Gefällige Routine: ‚La Bohème‘ in der Komischen Oper***

Die Erwartungen waren hoch – doch statt eines großen Wurfs gelingt Barrie Kosky und seinem Team nur eine mittelprächtige Inszenierung von Puccinis populärem Meisterwerk „La Bohème“ (1896). Sein Stil: konventionell erzählt, knappe Ausstattung, Konzentration auf stark bewegliche Personenführung. Die große Bühne ist von Anfang an offen und leer. Eine kleine erhöhte Spielfläche an der Rampe, darauf ein schmaler Röhren-Ofen, dient als Dachkammer der Bohèmiens, rasch hereingeschobene Tische, Stühle und Straßenlampen deuten das Café Momus und den Boulevard an, ein altes SchwarzWeiß-Foto einer Hauswand wird zum grau-projezierten Hintergrund der Abschieds-Szene am Pariser Stadtrand. Dazu Kostüme mit viel Karo-Musttern, die Schnitte von Vorgestern mit Heute kombinieren. Wild toben die vier Bohème-Künstler auf ihrer winzigen Dachkammerfläche, turbulent wuselt die Pariser Halbwelt-Gesellschaft auf der Drehbühne des Cafè Momus, einsam verlieren sich Mimi und Rudolfo an der neblig-grauen Stadtgrenze. Am Ende stirbt Mimi ganz einsam in der Dachkammer, nachdem alle sie verlassen haben – hier erreicht die Aufführung ihren emotionalen Höhepunkt – auch dank der berührenden Darstellung von Nadja Mchantaf als mädchenhaft-schlichte, lebenslustige Mimi. Im Gegensatz zu ihr agieren die vier  Bohémiens auf Hochtouren, sie turnen und chargieren, was das Zeug hält – auch musikalisch. Gerard Schneider setzt als Rudolfo mit kräftigem Tenor auf Lautstärke, ebenso der wendige Bariton Günter Papendell als Marcello, der in dieser Inszenierung vom Kunst-Maler zu Fotografen samt altertümlicher Großbildkamera mutiert, sowie Philipp Meierhöfer als philosophierender Colline und Daniel Foki in der Rolle des Musikers Schaunard. Als kapriziöse Musette zeigt Vera-Lotte Böcker zwar hübsche Kleider, aber wenig Profil. Bewährt in Spiel und Gesang sind dagegen die kurzen Auftritte von Chor- und Kinder-Chor. Am Dirigenten-Pult: der 1.Kapellmeister des Hauses Jordan de Souza. Er betont die Farbigkeit der von Debussy und Massenet beeinflussten Musik Puccinis, sorgt für kräftige Akzente im dramatischen Fluss und setzt auf präzisen Orchesterklang. Problematisch aber bleibt die Balnce zwischen Bühne und Orchestergraben – statt dynamisch abgestuft zu differenzieren, übertrumpfen sich Sänger und Orchester oft in unerträglicher Lautstärke. Hier müßte (und kann) nachgebessert werden.

Kein verlorener Abend, aber gemessen an anderen Regie-Arbeiten beweist Barrie Kosky mit dieser „Bohéme“, daß auch ein Spitzen-Mann gelegentlich nur mit Wasser kocht…