In flachen Gewässern: “ Das Rheingold“ in der Staatsoper im Schillertheater ***

Auftakt zu einem neuen „Ring“-Zyklus, dem zweiten der Staatsoper unter der musikalischen Leitung von Daniel Barenboim. Diesmal in Koproduktion mit der Mailänder Scala. Für die Regie wurde der (opern-unerfahrene) Leiter des Antwepener Toneelhuis gewonnen :Guy Cassiers. Angekündigt wurde eine moderne High-Tec-Inszenierung von Wagners Werk.

Die dunkle Bühne des Schillertheaters wird in der Tiefe durch eine riesige Relief-Wand verschlungener Menschen-Körper begrenzt, sie enthüllt sich als solche jedoch erst am Schluss, wenn die Götter in diese Burg Walhall einziehen. Zuvor werden Video-Bilder, die sich ständig verändern oder ineianderfliessen,  auf diese Wand projeziert: mal abstrakte Muster, die an aufsteigenden Rauch, an Feuersäulen oder Wasserspiegelungen erinnern, mal zeigen sich weite, Grand-Canyon-artige Landschaften, osszilierend in grünlichem oder silbrigem Licht.
Der Bühnenboden davor ist mit flachen Wasserbecken bestückt, in denen nicht nur die Rheintöchter, sondern auch das übrige Personal reichlich planschen oder spritzen – was, raffiniert beleuchtet, manch zauberhaften Effekt bewirkt.
Die bekannte Fabel vom Goldraub durch den Zwerg Alberich und wie Wotan den daraus geschmiedeten Ring durch List und Vertragsbruch an sich bringt, wird in Cassiers Leseart ganz schlicht und textbuch-treu nacherzählt, wobei die Bühnen-Zaubertricks zugleich immer offengelegt werden: so agieren beispielsweise die Sänger der beiden Riesen (Timo Riihonen und -bassgewaltig- Kwangchul Youn) in schlichten schwarzen Anzügen auf der Vorderbühne, während sie auf der Rückwand (durch zwei Doubles) als hünenhaften Schatten in Erscheinung treten.
Alles schöne Theatereffekte, wenn auch neue Einsichten in Wagners Drama dadurch kaum vermittelt werden.
Leider hat Regisseur Cassiers ausserdem den – wie sich schnell zeigt – unsinnigen Einfall, zu all dem technisch aufwendigen Wasser- und Video-Gefunkel auch noch neun Tänzer der belgischen „Eastman Company“ einzubeziehen. Sie hüpfen und schlängeln sich mal als stumme Doppelgänger der Götter oder Zwerge durchs Geschehen, mal müssen sie als Körper-Skulptur den Tarnhelm, die Riesen-Schlange oder die Kröte symbolisch darstellen (Choreographie: Sidi Larbi Cherkaoui).
Ein ziemlich wirres Gewusel auf der Bühne entsteht, das die Geschichte vom Rheingold unübersichtlicher macht als sie ist, und dem Abend einen unschönen, ebenso überflüssigen wie kunstgewerblichen Anstrich verpasst.
Ein Glück, dass Daniel Barenboim und seine Staatskapelle (wenn auch mit einigen Blech-Kiecksern!) sehr souverän all die unterschiedlichen, szenischen Ideen und Bilder durch kraftvolles, klangsattes und dramatisches Spiel zusammenhalten – durch sie gewinnt der Abend erst Interesse und Format.
Von den Sängern überzeugen – auch in ihrem sehr beweglichen Spiel – vor allem der Alberich des Johannes Martin Kränzle, der mehr lyrische Loge des Stephan Rügamer, die energische Fricka von Ekaterina Gubanowa sowie ein stimmkräftiges Rheintöchter-Trio. Dagegen scheint Hanno Müller-Brachmann als Wotan an die Grenzen seiner Möglichkeiten zu stossen.
Ein uneinheitlicher und deshalb problematischer Auftakt des neuen Rings. Dieser (laut Libretto) zaubergewaltige Goldreif präsentiert sich hier als glitzender Diamant-Handschuh wie Michael Jackson ihn einst show-tauglich machte: Wagners Wotan als zeitgenössischer Popstar ?

Foto: Monika Rittershaus/Staatsoper im Schillertheater