Gewaltsamer Umbruch: „Still Life“ von Jia Zhang-Ke*****

plakat280x394.jpgDer Minenarbeiter Sanming aus dem Norden Chinas sucht seine Frau, die ihm vor 16 Jahren mit ihrer kleinen Tochter davongelaufen ist, in der Stadt Fengjie. Doch die Adresse stimmt nicht mehr : die Alt-Stadt ist bereits im Wasser des gigantischen „3-Schluchten-Staudammes“ versunken, die restlichen, hoeher gelegenen Wohnblocks werden gerade abgerissen. Es kommt zwischen den umzusiedelnden Bewohnern, darunter viele alte Menschen, und den fuer das gewaltige Staatsprojekt verantworlichen Behoerden zu heftigen Auseinandersetzungen. Korruption und Parteienwillkuer scheinen zu herrschen. Sanming begibt sich auf eine muehevolle Spurensuche durch diese meist nebelverhangene Fluss-Gegend und ihre Gesellschaft im Umbruch. Parallel dazu, aber ohne Beruehrung, sucht eine Krankenschwester, ebenfalls aus noerdlichen Gegenden, ihren Mann, der im Management des Staudamm-Projektes arbeitet und offensichtlich den sozialen Aufstieg (auch dank einer Affaire mit der Leiterin) geschafft hat. Elegant wiegen sich die Paare auf einer luxurioesen Hotel-Terasse im Tanz und bestaunen eine frisch erbaute Bruecke, die gleich einem technischen Wunderwerk den Fluss in strahlend erleuchtetem Bogen ueberspannt. Untergang des Alten und Aufbruch in eine neue, noch unbestimmte Zeit kreuzen sich, unterschiedlichste menschliche Schicksale, soziale Spannungen, Leid, Betrug, Gemeinheit, Sehnsucht werden sichtbar, der alt-chinesische Kuli mit seinen Last-Koerben neben dem jugendlich-agressiven halbnacktem Rock-Saenger. Schnaps, Zigaretten und Handy’s spielen ein grosse Rolle.
Der 37-jaehrige Regisseur Jia Zhang-Ke hat diese kritische  Bestandsaufnahme der gegenwaertigen chinesischen Gesellschaft auf grossartige Weise in eine filmische Bildsprache uebersetzt, jede Einstellung voll genauer Details, gelegentlich ins Surrealistische gesteigert, ohne in platte Metaphern zu verfallen. Alles in diesem Meisterwerk des neuen chinesischen Kinos stimmt: Schauspieler, Kamerafuehrung, Ausstattung und Musik. Es ist die scharf beobachtete Darstellung eines politischen und technischen Gross-Projektes, ausschliesslich gespiegelt auf der privaten, menschlichen Ebene. Dabei schildert der Film seine Alltags-Geschichten exakt und ohne Pathos, anruehrend, aber ohne moralischen Zeigefinger. Trotzdem kann er zwar im Ausland, nicht aber in den chinesischen Kinos gezeigt werden. Vielleicht eine Frage der Zeit ?

Plakat / Verleih: Delphi