Kino & Theater Februar 2019

Green Book*** / Die Zauberflöte* / Vic*** / Can You Ever Forgive Me ?****

 

GREEN BOOK  von Peter Farrelly / USA 2018 ***

Tony „The Lip“ ist ein momentan arbeitsloser Nachtclub-Türsteher im New York von 1962, ein typischer Proll und Italo-Amerikaner. mit rauer Schnauze und schnellen Fäusten. Da er ständig Geld für seine Familie braucht, läßt er sich als Fahrer des hochnäsig-vornehmen, schwarzen Pianisten Dr.Don Shirley anheuern: für eine achrwöchige Tournee durch die amerikanischen Südstatten. Das kleine „Grüne Buch“ soll ihm helfen, passende Ünterkünfte zu finden, vor allem solche, in denen auch Schwarze willkommen sind.  Obwohl der Pianist hauptsächlich vor einm reichen, weißen Publikum  – ob in deren Herrenhäsern oder im Konzertsaal – gastiert, und zwar immer erfolgreich. Auch wenn er gelegentlich sich selbst fragt, warum der deses Spiel mitmacht.

Der Regisseur Peter Farrelly, der auch das Drehbuch mitgestaltete, vereint in diesem gefälligen „Wohlfühl-Film“ die bekannte Geschichte von zwei gegensätzlichen Typen, die zu „besten Freunden“ werden vor dem Hintergrund der – vor allem iin den Südstaaten – besonders ausgepägten Rassentrennung. Ein flott inszenierter und von Viggo Mortensen (Tony) und Mahershala Ali (Don) hervorragend gespieltes „Road-Movie“, das jedoch in jeder Episode vorhersehbar und wenig überraschend ausfällt. Gut gemeint, doch bleibt „Green Book“ in jeder Beziehung in den bekannten Film-Klischees stecken, ob in der „Buddy“-Beziehung oder in der Darstellung des Rassismus.in den USA. Die nach wie vor böse Realität der Rassentrennung und ihrer schlimmen Auswirkung auf die Gesellschaft verschwimmt in einer zwar effektvollen, aber „romantisierten“ Komödie im Unterhaltungs-Stil von Hollywood.

Seit dem 31.Januar 2019 in den deutschen Kinos

 

DIE ZAUBERFLÖTE (NEU) in der Staatsoper Unter den Linden*

Theater auf dem Theater: Pamina und Tamino sind lebendige Marionetten, in roten Lackstiefelchen und schwarzen Slips. Wie auch Papageno, die Königin der Nacht oder Sarastro hängen sie sichtbar an langen Strippen aus dem Bühnenhimmel, mal fliegen sie ganz hoch, mal schweben sie knapp über dem Boden, immer heftig mit den Armewn rudernd oder zappelnd. Und das vor vielen farbig bemalten Prospekten oder Requisiten, Teils ganz abstarkt, teils kindlich realistisch. Drahtzieher im wörtlichen Sinn sind – wie es sich dann im Schlußbild erweist – die drei kurzbehosten Knaben, die mit schelmischer Lust die Puppen tanzen lassen.

Doch Mozarts Musik erzählt von echten Menschen, von ihren Gefühlen, ihren Ideen. Da jedoch die eingesprungene Dirigentin Alondra de la Parra viel Mühe hat, Orchester und die unterschiedlichen Aktionen auf der Bühne zu koordinieren, wird der menschliche Mozart von den hölzernen Marionetten tolpatschig überspielt. Auch die Sänger bleiben so verpuppt im Mittelmaß:  Julien Pregardien  mit hellem Tamino-Tenor, Serena Sáenz Molinero aus dem Opernstudio und ebenfalls eingesrungen  als Pamina, die Finnin Tuuli Takala als koloratursichere Königin der Nacht, Kwangchul Youn mit etwas orgelndem Baß als Sarastro. Auc die drei Damen schweben eng aneinander gebunden und wenig harmonisierend an langen Strippen durch die Lüfte. Die hübsche, alte Idee, die Rolle des Papageno einem Schauspieler anzuvertrauen, macht diesmal kaum Effekt, was nicht am agilen Wiener Schauspieler Florian Teichtmeister lag, sondern an der insgesamt uninspirierten Regie des Amerikaner Yuval Sharon, der in Mozarts vielschichtiger „Zauberflöte“ nur knallig.buntes Puppentheater entdeckte.  Glücklicherweise hat die Staatsoper ihre „alte“ Zauberflöte mit den Schinkel-Bühnenbildern aufbewahrt: ab 26.April kann sie wieder besichtigt werden.

Premiere: 17.Februar 2019

 

VICE – DER ZWEITE MANN  / von Adam McKay (USA 2018)***

Polit-Satire über die amerikanische Politik der letzten Jahrzehnte, brilliant bebildert als furioses Bio-Pic des Politikers Richard Bruce Cheney. genannt „Dick“. Cheney (intensiv: Christian Bale), angetrieben von seiner resoluten Frau Lynne (Amy Adams), beginnt seine politische Karriere als Assistent bei Donald Rumsfield (Steve Carell), wird Mitglied der Republikaner und Stabschef im Wei0en Haus unter Bush Senior und später – nach seiner Entlassung in den Ruhestand – von Bush Sohn (Sam Rockwell) als Vize-Präsident in die Politik zurückgeholt. Cheney, aus Wyoming stammend, entpuppt sich als äußerlich ruhiger, scheinbar zurückhaltender, in Wirklichkeit jedoch skupelloser Strippenzieher, der einem schwächlichen Präsidenten Bush sowohl die strengen Sicherheitsgesetze nach 9/11 wie auch den Irak-Krieg mit falschen Gründen  einredet. Und der geschickt den Vermögenden und den großen Wirtschaftsbossen die Türen in Washington zu beiderseitigem Vorteil öffnet. Privat ist er seinen beiden Töchter ein liebender Vater, aber auch ein von vielen Herzinfarkten geplagter Mann.

Regisseur und Drebuchautor entfesseln einen 130-minütigen, temporeichen Bilderstrom, in dem sich Wahres und Vermutetes, Verzerrtes und Übersteigertes, finstere Komödie und  schrilles Drama, Karikatur und Satire einfallsreich und virtuos mischen, in der die Bilder wie Gedankensplitter mal vor, mal zurückspringen, Anspielungen im Wort einer Erzählerstimme, in Schrift und Ton mit zynischer Blödelei und bösem Witz gespickt sind. Dokumentaraufnahmen wechsel oft blitzschneell mit Fakes, fügen sich zum spektakulär-rassanten Szenen-Kaleidoskop, Für nicht mit der amerkanischen Innenpolitik vertrauten Zuschauern gelegentlich in Einzelheiten schwierig zu verstehen. Auch werden Charakter- und Milieu-Zeichnung gelegentlich so stark übertrieben, daß der satirische Stachel stumpf wird und ins Leere driftet. Am Schluß – nach den ersten Abspanntiteln – plötzlich noch ein kurzes Nachspiel:  zwei Männer im handgreiflichen Streit über die Politik des gegenwärtigen Präsidenten Donald Trump. Der wohl auch der Grund war, den fast vergessenen Republikaner Dick Cheney so grell und polemisch ins heutige Kino zu hieven.

Seit dem 21.Februar 2019 in deutschen Kinos

 

CAN YOU EVER FORGIVE ME ?  von Marielle Heller (USA 2018)****

Lee Israel (1939 – 2014) war eine New Yorker Journalistin und Autorin, die in den 1960er und 1970er Jahren mit großen Reportagen und Biografien prominenter Zeitgenossen viel Erfolg hatte. „Can you ever forgive me“ ist der Titel ihrer Memoiren und zugleich ein Zitat der von ihr porträtierten Schriftstellerin Dorothy Parker. Doch der von der amerikanischen Regisseurin Marielle Heller gedrehte Film zeigt Lee Israel im Alter von 51 Jahren, als ihr einstiger Ruhm schon verblasst ist. Sie haust einsam mit ihrer alten Katze in einem schmuddeligen Appartement in Manhattan, bleibt die Miete schuldig, ersucht vergeblich ihre Agentin um einen Vorschuß, betäubt ihr Elend mit viel Wisky. In ihrer Not verkauft sie einen alten Dankesbrief von Katherine Hepburn für deren Biografie, entdeckt dabei, daß es finanzstarke Sammler, Käufer und Antiquare für solche Schrftstücke gibt. Kurz entschlossen fingiert sie auf alten Schreibmaschinen und angegilbten Papier solche „privaten“  Brief verstorbener Literaten oder Schauspieler. Verkauft sie mit Hilfe ihres alternden, schwulen Trinkerfreundes Jack, bis der dollarträchtige Handel auffliegt und Lee zu einer langer Bewährungsstrafe verurteilt wird.

Mit viel Gespür für die Atmosphäre der frühen 90er Jahre in Manhattan, als solche Loser wie Lee Israel und ihr Freund Jack dort leben und überleben konnten, erzählt Regisseurin Mareille Heller die ebenso bittere wie komische Hochstabler-Geschichte im Milieu der New Yorker Bibliotheken, Buch-Verlagen und Antiquariaten. Getragen wird der Film von der bewegenden und nuancenreichen Verkörperung der Lee Israel durch Melissa McCarthy: eine kompakte, ältere Frau, eher schäbig gekleidet, eine Einzelgängerin mit frechem Mundwerk, aber auf ihre ruppig-abweisende Art anderen Einzelgängern wie ihrem schwulen Trink-Kumpan Jack durchaus zugetan, ebenso  selbstbewußt wie clever, im Grund nicht ganz unfreiwillig einsam und heruntergekommen. Richard E.Grant ist als alternder egozentrischer Schwuler und Säufer ihr ein ebenbürtiger Partner. Ein sehr fein zwischen alltäglicher Komik und lbitterer Melancholie austarierter Film über zwei eigentlich unsympathische Personen, die jedoch  in ihrer verborgenen, stillen Menschlichkeit symphatisch werden.

In den deutschen Kinos seit dem 21.Febr. 2019