Das Stottern des Adels: ‚The King’s Speech‘ von Tom Hooper ****

Prinz Albert, genannt Bertie, der zweite Sohn von George V., muss 1925 im Londoner Wembley- Stadion die offizielle Abschlussrede der „Empire Exhibition“ halten – erstmals vom neuen Rundfunk der BBC weltweit übertragen: es wird eine Kathastrophe – denn der Königssohn entpuppt sich als Stotterer. In den folgenden Jahren unternimmt die königliche Familie die unterschiedlichsten Versuche, dem Übel abzuhelfen – mit wenig Erfolg. Bis man auf Mr. Logue trifft, einen gescheiterten, australischen Schauspieler, der mit einer neuen Methode die prinzliche Schwäche zu lindern verspricht.  Sein Trick:  neben den technischen Übungen wie Atmen und Artikulieren,  Albert aus seiner Standes-Verkapselung zu lösen, Vertrauen zwischen dem Adligen und dem Mann aus dem Volk aufzubauen, um dadurch vor allem  das Selbstvertrauen Alberts in seine sprachlichen Möglichkeiten zu stärken, denn – so Mr.Logue’s These – niemand wird als Stotterer geboren. Ganz langsam entwickelt der Prinz ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Sprachlehrer, ganz langsam bessert sich sein Sprechvermögen. Es gibt einige Rückfälle – durch das unkontrollierte, emotionale Aufbrausen des Prinzen ausgelöst – aber als Albert wegen des Thronverzichtes seines Bruders Edward unerwartet als George VI. zum König gekrönt wird, und seine öffentlichen Auftritte sich zwangläufig häufen, wird Mr.Logue oder ‚Lionel‘ wie er sich vom König anreden lässt (und er  im Gegenzug den König ‚Bertie‘ nennt), zum ständigen Begleiter des Herrschers. Höhepunkt ist die Ansprache anlässlich Englands Eintritt in den 2.Weltkrieg: The King’s Speech wird zum grossen emotionalen Momment, der die Briten im Widerstand gegen Hitler einigt.
Der englische TV-Regisseur Tom Hooper hat die historischen Ereignisse filmisch gestrafft und dramatisch zugespitzt. Er legt den Figuren hübsch pointierte Dialoge in den Mund und erzählt im Übrigen die Freundschaftsgeschichte zwischen König und Sprachlehrer zwar konventionell, aber sehr anrührend. Intime Details aus der Royal Family mischen sich mit geschichtlichen Ereignissen aus Englands glorreichen Tagen, Pomp mit Pathos und Understatement. Dazu eine leichte britische Ironie, die sich schon in der Kameraführung mit ihren diskreten Verzerrungen, Unter- oder Obersichten ausdrückt. Doch seine Vitalität verdankt der Film in erster Linie dem vorzüglich ausgewählten Darsteller-Ensemble: allen voran der grossartige Colin Firth als stotternder König, eine sprachlich wie mimisch hinreissende Leistung. Aber auch seine Gegen- und Mitspieler agieren vortrefflich: Geoffrey Rush als der ebenso gewitzte wie kluge Sprach- und Menschen-Erzieher Lionel Logue oder Helena Bonham-Carter als patente und schlagfertige Königin Elizabeth (die spätere ‚Queen Mum‘). Die prachtvollen Schlösser und Räume der königlichen Familie bilden den pomösen (digtal einkopierten)  Rahmen, und – kleine Ironie am Rande – klassische deutsche Musik sorgt für den emotional anheizenden Sound während George’s grosser Rundfunk-Rede zum Kriegsbeginn.
‚The King’s Speech‘ – ein wahrhaft königliches (Film-)Vergnügen.

Poster/ Foto: Senator Filmverleih

zu sehen: ua.CineStar Sony Center (OV); Filmkunst 66 (OmU); Hackesche Höfe (OmU); Odeon (OmU); Kino in der Kulturbrauerei (OmU); Adria; Cinema Paris; CinemaxX Potsdamer Platz; Cubix; Filmtheater am Friedrichshain;International; Passage Neukölln; Colosseum; Yorck