Aufgeplusterte Show : „La Perichole“ in der Komischen Oper **

„La Perichole“ ist sicherlich nicht das staerkste Werk von Jacques Offenbach – auch wenn die Musik nach wie vor elegant und spritzig wirkt. Aber die Geschichte von der armen Strassen-Saengerin im Peru des 18.Jahrhunderts, die zur Maetraesse des boese-vertrottelten Koenigs aufsteigt und trotzdem ihren geliebten Kollegen Piquillo durch einen Trick zum Ehemann bekommt, ist ebenso verzwickt wie duenn. Zumal wenn fuer die Titelrolle kein Super-Star zur Verfuegung steht (wie etwa Dagmar Manzel im BE), der durch seine Persoenlichkeit die quirlig-verquaelte Story herausreissen koennte.
Die Komische Oper setzt deshalb auf den hochgeschaetzten Schauspiel-Regisseur Nicolas Stemann und dessen Begabung, aus scheinbar unspielbaren Texten theatralisch-intelligente Funken zu schlagen (wie zum Beispiel in der gerade zum Theatertreffen eingeladene Jellinek-Produktion „Das Geld des Kaufmanns“). Leider erfuellt sich die Erwartung kaum: dafuer stopft Stemann das satirisch unterfuetterte Werk mit Ideen und Einfaellen so voll und zu, dass am Ende nur ein auf der Stelle rotierender „Kessel Buntes“ uebrig bleibt. Nervige Moderatoren und dauer-laechelnde Girls parodieren alberne TV-Shows, eine Perichole in ueppiger Glitzer-Robe und vor einer Wandkulisse, die den Neo-Barock des Zuscherraums der Komischen Oper imitiert, ironisieren die falsche Operetten-Seligkeit, ein Schauspieler mit roter Fahne und alt-sozialistischem Gedankengut verhohnepiepelt politisches Thesen-Theater und auch Offenbach kommt nicht ganz ungeschoren davon, wenn seine Musik immer wieder mit Richard Wagners „Tristan“-Vorspiel konterkarriert wird. Dazu viele Peruecken, Strass-Klamotten, ein Koenig in Lack und Leder, bunte Gluehlaempchen und kreiselnde Scheinwerfer sowie endlos sich wiederholende Running-Gags: wie beispielsweise die Wuensche der Moderatoren ans Publikum vor fast jeder Gesangs-Nummer: „Viel Vergnuegen“!
Es gibt auch ein paar gute Einfaelle – der verblueffende Beginn des Abends mit dem Tristan-Vorspiel und der leeren Buehne im magischen Gegenlicht oder der Schluss, wenn die zunaechst Erschossenen sich wieder erheben und ein zynisch-froehlischen Operetten-Ende feiern. Doch diese theatralisch-klugen Momente versinken rasch in der langen und auch langweilenden, pseudo-kritisch aufgemotzten Operetten-Show.
Grosser Lichtblick des Abends sind das Orchester und sein Dirigent Markus Poschner. Sie spielen Offenbach so temperamentgeladen und schwungvoll, so elegant und mitreissend wie man das nur selten in Berlin hoert. Der Chor (in haesslich-grauen Jogging-Klamotten) steigert sich: nach zu lautem Beginn mausert er sich  zum lebhaft mitspielenden und frischklingenden Ensemble. Roger Smeets spielt mit Verve den fies-doofen Koenig und erweist sich dabei als Vollblut-Komoediant – eine flotte Knallcharge, die kaum zufaellig an den beruehmten Bobeche aus Felsensteins „Ritter Blaubart“ erinnert. Mit kraeftigem Tenor und beweglichem Spiel zeichnet Johannes Chumm den eifersuechtigen Liebhaber Piquillo, wahrend Karolina Gumos als Perichole zwar gefaellig singt und immer gute Figur macht – jedoch ohne jeden Pepp.
Waere nicht Offenbach’s prickelnde Musik – ware es ein verschenkter Abend.