Fades Relief: ‚Götterdämmerung‘ in der Staatsoper im Schillertheater**

Mit einem heftigen Buh-Konzert für das belgische Regie-Team um Guy Cassiers endete die „Götterdämmerung“-Premiere im Schillertheater und damit die seit 2010 gestartete Neu-Inszenierung des Wagnerschen „Ring“ – einer Gemeinschfta-Produktion mit der Mailänder Scala.
Wie in allen vier Teilen dominieren Video-Tapeten die Bühne, mal flimmern abstakte Muster darüber, die je nach Farbe als Feuer, Wasser oder Wald gedeutet werden können, mal scheinen undeutliche, zombieartige Gesichter oder menschliche Gliedmassen sich in schwarz/weiss zu zeigen. Spielt die Handlung in der Gibichungen-Halle fahren marmorweisse Treppen-Segmente mit unschönem Knarren herein, auf denen sich dann der Chor plazieren darf – eine seltsame Gesellschaft in extravaganten Kleidern, halb 19.Jahrhundert, halb  modischer Fantasy-Film.
Auch die Solisten sind in ausladende, hässliche Patschwork-Kostüme gesteckt, die Damen mit meterlangen Seidenschleppen, die Herrn mit Hosenträger und Zylinder. Gelegentlich mischen sich überflüssigerweise wieder ein paar dunkel gewandete Tänzer zwischen die überigen Personen, in der Tarnkappen-Szene am Ende des 1.Aktes dürfen sie die erschrockene Brünnhilde unter schwarzen Tüchern begraben – oder vergewaltigen?
Ganz am Ende, nachdem Brünnhilde unter den roten Video-Flammen verschwunden ist und die nicht sichtbaren Götter ebenfalls, senkt sich – gleich einem eisernen Vorhang – ein riesiges Relief herab, darauf abgebildet ein Knäuel aus sich krümmenden, nackten Menschen – laut Programmbuch dem Kunstwerk eines belgischen Bildhauers von 1899 nachempfunden: ‚Les passions humaines‘ (Die menschlichen Leidenschaften). Ein für diese Inszenierung nicht unpassender Titel, der sowohl Alles wie Nichts aussagt.
Glücklicherweise rettet die Musik doch manches. Daniel Barenboim wählt zwar ungewöhnlich langsame Tempi, vermag aber die Dynamik äusserst fein abzustufen, und dank der hervorragenden Staatkapelle bringt er die Klangfarben wunderbar zum Leuchten. Besonders die reinen Instrumental-Passagen (Siegfrieds Rheinfahrt, Trauermarsch) und der apotheotische Schluss gelingen vortrefflich. Dazwischen allerdings fordert die bedächtige Gangart auch ihren langatmigen Tribut.
Johannes Martin Kränzle gestaltet sehr prägnent seinen Kurz-Auftritt als Alberich, Marina Prudenskaja ist eine stimmschöne Waltraude, während Gerd Grochowski als Gunther und Mikhail Petrenko als Hagen solide singen, aber gelegentlich Präsenz und Durchschlagskraft vermissen lassen. Schwach mit vibratoreichem Tenor: der Siegfried von Ian Storey, dagegen überrascht Irene Theorin als hellblonde Brünnhilde neben ihren schrillen Höhen mit anrührenden, leisen Tönen – leider erst im Schlussgesang.
Manchmal vermag ein gelungenes „Götterdämmerungs“-Ende, Schwächen des vorangegangenen „Rheingoldes“, der „Walküre“ oder des „Siegfrieds“ auszugleichen, diesemal ist jedoch das Gegenteil der Fall: der fade Abschluss-Abend drückt der gesamten berlin/mailänder Ring-Inszenierung (nicht ihrer musikalischen Deutung!) den Stempel auf:  vordergründig-pompös und überflüssig.

Foto:Monika Rittershaus/Deutsche Staatsoper

nächste Vorstellungen: 6.und 10.März 2013 (während der Festtage vom 23.3. – 1.4. steht der gesamte „Ring“ auf dem Programm)