Düsteres Spektakel: ‚Les Troyens‘ in der Deutschen Oper ***

Nur ganz grosse Opernhäuser können sich Inszenierungen von Hector Berlioz‘ monumentalem Musikdrama leisten: zu anspruchsvoll sind die Anforderungen an alle Beteiligten, an Sänger, Musiker, Ausstatter und Technik. Auch in Berlin wurde  – laut der Programmbeilage -  das Werk bisher nur ein einziges Mal aufgeführt: 1930 in der damaligen Staatsoper.  Jetzt hat sich der neue Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Donald Runnicles dieser fünfaktigen ‚Grand Opera‘ mit grossem Erfolg angenommen – zumindest, was die musikalische Seite betrifft. Er kostet die riesige Partitur um den Untergang Trojas und die Flucht des Helden Äneas nach Karthago und Rom  voll und mit viel Fingerspitzengefühle aus:  er lässt die Militär- und Triumph-Märsche donnern, heizt das dramatische Feuer in Troja kräftig an, verleiht den Meeres-Wellen am lieblichen Strand von Karthago lyrischen Schimmer, steigert den Liebestaumel von Äneas und Dido ins Rauschhafte – klangschön vom Orchester unterstützt. Vorzüglich auch die Koordination mit den gewaltigen, auf der Bühne hin und herflutenden Chormassen (fabelhaft einstudiert von William Spaulding) und dem gut ausgesuchten Sänger-Ensemble, das bis auf die drei Hauptpartien, aus vorzüglichen Kräften des Hauses besteht. International – und deshalb entsprechend der jeweiligen Aufführungsserie unterschiedlich – besetzt sind die Rollen der Kassandra, die entsetzt den Untergang Trojas voraussieht und sich selbst tötet, bevor sie den griechischen Soldaten in die Hände fällt  (in diesem März : mit schönem Mezzo Anna Caterina Antonacci) sowie die Rolle der karthagischen Königin Dido, die sich in Äneas verliebt, aber nach seiner Ab- und Weiterfahrt den Scheiterhaufen betritt (sich  äusserst dramatisch steigernd: Daniella Barcellona). Als stimmgewaltiger Äneas präsentierte sich (bisher in allen Vorstellungen) der Brite Ian Storey – mit kraftvollen Spitzentönen, aber einer unausgeglichenen, unflexiblen Mittellage. Kurz : eine hörenswerte, überzeugende musikalische Leistung der Deutschen Oper.
Schwachpunkt dagegen ist die Inszenierung von David Pountney, dem derzeitigen Intendanten der Bregenzer Festspiele. Ein paar effektvolle Tableaus, einige Ideen wie die geschickte, optische Verklammerung des Todes von Kassandra und Dido – jeweils im Mittelpunkt eines senkrecht sich aufstellenden Gitter-Rings – und hinter der umsinkenden Dido erscheint dann am Ende Kassandras Gestalt. Ansonsten stehen die Sänger meist herum, Schleier-Vorhänge öffnen und schliessen sich, rauschen hoch und nieder und eine 14-köpfige Tanz-Truppe exekutiert Aerobic bis zur Lächerlichkeit. Ein auch in den Kostümen ziemlich fad und lieblos ausgefallenes Antiken-Drama, rot-schwarz in den Troja-Akten, lindgrün-hellgelb in Karthago.
Schade, dass die effektvolle Darstellung der Musik so gar keine ansprechende, szenische Interpretation findet.

Foto: Matthias Horn/ Deutsche Oper   Premiere: 05.12.2010

nächste Vorstellungen: 11. und 20.März 2011