Schoene Talentproben: „Shut up and Dance! Reloaded“ – Das Staatsballett in der Komischen Oper ****

Neue Choreographen – vor allem gute – sind weltweit Mangelware. Deshalb ist es eine kluge und zukunftstraechtige Idee von Staatsballett-Intendant Vladimir Malakhov, seinen Taenzern, maennlichen wie weiblichen,  die Chance zu bieten, ihre choreographischen Talente auszuprobieren – und zwar unter besten Bedingungen.
Nach zwei erfolgstraechtigen Produktionen – 2005 im Magazin der Staatsoper und 2007 in einem Club – werden nun sieben neuere Arbeiten, davon fuenf Urauffuehrungen, zu einem attraktiven, fast drei-stuendigen Abend in der Komischen Oper gebuendelt.
Klar, dass Themen und Schrittvokabular stark von Vorbildern und der all-taeglichen Arbeit der Taenzer gepraegt sind. Andererseits aber werden Ideen und Bewegungen auspobiert, die innerhalb einer klassisch gepraegten Kompanie kaum oder nur am Rande eine Rolle spielen.
Bemerkenswert:  kein Werk wird zu klassischer Musik getanzt,  zu hoeren sind ausschliesslich Rock-, Punk-, elektronische oder experimentelle Klaenge. (Manchmal sehr laut). Atmosphaerisch – auch dies eine ueberraschende Uebereinstimmung – herrschen abstrakte oder ernste Sujets vor – Komoediantisches fehlt fast voellig.
So beeindruckt die russische Gruppentaenzerin Xenia Wiest durch eine duestere, „gothic“-gestimmte „Messe“ fuer drei Paare, die aus dem Dunkeln kommen und darin wieder verschwinden. Der Berliner Tim Plegge, an der Ernst-Buch-Hochschule ausgebildet, zeigt einen melancholischen, traumartigen Pas-de Trois, dem ein Mann als Kontrastfigur gegenuebergestellt ist, der einen lyrischen Texte reflektiert (nicht ganz unproblematisch). In weichen, fliessenden Bewegungen figuriert Sebastian Nichita zwei sich an- und abstossende Paarbeziehungen – eine Arbeit, die – 2005 uraufgefuehrt –  an den vor kurzem gestorbenen Taenzer erinnert – vom ungarischen Landmann und Kollegen Martin Buczko einstudiert. Buczko selbst entwirft einen huebschen Pas-de-Deux vor einem sich langsam vergroessernden Mond.
Effektvoller Abschluss des Abends – nach der Pause – bildet das abstrakte 50-Minuten-Werk „Egopoint“ der Ersten Solistin des Staatsballets Nadja Saidakova, das im letzten Dezember bei der „Spielzeit Europa“ erstmals aufgefuehrt wurde. Virtuos und exzellent getanzt (u.a. Beatrice Knop, Elena Pris, Michael Banzhaf), aber mehr modisch hochgestylte, raffinierte Buehnen-Show, choreographisch eher belanglos.
Fazit: Talente sind vorhanden – jetzt muessen sie gefoerdert und weiterentwickelt werden. Garantie auf Erfolg gibt’s allerdings nicht.

Foto: Enrico Nawrath/Staatsballett Berlin

naechste Vorstellung: 8.Feb.; dann wieder im Mai/Juni/Juli