Töne aus dem Trichter: ‚My Fair Lady‘ in der Komischen Oper***

Ein bizarrer Einfall: die Drehbühne wird zur rotierenden Riesen-Schallplatte, altmodische Trichter-Grammophone in den Größen von S bis XXXL werden immer wieder herbei geschoben oder weggerollt. So soll das Publikum  – auch im obersten Rang – kapieren, daß Professor Henry Higgins ein berühmter Sprachforscher ist und vorzugsweise Dialekte auf Schellack bannt. Higgins, ein eingefleischter Junggeselle der Londoner „Upper Class“, wettet mit dem befreundeten Oberst Pickering, dem kess-quatschende Blumenmädchen Eliza Doolitle binnen weniger Monate Sprache und Verhalten einer „Herzogin“ beibringen zu können. Allerdings übersieht der reiche Chauvi, daß Eliza nicht nur äußerlich zur Dame umgemodelt wird, sondern dabei sich selbst zur selbstbewußten Frau entwickelt.
Als „My Fair Lady“ feierte das  – nach dem Theaterstück „Pygmalion“ von G.B.Shaw – geschickt gebastelte Musical (Text: Alan Jay Lerner, Musik: Frederick Loewe) 1956 in New York seine triumphale Uraufführung. Fünf Jahre später (1961) wiederholte sich der Riesenerfolg auch in der deutschen Fassung (von Robert Gilbert) im Berliner Theater des Westens. Seitdem gastiert die urbritische Lady als Dauerbrenner auf allen Bühnen der Welt.
Auch in der Komischen Oper Berlin versteht sie es – einigen Altersfalten zum Trotz – in einer Neuinszenierung das Publikum zu begeistern. Dabei muß der Regisseur Andreas Homoki, Ex-Intendant in der Behrenstraße und jetzt Opern-Chef in Zürich, keine theatralischen Sprünge oder Klimmzüge wagen – er läßt einfach vom Blatt spielen und die Handlung in die „goldenen“ 20er Jahre verlegen. Die schlagfertigen Dialoge und die mitreißende Musik sorgen für beste Unterhaltung, dazu ein erprobtes Sänger- und Darsteller-Ensemble plus einer Handvoll temperamentvoller Tänzer – da läuft die Vorstellung „wie geschmiert“. Da spielt es kaum eine Rolle, daß das Bühnenbild nur Grammerphon-Trichter und einen pompösen, auf- und zugehenden, blauen Rollvorhang mit Goldquasten zu bieten hat; daß die Kostüme ein wenig die Extravaganz vermissen lassen und manche Nebenrolle eher dem soliden Opernalltag als einem ironisch-leichtes Musiktheater entsprungen scheint.
Dirigentin Kristiina Poska drückt mächtig auf Tempo, das lustvoll mitspielende Orchester läßt das „Grün“ munter „grünen“ oder Elizas „Ich hätt‘ geträumt heutnacht“ elegant ausschwingen.
Max Hopp ist der kauzig-attraktive Professor Higgins – ein erwachsener Lausbub: arrogant und klug, egomanisch und witzig, tollpatschig und charmant – ob sprechend oder singend, immer bestens atikulierend und raumbeherrschend. Die Rollen von Eliza Doolittle, ihrem proletarischen Vater Alfred mit seinem „kleen bißchen Glück“, dem freundlich-vermittelnden Oberst Pickering oder von Elizas jugenlichem Verehrer Freddy Eynsford-Hill sind jeweils mit unterschiedlichen Darstellern besetzt, wechseln innerhalb der Vorstellungs-Serien (Eliza: Katharine Mehrling/Winnie Böwe).
60 Jahre alt wird diese „Fair Lady“ im März diesen Jahres . scheinbar unverwüstlich. Auch wenn ihr neuer Berlin-Auftritt – diesmal in der Komischen Oper – nicht ganz so spektakulär und glamourös ausfällt, kann man Professor Higgins nur zustimmen: “ Bin so gewöhnt an ihr Gesicht…“

Foto: Komische Oper Berlin/ Iko Freese/drama.berlin.de

Premiere : 28.Nov.2015, nächste Vostellungen: 8./20.Febr.//19.März//15./18./28.Juni//1./8.Juli 2016