Im Reich der Gartenzwerge: Richard Wagners “ Meistersinger“ in der Komischen Oper Berlin **

Von Nürnberg nach Krähwinkel:  über die sonst leere Bühne rollen 5 Stunden lang ein Dutzend kleine, glattwandige Häuschen (nebst einem schlanken Kirchturm) und werden wie Bauklötzchen zu immer neuen Gässchen und Plätzen gruppiert, meist vorn an der Rampe. In schlichten, heutigen Klamotten wuseln Volk und Meistersinger dazwischen umher: eine putzig-kleine Wilhelm-Busch-Welt – ebenso brav wie bieder (Regie: Andreas Homoki, Bühne: Frank Philipp Schlössmann, Kostüme: Christine Mayer). In dieses nette Gartenzwergreich stürzt sich der lang aufgeschossene Junker von Stolzing, weil er sich in die blonde Eva verliebt hat, die ihrerseits eine starke Zuneigung zum älteren (verwitweten) Schuster Hans Sachs verspürt. Aber am Ende kriegen sich natürlich die Jungen, der Ältere zeigt melancholischen Edelmut und die kleine (Spiesser-)Welt ist wieder in Ordnung.
Eine „Meistersinger“-Inszenierung solide gearbeitet und mit einigem Effekt arrangiert, aber ohne jeden Widerhaken und Biss. Kunterbunt wie die Bauklotz-Häuschen und Kostüme, die zuerst ausschliesslich  grau und blass, im letzten Bild aber rot, grün, gelb und blau leuchten. Die berühmt-heiklen (national-chauvinistischen?) Stellen des Librettos werden zwar nicht überspielt, aber mit ein paar vagen, symbolischen Bewegungen ins Unverbindliche entschärft. Die „Meistersinger“ als nette, deutsche Spieloper – gewürzt mit ein bisschen sanfter Ironie. Kritisches zu Werk und Rezeption bleibt hier bewusst ausgeblendet, die Aufführung präsentiert sich so ganz  im Geiste von Alt-Wagnerianern.
Und der neue Generalmusikdirektor? Patrick Lange hat das Orchester fest im Griff, lässt die Musiker temperamentvoll und klangprächtig aufspielen, heizt aber das gesamte Ensemble an, als befinde er sich auf dem Oktoberfest -  lauter, dröhnender geht’s nimmer. Die leisen,lyrischen Passagen besitzen da kaum Gegengewicht. Aber: Lautstärke ersetzt nicht Intensität.

Tomas Tomasson als Hans Sachs zeigt einen kernigen Bass und einen dicken,schwarzen Schnurrbart, Marco Jentzsch gibt als Stolzing einen jugendlichen Feuerkopf – zuerst mit schönen Tönen, im Preislied dann aber überfordert -, Ina Kringelborn ist ein etwas sprödes Evchen und Tom Erik Lie spielt einen spillerig-kauzigen Beckmesser mit kraftvollem Bariton. Der Chor klingt – wie fast immer in diesem Haus -  ausgezeichnet.
Richard Wagners verzwickt-vielschichtige Komödie über Kunst, Politik und Leben wird in dieser Neuinszenierung der Komischen Oper zum auftrumpfend-harmloses Musical. Rauschender Beifall.

Foto:Monika Rittershaus/ Komische Oper