Elegante Nadel-Stiche: ‚Der seidene Faden‘ von Paul Thomas Anderson****

FadenLondon in den 1950er Jahren. Der Modeschöpfer Raynolds Woodcock ist Star dieser Luxus-Branche, er entwirft Kleider für Adlige, Mitglieder der königlichen Famile und Superreiche. Ein nicht mehr ganz junger, eingefleischter Junggeselle, überaus selbstbewußt und exzentrisch, der schon beim Frühstück auf seinem Zeichen-Block Roben entwirft und dabei absolute Ruhe von allen Anwesenden einfordert – schon das Kratzen eines Buttermessers auf dem Toastbrot bringt in außer Fassung. In einem Landgasthaus entdeckt er in der jungen Kellnerin Alma seine neue Muse, die er nicht ins Bett, sondern in sein Atelier schleppt, um an ihr und durch ihre Ausstrahlung neue Kreationen auszutüffteln.  Natürlich wird aus den beiden gegensätzliche Naturen bald ein Liebes-, und wenig später ein Ehe-Paar. All dies geschieht unter den strengen Augen von Raymonds Schwester Cyril, die die Geschäfte führt und mit ihm in dem pompösen Londoner Haus lebt, das im Paterre die Besucher – und Vorführräume, darüber die private Wohnung und – ganz oben unterm Dach – Atelier und Näh-Räume für die fleißigen Arbeits-Frauen umfaßt. Doch auch als Ehemann besteht der Modezar auf seiner Selbstbezogenheit und seinen speziellen Eigenwilligkeiten – so reagiert er beispielsweise auf ein von Alma als Überraschung arrangiertes Abendessen mit scharfer Ablehnung und brutal-verletzenden Anschuldigungen ihr gegenüber.  Die Verbindung von Künstler und Muse zeigt Risse. Doch Alma erweist sich auch in der ihr neuen Umgebung von Londons reichen „Upper Class“ als klug und lernfähig –  und nutzt ein „altes“ Mittel, um die Beziehung zwischen Raymonds und ihr in den Griff zu bekommen…

Der amerikanische Regisseur Thomas Paul Anderson („Magnolia“, „There Will Be Blood“) zeigt sich in seinem neuen Film wiederum als Meister einer ebenso sorfältigen wie eleganten Inszenierung. Er schrieb auch das klug gebaute Drehbuch, führte hochsensibel die Kamera, fand in Mark Tildesley einen hervorragenden Ausstatter, der die Mode-Welt der 50er Jahre in delikaten Farben wieder aufleben läßt. Dazu komponierte Jonny Greenwood eine passende Filmmusik – auch sie ganz im klassischen Stil jener Epoche. Optisch ist dieser „Seidene Faden“ (im Original“ Phantom Thread“) ein prachtvolles Filmgemälde. Doch die Beziehungs-Geschichte zwischen Raymonds und Alma, dem Künstler und seiner Muse, will nicht recht zünden, bleibt im Grunde konventionell und wenig überzeugend, so daß Regisseur Anderson zum Hilfsmittel der Stil-Mixtur greifen mußte. Die ersten beiden Drittel des Films lassen auf fast dokumentarische Weise das Geschäft mit der Mode der 50er Jahre aufleben, zeigen Macher und Verkäufer dieser Luxus-Ware, die Mannequinns und die Näherinnen – und mittendrin ihren eitel-symphatischen Schöpfer. Im letzten Drittel dann bildet das Ehe-Zerwürfnis den Mittelpunkt  und wechselt zum Genre einer schwarzen Komödie, die jedoch aufgepfropft und wenig überzeugend wirkt.

In diesem Schlußteil können auch die fabelhaften Schauspieler nicht allzu viel retten und fliehen in bewährte Mimik. Doch zuvor liefern sich der inzwischen 60jährige Daniel Day-Lewis als exzenrischer Mode-Gott und die Newcomerin Vicky Krieps als jugendfriche Alma ein fabelhaftes Schauspieler-Duell, verkörpern das höchst gegensätzliches Künstler- und Liebespaar mit pschologischer Rafinesse und darstellerischem Witz. Als Schwester Cyril überwacht Leslie Manville mit strenger Haltung, aber klarem Blick die beiden so unterschiedlichen Charaktere von Bruder und Schwägerin, hält dabei alle Fäden klug in der Hand.

Kein Meisterwerk, dennoch ein hoch-ästhetisches Film-Vergnügen.

Poster/Verleih: Universal Pictures Germany

zu sehen u.a.: Blauer Stern Pankow; Bundesplatz Kino (dt.und OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Filmtheater am Friedrichshain (dt. und OmU); Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei (dt. und OmU); Movimento (dt. und OmU); Tonino; Union Filmtheater Köpenick; Cine Star Sony Center (OV); Delphi LUX (OmU); Hackesche Höfe Kino (OmU); Rollberg (OmU)