Wohliger Wahnsinn: ‚Lucia di Lammermoore‘ im Staatstheater Cottbus ****

„Semiszenische Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln“ – so die Ankündigung zur ersten Inszenierung von Gaetano Donizettis Oper im Cottbusser Grossen Haus. Das soll heissen: ohne aufwendige
Ausstattung und ohne teuer eingekaufte Sänger-Stars. Statt dessen: attraktives Ensemble-Theater, das das heimische Publikum anspricht. Und wenn die musikalischen Anforderungen
dieser Belcanto-Oper von 1835 sehr hoch sind:  die Cottbusser Künstler meistern ihre Aufgabe
mit Bravour und werden am Schluss mit herzlichem, langanhaltendem Beifall belohnt.
Der junge Regisseur Hauke Tesch arrangiert die traurige Geschichte aus dem neblig-finsteren Schottland   – in der die junge Lucia di Lammermoor durch ihren bösen Bruder von ihrem Geliebten Edgardo getrennt wird und daraufhin im Wahnsinn endet  -  auf einer abstrakten,
dunklen Einheitsbühne, in der ein paar wuchtig-quadratische Säulen und wechselnde Beleutung
den jeweiligen Ort der Handlung knapp andeuten. Die Hauptfiguren zeigen durch präzise Gesten und charakterisierende Bewegungen das äussere Geschehen und ihre inneren Befindlichkeiten, während die Nebendarsteller und der Chor in eher dekorativer Haltung verharren. Dank dieser genauen, aber unaufwendigen Regie konzentriert sich alles auf die Musik.
Der noch sehr junge Chefdirigent Even Christ ist der vitale und anfeuernde Mittelpunk, von dem die musikalischen Energien ausstrahlen: auf das temporeich und flexibel spielende Orchester, auf den wohlklingenden, meist im Hintergrund agierenden, kleinen Chor und vor allem auf die hochengagierten Solisten, an deren Spitze eine überzeugende Cornelia Zink in der anspruchsvollen Titelpartie der Lucia steht. Keine dramatische Tigerin, auch kein bunter Zwitscher-Vogel, sondern ein junges, zunächst verliebtes Mädchen, am Ende eine gebrochene, in ihrer Verwirrtheit
mordende Frau, die mit perlender Koloratur und tonschön ausgesungenen Melodienbögen
tötlich zusammenbricht. Als ihr Geliebter Edgardo setzt Jens Klaus Wilde auf romantisch
gefärbte Lyrismen, während Jacek Strauch den intriganten Bruder Lucias durch einen kraftvoll-gefährlichen Bass-Bariton charakterisiert. Die Nebenrollen sind solide besetzt, bleiben aber –
auch rollenbedingt – etwas blass.
Ein grosser Abend für ein mittleres Haus wie Cottbus und ein eindrucksvoller Beweis für die Leistungs-Möglichkeit des dortigen Theaters.

Foto: Staatstheater Cottbus

nächste Aufführungen: 2./18.Mai/ 24.Juni 2012