Lust und Frust im deutschen Wald: „Orlando“ in der Komischen Oper ***

Ritter Orlando liebt Angelica, doch diese liebt erfolgreich Medoro. Der wiederum wird von Dorinda begehrt und aus dieser heiklen, vierfachen Gefuehlsverstrickung scheint’s keinen Ausweg zu geben -  bis der Zauberer Zarathustra durch einen magischen Trick fuer ein Happy End sorgt. Orlando waehlt den Kampf statt die Liebe, Dorinda uebt melancholisch Verzicht,  Angelica und Medoro bleiben ein glueckliches Paar.
Georg Friedrich Haendel hat diesen „Orlando“ als eine seiner letzten italienischen Opern 1733 in London uraufgefuehrt, mit satirischen Seitenhieben auf die sogenannte „Opera seria“. Es war nicht sein staerkstes Werk und ein ziemlicher Misserfolg.
Der norwegische Regisseur Alexander Mork-Eidem verlegt die barocke Zauberoper um kaempferische Ritter und verliebte Prinzessinnen in einen maechtigen deutschen (Plastik-)Wald. Mittendrin campieren  – neben VW-Bus und Zelt – Angelica und Medoro, werden aber erst von Dorinda (in Friesennerz und Gummistiefeln), dann von Orlando (im kaki-farbenen Outfit)  aufgestoebert. Wildes Sex-Geplaenkel, das erst von Zarathustra beendet wird, der hier als Alt-Hippie mit Zottel-Frisur und Drogen-Pfeifchen das Quartett der liebeserregten Damen beruhigt. Denn sonderbarerweise sind nicht nur Orlando und Medoro – bei Haendel von  Kastraten gesungen  – mit zwei Mezzo-Sopranistinnen besetzt (was musikalisch durchaus als Hosenrolle vertretbar ist), sondern die beiden treten hier auch bewusst als Frauen auf – ein lesbisches Vierer ? 
Aehnlich unscharf wie diese Rollendeutung bleibt die gesamte Inszenierung: gefaellig zwischen Lippenstift und Revolver, aber doch recht flach und ohne zupackenden Biss.
Dabei wird flott musiziert und effektvoll gesungen. Mariselle Martinez (Orlando), Brigitte Geller (Angelica), die etwas blass bleibende Elisabeth Starzinger (Medoro) sowie die flinke Julia Giebel (Dorinda) – alle vier Damen verfuegen ueber angenehme Stimmen und gelaeufige Gurgeln. Kontrastiert vom Bassisten Wolf Matthias Friedrich, einem noch jugendlichen Zarathustra mit lockerer Hippie-Attituede.  Die ihm zugesellte, hinzuerfundene (stumme) Figur eines Dieners oder Assistenten, gespielt vom Schauspieler Bernd Stempel als glatzkoepfige Transe im violetten Mini, muss auf etwas platte Weise das komische Element der Oper vertreten – eine recht klamottige Zutat.

Alessandro De Marchi dirigiert mit Schwung und Sinn fuer dramatischen Ausdruck die engagiert-agierenden Orchester-Musiker, die gelegentlich auch solistisch auf der Buehnenrampe mit den Saengern konzertiern duerfen. Eine schoene Leistung im historischen Klangbild.
Dass die gesamte Produktion ueber eine gewisse unterhaltsame Gefaelligkeit nicht hinauskommt, liegt deshalb weniger an den Saengern und Musikern, als an der Regie.
Was diesem Liebes-Verwirrspiel im Nadelwald fehlt, sind dramaturgische Fantasie, szenisches  Raffinement und satirischer Pfiff:  Flower-Power-Aroma und Retro-Chic der 1970er Jahre allein genuegen nicht.

Foto:Komische Oper Berlin

naechste Vorstellungen: 7./ 13./ 18./ 27. Maerz