Im Sperrmuell erstickt: „Fidelio (1805)“ in der Komischen Oper *

Die dunkle Buehne wird vonn einem riesigen Container beherrscht. Bauarbeiter in leuchtfarbenen Jacken entruempeln das Theater, Lampen werden abmontiert, der rote Samtvorhang abgenommen, blaue Abfallsaecke zu Tuermen gehaeuft und in den Container geworfen. Eine Saengerin im hellen Mantel klammert sich an eine Kostuempuppe…
Eigentlich eine huebsche Idee: ein Theater wird geschlossen, doch die Buehnengeister erwachen noch einmal zu Leben, spielen die Utopie eines fast unmoeglichen Neubeginns, Hoffnung, Traum und Realitaet durchdringen sich.
Doch der Regisseur Benedikt von Peter weiss diese Chance kaum zu nutzen. Stattdessen entfacht er einen theatralischen Dauerwirbel. Immer am bekannten Handlungsfaden entlang,  muellt er mit unzaehligen banalen Gags und faden Einfaellen die Grundidee zu – was bleibt, gleicht einer trashigen Mixtur aus Kostuemplunder, bewusster Schmieren-Klamotte und modisch-aktuellen Theater-Maetzchen. Florestan und Leonore in Rokoko-Anzuegen, eine quirlige Marzelline in beigen Jeans, Vater Rocco als prolliger Vorarbeiter mit Bauhelm und Don Pizarro mal in Lederjacke, mal mit Dreispitz und Trikolore. Alle sind immer gleichzeitig auf der sich langsam zumuellenden Buehne, Handlungslogik und Psychologie bleiben – wir befinden uns ja zwischen Traum und Realitaet! – ausser Kraft, und so beschaeftigt sich jeder mit dem, was dem Regisseur gerade so einfaellt: wenn Don Pizarro einem Soldaten befiehlt, die Ankunkt des Minister durch eine Trompetensignal vom Wachturm aus anzukuendigen, klettert promt ein Musiker mittels einer Leiter in die Proszeniumsloge des 1.Rangs; wenn Marzelline im Hinblick auf die Heirat mit Fidelio von Mutterfreuden singt, stopft sie sich gleich einen dicken Bauch unterm Pullover aus. Florestan kriecht wie in einem Horror-Film unter Muelltueten hervor, Buehnennebel wabbert, Soldaten gleichen trotteligen Zinnfiguren, das Volk traegt Plakate mit („Wir sind das Volk“) und ohne Aufschrift, Reichsadler und DDR-Wappen umher und am Schluss trabt ein echtes Pferd mit Kutsche, in der der Minister altvaeterlich trohnt, quer ueber die Buehne. Frei nach dem Motto: Tiere und Kinder beleben das Theater!
Gespielt wird – wie der Titel sagt – Beethovens „Fidelio“ in der Ur-Fassung von 1805, die u.a. wegen dramaturgischen Ungeschicklichkeiten und ihrer Laenge durchfiel  (heute wird allgemein die revidierte Fassung von 1814 bevorzugt). Ausser dass der Abend sich dadurch auf ueber drei Stunden Spieldauer laengte, hat die Urfassung kaum neue Qualitaeten erkennen lassen – leider auch musikalisch nicht. Zumal Generalmusikdirektor Carl St.Clair nur laut und unflexibel dirigierte – ein Beethoven – entsprechend der szenischen Einrichtung – wie aus Plaste und Elaste.
Von den Saenger der Hauptpartien vermochte nur Will Hartmann als baritonal grundierter Florestan zu ueberzeugen, die Uebrigen erreichten allenfalls das Niveau eines mittleren Stadt-Theaters. (Leonore: Ann Petersen, Rocco: Jens Larsen, Marzelline: Maureen McKay, Don Pizarro: Carsten Wittmoser).
Noch zehrt die Komische Oper von ihrem Ruf als bedeutendes Musiktheater, doch langsam hoehlen lasche Produktionen wie dieser „Fidelio“ das Ansehen des Hauses immer mehr aus:  der neue Intendant muss sich einiges einfallen lassen.

Foto: Komische Oper