanerinnen, die ihren jeweiligen Alltag meistern müssen. Das Wunderbare daran ist, daß die Regisseurin dies nicht in ausführlichen und / oder  erläuternden Dialogen, sondern in sorgfältig ausgesuchten und raffiniert montierten Bildern und Sequenzen erzählt. Stumme Blicke und charakteristische Bewegungen machen deutlich, was im Innern der Frauen vorgehen könnte. Dabei spielt die winterliche Landschaft Montanas nicht nur den optisch dekorativen Hintergrund, sondern öffnet sich als vielschichtiger Resonanzraum für Gedanken und Gefühlen der vier.

Die klaren und offenen Gesichter der Star-Schauspielerinnen sowie ihre darstellerische Präsenz lassen die unterschiedlichen Verhaltensweisen und persönlichen Eigenschaften der Frauen  äußerst lebendig und nachvollziehbar werden. Frauen, die allen widrigen Umständen zum Trotz sich nicht unterkriegen lassen, und die lakonisch und zäh ihr Alltags-Leben zu bewältigen versuchen.

Ein ebenso schlicht wie elegant inszenierter Film über vier Frauen von heute –  ohne jeden ideologisch-feministischen Zeigefinger, dafür voller Empathie und kluger Menschen-Beobachtung.

Poster / Verleih: Peripher

zu sehen: Brotfabrik-Kino; Central Hackescher Markt; City Kino Wedding; Filmkunst 66; fsk Oranienplatz; in allen Kinos nur in „OmU“ -Fassung.

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