Seemannsgarn: „Arbeit Nahrung Wohnung“ im Magazin der Staatsoper ***

poppe.jpgNur wenige Tage nach ihrer Muenchner Biennale-Urauffuehrung gastiert die neue Musiktheater-Produktion des 39jaehrigen Komponisten Enno Poppe und seines Librettisten Marcel Beyer in Berlin. Es ist eine zeitgenoessischen Variante des Robinson-Crusoe-Thema’s, allerdings rueckwaerts erzaehlt. Ein Gruppe von Saengern und Musikern in Seemannskleidung entern zu Beginn die kleine Buehnen-Wohnung mit Kueche und Werkraum, in der der kauzig-steife Robinson (Graham F.Valentine) und sein glatzkoepfiger Diener Freitag (Omar Ebrahim) hausen. Hier haben die beiden in den langen Jahren der Einsamkeit die Grundlagen der menschlichen Zivilisation wiedererlernt: wohnen, essen, arbeiten. Doch der moderne Robinson resigniert am Ende des zweistuendigen Werkes: will nicht mehr in die Gesellschaft zurueck. In 14 musikalischen Szenen wird diese Entwicklung angespielt – erkennen oder nachvollziehen kann der Zuschauer davon wenig. Der lyrische Text von Marcel Beyer, seine Sprach-findungen und -spiele sind nicht zu verstehen, trotz der virtuosen Mischung aus gesprochenem, lautmalendem oder gesungenem Wort. Enno Poppes Musik gestaltet raffinert und kontrastreich Musik-Nummern aus Gerauschen, Keybord-Klaengen und vielfaeltigem Schlagwerk. Das fabelhafte Maennerquartett der Neuen Vocalsolisten Stuttgart und die acht Musiker der Koelner musikFabrik (Leitung: Michael Wendeberg) praesentieren die phantasievollen TonKaskaden und Klangmischungen auf das effektvollste. Doch ein dramatischer Funke will sich nicht entzuenden, die musikalische Dramaturgie verlaeppert sich in Endlosschleifen. Auch das raffiniert-schlichte, szenische Arrangement und die scheusslich-schoene Ausstattung von Anna Viebrock vermoegen die mangelnde Dramatik nicht auszugleichen. Hohe Professionalitaet, kluge Gedanken und exquisite Einfaelle machen noch kein Musiktheater – und so funkt auch Robinson am Ende mittels einer Taschenlampe etwas verzweifelt SOS ins Publikum. Dennoch herzlicher Applaus.

Foto: Muenchner Biennale / Staatsoper unter den Linden