Lustvolles Doppel: ‚Venus im Pelz‘ von Roman Polanski****

Paris im Herbst, ein etwas schäbiges Theater. Den ganzen Tag über hat der Autor und Regisseur Thomas unzählige Schauspielerinnen vorsprechen lassen, die sich um die weibliche Hauptrolle in dem von ihm bearbeiteten und zu inszenierenden Stück „Venus im Pelz“ – nach dem berüchtigten Roman von Sacher-Masoch -  bewarben. Keine entspach seinen Vorstellungen. Jetzt ist er alleine, müde und will nur noch nach Hause. Da schneit eine letzte Kandidatin herein, eine ziemlich aufgekratzte, leicht ordinäre Blondine, die sich trotz Thomas‘ Widerstand nicht abweisen lässt. Sie beherrscht verblüffenderweise den Text perfekt und hat auch schon ein passendes Kostüm mitgebracht. Thomas liefert ihr beim Vorsprechen etwas widerwillig die Stichworte, doch zu seiner grössten Verwunderung erweisst sich die rotzige Blondine rasch als ideale Besetzung. Beide beginnen nun auf der Bühne, auf der noch Restkulissen einer Western-Produktion herumstehen, das kuriose Theaterstück um eine Gräfin und ihren sexuell unterwürfigen Sklaven durch-zu-spielen, wobei die Realitätsebenen sehr schnell ins Schwanken geraten. Die Schauspielerin, die sich privat wie ihre Bühnenfigur Vanda nennt, erweist sich entgegen ihrer anfänglich harmlos-großsprecherischen Schnoddrigkeit schnell als die wahre, hoch- intellektuelle Regisseurin des seltsamen Probe-Spiels – bei dem Wahn und Wirklichkeit sich bald nicht mehr unterscheiden lassen. Am Ende wird Thomas von Vanda zum willenlosen Transvestiten geschminkt und – im fahlen Spot-Licht – an eine phallische Kulisse gefesselt, während sie – nackt unterm Pelz – gleich einer alt-griechischen Mänade tanzend und triumphierend das Theater
verlässt.
Der bei den Dreharbeiten fast 80jährige Roman Polanski hat weder den Roman von Sacher-Masoch, noch das danach verfasste, erfolgreiche Theaterstück verfilmt, sondern die beiden Vorlagen auf eine ganz eigene und fasznierende Weise weiterentwickelt : zu einem witzig-satirischen Spiel über den heutigen Kampf der Geschlechter und seiner (vor allem) Film- und Theater-Klischees. Selbstironie nicht ausgenommen: spielt doch Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner mit viel Furor das raffinierte Biest Vanda und sieht der kleine, schmale Mathieu Almaric als Regisseur Thomas dem jungen Polanski selbst verblüffend ähnlich.
Ebenso elegant wie treffsicher schlagen die beiden exzellenten  Darsteller sich die bissigen Dialoge um die Ohren, spiessen sarkastisch männliches Überlegenheitsgebahren, weibliche Eitelkeiten sowie sexuelle Schein-Tabus vom Gewalt-Porno bis Kindesmissbrauch auf – ebenso süffisant wie ironisch.
Polanski wahrt dabei äusserst geschickt die Balance zwischen Schein und Realität – ist Vanda nur ein Pantom?, hat der Regisseur nur halluziniert? – und vermeidet so jeden Ausrutscher in Porno-Plattidüden oder banale Sozial-Klischees.
Vor allem aber beweist Polanski auch diesmal seine grosse Könnerschaft als Film-Regisseur: wie er das sehr dialoglastige Zwei-Personen-Stück, das in einem einzigen Raum ohne szenischen Aufwand oder effektvolle Kostüme stattfindet, allein durch Personen- , Kameraführung und geschickten Schnitt, in elegant-flüssige Bild-Sequenzen umsetzt und dabei die Ausdrucksmittel, die allein dem filmischen Medium möglich sind, virtuos herauskitzelt : das macht „Venus im Pelz“ zu einem filmisch meisterlichen und zugleich spannenden Vergnügen.
Besonders amüsant für Freunde von zitat- und anspielungsreicher Unterhaltung.

Foto/Poster: Prokino Verleih

zu sehen: Rollberg(OmU);Cinema Paris (dt.und OmU);Hackesche Höfe (dt.und OmU); Adria; CinemaxX Potsdamer Platz;  Eva-Lichtspiele; International;  Kino in der Kulturbrauerei;  Passage Neukölln