Kasperle-Theater mit Schwanenfeder: „Lohengrin“ in der Staatsoper **

Die Geschichte vom mittelalterlichen Schwanenritter, der einer edlen Jungfrau zu Hilfe kommt aber ihr verbietet, nach seinem Namen zu fragen, scheint heutigen Regisseueren erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten. Weder Goetz Friedrich (Deutsche Oper) noch Harry Kupfer (Staatsoper) konnten in juengerer Zeit mit ihren Inszenierungen ueberzeugen. Jetzt versucht es Daniel Barenboim bei seinem zweiten Lohngrin-Dirigat an der Staatsoper mit einem neuen, jungen Regisseur – dem mit viel Bayreuther Vorschuss-Lorbeer („Parsifal“, 2008) bedachten Norweger und Wahl-Berliner Stefan Herheim.
Herheim und sein Team bieten keine romantische Interpretation, sondern wollen die Oper und ihre Rezeptions-Geschichte kritisch befragen. Der Trick:  alle Darsteller – Solisten wie Chor, im heutigen Gewand – fuehren Marionetten in historischer Kostuemierung vor, demonstrieren gleichermassen die Oper als mueales Puppentheater. Im 2.Aufzug allerdings schluepfen alle Personen rasch in die konventionellen, historischen Kleider, auf einem Podium werden ein paar Papp-Kulissen aufgerichtet und nun spielen alle pathetisch ueberzogen den Gang zum -  und den Streit der Frauen vor dem Muenster. Im 3.Akt erscheinen die Puppen und ihre Spieler nun wieder im heutigen Freizeit-Look – nur Lohengrin bleibt stehts der silbern geruestete Schwanenritter, entschwebt am Schluss – gleich einer Marionette – in den Buehnenhimmel, um wenige Sekunden spaeter mit Getoese herunterzufallen: black-out.
Kritisches Theater oder klamottige Parodie – jeder darf sich selbst seinen Reim auf die aufwendige und mit allerlei Video-Projektionen durchmischte Interpretation machen:  zwischen gehoerntem Germanen-Helm und schraegem Wagner-Barret. Viel gedacht (im Programmbuch), aber wenig davon im quirligen Gewusel auf der Buehne zu erkennen. Eine einzelne Schwanenfeder, auch wenn sie sehr dekorativ herabsinkt, entraetselt noch keinen „Lohengrin“, dazu bleibt dieses Musikdrama viel zu komplex.
Die unklare Linie dieser Neu-Inszenierung macht sich auch musikalisch bemerkbar: die Staatskapelle scheint gelegentlich unkonzentriert, Barenboim dirigiert sehr pauschal und oft zu laut, der Chor wirkt akustisch oft unguenstig plaziert. Klaus Florian Vogt singt den Lohengrin mit hell toenender Trompeten-Stimme, gut gefuehrt aber einfarbig – ein gewoehnungs-beduerftiger Tenor. Dorothea Roeschmann dagegen ueberzeugt als lebhafte, jugendlich-dramatische Elsa, waehrend Michaela Schuster als Disney-boese Ortrud (besonders im 3.Akt) an die Grenze ihres Stimmvermoegens gelangt. Gerd Grochowski ist ein grauer, blasser Telramund,  Kwangschul Youn dagegen beeindruckt als Koenig durch einen schoenen und markantem Bass. Der Heerrufer des Arttu Kataja praesentiert sich etwas stimm-schmal  im Fell einen Berlin-Baeren vor einenem Plakat mit der Aufschrift: „Und das ist gut so“ ! ?
Im Ansatz interessant, aber in der Umsetztung – szenisch wie musikalisch -  schwach : Richard Wagners romantische Oper bleibt nach wie vor eine hart zu knackende Nuss.

Foto:Karl Forster/Staatsoper