Geschmäcklerisch: ‚Holy Motors‘ von Leos Carax***

Eine weisse Stretchlimosine gleitet sanft durch Paris. Darin ein Mann namens Oscar (Denis Lavant), den die elegante, ältere Fahrerin (und wohl auch Sekretärin) Celine (Edith Scob) immer wieder an seine einzelnen Termine erinnert. Jedesmal wenn das Auto-Monster hält, entsteigt ihm Oscar in anderer Verkleidung: mal als osteuropäische(?) Bettlerin, mal im schwarzen Gummi-Anzug mit Leucht-Reflektoren, mal als halbwildes ‚Phanton der Oper‘, das auf einem pompösen, alten Friedhof ein posierendes Foto-Model (Eva Mendes) entführt und in düstere Katakomben schleppt, mal als Auftragskiller mit Glatze, der seinem Opfer dann die eigene Identität anschminkt, mal als besorgter Papa, der die schüchtern wirkende, halbwüchsige Tochter von einer Party abholt. Spät am Abend trifft er – ebenfalls in einer weissen Stretchlimosine – eine ehemalige Freundin (oder ist es eine Arbeits-Kollegin ?) (Kylie Minogue), steigt mit ihr auf die Dachterasse des vergammelten Kaufhauses ‚Samaritaine‘, von der sich nach der Verabschiedung die junge Frau -  jetzt im Kostüm einer Stewardesse -  herunterstürzt.
Eine bizarr-fantastische Reise durch ein seltsam schillerndes Paris zwischen Realität und Phantasie, ein rätselvolles Bilder-Puzzle aus Gangster- und Fantasy-Film, aus Melodram und Musical. Raffiniert mit gleitenden Kamerabewegungen in Szene gesetzt, extravagant in seiner betont unlogisch erscheinenden Dramaturgie. So betritt im Prolog ein Mann von seinem (an einem Flughafen gelegenen?) Schlafzimmer aus durch eine Tapetentür den Rang-Balkon eines grossen, altmodischen Kinosaals, in welchem eine starr wirkende Menschenmenge eine (historische) Stummfilm-Bewegungsstudie betrachtet. Und im Epilog fahren Dutzende von Stretchlimosinen in die filmtitelgebende Riesen-Garage „Holy Motors“ und diskutieren mit blinkenden Rotlichtern darüber, dass sich ihr Modell, also ihr Dasein wohl überlebt hat. (Anspielung auf die Entwicklung der immer kleiner werdenden Film-Kameras?)
Eine wilde Mischung aus Kitsch und Kunst, Eleganz und Esoterik, die dank ihrer zahlreichen Zitate und Anspielungen auf die (vorwiegend) französische Film- und Literatur-Geschichte vor allem Cineasten anspricht. Wer dafür keinen Sinn hat, oder wer sich in der Kino-Vergangenheit nicht so detailiert auskennt, den dürfte diese abstrus-wuchernde, aufwendige Paris-Fantasie ziemlich langweilen.
Trotz der vielen effektvollen, szenischen Einfällen und der bildlichen Raffinesse:  nur für Liebhaber!

Foto/Poster: Arsenal Filmverleih

zu sehen: Hackesche Höfe Kino (OmU); CinemaxX Potsdamer Platz; Eiszeit; Filmtheater am Friedrichshain; Kant-Kino; Kino in der Kulturbrauerei; Neues Off