Zivilcourage: „Milk“ von Gus Van Sant ****

Nach meheren vergeblichen Versuchen wurde Harvey Milk im Januar 1978 als Abgeordneter des 5.Distrikts in den Stadtrat von San Francisco gewaehlt: als erster bekennender Homosexueller. Nach elf Monaten erfolgreicher Arbeit fiel er im November des gleichen Jahres einem Mordanschlag durch seinen konservativen Konkurrenten Dan White zum Opfer. Kurz zuvor hatte Milk seine bisherigen Lebenserinnerungen in ein Diktiergeraet gesprochen – fuer den Fall seines Todes.
Von dieser Situation ausgehend, erzaehlt der Film in ausfuehrlichen Rueckblenden die Geschichte Harvey Milks. Vom Aufbruch des 40jaehrigen etablierten Bank-Angestellten aus New York in ein unbekanntes, freies Leben in der Schwulen – und Hippie-Szene von San Franciscos. Vom ersten buergerschaflichen Engagement in der Castro-Street bis zu den vergeblichen Versuchen in den Stadtrat gewaehlt zu werden. Milk ist jedoch ein kluger, lernfaehiger Kopf,  der mit Charme und Charisma sich durchzusetzen weiss und schliesslich sein Ziel erreicht, naemlich dass Buergerechte auch fuer Homosexuelle gelten.
Auf geschickte Weise verknuepft der Film das private mit dem politischen Leben Milks, zeigt wie sie sich gegenseitig ergaenzen. Die meist ungluecklich endenden Liebesbeziehungen und die Attraktivitaet seiner politischen Auftritte.  Dabei singt der Film kein Heldenlied, sondern bleibt nuechtern, freundlich distanziert, oft witzig. Auch die Gegener werden nie im platten Schwarz-Weiss gezeichnet, ob die (dokumentarischen) Fernseh-Auftritte der Anita Bryant oder die (gespielten) Rede-Duelle mit dem konservativ-religioesen Senator John Briggs. Besonders bemerkenswert die schillernde Charakterisierung des ehemaligen Polizisten, Gegeners und Moerders Dan White (oscarnominiert: Josh Brolin): anziehend und abstossend zugleich. Doch zum mitreissenden Bio-Pic wird der Film vor allen durch Sean Penn. Er spielt diesen Milk ueberzeugend bis in die kleinste Geste – ein aufrechter Buerger, engagiert, ehrlich,  mitfuehlend, humorvoll.  Sean Penn traegt den Film, so klug und virtuos auch Gus Van Sant seine Regie-Kuenste ausspielt.
Kleiner Einwand: eine gewisse Glaette des Films – von den sehr dezenten (jugendfreien !) Szenen im Schwulenmilieu bis zur staendig rauschenden Musik und dem zu pathetischen Schluss. Irritationen oder subversive Elemente wie in frueheren Filmen Gus Van Sant’s („Elephant“, „Paranoid Park“) sind einer farbig-raffinierten,  aber vorhersehbaren Erzaehlweise gewichen. Offenbar muss breiter Erfolg mit kleinen Zugestaendnissen erkauft werden – ob im Studio von Hollywood oder im Rathaus von San Franciso.

Foto/Verleih: Constantin

zu sehen: Odeon (OmU). Hackesche Hoefe (OmU), Neue Kant Kinos, Kulturbrauerei, CinemaxX Potsdamer Platz u.a.