Flip-Flop’s statt Kothurn: Telemann’s „Der geduldige Sokrates“ in der Staatsoper **

xtele.jpgBigamie als Gesetz: der Philosph Sokrates hat damit seine liebe Not wie auch einige andere Damen und Herren im antiken Athen. Natuerlich kommt es nach ausfuehrlichen Streitereien, keifendem Weibergezaenk, verzweifelten oder komischen Liebesverwechslungen zum allgemeinen Happy End und das bizarre Gesetz der Doppelehe wird aufgehoben: viel Laerm also um nichts. Dieses brave Lustspielchen diente Georg Philipp Telemann als Libretto zu einer dreiaktigen Oper, die 1721 am Hamburger Gaensemarkt uraufgefuehrt wurde.
Das in Barock-Opern bewaehrte Regie-Team Nigel Lowery/Amir Hosseinpour („Rinaldo“) laesst wiedereimal die modischen Puppen tanzen: im pastell-hellen,spiegelbildlichen Einheitsbuehnen-Raum zwischen schicker Designerkueche und prallgefuellten Buechergestellen rennen, huepfen,taenzelen der eier-koepfige Philosph,die beiden resoluten Ehefrauen, seine kurzbehosten Schueler, zwei platinblonde Prinzessinen im blauen Stewardessenkostuem,ein verzweifelter und ein verschusselter Liebhaber sowie ein goldkettchen-tragender Papa nebst zwei schirmbemuetzten Gespielinnen. Eine Musical-Comedy im Stil einer Vorabendserie – grell, bunt, turbulent und voll ironischen Witzes. Aber: viel zu lang, statt vergnueglicher zwei, sich dehnende vier Stunden. Auch die huebsche Musik Telemanns und ihre vitale Darbietung durch den wunderbaren Dirigenten Rene Jacobs und seine „Akademie fuer Alte Musik“ koennen darueber nicht ganz hinwegtaeuschen. Zumal etwas schematisch Arie an Arie gereiht werden – wenn auch raffiniert mit Rezitativen und kurzen Duetten verblendet -  doch operngemaesse, dramatische Steigerungen fehlen. Die Saenger (ueberwiegend junge, hier noch unbekannte Virtuosen) zeigen sich in Hochform, spielen, tanzen und laessen die Toene perlen, dass es ein Hochgenuss ist. Barocke Unterhaltung im flotten Gegenwarts-Ambiente, musikalisch praechtig praesentiert – aber in seiner langsamen Beschaulichkeit sehr gewoehnungsbeduerftig fuer’s heutig-schnelle (un-geduldige?)Publikum.

Foto:Monika Rittershaus