Grossartig und beklemmend: „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ von Cristian Mungiu*****

2_tage.jpgRumaenien 1987. Zwei Studentinnen einer polytechnischen Hochschule teilen sich ein Wohnzimmer im Studentenheim. Die eine plant einen illegalen Schwangerschaftsabbruch, die andere leistet ihr Hilfsdienste; besorgt ein Hotelzimmer, schleusst den Arzt dorthin, beseitigt schliesslich den Foetus. Zwischendurch muss sie noch auf die feucht-froehliche Geburtstagsfeier der Mutter ihres etwas biederen Verlobten. Am Ende sitzen zwei ernuechterte Frauen an einem Restaurant-Tisch, deren Freundschaft fast an den unwuerdigen, haesslichen und teils selbstverschuldeten Ereignissen zerbrochen waere.
Der an einem Tag und in einer Nacht spielende Film gleicht einer Reportage, die praezise und ohne jede Larmoyanz die gefaehrlichen Ereignisse vorfuehrt. Zugleich ist der Film ein Abbild der damaligen rumaenischen Diktatur und ihre furchtbaren Auswirkung auf das menschliches Verhalten im alltaeglichen Leben: Demuetigungen, Unterdrueckung, Bespitzelung, Korruption – und der Zurueckzug ins Private, wo man seine Persoenlichkeit, seine Individualitaet weitgehend noch ohne staatliche Ueberwachung ausleben konnte. Dabei enthaelt sich die Regie jeglicher moralischen Wertung der einzelnen Personen und ihrer Handlungen: keiner ist boese oder gut, alle spiegeln nur in unterschiedlichen Reaktionen die Auswirkung der politischen Verhaeltnisse: die harschen Empfangsdamen in den Hotels, der intelligente und gleichzeitig brutale Arzt, die scheinbar ueber Banalitaeten plaudernde Familie des Verlobten, die Schwarzhaedler im Studentenwohnheim. Auch die beiden Studentinnen sind scharf charakterisiert: die eine aengstlich, unpraktisch und etwas konfus, die andere voll zielstrebiger Enegie, dabei aber hoch sensibel und empfindsam. Die Kunst des Regisseurs besteht – neben der brillianten filmischen Umsetzung – in der messerscharfen Balance zwischen kuehler Beobachtung und emotionaler Anteilnahme – Meisterstueck einer gesellschaftlichen Analyse und eines menschlich packenden Dramas. Kein Unterhaltungs-Kino – aber ein leidenschaftlicher Film.
Goldene Palme in Cannes 2007.

Foto/Verleih: Concorde