Für Fans: ‚Woody Allen: A Documentary‘ von Robert B.Weide***

Alles, was Sie schon immer über Woody Allen wissen wollten : in diesem – für das amerikanische Fernsehn gedrehten – Dokumentarfilm können Sie es erfahren – fast. Längere und kürzere Statements von Freunden, Schauspielern, Mitarbeitern, Produzenten und Managern, ältere und ein ausführliches, extra für diese Dokumentation geführtes, neues Interview mit Allen selbst, dazu Reportagen von Dreharbeiten und viele Ausschnitte aus zahlreichen Filmen  -  all dies ergibt eine klug-geschnittene, detailreiche und unterhaltsame Biographie des berühmten, amerikanischen Komikers, Autors, Film-Regisseurs und Musikers – inzwischen fast 77 Jahre alt.
Besonders interessant der erste Teil : wie aus dem schüchternen, aber vom Kino faszinierten jüdischen Jungen Stewart Allen Konigsberg, geboren und aufgewachsen in Brooklyn, zunächst ein Gag-Schreiber für andere, dann für sich selbst, später – unter dem Künstlernamen Woody Allen – ein erfolgreicher ‚Comedian‘ und ‚performer‘ in diversen New Yorker Clubs sowie ein gefragter Talk-Gast in den grossen amerikanischen TV-Shows wurde. Naheliegend, dass auch Filmproduzenten auf ihn aufmerksam wurden: er schrieb 1965 das Buch für „What’s New, Pussycat“ (Regie: Clive Donner), in dem er auch einen kleinen Gastauftritt bekam, war aber entsetzt über die Einmischung und die Eingriffe, die Studio und Produzent an diesem Film vornahmen. Er schwor, nur noch dann Filme zu drehen, wenn er die alleinige Vollmacht über das Werk bekommt: ein Grundsatz, den er bis heute beibehalten hat – auch dank einsichtiger Produzenten-Freunde.
Seine ersten Filme (‚Take the Money and Run‘, 1969; ‚Bananas‘, 1971; ‚The Sleeper‘, 1973; ‚Love and Death‘, 1975, u.a.) charakterisiert Allen selbst als Abfolge von Sketchen, allein gedreht, um die Lachmuskeln des Publikums zu reizen. Erst mit ‚Anni Hall‘ (dt.’Der Stadtneurotiker‘, 1977) gelingt ihm eine echte Filmkomödie über gegenwärtige Menschen (statt Karikaturen) und über deren Gefühle, über Liebe, Trennung und Tod. Kein Wunder, dass Allen auch bald ins Tragische wechselt (‚Interiors‘, 1978) mit  dem Vorbild Ingmar Bergmann oder auch ins Surreal-Tragi-Komische im Stil Federico Fellinis (‚Stardust Memories‘,1980) – für die US-Filmkritik allerdings ein Absturz in der bisher erfolgreichen Karriere.
Allen reagiert darauf mit neuen Komödien (‚Zelig‘, 1983; ‚Broadway Danny Rose‘,1984; ‚The Purple Rose of Cairo‘, 1985, u.a.) oder komödiantisch ausbalancierten Dramen (‚Hannah and Her Sisters‘,1986; ‚Crimes and Misdemeanors‘, 1990, u.a.).
Bei all diesen Werken spielen verschiedene Schauspielerinnen als Freundin, Geliebte oder Ehefrau  im Leben wie auf der Leinwand entscheidende Rollen, besonders Diane Keaton erzählt klug und liebevoll von solchen Parallellen. 1992 jedoch kommt – während der Dreharbeiten zu ‚Bullets over Broadway‘ – der tiefe Fall: Mia Farrow, damals Lebensgefährtin und künstlerische Muse,  entdeckt, dass Allen ein Verhältnis mit ihrer koreanischen Adoptiv-Tochter unterhält – die amerikanische Boulevard-Presse steigt gross darauf ein – Allens Karriere scheint beendet.
Doch schon kurze Zeit später dreht Woody seinen nächsten Film (‚Mighty Aphrodite‘, 1995), dem viele weitere, mehr oder weniger erfolgreiche Komödien folgen. Ab hier wird Robert Weide’s Dokumentarfilm etwas pauschal und für Nicht-Spezialisten unüberschaubar. Zwar darf Allen noch knapp seine Arbeitsweise (seine riesige Zettelsammlung von Einfällen; das Tippen auf der alten, deutschen Schreibmaschine) erläutern und seine Abneigung gegen öffentliche Auftritte (in Cannes oder Hollywood) kundtun, aber über die Filme und deren inneren Zusammenhang mit seiner Lebens-Philosophie wird nur oberflächlich berichtet; die zuletzt in Europa gedrehten Werke (u.a. ‚Match Point‘, 2005; ‚Vicky Cristina Barcelona‘, 2008; ‚Midnight in Paris‘,2011) werden nur viel zu kurz gestreift.
‚Woody Allen: A Documentary‘ ist ein buntes Kaleidoskop für alle, die den amerikanischen Schauspieler und Regisseur lieben und schätzen. Der Film bietet kaum kritische Analysen, sondern erzählt Geschichten und zeigt Bilder aus Allens Leben und Arbeit , die so noch wenig bekannt waren. Und – das ist sein Trumph – er lässt Woody immer wieder selbst zu Wort kommen, zu seinem unschlagbaren, trocken-trefflichen Witz. „Mr.Allen, was halten Sie vom Tod?“ – „Ich bin dagegen!“

Poster/Verleih:NFP

zu sehen: Cinema Paris; CineStar SonyCenter; Filmtheater am Friedrichshain; Kino in der Kulturbrauerei, Neues Off (überall:OmU)