Menschen im Hotel: „Der Spieler“ in der Staatsoper *****

spieler.jpgEine kuehle Hotel-Lobby in silber und blau, Menschen sitzen in hellen Fauteuils, einige eilen hinaus oder herein. Russische Spieler in einem deutschen Kurort, man wartet auf Geld-Nachschub oder ein reiches Erbe. Ein General im Ruhestand, seine erwachsene Tochter Polina, die eine Affaere mit einem zwielichtigen Marquis beginnt. Alexej, der Hauslehrer und Faktotum des Generals, heimlich verliebt in Polina. Doch statt des Erbes erscheint unerwartet die Tante aus Moskau selbst und setzt sich ihrerseits an den Spieltisch. Kleine Dramen oder Grotesken entstehen oder loesen sich, meist bleiben die Personen ungluecklich oder vereinzelt zurueck.
Sergej Prokofiew hat 1916/17 eine Oper nach Dostojewski’s bekanntem Roman getextet und komponiert, aber erst eine zweite Fassung brachte es 1929 in Bruessel zur Urauffuehrung. Es ist eine durchlaufende, vielschichtige, fast expressionistiche Partitur, klanglich und rhyhmisch sehr kompliziert, ganz von Ferne gruesst Strawinsky’s „Sacre“. Die Singstimmen werden ausschliesslich deklamatorisch eingesetzt, nur vereinzelt finden sich ariose Momente. Der russische Regisseur und Buehnenbildner Dmitri Tcherniakov laesst die Raeume des Hotels ganz langsam sich nach rechts oder links verschieben, so dass man in immer neue Zimmer Einblick hat, in denen sich die verschiedenen Personen mit sich oder anderen beschaeftigen, auch wenn sie mit der gesungenen Handlung im Augenblick nicht zu tun haben. Dies ergibt einen sehr reizvollen, filmischen Effekt: Menschen im Labyrinth ihrer Gefuehle. Das riesige Darsteller-Ensemble (oft nur winzige Minuten-Auftritte) spielt und singt hervorragend, Vladimir Ognovenko charakterisiert den General als Nervenbuendel hinter Biedermanns-Maske, Kristina Opolais ist eine ebenso schoene wie hochmuetige, aber innerlich ratlose Polina, waehrend Misha Didyk den Hauslehrer Alexej mit kraeftigem Tenor als Zyniker im Parka gibt, jedoch ein bisschen zuviel den russischen Tanzbaeren ausspielt. Daniel Barenboim haelt die vielen musikalischen Faeden souveraen zusammen, befeuert die vorzuegliche Staatskapelle zu differenziertem Spiel, doch ueberdeckt der kompakten Orchesterklang gelegentlich die Saenger auf der Buehne; hier koennte eine ausgefeiltere Dynamik einiges verbessern. Dennoch ein mutiger, ansprechender und anregender Abend, auch wenn Prokofiev’s Jugendwerk wohl nie zum Oper-Hit taugen wird.

Foto: Monika Rittershaus / Staatsoper

Innerhalb der diesjaehrigen Festwoche (15.-24.3.) steht in verbindungsreichem Kontrast zur Prokofiew-Oper die Wiederaufnahme der „MEISTERSINGER“ von Richard Wagner. Doch die gestrige Premiere litt unter Nervositaeten und Unebenheiten im Orchestergraben wie auf der Buehne. Vor allem fehlte ein Zentrum: der Saenger des Hans Sachs (James Morris) besass keine Ausstrahlung, weder musikalisch noch darstellerisch. Das vermochten auch das insgesamt gute Ensemble – darunter Dorothea Roeschmann als strahlendes Evchen oder Roman Trekel mit einer ausgefeilten Beckmesser-Studie – kaum wettzumachen. Selbst die Harry-Kupfer-Inszenierung hat nach 10 Jahren in ihrer betonten Naivitaet einigen Altersspeck angesetzt, und der viel beschaeftigte Daniel Barenboim dirigierte eher mit Rotine als mit Inspiration. Natuerlich machte die Schluss-Szene durch maechtigen Chor und hohes Pathos wieder viel Effekt, aber insgesamt glich die Auffuehrung eher dem Repertoire-Alltag als einer (teuren) Festwochen-Gala.