Mit süffisantem Witz: ‚Die Liebe zu den 3 Orangen‘ in der Deutschen Oper ****

Der Abend beginnt wie jeder andere in der Oper: Im Saal verlöscht langsam das Licht, der Dirigent erscheint im Orchestergraben, freundlicher Applaus – da erhellt sich mit einem Schlag der Saal, Menschen stürtzen laut singend und einander beschimpfend herein, drängeln sich vor dem roten Samtvorhang, bis eine Bande junger Männer in Lederjacken, dunklen Sonnenbrillen und anschlagbereiten Gewehren sie in die Seitenkulisse jagt und nun die Waffen direkt aufs verdutzte Publikum richtet – schreiend verlassen die Besucher der ersten Reihe den Saal -  doch dann öffnet sich unerwartet der Vorhang  :  und vor einer glatten, weissen Brecht-Gardine (auf der schwarz und rot der  Titel der Oper geschrieben steht)  diskutieren ein König und sein Minister – in modisch dunklen Anzügen – wie der an tödlicher Melancholie erkrankte Sohn und Prinz gerettet werden kann. Und nun spult sich in schneller Abfolge die Geschichte ab: wie der lustige Diener Truffaldino seinen prinzlichen Herrn durch allerlei Spässe zum Lachen zu bringen versucht, aber nichts hilft – bis die böse Fee Morgana, die aussieht wie Marlene Dietrich im Schwanenpelz, bei einer Rangelei zu Boden stürzt: schadenfreudig lacht sich der Prinz gesund wird aber dafür von der Fee verflucht zur unstillbaren Liebe zu drei -von einer männlich-hünenhaften Köchin scharf bewachten – Orangen.  Nach allerlei Abenteuern entschlüft natürlich eine allerliebste Prinzessin der dritten Orange und allen Intrigen, wie die kurzzeitige Verwandlung der Prinzessin in eine Ratte, zum Trotz, steht einem Happy End im turbulenten Theater auf dem Theater nichts mehr im Wege.
Sergej Prokofjew’s in französischer Sprache geschriebene, neo-impressionistische Oper (uraufgeführt 1921 in Chicago) filtert aus einer italienischen ‚Comedia del arte‘ (von Carlo Gozzi) einen turbulenten Theaterspass auf mehren Ebenen – und der berühmte, kanadische Regisseur Robert Carsen, der erstmals an einem berliner Opernhaus arbeitet, versteht es virtuos, das Komische und Absurde mit spöttischem Witz zu verbinden. Und alles auch berlin-spezifisch zu ironisieren: so wenn etwa im Zeichentrickfilm der Berliner Bär mit dem Bundesrepublikanischen Ader sich zaust, wenn die Nachtclub-Atmosphäre von ‚Cabaret‘ mit den knapp bekleideten Tänzern oder der Zoo-Palast als Filmfestspielort beschworen werden, oder wenn die sich magisch vergrössernden drei Orangen in kleine Häuschen verwandeln, die im Umriss den drei Berliner Opernhäuser gleichen, aus denen dann die entsprechend kostümierten Prinzessinen befreit werden.
Gespielt und gesungen wird diese zweistündig-kurzweiligen Oper, in der es keine ausladend-attraktiven Partien für Sänger-Stars gibt, vom hauseigenen Ensemble – und zwar ganz vortrefflich. Jede Rolle – von der Regie präzise geführt – wird lustvoll pointiert und tonschön deklamiert.
Bühnenbildner Paul Steinberg zaubert mit diversen auf- und zurauschenden Vorhängen, sparsamen, eleganten Möbeln und einer grossen Filmleinwand amospharisch-treffende Räume, ob Nachtclub oder Festival-Palast,  und Buki Shiff kleidetet alle – von den Orangen-Prinzessinen bis zur gewehr-schwenkenden Boy-Group – in schicke, bunte Klamotten.
Auch wenn Prokofiew in dieser Oper eigentlich nur einen einzigen musikalischen Hit kreirt hat, den berühmten Marsch, erweist sich das Werk dank seiner vielfältig-farbigen Instrumtation bis heute als nette Theater-Show. Und wenn dann ein Regisseur es versteht – wie hier Robert Carson – das groteske Spiel mit intelligenten Witz raffiniert aufzumischen und den absurden Handlungen einen aktuellen Kick zu verpassen – dann darf sich das Publikum auf einen ebenso komödiantischen wie unterhaltenden Abend freuen. Sehenswert.

Foto: Deutsche Oper Berlin/Bernd Uhlig

Premiere war am 9.Dez.2012; nächste Vorstellungen: 5 und 13.April 2013