Hinreissend: „Ariadne auf Naxos“ in der Deutschen Oper *****

Offene Buehne, das Ballett in Trainings-Klamotten uebt zu den Klaengen der Ouvertuere. Ein Herr mit dunkler Brille (ein moderner Haushofmeister) unterbricht, gibt die Anweisung, dass Oper und Zwischenspiel gleichzeitig stattzufinden haben. Allgemeine Verwirrung,  Verzweiflung beim jungen Komponisten (mit schoenem Mezzo: Ruxandra Donrose). Als der Vorhang sich dann schliesst, packt er seine Partitur, uebergibt sie dem Dirigenten im Orchestergraben und beobachtet nun die anschliessend beginnende Oper aus der ersten Parkettreihe heraus, bis am Ende, wenn der Vorhang nach dem grossen Liebes-Duett zum zweiten Mal faellt, er auf die nun leere Buehne zurueckkehrt.
So intelligent und einsichtig umschliesst der kanadische Regisseur Robert Carsen Vorspiel und Oper von Hugo von Hoffmannsthal und Richard Strauss zu einem raffinierten Buehnen-und Parkett-Spiel, einem Theater im Theater. Er verzichtet konsequent auf jede ueberkommene Tradition, auf Barock und Commedia del‘ Arte.  Stattdessen schnoerkellose, moderne, ironisch gebrochene Theaterformen: Ariadne und ihre Dienerinnen, ganz in knoechellangen schwarzen Gewaendern, gebaerden sich im parodierten Pina-Bausch-Stil,  waehrend Zerbinetta, kecke Blondine auf leuchtend roten High Heels, und ihre knackaerschigen Hot-Boys eine perfekte Broadway-Show abziehen.. Erst wenn Bacchus auftritt, oeffnet sich der schwarze Buehnen-Kubus langsam und erstahlt beim hymnischen Zwiegesang von Bacchus unnd Ariadne in strahlendem Weiss.
Robert Carsen gelingt das Kunststueck, aus einer stark traditions-belasteten Oper ein zeitgenoessisch-komoediantisches Musiktheater zu entwickeln – mit einfachen, aber sehr effektvollen Mitteln: die Begeisterung des (eher konservativen) Publikums wollte kein Ende nehmen.
Auch musikalisch ist diese „Ariadne“ hoerenswert. Das Orchester unter Jacques Lacombe spielt transparent und schwungvoll,  das Saenger-Ensemble klingt sorfaeltig aufeinander abgestimmt. Violeta Urmana singt eine kraftvoll-dramatische Ariadne (mit leichten Schaerfen in der Hoehe) – gewissermassen ein Schwester von Wagners Bruenhilde. Als Zerbinetta triumphiert Jane Archibald: cool, sexy und mit blitzenden Koloraturen. Ergaenzt vom soliden Roberto Sacca als Bacchus im gutsitzenden schwarzen Anzug.
Leider ist diese gelungene Produktion der beliebten Strauss-Oper nur eine Leihgabe der Bayerischen Staatsoper Muenchen – fuer 5 Vorstellungen. Warum bloss sind solche Inszenierungen nicht in Berlin moeglich ? Liegt’s an den Intendanten, liegt’s am Klima der Stadt ?

Foto: Bettina Stoess/Deutsche Oper