Matte Blüten-Lese: ‚Winterreise‘ im Deutschen Theater **

Die Bühne des Deutschen Theaters hat sich in eine prächtige Blumenwiese verwandelt, eine Sitzbank in der Mitte, ein Konzertflügel im Hintergrund. Fünf Frauen in hellen, duftigen Sommerkleidern, Rucksäcke umgeschnallt, wandern auf und ab, pflücken kleine Sträusse, ruhen sich aus, klimpern ein wenig auf dem Klavier – bis aus einem verborgenen Lautsprecher Ausschnitte aus Franz Schuberts spätem Liederzyklus „Winterreise“ (interpretiert vom Bariton Michael Volle) zu hören sind.
Einzelne Sätze oder Satzwendungen aus diesen Liedern werden (bei angehaltener Musik) zu Stichworten für allerlei Wortspiele oder für lange Textpassagen, die mal vom ganzen Damen-Ensemble, gelegentlich als Dialog, überwiegend jedoch Monologe vorgetragen werden. Darin wird ausführlichst über die vergehende Zeit, über die Liebe, das Leben und den Tod philosophiert, nachgedacht oder gekalauert.
Elfried Jelinek, die Autorin,  erfand für auch ihr neuestes Stück, das im Februar diesen Jahres an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt wurde, eine schier endlose Suada, in der sie diesmal jedoch weniger ihre Ansicht zur politischen Geschichte und Vergangenheit Österreichs als ihre eigene Biographie und ihre persönlichen Probleme wortreich und -wie immer- sprachgewaltig umspielt. Neben einigen bissigen Anmerkungen zum Fall Natascha Kampusch und des damit verbundenen, degoutanten Presse-Rummels sind das Verhältnis zu ihrer autoritären Mutter, die Demenzerkrankung ihres Vaters und seine „Abschiebung“ in eine psychiatrische Anstalt sowie ihre eigenen Versagens-Ängste und Depressionen die wesentliche Themen, die von den fünf umherwandernden Blumen-Pfückerinnen mehr oder weniger wortreich und umfassend ausgebreitet werden. Manchmal klingt das recht komisch, öfters jedoch tönt’s anklagend-pathetisch – und auf die Dauer von knapp drei Stunden auch ziemlich enervierend.
Zumal die Sprech-Kunst der fünf Schauspielerinnen das gepflegte Mittelmass nicht überschreitet und auch das gestisches Repertoire sich auf das immer gleiche Arme-Recken und den Textrhythmus- Skandieren beschränkt.
Kein grosser Abend, den Regisseur Andreas Kriegenburg aus dem redundanten Jelinek-Text gefiltert hat – trotz des hübschen Bühnenbilds (Nikolaus Frinke) eine sehr un-theatralische Inszenierung und – im Vergleich mit anderen Jelinek-Stücken – ohne anregenden Biss.

Foto: Deutsches Theater (Arno Declair)

nachste Aufführungen: 18.9. / 1. / 3. / 26. 10