Barocker Comic Strip: ‚Xerxes‘ in der Komischen Oper ****

Grosser Jubel in der Komischen Oper über ein „Dramma per musica“ von Georg Friedrich Händel, das 1738 nicht sehr erfolgreich seine Uraufführung in London erlebte. Es war damals die Spät-Phase der italienischen Oper in England, danach konzentrierte sich der Wahlbrite hauptsächlich auf das englischsprachige Oratorium. Zwar hat Händel im ‚Xerxes‘ auf die strenge Form der Opera Seria mit ihrer starren Aneinanderreihung von Da-capo-Arien verzichtet und sich stattdessen viele abwechslungsreiche, musikalische Kurz-Formen einfallen lassen – trotzdem blieb der Erfolg aus.
In der Komischen Oper hat nun Stefan Herheim, inzwischen Star-Regisseur an allen grossen Häusern, sich einen drallen Spass aus der heiteren Story um den persischen König Xerxes, der seinem Bruder die Braut wegschnappen will und die eigene sitzen lässt, gebastelt. Die Bühne (Heike Scheele) stellt ein barockes Theaterchen dar, mit gemalten Kulissen und leicht drehbar, so dass ab und zu auch die kleinen Nebenkammern oder die Kulissen-Rückseiten einsichtig werden. Die Darsteller tragen pompöse Barock-Kostüme in Samt und Gold, hohe Perücken mit Dreispitz oder buntem Federbusch (Gesine Völlm). Eine üppig ausladende, scheinbar historische Klamotte, in der die Sänger mit Hingabe Grimassen reissen und heftigst gestikulieren. Die Story, die sie mimen, bleibt ebenso undurchsichtig wie nebensächlich – entscheidend sind die vielen komischen Einfälle und Gags, die der Regisseur verschwenderisch und mit lockerer Hand darüberstreut. Wenn zum Beispiel Xerxes von den Freuden der Liebe singt und die grossen Leuchtbuchstaben auf den Papp-Kulissen von kostümierten Bühnenarbeitern verschoben werden und so aus XERXES ein SEX-REX wird. Oder wenn in einer Eifersuchts-Arie nach jeder Strophe ein passendes Mord-Instrument ausprobiert wird: Messer, Schwert, Kanone und -am Schluss-  Pfeil: und aus dem (gemalten) Wolken-Himmel ein kleiner, geflügelter Amor fällt.
Der Orchestergraben ist hoch gefahren, die Musiker und ihre Instrumente bleiben immer sichtbar – gelegentlich mischt sich auch der eine oder andere Sänger unter die gut gelaunten (Mit-)Spieler, die von ihrem Dirigenten Konrad Junghänel (schwarzes Hemd, graue Haartolle) zu flotten Tempi animiert werden -  teils auf historischen Instumenten.
Das Sängerensemble geniesst das turbulente, historisierende ‚Theater auf dem Theater‘ und zeigt ausgelassene Spielfreude. Stella Doufexis ist mit heller Stimme ein fescher Tunichtgut von Xerxes, Karolina Gumos -samtweich- sein von ihm betrogener Bruder; Brigitte Geller spielt sopran-leicht die standhafte Braut, Julia Giebel ihre koloratur-girrende, kecke Schwester. Als verlassene Xerxes-Verlobte leidet Katarina Bradic wohlklingend im tiefen Mezzo-Register, und als dämlich-begriffsstutziger General und Braut-Vater lässt Dmitry Ivashchenko seinen dunklen Bass dröhnen. Ein besonder Clou: der quirlig-berlinernde Diener von Hagen Matzeit, der als Blumenverkäuferin getarnter Liebesbrief-Bote pfiffig zwischen den (tenoralen) Stimmlagen wechselt.
Ein unterhaltsamer, wenn auch etwas zu langer Komödenstadel im theatergeschichtlichen Barock-Fundus. Eine Fleissarbeit des Regie-Teams, das (fast) alle bekannten optischen und szenischen Gags der letzten 50 Bühnenjahre gesammelt und geschickt neu verwurstet hat – offensichtlich mit grossem Erfolg!

Foto: Forster/Komische Oper Berlin

nächste Vorstellungen: 17./19./27.Mai 15./21./27.Juni 5.Juli 2012