Melancholische Schwertkaempfer: „Ashes of Time – Redux“ von Wong Kar Wai ****

Weil der Schwertkaempfer Quyang Feng sich seiner Geliebten nicht zu erklaeren wagte, verlor er sie an seinen Bruder. Er verliess seine Heimat und haust seitdem in der grossen Wueste, wo er seinen Lebensunterhalt durch das Vermitteln von Auftragskillern bestreitet. Jedes Jahr im Fruehjahr bekommt er Besuch von einem jungen Krieger, der sich aber in diesem Jahr fuer immer verabschiedet, indem er ihm eine Flasche Schnaps ueberlaesst: eine Art Zaubertrank, der die Erinnerung an die Vergangenheit loescht. Doch Quyang Feng huetet sich, davon zu trinken,  arbeitet vielmehr weiter an einem komplizierten Racheplan…
„Ashes of Time“ ist eine komplex-verwickelte Geschichte um mehrere unglueckliche Liebes-Beziehungen, gleichzeitig eine fast philosophische Reflexion ueber Gedaechtnis, Erinnerung und Selbstfindung. Doch die Vielzahl der auftauchenden Personen, die abrupten Zeitspruenge zwischen Vergangenem und Gegenwaertigem, die Kampfhandlungen zwischen Fantasie und Realitaet erschweren es dem (europaeischen) Zuschauer, den Film in all seinen Anspielungen und Deutungen zu erfassen. 
Die hohe aesthetische Qualitaet aber entschaedigt  – ebenso wie sie ueberwaeltigt:  Bilder von erlesener Schoenheit – seien es die gewaltigen Landschafts-Panoramen oder die Gesichter und Koerperhaltungen der prominenten Darsteller ( Leslie Cheung, Brigitte Lin, Tony Leung u.a.), oder die schimmernden Lichteffekte,  die erlesenen Gewaender wie fantastischen Requisiten. Alle Raffinessen zeitgenoessischer Farb-Fotografie oder des Bildschnitts werden virtuos ausgereizt: sowohl in den atemberaubenden Kampfszenen wie in den stimmungsvollen Interieurs. Atmosphaerisch verdichtet durch exotische Gerausche und eine romantisch-akzentuierende Musik. Die ganz hohe Schule filmischer Aesthetik – Schoenheit pur, gelegentlich bis an die (allerdings nie ueberschrittene) Grenze zum Kunstgewerbe.
Wong Kar Wai („In the Mood for love“, „2046“)  hat diesen melancholischen Martial-Art-Film 1994 im (damals britischen) Hongkong gedreht, die Aussenaufnahmen entstanden unter rot-chinesischer Mitwirkung in der Wueste Gobi.
Da das Werk in vielen, von den Produzenten veranlassten, unterschiedlichen – vom Regisseur nicht autorisierten -  Schnitt-Fassungen – erfolgreich – gezeigt wurde (allerdings nie in Deutschland), entschloss sich Wong Kar Wai, aus den verschiedenen, teilweise beschaedigten Kopien eine neue, seinen urspruenglichen Intentionen entsprechende Fassung zu filtern – mit neuer Tonspur, digitalisiert und um einige Minuten kuerzer als zuvor – deshalb ironischerweise „Redux“ (2008).
Kein Film fuer Anhaenger wilder Kung-Fu Spektakel, aber eine schoene Uberraschung fuer Liebhaber von Wong Kar Wai’s elegischer Filmkunst.

Foto/Verleih: Splendit/Fox

zu sehen: Babylon Mitte; Eiszeit