Düsteres Biopic: ‚J.Edgar‘ von Clint Eastwood **

John Edgar Hoover war Gründer und -  von 1924 bis zu seinem Tod 1972 -  Chef des amerikanischen FBI : einer der mächtigsten Männer seiner Zeit. Ein patriotischer Konservativer, der stets die Tugenden des ‚alten Amerika‘ beschwor und dessen Hass sich einerseits gegen Verbrecher oder solche, die er dafür hielt, richtete, andererseits gegen linke Politiker und Denker. Ihrer Verfolgung galt sein ganzer Ehrgeiz und dafür baute er das FBI unter Einbeziehung jeweils neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu einer hocheffektiven und allmächtigen (Polizei- und Spionage-)Behörde aus. Berüchtigt war seine Sammlung von Geheim-Informationen über fast jede bedeutende Persönlichkeit der USA, einschliesslich der jeweiligen Staats-Präsidenten und ihrer Clans.
Zu Beginn des Films, in dem Regisseur Clint Eastwood sich mit dieser zwiespältigen Figur der jüngeren amerikanischen Geschichte auseinandersetzt, diktiert der alte Hoover seine Memoiren einem jungen Sekretär in die Maschine – eine eitle, oft stark geschönte Darstellung der Wahrheit, wie sich am Film-Ende in einer kurzen Dialogszene erweist. In verschachtelten,  nicht-chronologischen Rückblenden werden die Etapen seiner beruflichen Tätigkeit als düster-farbige Bildsequenzen erzählt: die Aufstände kommunistischer Radikaler zu Beginn der 1920er Jahre, die Entführung des Lindbergh-Babys, die Jagd auf John Dillinger, die Bespitzelung der Roosevelts, der Mord an den Kennedys wie auch der tödliche Schuss auf Martin Luther King, ein politischer Kämpfer, den Hoover ebenso verachtete wie seinen letzten Präsidenten, Richard Nixon.
Hoovers Eitelkeit und Ehrgeiz, seine paranoiden Züge und das rücksichtslos-brutale Auspielen seiner Macht sucht Eastwood durch sein Privatleben zu erklären. In (erfundenen) Szenen schildert er, wie die bigotte Mutter (Judie Dench) ihren Sohn vor einem ‚unnatürlichen Verhalten‘ warnt, wie Hoover seine Homosexualität riguros unterdrückt und seinem lebenslangen Freund und Mitarbeiter Clyde Tolson (Armie Hammer) keinerlei körperlich-intime Nähe gestattet – trotz täglich gemeinsamer Dinners oder gelegentlicher Urlaubsausflüge.
Doch so richtig kommt der Film nicht in Fahrt: die historischen Ereignisse werden kurz und routiniert durchgespielt, die Szenen des Privatlebens sind dick aufgetragen, zu lang geraten und leicht rührselig – unterlegt von kitschigen Hollywood-Geigen. Zwar gelingen Eastwood immer wieder kluge Passagen, in denen er Befindlichkeiten des heutigen Amerika in dessen Vergangenheit kritisch spiegelt und zur Diskussion stellt, aber solche Momente gewinnen in der Fülle der nachgestellten, historischen und in den düsteren, privaten Bildern keine Stringenz. Eine handwerklich-professionelle Oberflächlichkeit bestimmt weite Teile des Films.
Herausragend jedoch ist die schauspielerische Leistung Leonardo di Caprio’s als J.Edgar.  Seine vitale Präsenz beherrscht diesen historischen Bilderbogen von Angang bis zum Ende, er allein vermag auch noch in der (stark aufgeschminkten) Alters-Maske glaubwürdig und überzeugend zu agieren. (Eine Nominierung für den diesjährigen Oscar scheint sicher).  Neben ihm schrumpfen allen anderen Darstellern zu blassen Nebenfiguren.
Eine wenig ergiebige Filmbiographie – trotz des eindrucksvollen Leonardo di Caprio.

Foto/ Poster: Warner Brothers GmbH

zu sehen: CineStar im Sony Center (OV); Babylon Kreuzberg (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Cubix am Alex; Titania Palast; Kulturbrauerei; Colosseum, u.a.