Kriegs-Greuel: ‚Mazeppa‘ in der Komischen Oper***

Iwan Mazeppa war Anführer einer Kosaken-Truppe, die Ende des 17.Jahrhunderts versuchte, die Ukraine aus dem russischen Reich zu lösen. Doch in der Schlacht von Poltawa schlug Zar Peter der Grosse die aufständischen Ukrainer, Mazeppa flüchtete ins Exil.
In seinem epischen Gedicht von 1828 verknüpft Alexander Puschkin diesen Freiheitskampf mit einer tragisch endenden Liebesgeschicht zwischen dem schon älternen Mazeppa und der blutjungen Maria, Tochter eines reichen Gutsbesitzers.
Peter Tschaikowsky gestaltete daraus eine meisterhafte Oper, uraufgeführt 1884 am Bolschoi-Theater in Moskau, die aber ausserhalb des russischen Kulturbereiches kaum aufgeführt wird. Woran sicherlich das stark national-bezogene Libretto die Hauptschuld trägt. (In der Ukraine gilt Mazeppa bis heute als Nationalheld, in Russland als Landesverräter).
Dass der neue Intendant der Komischen Oper, Barrie Kosky, dieses Musikdrama erstmals in Berlin inszenieren lässt, ist sehr zu begrüssen, zumal – ebenfalls erstmals im Haus an der Behrenstrasse – in der russischen Originalsprache gesungen wird, was der musikalischen Farbe und ihrem Fluss sehr zu Gute kommt und zugleich dank eines hochkarätigen Gast-Ensembles das vokale Niveau deutlich verbessert.
Problematisch dagegen die Regie des flämischen Regisseurs Ivo van Hove, der – vom Sprechtheater kommend – zwar die zunächst liebevollen, später tragischen Ereignisse zwischen Mazeppa, Maria, ihrem Jugendfreund Andrej und ihren Eltern sehr plastisch und auch anrührend in Szene zu setzen vermag, der aber mit den grossen Chor- und Ensemble-Szenen wenig anzufangen weiss, und recht hilflos die sonst auch darstellerisch so vorzüglichen Chormitglieder herumlaufen lässt.
Van Hove und sein Team verlegen die historische Geschichte in die Gegenwart, blenden immer wieder grobkörnige Video-Aufnahmen von aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen ein, zeigen Folterungen, blutige Opfer, Verstümmelungen und jede Menge Leichen.
Auch auf der Einheits-Bühne, die eine weitläufige, offene Halle mit Beton-Säulen und flachen Treppen darstellt, wird gefoltert, Marias Vater hingerichtet, der Jugendfreund brutal erschossen – und am Ende irrt die wahnsinnig gewordene Maria zwischen herabhängenden Deckenbalken und wallendem Bühnennebel umher, ein sanftes Wiegenlied auf den Lippen.
Musikalisch hält der neue Chef Henrik Nanasi die Zügel straff in der Hand, lässt die lyrischen Momenten zart-melancholisch leuchten, spitzt die dramatischen Szenen kraftvoll zu – gelegentlich jedoch zu laut. Auch die durchwegs vorzüglichen Sänger-Darsteller lassen sich davon anstecken – besonders in den hochdramatischen Finali der ersten beiden Akte wird fast gebrüllt – von einem Teil des Publikums – nach dem Motto je lauter, je besser -  heftig beklatscht.
Der englische Bariton Robert Hayward, ein Glatzkopf im dunkel-grünen Guerilla-Dress, verkörpert überzeugend die beiden Seiten des Mazeppa: den liebenden, älteren Mann und den eiskalten Krieger; die junge Asmik Grigorian ist – mal im roten, mal im schwarzen Mini-Kleid -  eine Maria mit scharf-leuchtendem Sopran; Ales Briscain als Jugendfreund Andrej überrascht durch einen kraftvollen Tenor; Alexey Antonov ist mit wohltönendem Bass der sture, später gefolterte Vater Marias, Agnes Zwierko mit sattem Alt ihre strenge Mutter im geblümten Hemdblusenkleid. Bestens auch die Sänger der kleinen Nebenrollen, klangschön der Chor, trefflich vorbereitet von Andre Kellinghaus.
Tschaikowsky’s „Mazeppa“ wird es trotz ihrer (auch ohne populären Hits) wunderbaren Musik und ihrer hörenswerten Interpretation in der Komischen Oper schwer haben – zu fremdartig bleibt das nationale Pathos der Story, zu zwiespältig präsentiert sich die Inszenierung:  bei der Premiere spendete das Publikum den Musikern und Sängern herzlichen Applaus, dem Regieteam überwiegend Buhs.

Foto: Gediminas Zilinkas/Blotto Design/Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 2./ 3./ 17./ 30.März / 5.April/ 2.Juli