Fulminante Nazi-Satire: „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino ****/*****

Eine toll-kuehne Geschichte:  Hitler, Goebbels und das halbe deutsche Oberkommando fallen im besetzten Paris des Jahres 1944 einem Gross-Attentat zum Opfer – ausgerechnet in einem Kino bei der Premiere eines Nazi-Propaganda-Films. Der Untergang des 3.Reiches in einem bombastisch-schoenen Flammen-Meer.
Verantwortlich dafuer sind in Quentin Tarantinos mitreissender Farce zwei unterschiedliche Gruppen. Zum einen die Besitzerin des Kinos, eine junge Juedin, die drei Jahre zuvor nur knapp ihrer Verhaftung entkommen war – das erste der fuenf Kapitel des Film zeigt ihre Entdeckung und Flucht in einer langen, beruehrend-realistischen Szene auf einem abgeschiedenen Bauernhof – und die nun die zufaellige Gelegenheit der Rache an den Nazi-Groessen wahrnimmt, indem sie mittels ihrer 350 hoch-brennbaren Nitrofilme das (zuvor verriegelte) Kino in einen gigantischen Scheiterhaufen zu verwandeln beabsichtigt.
Zum anderen hat sich gleichzeitig der englische Geheimdienst eine „Operation Kino“ ausgedacht, bei der eine als Nazi-Offiziere verkleidete Gruppe amerikanisch-juedischer Widerstands-Kaempfer, die sogenannten „Inglourious Basterds“, durch eine deutsche Filmschauspielerin, die als Agentin fuer die Englaender arbeitet, in die Premiere eingeschleust werden und die dann mit Waffengewalt dem Nazi-Spuck sein verdient-graussiges Ende bereiten sollen.
Eine komplizierte Geschichts-Fantasie, die mit grossem cineastischem Raffinement erzaehlt wird: eine bizarre Mischung aus Kriegsfilm und Slapstick, aus Melodram und boeser Komoedie. Alle Ereignisse und Personen sind Klischee und Zitat – und zwar aus der gesamten Filmgeschichte, aber so ungewoehnlich und originell benutzt, dass es dem Film gelingt, statt der historischen, eine tiefere Wahrheit zu zeigen: naemlich die Nazi-Ideologie in ihrer unheilvollen Verquickung von Intelligenz und Bestialitaet, von aeusserem Bombast und innerer Perversion.
Effektvoller Clou und strahlender Mittelpunkt der boesen Satire ist – neben glaenzenden (von Tarantino selbst geschriebenen) Dialogen, vorzueglichen Schauspielern (u.a. Brad Pitt, Diane Kruger, Daniel Bruehl, Til Schweiger, Melanie Laurent) und einer elegant-virtuosen Inszenierung -  die Figur des SS-Obersten und „Judenjaegers“ Hans Landa, gespielt von dem bisher international kaum bekannten oesterreichischen Schauspieler Christoph Waltz. Sie verbindet dramaturgisch die unterschiedlichen Erzaehlstraenge und ist – neben der juedischen Kinobesitzerin – fast die einzige realistisch gezeichnete Person, ein zwiespaeltiger, schillernder Charakter. Mit sueffissanter Eleganz und sprachlicher Geschmeidigkeit spielt Waltz dieses blonde Ungeheuer und es gelingt ihm etwas fast Undarstellbares zu verkoerpern: die erschreckende Faszination des Boesen. Die goldene Palme von Cannes als bester Schauspieler des diesjaehrigen Festivals gebuehrt ihm zurecht.
Es gibt auch Einwaende gegen den Film; viele Szenen werden ungewohnt breit ausgespielt (Gesamtlaenge: 154 Minuten), gelegentlich bleibt der dramaturgische Faden haengen oder faellt die Personenzeichnung allzu knapp aus – doch diese Schwaechen werden von der politisch-kritischen Intelligenz der Story und dem Furor der Inszenierung rasch beiseite gewischt: ein boes-vergnueglicher Mix aus „Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung“.
Huebsche Pointe am Rande: Tarantino realisierte seine Abrechnung mit den Nazis ueberwiegend in Babelsberger Studios – sozusagen in Hitlers Traumfabrik. Auch eine Art von  Racheakt!
PS. Im Original mischen sich die Sprachen, wird franzoesisch, deutsch und englisch gesprochen.(Im Schlussteil sogar ein bisschen italienisch). Diese Sprachvielfalt wird nicht nur atmosphaerisch, sondern auch dramaturgisch eingesetzt; so z.B. wechselt der SS-Oberst vom Franzoesisch ins Englische, damit die versteckt zuhoerenden und nur franzoesisch sprechenden Juden ihn nicht verstehen, oder: durch einen falschen deutschen Akzent verraten sich die verkleideten amerikanischen Basterds in einer Kneipe gegenueber den anwesenden Nazis. Der Film spielt oft sehr geistreich mit Woertern, Sprachen und auch mit Untertiteln – eine Ebene, die in der deutschen Synchron-Fassung verloren geht. Man sollte sich – so moeglich -  die „Basterds“ (sic!) entweder im Original oder in der Fassung mit deutschen Untertiteln ansehen.

Foto/Verleih: Universal

zu sehen: u.a. CineStar im SonyCenter (OF); Hackesch Hoefe (OmU); International (OmU); Odeon (OmU); Delphi; CinemaxX am Potsdamer Platz; Cubix am Alex; Colosseum; Zoo Palast; Thalia Potsdam