Kann denn Liebe Suende sein? : „Tannhaeuser“ in der Deutschen Oper ***

Die Premiere dieses „Tannhaeuser“ am 30.November letzten Jahres war bei Kritik wie Publikum umstritten, die Wiederaufnahme gestern abend (10.5.2009) dagegen erhielt sehr herzlichen und zustimmenden Beifall.
Regisseurin Kirsten Harms interessiert sich in ihrer neuen Deutung von Wagners romantischer Oper nicht so sehr fuer das Kuenstlerdrama, sondern vor allem fuer das Phaenomen der Liebe, besonders in ihre Aufspaltung in Sex, seelische Beziehung und Naechstenliebe. Die ritterliche Gesellschaft verabsolutiert  diese einzelnen Bedeutungen der Liebe um sich in ihrem Zusammenleben vor Unordnung, Verwirrung und allzu grossem Individualismus zu schuetzen: hier Venus, die die rein koerperliche Seite repraesentiert, dort die Minnesaenger, die nur die geistige Beziehung besingen und sich damit hinter die Mauern der Wartburg zurueckziehen. Nur Elisabeth versucht zumindest die angeblich unvereinbaren Gefuehle zu vereinen. Am Schluss der Auffuehrung leistet sie „Naechstenliebe“ in einem mit Krankenbetten vollgestellten Saal, sie stirbt nicht, sondern schliesst den verzweifelt aus Rom zurueckkehrenden Tannhaeuser, der in den Venusberg zurueck will, in ihre liebenden Arme – muetterliche Retterin und Geliebte zugleich.
Kirsten Harms laesst diese Interpretation in einem leeren, oft rot oder blau ausgeleuchteten, daemmerigen Raum spielen. Aus der Untebuehne fahren nackte Maedchen, Ritter in silberner Ruestung oder kranke Pilger empor, vom Buehnenhimmel senken sich mal leere Ruestungen, mal halb menschliche,halb tierische Fabelwesen herab: Bildzeichen, die seelische Zustaende und gesellschaftliche Gegebenheiten an- oder ausdeuten. Eine manchmal etwas schlichte oder einseitige Auslegung von Wagners Oper, aber sie ist in sich konsequent und effektvoll entwickelt.
Musikalisch sehr ansprechend: Philippe Auguin leitet das Orchester der Deutschen Oper mit Sorgfalt und Mut zu rauschendem Pathos, bleibt aber eher pauschal als differenziert. Sehr klangschoen und flexibel meistert der grosse Chor seine unterschiedlichen Aufgaben: ihm galt der besondere Beifall des Publikums. Entsprechend der Regie-Konzeption verkoerpert Nadja Michael sowohl Venus wie Elisabeth, darstellerisch sehr ueberzeugend, stimmliche Probleme hat der ehemalige Mezzo naturgemaess mit den hohen Soprantoenen. Wohltuend samtig klingt Markus Brueck als Wolfram, der hier nicht nur der edle Mitbewerber um Elisabeth ist, sondern auch kalt-berechnender Nebenbuhler. Den Tannhaeuser sang als kurzfristiger Einspringer der Norweger Ivar Gilhuus; schauspielerisch (in der ihm unbekannten Inszenierung) etwas hoelzern, stimmlich mit hellem, kraftvollen Tenor.
Keine sensationelle, aber eine durchaus diskusionswerte Auffuehrung.

Foto: Matthias Horn/Deutsche Oper